Religions- & Kirchenkritik, Säkulare Szene

HVD tritt aus dem KORSO aus

Der Humanistische Verband Deutschlands (HVD) – 2008 Gründungsmitglied des Koordinierungsrates Säkularer Organisationen (KORSO) – hat am 27.03.2021 durch Beschluss seines Delegiertenrates auf Antrag des HVD-Bundesvorstandes entschieden, seine Mitgliedschaft im KORSO zu beenden. 

Wir veröffentlichen hier die Presseerklärungen des HVD und des KORSO zu diesem Schritt sowie eine erste Stellungnahme des Vorsitzenden des Deutschen Freidenker-Verbandes, Klaus Hartmann.

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Presseerklärung des HVD-Bundesverbandes vom 29.03.2021

Der Humanistische Verband Deutschlands beendet seine Mitgliedschaft im Koordinierungsrat säkularer Organisationen

Viele konfessionsfreie Menschen fühlen sich in unserer Gesellschaft nicht ausreichend wahrgenommen. Deshalb drängen säkulare Gruppierungen auf eine stärkere Sichtbarkeit. Dazu will sich der Koordinierungsrat säkularer Organisationen (KORSO) künftig stärker als säkulare Lobbyorganisation präsentieren. Der Humanistische Verband Deutschlands – Bundesverband (HVD) wird dabei nicht mehr vertreten sein.

Als der KORSO im Jahr 2008 von einigen Organisationen aus der freireligiösen, atheistischen und humanistischen Szene gegründet wurde, setzten sich die Kräfte durch, die von dem Koordinierungsrat in erster Linie eine Diskussion und Abstimmung unterschiedlicher Interessen in der weltanschaulichen Auseinandersetzung erwarteten. So werden etwa im Bereich des Religions- und Weltanschauungsunterrichtes konträre Positionen innerhalb des KORSO vertreten. Während beispielsweise der HVD Berlin-Brandenburg allein in Berlin rund 70.000 Schüler*innen in Humanistischer Lebenskunde unterrichtet, verlangen manche säkularen Kräfte eine Abschaffung jeglichen Religions- und Weltanschauungsunterrichtes.

Diese unterschiedlichen Positionen konnten in den vergangenen Jahren innerhalb des KORSO nicht in eine gemeinsame Strategie überführt werden. Der HVD Bundesverband hält es deswegen – inhaltlich und strategisch – für geboten, eigene Wege zu gehen. Die Unterschiedlichkeit der Organisationen und Standpunkte im KORSO münden immer wieder in eine ‚Vielfalt‘, die nicht mehr schlüssig darstellbar ist. Dazu erklärt HVD-Vorstandssprecher Erwin Kress: „Für eine präzisere und fruchtbare Kommunikation nach außen und politische Lobbyarbeit benötigen wir eine relevante inhaltliche Schnittmenge, sonst sind wir nicht gemeinsam sprechfähig. Die Übereinstimmung in unseren Positionen ist aber für den HVD nicht ausreichend substanziell, um eine Schwerpunktverschiebung des KORSO in Richtung Lobbyarbeit mitgehen zu können.“

Der HVD versteht den Wunsch vieler säkularer Kräfte nach mehr Sichtbarkeit der Anliegen von Konfessionsfreien. Er sieht die Notwendigkeit, dass religionsfreie Menschen die gleichen Chancen, die gleiche Anerkennung und den gleichen Zugang zu weltanschaulich profilierten Dienstleistungen und Unterstützungsangeboten erhalten müssen wie religiöse Menschen. Diesen Weg beschreitet er vor allem durch den konsequenten Aufbau eines praktisch-humanistischen Angebots. Er will Alternativen bieten, eine humanere Gesellschaft mitgestalten und in der Politik dafür streiten, dass die Repräsentanz religionsfreier Menschen zukünftig besser gewährleistet ist. Diese Ziele wird er auch zukünftig engagiert verfolgen.

