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Kundgebungen zum 135. Geburtstag von Ernst Thälmann

Anlässlich des 135. Geburtstages von Ernst Thälmann fanden am 17. und 18. April 2021 Kundgebungen am Ernst-Thälmann-Denkmal in Berlin sowie vor dem Gelände der geschändeten und zerstörten Ernst-Thälmann-Gedenkstätte in Ziegenhals statt.

Auf der Kundgebung am 17. April in Berlin sprach Hans Bauer, Vorsitzender der Gesellschaft zur Rechtlichen und Humanitären Unterstützung (GRH) e.V. und Beiratsmitglied des Deutschen Freidenker-Verbandes. Der Hauptredner auf der Kundgebung am 18. April in Ziegenhals war Egon Krenz, ehemaliger Vorsitzender des Staatsrates der DDR.

Wir dokumentieren hier beide Reden und veröffentlichen einige Bilder von den Veranstaltungen.

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Rede von Hans Bauer
Galerie, Berlin, 17.04.2021
Rede von Egon Krenz
Galerie, Ziegenhals, 18.04.2021


Aktionseinheit gegen Faschismus und Krieg – wichtigste Lehre im Thälmannschen Sinne

Rede von Hans Bauer auf der Kundgebung am Ernst-Thälmann-Denkmal in Berlin am 17. April 2021

 

Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Thälmann-Freundinnen und -Freunde.

Es ist mir eine Ehre, heute hier sprechen zu dürfen. Und das sogar vor einem gereinigten Denkmal, wofür wir besonders unseren Genossinnen und Genossen danken, die sich dafür eingesetzt haben.

Wir haben uns hier versammelt, um des 135. Geburtstages von Ernst Thälmann zu gedenken. Wir gedenken des populären Arbeiterführers, des Kommunisten und des antifaschistischen Widerstandskämpfers, der im August 1944 auf höchstem Befehl im KZ Buchenwald ermordet wurde.

Dieses Denkmal hier ist ein herausragendes Symbol des antifaschistischen Widerstandes. Aber auch der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft. Es wurde von Lew Kerbel gestaltet, Ausdruck des hohen Stellenwertes des Antifaschismus in der DDR und der Verbundenheit mit der Sowjetunion.

Antifaschismus war hier nicht nur Staatsdoktrin, in der sozialistischen Verfassung von 1968 verankert. Antifaschismus gehörte in der DDR zum Alltagsleben.

„Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg, Ausrottung des Faschismus mit seinen Wurzeln“, das war der Buchenwald-Schwur. Das war in der DDR Teil des Fühlens, Denkens, Handelns vieler Menschen. Und es war praktische Staatspolitik.

Denkmäler in allen Regionen unseres Landes, Straßen, Plätze, Kollektive, Schulklassen, zivile und militärische Einrichtungen, sie alle erinnerten mit Namen an Antifaschisten, auch an Ernst Thälmann.

Errichtet wurden sie als geschichtliche Zeugen, wie auch dieses Denkmal. Errichtet am Rande eines modernen Wohngebietes mit Park, stets gepflegt. Ich erinnere mich persönlich noch an seine Einweihung im Jahre 1986.

All diese Ehrenorte waren Mahnung und zugleich Verpflichtung.

Und heute?

Die Gedenkstätte in Ziegenhals wurde nach der Annektion der DDR geschleift.

Das Thälmann-Denkmal hier war zu schwergewichtig. Versuche, es auch zu schleifen, hat es genügend gegeben. Von Antikommunisten, wild gewordenen Kleinbürgern und Reaktionären. Zwei Stelen, die zum Denkmal gehören, wurden entfernt. Zu politisch, instrumentalisiert, wie es hieß. Bis heute wird aber weiter versucht, diesen Erinnerungsort zu entwürdigen. Ungepflegt und besudelt stellt es sich zumeist dar.

Ernst Thälmann aber bleibt standhaft.

Erst auf mehrfache Anfrage kamen Antwort und Ankündigung des zuständigen Linken Bürgermeisters: Umgestaltung des Platzes mit Kommentierung ist vorgesehen. Also Umwidmung. Wir kennen ihre Methoden: Relativierung des antifaschistischen Widerstandes, besonders des kommunistischen, Verunglimpfung der Opfer des Faschismus, Verschweigen und Verdrehen historischer Tatsachen.

Dagegen ist unser Widerstand notwendig, so wie gegen weitere Versuche der Umbenennung von Straßen und Plätzen, von denen es noch sehr viele gibt. Wohl allein mit dem Namen Thälmanns um die 600, natürlich in der DDR.

