Arbeit & Soziales

Spanien: Amazon infiltriert Streik mit Privatspionen

Gewerkschaft geht gerichtlich dagegen vor

von Klaus Hartmann

In memoriam Christian Krähling (https://www.freidenker.org/?p=9013)

Unser am 10.12.2020 verstorbene Genosse und Streikführer bei Amazon Bad Hersfeld war auch unablässig aktiv, um die Solidarität der Amazon-Beschäftigten international zu organisieren, so auch mit den gewerkschaftlichen Interessenvertretern in Spanien.

Jetzt (02.12.2020) veröffentlichte der Business Insider einen Bericht[1] über die Amazon- Machenschaften gegen die Streikenden am „Black Friday“ 2019 in Barcelona:

Private Spione infiltrierten und fotografierten einen Arbeiterstreik im Amazon-Lagerhaus nahe Barcelona am Schwarzen Freitag 2019, berichtete ein spanisches Medienunternehmen. Die Spione standen unter Vertrag bei der Pinkerton Agency, einer Firma, die Amazon dafür angeheuert hatte.

Wie die Tageszeitung El Diario berichtete, stellten die Detektiv-Spione ein 51-seitiges Dokument zusammen, das Fotos von Gewerkschaftern, Arbeitern und Journalisten enthielt, die an dem Streik teilgenommen hatten. Der hatte in einem Lagerhaus in der Nähe von Barcelona als Teil einer breiteren Streikbewegung der Frachtarbeiter in der Provinz Katalonien stattgefunden.

Laut einem Bericht vom November 2020 hat Amazon schon in der Vergangenheit Pinkerton-Spione eingesetzt, um Lagerarbeiter und Aktionen der organisierten Arbeiter bei dem Unternehmen auszuspionieren. Ein Auszug aus dem Dokument lautet z.B.: „Wir beobachteten eine Gruppe von Leuten, die sich versammelten und Westen der Gewerkschaften CCOO und UGT trugen. Sie wurden für eine mögliche Identifizierung bei späteren Veranstaltungen aufgezeichnet.“ Entsprechende heimlich gemachten Fotos waren beigefügt.

Die spanische Gewerkschaft CCOO[2] hat einen Richter um die Beschlagnahmung von Unterlagen im Zusammenhang mit dem Bericht gebeten und sagte, sie erwäge rechtliche Schritte gegen Amazon. Ein Amazon-Sprecher sagte gegenüber El Diario, das E-Commerce-Unternehmen habe weder Pinkerton noch eine andere Agentur beauftragt, den Streik auszuspionieren. Wahrscheinlich wird sich Amazon vor einem spanischen Gericht verantworten müssen. Aber die Sache hat noch eine weitaus größere Dimension.

Laut El Diario waren die Privatdetektive, die das Dokument über den Streik bei Amazon zusammengestellt hatten, pro forma bei der spanischen Firma Castor & Polux angestellt worden, die anscheinend von der Pinkerton Agency für solche Schweinereien schon öfters unter Vertrag genommen worden war. In einem Bericht von „Motherboard[3] vom November hieß es, dass Amazon die Pinkerton Agency beschäftigt, um Gewerkschaftsaktivitäten in ganz Europa zu überwachen.[4] Unter Berufung auf die Vertraulichkeit seiner Kunden lehnte Castor & Polux gegenüber El Diario jeden Kommentar.

Die spanische Gewerkschaft CCOO hat inzwischen rechtliche Schritte gegen Amazon angekündigt. Ricard Bellera, CCOO-Sekretär für Arbeit und Wirtschaft in Katalonien, hat gegenüber Business Insider bestätigt, dass die Gewerkschaft einen Richter gebeten habe, sowohl den 51-seitigen Bericht der Detektive, über den El Diario berichtet hatte, als auch alle anderen Dokumente, die eine Vereinbarung zwischen Castor & Polux und Amazon belegen, zu beschlagnahmen. Er fügte hinzu, sollte sich die Ausspionierung als wahr erweisen, würde dies beweisen, dass Amazon die spanischen Verfassungsgesetze zum Versammlungsrecht und zum Datenschutz gebrochen hat.

