Urteil gegen den missbräuchlichen „Antisemitismus“-Vorwurf
Unser Genosse Klaus Ried aus München hat vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof einen beachtlichen Teilerfolg für die Meinungsfreiheit erzielt. Unter dem Vorwand des „Antisemitismus“ wurden städtische Räume in München für eine israelkritische Veranstaltung verweigert.
Klaus Ried schreibt dazu u.a.:
Gegen das Urteil hat die Stadt München inzwischen Revision beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eingelegt. Die Stadt München bezieht sich bei der Verweigerung öffentlicher Räume (Stadtratsbeschlusses vom 13.12.2017) auf die „Nicht-Definition“ zum Antisemitismus (sogenannte Arbeitsdefinition Antisemitismus der IHRA – International Holocaust Remembrance Alliance). Auf diese „Nicht-Definition“ beziehen sich auch alle anderen gleichgelagerten Beschlüsse von Kommunen sowie die Bundesregierung und der Bundestag.
Bei den meisten Diskussionen zu diesem Themenkomplex reden die Kontrahenten vollkommen aneinander vorbei, weil sie – unausgesprochen – von völlig unterschiedlichen Vorstellungen ausgehen, was Antisemitismus ist, eine Gespenster-Diskussion, die logischerweise zu keinem konstruktiven Ergebnis führen kann und die der demokratischen Meinungsbildung enorm schadet.
Obwohl sie von etlichen Wissenschaftlern (darunter auch rund 240 israelische bzw. jüdische) – zum Teil mit vernichtendem Urteil – zurückgewiesen wurde und der ursprüngliche Mitverfasser Kenneth Stern vielfach vor dem politischen Mißbrauch gewarnt hat, ist sie in der politischen Diskussion noch immer der „Goldstandard“. Ganz aktuell wurde sie im November vom Bundesverband RIAS e.V. („with support of the German Presidency of the Council of the European Union“) in einer 48 Seiten starken Broschüre mit Kommentaren neu veröffentlicht.
Die „Nicht-Definition“ zum Antisemitismus gehört auf den Müllhaufen der Geschichte: Sie entwertet und sabotiert den notwendigen Kampf gegen den realen Antisemitismus und dient lediglich als Vorwand, um alle Kritiker der israelischen Regierungspolitik, darunter nicht zuletzt zahlreiche Israelis, mundtot zu machen.
Was bedeutet „Nichtdefinition“?
Tatsächlich hat die Internationale Allianz zum Holocaustgedenken auf ihrem Plenum (31 Staaten) am 26. Mai 2016 in Bukarest eine „Arbeitsdefinition“ von Antisemitismus beschlossen. Sie lautet:
„Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Jüdinnen und Juden, die sich als Hass gegenüber Jüdinnen und Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen.“
Diese beiden Sätze sind die beschlossene Arbeitsdefinition. Sie wurde am gleichen Tag durch den rumänischen Vorsitz des Plenums veröffentlicht.
In dieser Veröffentlichung werden dann „Beispiele zur Veranschaulichung“ angeführt, insgesamt 11 Beispiele, von denen sich 7 um Israel drehen. [1]
Diese waren aber nicht Gegenstand des Beschlusses, und sind folglich nicht Bestandteil der Definition.
Das gibt sogar die Bundesregierung zu, die in der Bundespressekonferenz v. 20. September 2017 verlautbarte:
„Das Kabinett hat heute die von der Internationalen Allianz für Holocaust-Gedenken verabschiedete Arbeitsdefinition von Antisemitismus in einer erweiterten Form zur Kenntnis genommen.“ [2]
In einer „erweiterten Form“? Man lese und staune:
„Die Definition lautet in der erweiterten Form wie folgt:
„Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen. Darüber hinaus kann auch der Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel solcher Angriffe sein.““
Kaum zu glauben: Da beschließt ein Plenum von 31 Staaten eine Arbeitsdefinition, und die Bundesregierung fälscht einfach den Beschluss, indem sie noch einen weiteren Satz hineinschmuggelt! Das begründet sie so unschuldig wie scheinheilig mit den Worten:
„Mit der Kabinettsbefassung verfolgt die Bundesregierung das Ziel, erneut die Verantwortung Deutschlands bei der Bekämpfung von Antisemitismus zu betonen. Darüber hinaus soll sie gegenüber unseren Partnern und internationalen Organisationen der außenpolitischen Glaubwürdigkeit noch stärker Gewicht verleihen.“
„Der außenpolitischen Glaubwürdigkeit noch stärker Gewicht verleihen“ – darin liegt wohl das Geheimnis. Dass die Bundesregierung zu Menschenrechtsverletzungen, Kriegsverbrechen und Verstößen Israels gegen das Internationale Recht schweigt, ist wohl der Kern jener „Glaubwürdigkeit“.
Doch dass mit Hilfe solcher Volten in Deutschland die Meinungsfreiheit – auch jüdischer – Kritiker der israelischen Regierungspolitik ausgehebelt werden soll, ist nicht hinnehmbar und auch mit rechtsstaatlichen Prinzipien unvereinbar.
Es ist zu hoffen, dass beim anstehenden Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht der Rosstäuschertrick um Definition und Nicht-Definition gebührend gewürdigt wird.
Klaus Hartmann, Bundesvorsitzender des Deutschen Freidenker-Verbandes
Quellen
[1] https://www.holocaustremembrance.com/sites/default/files/press_release_document_antisemitism.pdf [2] https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/pressekonferenzen/regierungspressekonferenz-vom-20-september-848278Download
Das Urteil des Bayerischen VGH (PDF-Dokument, ca. 2 MB)
Buchtipp
Zur Vertiefung:
Omri Boehm, „Israel – eine Utopie“ , erschienen 2020 im Propyläen Verlag (Berlin)
Preis € 20, ISBN: 9783549100073
Boehm wurde in Haifa geboren, studierte in Tel Aviv und diente beim israelischen Geheimdienst Shin Bet. In Yale promovierte er über Kants Kritik an Spinoza und lehrt derzeit an der New School for Social Research in New York.
Bild oben: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, München, Ludwigstr. 23
Foto: By Rufus46 – Own work, CC BY-SA 3.0,
Quelle: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=28584075