Wie man die DDR entsorgt, zeigte das jüngste Beispiel in Halle. Der Name Sigmund Jähn war nicht würdig genug, um das Planetarium nach ihm zu nennen. Zu sehr mit der DDR verbunden.

Was für eine Geschichtslüge, Heute!

Die BRD gebärdet sich als „Aufarbeiter“ der Vergangenheit. Deutscher Geschichte. Ihre braune Spur verschleiert sie durch Klitterung und Lüge. Vom Faschismus wird ohnehin kaum gesprochen. Vom Nationalsozialismus ist die Rede, um den Sozialismus zu verunglimpfen. Selbst das Wort Neo-Faschismus ist eigentlich falsch; es ist kein neuer Faschismus, es ist der alte Faschismus , nur moderner, mit neuen Methoden, neuem Erscheinungsbild.

Welche Heuchelei der heute Herrschenden.

An der Wiege der BRD standen hochrangige faschistische Verbrecher: Globke, Speidel, Oberländer, Heusinger, Lübke, Filbinger  … Jetzt konnten wir anlässlich des 60. Jahrestages des Eichmann-Prozesses lesen, dass der  wichtigste Komplize von Eichmann, der Gestapo-Chef von Wien, Huber, viele Jahre BND-Spion war und bis zum Tode 1975 unbehelligt in München lebte. Mit Sicherheit mit einer guten Beamten-Pension.

Ja, die Saat ist aufgegangen, Die giftigen Früchte dürfen wir weiter „genießen“. Eine  Antifaschismusklausel hat das GG nicht. Das BVerfG bescheinigt der faschistischen NPD vor Jahren Verfassungsfeindlichkeit, aber keine Gefährlichkeit. Deshalb erfolgte kein Verbot.

Der deutsche Außenminister Westerwelle besuchte den Maidan während des faschistischen Putsches. Bundesdeutsche Politiker bis in die höchsten Ämter relativieren die Verbrechen des Faschismus, Verfälschen Kriegsursachen und Kriegsfolgen.

Um von eigenen Verbrechen abzulenken, unterstellen sie der DDR Menschenrechtsverletzungen und alle möglichen Verbrechen. Deutsche Hassprediger äußern sich zumeist geschmeidiger, raffinierter; ihre Worte sind aber nicht weniger gefährlich. Auch ihren Worten folgen Taten. Ermutigen zu Taten.

Rechtes Gedankengut ist unverändert bis in den Machtzentren des Staates präsent: Polizei, KSK, Bundeswehr, Verfassungsschutz.

Unglaublich, der VS, von Faschisten geprägt, beobachtet heute antifaschistische Organisationen.

Keine Einzelfälle; es hat System. Ja, weil es diesem System innewohnt, dem System immanent ist.

Ich denke, liebe Freunde, der Kampf gegen den Faschismus ist eine erste Verpflichtung, die sich aus Thälmanns Vermächtnis ergibt.

Liebe GenossInnen und FreundInnen!

Und es gibt besonders heute eine zweite Verpflichtung.

Untrennbar mit dem Gedenken an Thälmann verbunden ist das Verhältnis Deutschlands zu Russland. Für Ernst Thälmann war die Sowjetunion als erstes Land auf dem Wege zum Sozialismus Vorbild und Kompass für den Kampf der deutschen Arbeiterklasse und der KPD. Freundschaft und Verbundenheit mit der SU waren dabei für ihn vor allem Garanten für Frieden in Europa. Das lehrte die Geschichte.

In der DDR wurde in diesem Sinne der Sowjetunion tiefe Dankbarkeit als Befreierin vom Faschismus bekundet. Sie hatte die größte Last in der Antihitlerkoalition getragen und mit 27 Mio. Toten und einem verwüsteten Land die meisten Opfer zu beklagen. Der erfolgreiche sozialistische Aufbau der DDR war untrennbar mit der UdSSR verbunden. International hatte die Sowjetunion durch unzählige Friedensinitiativen entscheidenden Anteil daran, dass über Jahrzehnte Frieden herrschte.

Die DDR war dabei engster Verbündeter; für die Mehrheit der Bevölkerung war sie der „große Bruder“.

