Im Kampf um die Vorherrschaft: Biden zeigt lachend die Zähne
Das Verhalten gegenüber Russland ist auch für Präsident Biden Bestandteil des Ringens um ein von den USA allein dominiertes System der internationalen Beziehungen. Dabei sind gerade die USA von den wirtschaftlichen Konsequenzen weniger betroffen als europäische Staaten.
von Prof. Dr. Anton Latzo
[Erstveröffentlichung am 21.02.2021 auf RT DE]
Es geht im Verhältnis USA-Russland um die Behauptung der USA als Hegemonialmacht, wozu das Verfügen über das eurasische Kernland von zentraler Bedeutung ist. Laut Z. Brzeziński, dessen Rat die US-amerikanische Außenpolitik seit Jahrzehnten befolgt, geht es um „das Schachbrett, auf dem der Kampf um globale Vorherrschaft auch in Zukunft ausgetragen wird“. Dementsprechend müsse das Ziel US-amerikanischer Außenpolitik darin bestehen, abzusichern, „dass kein Staat oder keine Gruppe von Staaten die Fähigkeit erlangt, die Vereinigten Staaten aus Eurasien zu vertreiben oder auch nur deren Schiedsrichterrolle entscheidend zu beeinträchtigen“.
Ihre Rechnung sieht so aus: Fällt Russland, verfügen sie nicht nur über ein riesiges Territorium über zwei Kontinente (plus Arktis) und über riesige strategische Vorteile, Rohstoffe und Absatzmärkte, um die Hegemonie der USA weltweit zu retten und auszubauen. Sie erhoffen sich auch günstige Bedingungen, um die VR China zu Fall zu bringen und damit einen Machtfaktor der internationalen Beziehungen und auch die gesellschaftliche Alternative zur kapitalistischen Gesellschaft zu beseitigen. Es geht also darum, die internationalen Bedingungen für die Verwirklichung der Ziele und Absichten des militärisch-industriellen Komplexes und der Finanzoligarchie der USA zu schaffen.
Es geht im Verhältnis zwischen beiden Staaten aber nicht nur um zwei wirtschaftliche und politische Großmächte, sondern auch um die zwei absolut stärksten Atommächte der Welt! Gerade dieser Aspekt und die Verantwortung, die sich daraus für die USA ergibt, werden in den aktuellen Betrachtungen zu gern „vergessen“. Man sollte sich aber des Ausspruchs von Einstein erinnern:
„Ich bin nicht sicher, mit welchen Waffen der dritte Weltkrieg ausgetragen wird, aber im vierten Weltkrieg werden sie mit Stöcken und Steinen kämpfen.“
Frieden und Sicherheit
Präsident Joe Biden kündigte zwar an, dass jetzt die Diplomatie zurück sei. Er sagte aber wenig zu den Kernfragen, die auf dem Wege zu Frieden und Sicherheit zu lösen sind. Konstruktive Gedanken zu Frieden, Sicherheit und Zusammenarbeit zum gegenseitigen Vorteil findet man so gut wie keine. Ein positives Signal könnte sein, dass er mit Russland im Bereich der Rüstungskontrolle zusammenarbeiten will. Aber wie er diese Fragen lösen will, hat er durch den Hinweis deutlich gemacht, dass er nicht zögern werde, die „Kosten“ für Russlands Handeln zu erhöhen.
Das gesamte Vorgehen der USA gegenüber Russland ist auch unter Biden darauf ausgerichtet, Russland (und China) ökonomisch und politisch so zu schwächen und gesellschaftlich zu destabilisieren, dass die Ziele der USA erreicht werden können. Auch unter Biden gibt es keine Antwort auf das von Russland und China wiederholt gemachte Angebot, unilateral oder gemeinsam zu erklären, dass Kernwaffenkrieg kein Mittel der Politik sein darf. Der Verzicht auf atomare Kriegführung bleibt deshalb auch in Zukunft eine dringende Forderung an die Adresse der USA.