Dagegen versuchte ein Amazon-Sprecher in einer Stellungnahme gegenüber Business Insider den Verdacht auf einen schweren Rechtsbruch herunterzuspielen und als ganz normales Verhalten multinationaler Unternehmen darzustellen, die ihr Inventar schützen wollen. Er sagte:

„Wie jedes multinationale Unternehmen halten wir ein gewisses Maß an Sicherheit innerhalb unseres Betriebs aufrecht, um unsere Mitarbeiter, Gebäude und unser Inventar zu schützen – es wäre unverantwortlich, wenn wir dies nicht tun würden. Wir haben ein internes Untersuchungsteam, das mit den Strafverfolgungsbehörden zusammenarbeitet, um Fehlverhalten in unserem Unternehmen aufzudecken, und wie Sie es erwarten würden, ist jede unserer Aktivitäten vollständig im Einklang mit den lokalen Gesetzen und werden mit dem vollen Wissen und der Unterstützung der lokalen Behörden durchgeführt. Jeder Versuch, diese Aktivitäten zu sensationalisieren und zu suggerieren, wir würden etwas Ruchloses tun, ist unverantwortlich und falsch.“

Allerdings handelt sich nicht um den ersten Bericht über die Infiltrierung eines europäischen Amazon-Lagers durch Geheimagenten. Wie Motherboard berichtete, waren Pinkerton-Agenten im Jahr 2019 auch in einem Lagerhaus in Polen eingesetzt worden, um zu untersuchen, ob das lokale Amazon-Management gegenüber Kandidaten bei Bewerbungsgesprächen zu nachlässig waren. Zum Zeitpunkt des Berichts sagte Amazon-Sprecherin Lisa Levandowski gegenüber Business Insider, dass das Unternehmen mit Pinkerton zusammenarbeitet, um „hochwertige Sendungen im Transit zu sichern“, nicht um Informationen über Lagerarbeiter zu sammeln, und dass alle Aktivitäten „vollständig im Einklang mit den lokalen Gesetzen stehen.“

Christy Hoffman, die Generalsekretärin der internationalen Gewerkschaft UNI Global Union, sieht das anders. Gegenüber Business Insider hat sie unterstrichen, dass Amazon „seine immense Macht und Ressourcen nutzt, um Arbeiter auszuspionieren, die ihre Arbeitsbedingungen verbessern wollen.“

„So schlimm das Ausspionieren von Arbeitern auch ist, es geschieht nicht in einem luftleeren Raum. Es gibt hier ein Muster – Amazons enormer Appetit auf Wachstum ist schlecht für unsere Gesellschaft. Deshalb sind am Schwarzen Freitag immer mehr Menschen, die an die Würde der Arbeit und die Politik des Gemeinwohls glauben, in den Streik getreten, um Amazon die Stirn zu bieten und Veränderungen zu fordern“, fügte sie hinzu.

In diesem Jahr haben Amazon-Arbeiter und Aktivistengruppen in 15 Ländern am Black Friday Proteste gegen das Unternehmen veranstaltet, um unter dem Slogan „Make Amazon Pay“ bessere Löhne und Sozialleistungen, ein Ende der Überwachung von Arbeitern und Gewerkschaften sowie ein Engagement für Nachhaltigkeit zu fordern.[5]

Klaus Hartmann ist Bundesvorsitzender des Deutschen Freidenker-Verbandes

[1] https://www.businessinsider.com/amazon-pinkerton-agency-spies-union-strike-spain-ccoo-legal-action-2020-12?r=DE&IR=T

[2] ccoo = Comisiones Obreras, „Arbeiterkommissionen“, zweitgrößte spanische Gewerkschaft mit kommunistischen Wurzeln

[3] https://www.vice.com/en/article/5dp3yn/amazon-leaked-reports-expose-spying-warehouse-workers-labor-union-environmental-groups-social-movements

[4] https://www.businessinsider.com/amazon-pinkerton-spies-worker-labor-unions-2020-11

[5] https://www.businessinsider.com/make-amazon-pay-black-friday-protests-pay-conditions-2020-11


Galerie: Christian Krähling (1977-2020)

Alle Fotos: © Andreas Gangl


Beitragsbild oben: Christian Krähling. Foto: © Andreas Gangl