Der Delegiertenrat des HVD Bundesverbandes hat am 27. März 2021 beschlossen, die Mitgliedschaft im KORSO zu beenden. Dazu erklärt Kress: „Mit diesem Schritt ziehen wir ein ehrliches Fazit aus vielen Jahren gemeinsamen Ringens, die die unterschiedlichen Betonungen und Interessensgegensätze nicht aufheben konnten. Damit gewinnen unsere Positionen größere Eindeutigkeit und Klarheit bei unseren Bündnispartnern in Politik und Gesellschaft, die zu Recht wissen wollen, wofür wir stehen und wofür wir uns einsetzen.“

Unabhängig von dieser Entscheidung wird der HVD gemeinsame Positionen mit Akteuren im säkularen Spektrum pflegen und ausbauen. Und er wird sich in gemeinsamem Engagement wiederfinden, wo immer dies möglich ist. Ein prominentes Beispiel hierfür ist die Gründung des Bertha-von-Suttner-Studienwerks, einem Kooperationsprojekt des Humanistischen Verbandes Deutschlands mit der Humanistischen Akademie Deutschlands, der Giordano-Bruno-Stiftung und der Bundesarbeitsgemeinschaft Humanistischer Studierender.

Quelle: https://humanistisch.de/x/hvd-bundesverband/presse/2021037441


Pressemitteilung des Koordinierungsrates Säkularer Organisationen (KORSO) vom 29.03.2021

Strategische Partnerschaft statt Mitgliedschaft: HVD und KORSO gehen gemeinsam einen neuen Weg

In seinem Delegiertenrat am 27. März beschloss der HVD den Austritt des Bundesverbands aus dem KORSO. Eine „Spaltung“ des säkularen Spektrums bedeute dies allerdings nicht, wie HVD-Bundesvorstandsmitglied Katrin Raczynski ausdrücklich festhält. Im gemeinsamen Interview mit dem Humanistischen Pressedienst betont Raczynski „große Anerkennung für die unterschiedlichen im KORSO vertretenen Positionen, Akteure und Organisationen.“

Stattdessen planen HVD und KORSO nun eine strategische Partnerschaft. Wie eine Woche zuvor in einer Videokonferenz mit über 50 Personen aus dem säkularen Spektrum festgestellt wurde – darunter auch zahlreiche Mitglieder des HVD –, befindet sich der KORSO derzeit in einem Prozess der strukturellen Weiterentwicklung. Die strategische Partnerschaft mit dem HVD ist ein Schritt in diese Richtung, weitere Partnerschaften sollen folgen.

„Dass im säkular-humanistischen Spektrum unterschiedliche Positionen sichtbar werden, die man nicht wegdiskutieren kann, ist ein Ergebnis der bisherigen Koordinationsarbeit des KORSO. Dass man diese aber auch gar nicht wegdiskutieren muss, ist ein weiteres Ergebnis. Gegensätzliche Auffassungen sind kein Hindernis für zukünftige Zusammenarbeit, denn es existiert eine Vielzahl gemeinsamer Positionen, für die es sich kooperativ einzustehen lohnt“, hebt der KORSO-Vorsitzende Dr. Rainer Rosenzweig hervor. Er begrüßt daher die Offenheit des HVD für eine strategische Partnerschaft mit dem KORSO.

Quelle: https://www.korso-deutschland.de/strategische-partnerschaft-hvd-korso/


Stellungnahme des Vorsitzenden des Deutschen Freidenker-Verbandes, Klaus Hartmann (E-Mail vom 28.03.2021)

Zusammenarbeit auf einer qualitativ neu bestimmten Grundlage stärken

Liebe Freundinnen und Freunde,

in der „nicht zur Veröffentlichung bestimmten“ Erklärung [1] zum Austritt wird an erster  Stelle der „Umbau des KORSO zu einem Lobbyverband, zu einem Zentralrat der Konfessionsfreien“ genannt.

Dem KORSO ging es nach unserem Dafürhalten immer um die öffentliche Vertretung der Interessen der Konfessionsfreien, ob dafür das Wort Lobby gebraucht wird oder nicht. Dieses weckt möglicherweise ungute Assoziationen, jedoch geht es der Sache nach um genau das: bei „der Politik“ und den Medien die Interessen der Konfessionsfreien zur Geltung zu bringen.