Keine Antwort von Präsident Biden gibt es auf die Vorschläge Russlands zu den Fragen der regionalen Sicherheit und Zusammenarbeit (Europa), zu Reformierung (nicht Ersetzung!) des Systems der internationalen Beziehungen, zur Stärkung der Rolle der UNO und des Völkerrechts usw.
Die Aufnahme der erprobten antirussischen Hardlinerin Victoria Nuland (eine Hauptakteurin des Kiewer Maidan) in seine außenpolitische Mannschaft sagt dafür sehr viel über die zu erwartenden Inhalte und Vorgehensweisen der US-amerikanischen Außenpolitik. Es ist zu erwarten, dass das Schüren regionaler Spannungen und die Destabilisierung anderer Länder weiter auf der Tagesordnung bleibt, um solche Regierungen einsetzen zu können, die in der Lage und Willens sind, die Interessen und Ziele der USA zu ihren eigenen zu machen.
Nachbarschaft
Nach der Herstellung der Kontrolle über die ehemaligen sozialistischen Staaten in Osteuropa (Warschauer Vertrag) beabsichtigen die USA offensichtlich, entschiedener an die Einbindung der ehemaligen Sowjetrepubliken in den Ring unmittelbar an den Grenzen Russlands in Osteuropa und in Zentralasien überzugehen. Dabei werden die von den USA im Osten Europas schon durchgeführten Maßnahmen auf Zentralasien ausgedehnt und damit der Ring um Russland, von der Ostsee bis ins Schwarze Meer, weiter über den Kaukasus und bis an die chinesische Grenze, weitergeführt!
Zentralasien soll zum Zentrum des Schachbretts werden, ein günstiger Ausgangspunkt zur Teilung des Kernlandes Russland. Gleichzeitig ist man den westlichen Grenzen Chinas näher gekommen! Es geht also nicht allein um Europa oder Asien, sondern um die Kontrolle der eurasischen Landmasse. Eine neue Etappe zur Verwirklichung der Strategie von Z. Brzeziński könnte damit eingeleitet werden. Die von den USA proklamierte Politik, die von Präsident Biden als Rückkehr der Diplomatie bezeichnet wurde, wurde von Nuland so „eingebettet“:
„(…) Moskau sollte auch sehen, dass Washington und seine Verbündeten konkrete Schritte unternehmen, um ihre Sicherheit zu stärken und die Kosten der russischen Konfrontation und Militarisierung zu erhöhen. Dazu gehören die Beibehaltung robuster Verteidigungsbudgets, die weitere Modernisierung der Nuklearwaffensysteme der USA und ihrer Verbündeten, die Stationierung neuer konventioneller Raketen und Raketenabwehrsysteme, die Einrichtung ständiger Stützpunkte entlang der Ostgrenze der NATO und die Erhöhung des Tempos und der Sichtbarkeit gemeinsamer Übungen.“
Demnach soll Russland auf breiter Flanke herausgefordert werden. In diesem Sinne hat die Regierung Biden nahtlos die Handlungen ihrer Vorgängerin fortgesetzt. Dazu gehört die Stationierung von USA-Nuklearbomber in Norwegen, die Errichtung eines neuen Drohnen-Flugplatzes im Schatten der Ostkarpaten in Rumänien (Câmpia Turzii), die Modernisierung der schon vorher errichteten Raketenstellungen in Polen und Rumänien, die Verstärkung der US-amerikanischen Truppenpräsenz im Baltikum und in Polen, neue Verlegungen ins Schwarze Meer. Am 7. Januar 2021 wurde angekündigt, dass die USA eine Investitionspartnerschaft mit Kasachstan und Usbekistan schaffen. Damit wird ein Projekt verwirklicht, das 2015, als Biden noch Vizepräsident war, vom damaligen Außenminister eingeleitet wurde.
Auf dem Weg zum „Kernland“ führen die USA also verstärkt aggressive Maßnahmen durch und entwickeln aggressive Instrumente, die ihre Bereitschaft zeigen, dafür Länder und ganze Regionen zu gefährden und in Kriege zu stürzen, deren Folgen unkontrollierbar sind.