In der Bundesrepublik wurde auch hier eine gefährliche Traditionslinie fortgesetzt. „Befreiung der Ostgebiete“, „Kampf gegen den Bolschewismus“ wurden zur Staatspolitik unter Adenauer. Kein Wunder, die alte BRD betrachtete sich als Fortsetzung des Deutschen Reiches und setzte in weiten Bereichen dessen Politik fort. Bei allem Auf und Ab der Beziehungen BRD-SU, wirkliche friedliche und freundschaftliche Beziehungen strebte die BRD nie an.

Als die BRD durch Gorbatschows Verrat die Annektion der DDR  betrieb, täuschte sie – Beute witternd – freundschaftliche Beziehungen zur UdSSR/Russland vor. Wie ernst es ihr tatsächlich war und ist, erlebten wir spätestens mit dem neuen Selbstbewusstsein Russlands unter ihrem Präsidenten Wladimir Putin. Heute haben die Beziehungen nicht nur einen Tiefpunkt erreicht, sie bewegen sich sogar – und das im 80. Jahr des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion – am Rande eines Krieges. Fast täglich spitzt sich die Lage zu. Die Ukraine marschiert an der Grenze auf, fordert NATO-Beistand und droht Russland mit einem Krieg und mit dem Bau eigener Kernwaffen. Und Deutschland unterstützt diese aggressive Politik.

Das nun staatlich vereinte Deutschland hat international jedes Maß verloren. Nicht Frieden geht seit 1990 von Deutschland aus, sondern aggressives Verhalten gegenüber anderen Völkern. An der Seite der USA möchte es in der Welt eine Führungsrolle einnehmen. Arrogant drückt es anderen Völkern seine Wertvorstellungen auf, beteiligte sich an Kriegen, rüstet auf und schickt deutsche Soldaten in gegenwärtig 13 Länder der Welt. Die weitere ständige Anwesenheit US-amerikanischer Truppen in Büchel mit Atomwaffen und in Ramstein scheint selbstverständlich zu sein.

Und die Aufstockung der über 30 000 US-Soldaten um weitere 500 wird von den deutschen Politikern noch begrüßt.

Gegenüber Russland bleibt Deutschland im Bunde mit anderen Imperialisten seiner feindseligen, ja feindlichen Politik treu. Vorschläge Putins, so bereits mehrfach nach  einem Europa von Wladiwostok bis Lissabon, blieben unbeachtet. Deutschland spielt eine zentrale Rolle beim Aufmarsch von NATO-Truppen an Russlands Grenzen. Mit der bevorstehenden Übung Europe Defense 2021 sollen bis zu 40 000 NATO-Soldaten mit militärischem Gerät die Russische Föderation bedrohen.

Täglich erleben wir, wie die imperialistische BRD verbal, ökonomisch und militärisch gemeinsam mit NATO und EU gegen Russland aufrüstet. Das Land und Einzelpersonen werden mit Sanktionen belegt, Diplomaten ausgewiesen, Wirtschaftsbeziehungen erschwert bzw. verhindert. Es gibt nichts Böses, was Putins Russland nicht unterstellt wird. Gefälschte Nachrichten werden in die Welt gesetzt, Wahrheiten verschwiegen, Völkerrechtstatsachen unterschlagen. Eine gewaltige Manipulation durch Politik und abhängige Medien verdummt hierzulande die Menschen. Die Corona-Pandemie kommt dabei gerade recht.

Im Zusammenhang mit der Krim, den neuen Republiken Donezk und Lugansk, Syrien, Navalny und Weiterem werden Verbrechen Russlands behauptet. Sachfragen und Prinzipien des Internationalen Rechts, wie  Volkssouveränität, legitimer Beistands auf Bitten einer rechtmäßigen Regierung,  juristische Beweisführung, Rechtshilfe zwischen Staaten, vor allem aber das Prinzip der Nichteinmischung  in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten, bleiben gewollt unbeachtet, obwohl es die Verantwortlichen besser wissen, wie der deutsche Außenminister, ein Spitzenjurist der BRD.

Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung ist gegen weitere Militarisierung Deutschlands und gegen Feindschaft gegen Russland. Nicht nur ehemalige DDR-Bürger empfinden es als Beleidigung ihrer Gefühle, wie hierzulande mit Russland umgegangen wird. Besonders  empört uns und viele unserer Verbündeten in den alten Bundesländern, dass auch das DDR-Territorium als Aufmarschgebiet missbraucht wird. Nach wie vor ist hier die Verbundenheit zu Russland und den anderen ehemaligen Völkern der Sowjetunion tief verwurzelt. Diese Verbundenheit lassen wir uns nicht nehmen.

GenossInnen und FreundInnen!