Was diese Interessen sind, darüber gehen die Vorstellungen der Verbände auseinander, das war aber bei KORSO-Gründung bekannt, und es wurde von keiner Seite als Hindernis für die Zusammenarbeit betrachtet. Es war aber Anlass, in einer sehr gründlichen Befragung und Kommunikation die gemeinsamen Schnittmengen zu ermitteln, und diese wurden von allen Beteiligten als Grundlage der Zusammenarbeit bestätigt. Diese Bestätigung wird offenbar mit dem Austritt durch den HVD zurückgezogen. Zudem war immer unstrittig, dass andere oder weitergehende Ziele als in der „KORSO-Schnittmenge“ beschrieben, von jedem Verband selbstverständlich im eigenen Namen weiterverfolgt werden können, die KORSO-Mitgliedschaft also hier keinerlei „Fesseln“ anlegt.

Die Benennung als „Zentralrat der Konfessionsfreien“ ist kein Fait accompli, sondern nach unserem Verständnis ein Diskussionsvorschlag mit dem Ziel, mehr Durchsetzungskraft zu erreichen. Der Deutsche Freidenker-Verband stimmt einer solchen Umbenennung nicht zu, denn die viele Jahre währende Diskussion vor Gründung des KORSO ergab, dass die Benennung als Koordinierungsrat gerade die rechte Mitte zwischen Abstimmungserfordernis und Gemeinsamkeit sowie Autonomie und Eigenständigkeit zum Ausdruck brachte. Das sollte nicht aufs Spiel gesetzt werden, und hinsichtlich der Durchsetzungskraft spielt der Name eher eine untergeordnete Rolle.

Den HVD-Austritt sehen wir so, dass man nicht die gemeinsame Sache befördern will, sondern verbandsegoistischen Motiven den Vorrang gibt. Diese Deutung legt die Meldung im Berliner Tagesspiegel – vier Tage vor dem Austrittsschreiben – über den RBB-Aufsichtrat nahe: „Doch auch der Humanistische Verband, die Interessenvertretung der Konfessionslosen, meldet Ansprüche auf einen Platz im Aufsichtsgremium an.“ [2] Warum also die Gemeinsamkeit suchen, wenn man einen Alleinvertretungsanspruch anmelden kann?

Die Mitgliedsverbände des KORSO sollten sich von dieser – bedauerlichen – Entwicklung nicht beirren lassen, sondern ihre Zusammenarbeit stärken, am Besten auf einer qualitativ neu bestimmten Grundlage: Die vor Jahren ermittelte „Schnittmenge“ der gemeinsamen Anliegen, Positionen und Ziele wurde ja gemeinsam mit dem nun ausgetretenen HVD bestimmt. Es ist keineswegs ausgeschlossen, dass eine erneute Überprüfung zu einem Mehr an Gemeinsamkeiten führt.

Herzliche Grüße
Klaus Hartmann
Bundesvorsitzender

Anmerkung und Quelle

[1] Die Information über den Austritt des HVD aus dem KORSO wurde bereits am 27.03.2021 per Mail an die Mitgliedsverbände des KORSO gegeben. Die hier erwähnte nicht öffentliche Erklärung ist im Wesentlichen identisch mit der zwei Tage später veröffentlichten Presseerklärung des HVD (siehe oben)
[2] https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/diskussionen-um-rbb-staatsvertrag-konfessionslose-wollen-gleichen-einfluss-auf-rbb-wie-kirchen/27029598.html


Weitere Links zum Thema:

Strategische Partnerschaft bleibt bestehen
Interview des Humanistischen Pressedienstes (hpd) mit Rainer Rosenzweig (Vorsitzender des KORSO) und Katrin Raczynski (Bundesvorstandsmitglied des HVD) vom 29.03.2021:
https://hpd.de/artikel/strategische-partnerschaft-bleibt-bestehen-19142

Pluralität – und zweierlei Neutralität
Kommentar von Helge Meves im Neuen Deutschland vom 29.03.2021:
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1150182.humanistischer-verband-deutschland-pluralitaet-und-zweierlei-neutralitaet.html

Auszeit mit Ansage
Kommentar von Daniela Wakonigg auf hpd.de vom 30.03.2021:
https://hpd.de/artikel/auszeit-ansage-19145


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