Bilaterale Beziehungen
Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den USA und Russland, wie sie Ende der Jelzin-Jahre bestanden hatten, sind in der Zwischenzeit fast zerbrochen. In den 2000er-Jahren ist das bilaterale Handelsvolumen drastisch zusammengeschrumpft. Die Importe und Exporte beider Länder haben sich beträchtlich mehr als halbiert. Gerade erst mal ungefähr fünf Prozent des russischen Außenhandels entfallen auf die USA. Das ist ein Bruchteil dessen, was Russland mit der EU umsetzt.
Das erklärt einiges, warum die USA mit den Sanktionen so sträflich umgehen, ist aber auch ein Ergebnis ihrer Sanktionspolitik. Wirtschaftlich sind beide Länder kaum miteinander verflochten oder gar voneinander abhängig. Zugleich: Die Sanktionen haben die europäischen Staaten deutlich stärker getroffen als die USA!
Aber: Von Bedeutungslosigkeit sollte man trotzdem nicht sprechen. Trotz des fragilen Fundaments und niedrigen Umfangs ist bei dem registrierten Volumen eine bestimmte Qualität nicht zu übersehen. Russland und die USA kooperieren in so heiklen und strategisch wichtigen Gebieten wie Luftfahrt, Raumfahrt oder im atomaren Bereich.
Unverhältnismäßig sind die Feindseligkeiten, die durch die USA in das bilaterale Verhältnis beider Staaten hineingetragen werden. Die bilateralen Beziehungen werden von den politischen, medialen und durch die Geheimdienste und die NGOs getragenen Aktionen gegen Russland und die russische Politik beherrscht. Ihre Verknüpfung soll die destabilisierende Wirkung erhöhen. Die Erklärung Nulands, die in Bidens Mannschaft erneut für die Region zuständig ist, lässt nichts Gutes erwarten:
„Die Herausforderung für die Vereinigten Staaten im Jahr 2021 wird es sein, die Demokratien der Welt bei der Ausarbeitung eines effektiveren Ansatzes gegenüber Russland zu führen – einer, die auf ihren Stärken aufbaut und Putin dort unter Druck setzt, wo er verwundbar ist, einschließlich bei seinen eigene Bürgern.“
Dabei hat sie ja schon 2014 gezeigt, dass sie bereit ist, selbst mit offen pronazistischen Parteien wie der Swoboda-Partei der Ukraine zusammenzuarbeiten. Das heißt aber auch, dass die USA eine Verschärfung und Verknüpfung ihres Instruments des „Kampfes für Demokratie und Menschenrechte“ in Russland selbst anstreben. Offensichtlich ist eine stärkere Konzentration auch der Kräfte ihrer Bündnispartner dabei vorgesehen, denn, wie Frau Nuland sagt, sie wollen die „Demokratien der Welt“ gegen Russland „führen“.
Die USA und ihre Verbündeten rechnen dabei mit zunehmenden Widersprüchen in der russischen Gesellschaft und Politik. Sie orientieren auf die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zwischen der Bevölkerung und Präsident Putin und beabsichtigen, einen „Maidan“ auf der Grundlage der Erfahrungen des Kiewer „Regime Change“ herbeizuführen.
Schluss
Insgesamt läuft das Verhalten der USA darauf hinaus, Russland zu schwächen, seine Stellung in der Welt zurückzudrängen sowie seine militärischen Fähigkeiten zu neutralisieren. Russland soll von den anderen europäischen Staaten und von China abgeschnitten werden, um es aufteilen zu können. Der Wert der Beziehungen zu Russland wird für die USA nicht an ihrem Beitrag für Frieden und Stabilität auf der Welt, sondern weitgehend daran gemessen, welche Chancen diese für die Politik der Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten eröffnen bzw. erlauben.
Prof. Dr. Anton Latzo ist Historiker und Mitglied des Beirats des Deutschen Freidenker-Verbandes
Link zur Erstveröffentlichung: https://de.rt.com/meinung/113440-im-kampf-um-vorherrschaft-biden-zeigt-lachend-zaehne/
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