Wir üben feste Solidarität mit der Russischen Föderation und ihrem Präsidenten. Wir fordern auch von dieser Gedenkveranstaltung Frieden und Freundschaft mit Russland.

Liebe Genossinnen und Genossen!

Ernst Thälmann kämpfte als Vorsitzender der KPD für eine Partei, die als starke  Kraft für die politischen Kämpfe legitimiert und fähig ist. Durch Einheit und Klarheit auf marxistisch-leninistischer Grundlage. Er wies immer wieder auf den Zusammenhang zwischen Kriegspolitik und Profitinteressen des Kapitals sowie auf die notwendige Aktionseinheit hin, wie Wilhelm Pieck in einer Gedenkrede 1949 betonte.

Deutsche Antifaschisten haben nach 1945 notwendige Schlussfolgerungen gezogen. Vor genau 75 Jahren gründete sich die SED. Unter ihrer Führung wurde über Jahrzehnte erfolgreich der sozialistische Friedensstaat DDR aufgebaut.

Nutzen wir unsere Erfahrungen aus den großen Erfolgen, aber auch aus der schweren Niederlage 1990 für unsere heutigen Kämpfe!

Entlarvung von Fälschung und Lüge sowie Aktionseinheit gegen Faschismus und Krieg, das muss aktuell unsere wichtigste Lehre im Thälmannschen Sinne sein.

Bleiben wir trotz aller Widrigkeiten, gesellschaftlicher und persönlicher, solidarisch, standhaft und optimistisch! Wie es Ernst Thälmann vorlebte und uns lehrte.

Hans Bauer, Berlin, Rechtsanwalt,
ist
Vorsitzender der Gesellschaft zur Rechtlichen und Humanitären Unterstützung (GRH) e.V.
und
Beiratsmitglied des Deutschen Freidenker-Verbandes


Bildergalerie

Berlin, Ernst-Thälmann-Park, 17. April 2021

Fotos: 1-8 Bruno Jeup, 9-12 anonym


Ehren wir Thälmann, indem wir uns treu bleiben

Rede von Egon Krenz anlässlich des 135. Geburtstages von Ernst Thälmann am 18. April 2021 in Ziegenhals

 

Liebe Freunde, Genossinnen und Genossen, liebe Anwesende,

wir halten Abstand.

Räumlich!

Nicht politisch.

Wir haben das Wort nicht vergessen, das sich heute fast auf den Tag genau vor 75 Jahren Kommunisten und Sozialdemokraten auf dem Vereinigungsparteitag von SPD und KPD zur SED gaben: Brüder, in eins nun die Hände!

Es ist geschichtlich anders gekommen als damals gewollt. Trotz Niederlage bleibt aber wahr: Linke haben auch in der Gegenwart nur eine Chance, wenn sie das Gemeinsame suchen und das Trennende beiseiteschieben.

Unsere politischen Gegner werden uns wieder als „unverbesserlich“ diffamieren, als „Ewiggestrige“, als Dogmatiker „in kleinen Zirkeln“, als „Gefangene unserer DDR-Vergangenheit“.

Nichts von dem sind wir. Wir sind eher die Ewigmorgigen, die sich Gedanken machen um die Zukunft unserer Kinder und Kindeskinder für ein Deutschland, von dem nur Frieden ausgeht, der inzwischen durch die Politik der USA und ihrer Verbündeten mehr als brüchig geworden ist.

Wir denken anlässlich seines 135. Geburtstages an ihn, den Hafenarbeiter, den Kommunisten, den Parteivorsitzenden, den Abgeordneten des Deutschen Reichstages, den Präsidentschaftskandidaten der KPD, den Häftling der Nazis, wir gedenken unseres Genossen Ernst Thälmann, den seine Anhänger liebe- und achtungsvoll Teddy nannten.

Ich höre schon von rechts wie auch von links den Einwand: Er hat aber Fehler gemacht. Ja, wer macht die denn nicht?!

Höher als seine Irrtümer aber steht, dass die KPD unter seiner Leitung eine Massenpartei war und über 5 Millionen Deutsche ihn wählten.

Höher als seine Irrtümer steht die Warnung: Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler und wer Hitler wählt, wählt Krieg! Was wäre unserem Volk erspart geblieben, wenn Thälmanns Rat verwirklicht worden wäre!

Und vor allem höher als seine Irrtümer steht seine Standhaftigkeit.

Er gab das Wertvollste, was er hatte, sein Leben für ein nazifreies Deutschland. Er hätte sein Leben retten können, wenn er denn abgeschworen, wenn er seine Überzeugung verleugnet hätte.

Er blieb sich und seiner Sache treu – bis in den Tod. Allein deshalb bleibt Thälmann vor allen – wie wir in der DDR sangen – „Deutschlands unsterblicher Sohn“.

Gerade auch deshalb ist es eine arglistige Täuschung schlimmster Art, wenn die AfD Plakate klebte mit dem Bildnis Thälmanns und der Aussage „Thälmann würde AfD wählen.“ Thälmann und AfD schließen einander aus wie Feuer und Wasser. Nichts aber auch gar nichts kann einen Sympathisanten Thälmanns dazu verleiten, seine Stimme der AfD zu geben.

Wenn wir Thälmann ehren, vergesse ich nicht, dass wir in einem Lande leben, in dem seine Mörder nie bestraft wurden und seine Partei, die KPD, noch immer widerrechtlich verboten ist.

Wer Thälmann gerecht werden will, sollte sich für die Aufhebung des Parteiverbots und die Rehabilitierung aller Opfer des Kalten Krieges einsetzen.  Und nicht zu vergessen: Gegen die rechtswidrige Verfolgung der FDJ.

Ein kompetenter Zeitzeuge, der aus bürgerlichem Hause stammende Heinrich Mann, meinte zum 50. Geburtstag Thälmanns, er gehöre zu den Helden, zu denen die proletarische Jugend aufblicken könne.

Wörtlich: „Der gefangene Ernst Thälmann ist sehr stark, viel stärker als seine Peiniger… Thälmann ist ein wirklicher Arbeiter mit starken Fäusten und einem gesunden Verstand. Der Feind, der ihn gefangen hält, stellt von allem das Gegenteil dar.“

Jährlich wird in Deutschland der mutigen Männer des 20. Juli 1944 gedacht, die ein Attentat auf Hitler wagten.  Das war auch in der DDR so. Wer aber heute Stauffenbergs gedenkt, darf Thälmann nicht aus seiner Erinnerung streichen und den kommunistischen Widerstand gegen das Naziregime herabwürdigen.

Thälmann war ein glühender Anhänger der Sowjetunion. Wem auch sonst sollte ein deutscher Kommunist seine Solidarität geben, wenn nicht jenem Land, das die Oktoberrevolution wagte und einen ausbeutungsfreien Staat aufbaute?

Es gibt ihn nun nicht mehr, den Sowjetstaat. Auch wenn in Russland inzwischen kapitalistische Verhältnisse herrschen, bleibt doch wahr: Ohne Russland wird es in der Welt und in Europa keinen Frieden geben.

Das wusste schon der Eiserne Kanzler Bismarck – nur seine konservativen Nachkommen – die Nato-treuen Regierungen – ignorieren dies. Sie erklären Russland – wie das in dem taufrischen Dokument „NATO 2030“ nachzulesen ist, zum „Feind“.

Russland unser Feind?

Das ist Kalter Krieg kurz vor einem heißen! Ich empfinde es als Schande, dass die Bundesregierung in Vasallentreu zu den USA dieser Politik folgt.

Als knapp 8 – jähriger habe ich noch Plakate gesehen, auf denen die Russen als „Untermenschen“ dargestellt wurden.  Ich fühle mich heute manchmal daran erinnert.   Die offizielle russophobe Hetze in diesem Lande ist unerträglich. An allem Bösen sind wieder einmal die „Russen Schuld“.

Weil diese antirussische Ideologie das Denken der Regierenden bestimmt, lassen sie in der herrschenden Pandemie lieber Millionen Deutsche ohne Impfschutz statt Sputnik V anzuwenden, mit dem inzwischen in mehr als 50 Ländern erfolgreich geimpft wird.

DDR-Bürger kennen aus Erfahrung die Qualität sowjetischen Impfstoffs. Auch mit seiner Hilfe wurden in der DDR solche Krankheiten wie Pocken, Kinderlähmung, Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten, Tuberkulose und Masern so gut wie besiegt. Heute sind sie zum Teil wieder da.

80 Jahre nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion wird Russland zum Feind erklärt, sanktioniert Deutschland wieder Russland.

Das ist mehr als geschichtsvergessen, haben doch 27 Millionen Sowjetmenschen ihr Leben auch für Deutschlands Freiheit vom Faschismus gegeben. Es berührt mich äußerst negativ, dass dies dem Deutschen Bundestag keine Gedenkstunde Wert ist.

Vor fünf Jahren erhielt ich von einem Studienfreund aus Moskau eine E-Mail, die immer wieder starke Emotionen in mir auslöst.  „Wir haben den Großen Vaterländischen Krieg gewonnen“, schrieb er, „und letztlich doch verloren. An unseren Grenzen steht die NATO. Fremde Truppen in der Nähe unserer Heimaterde, das sollte es nach den furchtbaren Erfahrungen des deutschen Überfalls vom 22. Juni 1941 nie wieder geben. Dafür starben Millionen meiner Landsleute. Fünfundsiebzig Jahre danach wird Russland von Deutschland wieder bestraft, nicht mit einem Überfall, aber mit einem Wirtschaftskrieg und mit übler Hetze gegen mein Heimatland. “ Soweit die Gedanken meines russischen Jugendfreundes.

Die Russen haben aus ihrer Geschichte heraus ein gutes Gefühl dafür, wer ihrem Land Gutes will und wer es demütigt.  Man mag manches am heutigen Russland zu kritisieren haben, nichts, aber auch gar nichts kann rechtfertigen, dass auch deutsche Truppen an Russlands Grenzen stehen – egal unter welchem Vorwand.

Nicht Russland hat die Nachkriegsgrenzen in Europa verändert wie der deutsche Außenminister unwissend zu wissen glaubt, sondern die NATO unter Führung der USA.

Die europäischen Nachkriegsgrenzen wurden im Februar 1945 von den drei Großen der Antihitler-Koalition in Jalta auf der schon damals russischen Krim festgestellt und verliefen quer durch Deutschland und Europa. Die NATO hat sie von der Elbe und Werra an die russische Grenze verlegt. Das kann und wird Russland niemals akzeptieren können.

Hohe ehemalige französische Offiziere üben in einem bemerkenswerten offenen Brief scharfe Kritik an dem Plan «Nato 2030». Sie verurteilen die Unterordnung Europas unter die USA und heben hervor, dass dieser Plan zwar „friedlich präsentiert“, aber mit „böswilliger Absicht“ ausgearbeitet wurde.

Was erfahren wir in diesen in Tagen aus deutschen Medien?

Russland verschärfe die Lage, weil es an seiner Grenze Truppenbewegungen gebe.

Was aber ist in Deutschland nicht oder nur oberflächlich zu hören, zu sehen oder zu lesen?

Dass die Ukraine das Minsker Abkommen verletzt. Seit Wochen ihre Truppen an der Grenze zu Russland zusammenzieht, dass seit Beginn dieses Jahres die nationalistischen Kreise in der Ukraine ermutigt und geradezu angestachelt werden, ihre aggressiven Ziele gegenüber dem Donbass und Russland auf der Krim mit Waffengewalt zu verfolgen.

Der Beschuss des Donbass wurde ebenso verstärkt, wie der Zufluss von immer mehr Waffen und „Ausbildern“ aus den USA und weiteren Ländern in die Ukraine. Sie rufen nach dem Eingreifen der NATO.

Besonders der neue amerikanische Präsident zündelt und heizt den Konflikt an. Welch ein Zynismus! Die USA stationieren fern ihrer Heimat neue Soldaten, führen das Manöver Defender Europa 21 mit über 31 000 Soldaten in Russlands Nähe an und beklagen sich, dass Russland reagiert.

Thälmann zu ehren, das heißt für mich auch, seine Lebensart zu pflegen, sich gegen Lüge und Verleumdung zu wehren, bei Schwierigkeiten nicht klein beizugeben, seine Überzeugung zu verteidigen.

Es ist schwer, sich in dieser durcheinandergeratenen Welt und im Chaos Deutschlands zu Recht zu finden. Aber: Es gibt einen Kompass. Die uralte Frage der Menschheit ist heute aktueller denn je: Wem dient etwas?  Wem nützt es?

Benutzen wir diesen Kompass bei jeder unserer politischen Entscheidungen. Ehren wir Thälmann, indem wir uns treu bleiben.

Egon Krenz, Dierhagen, war u.a. Erster Sekretär des Zentralrats der FDJ,
Mitglied des Politbüros und Generalsekretär des ZK der SED,
stellvertretender und zuletzt Vorsitzender des Staatsrates der DDR


Bildergalerie

Ziegenhals, 17. April 2021

Fotos: Bruno Jeup


Beitragsbild oben: Montage von Ralf Lux aus Fotos von Bruno Jeup
Links: Ernst-Thälmann-Denkmal in Berlin; rechts oben: Hans Bauer; rechts unten: Egon Krenz