Frieden - Antifaschismus - Solidarität

Solidarität mit dem libanesischen Volk

von Volker Metzroth

Die verheerende Explosionskatastrophe in Beirut trifft ein Land, das ich nach 5 Reisen dort hin relativ gut kenne, in dem ich auch eine Reihe Menschen kenne, deren Schicksal mich berührt, aber auch das vieler dort, die ich nicht kenne. Ich bin auch mit einer Familie dort verschwägert. Von meinen Freunden und Bekannten ist m.W. zumindest niemand an Leib und Leben zu Schaden gekommen.

Hierzulande wird in den Medien auch viel dummes Zeug über den Libanon geschrieben, teils aus Unkenntnis, teils aber auch aus politischem Kalkül.

Der Libanon ist schon zu osmanischer Zeit ein Spielball ausländischer Interessen gewesen und ist es über weite Bereiche nach wie vor. Hier spielt z.B. das US-Konzept von einem „Neuen Nahen Osten“ eine wichtige Rolle, das schon vor gut 20 Jahren u.a. eine Aufteilung Syriens in mehrere kleine Staaten vorsah. Teil der versuchten Umsetzung dieses Konzept war auch der israelische Krieg 2006 gegen das Land, in dem ein Großteil der Infrastruktur zerstört wurde, über 1.000 Menschen getötet wurden und ca. 1. Mio. der damals rund 4 Mio. Bewohner auf der Flucht waren. Letztendlich scheiterte die israelische Führung samt ihrer angeblich unbesiegbaren Armee zum zweiten Mal am „Widerstand“ im Libanon, dessen Kern die Hisbollah bildete. Sie hatte schon durch einen jahrelangen Guerillakrieg den Abzug des israelischen Militärs aus dem größten Teil des Südlibanons erzwungen. Auch 2006 erreichte Israel in einem asymmetrischen Krieg keines seiner Kriegsziele. Zur Hisbollah alleine wäre vieles zu sagen, was sie wirklich in dem Land ist, welche Rolle sie spielt etc., das geht aber jetzt hier nicht in Kürze. Nur so viel: wer sie bei uns auf den Begriff „Terrormiliz“, die dann auch noch Israel vernichten wolle, reduzieren will, hat entweder keine Ahnung oder ein politisches Interesse an dieser eindimensionalen Darstellung.

Das Spielchen, was Macron derzeit treibt ist es zu versuchen, unter dem Deckmantel der humanitären Hilfe wieder etwas mehr von der alten, für das Land verhängnisvollen Rolle als Kolonialmacht einzunehmen, die den Libanon aus Syrien heraus löste um sich seiner Zeit einen Vasallenstaat zu schaffen, in dem die Oberschicht der traditionell mit Frankreich verbundenen Maroniten (größte christliche Gemeinschaft) den Ton angab und per Verfassung, die Frankreich seiner Kolonie vor der formalen Unabhängigkeit oktroyiert hatte, immer den Staatspräsidenten stellt. Der Regierungschef ist dann immer ein Sunnit und der wenig einflussreiche Parlamentspräsident ein Schiit, dessen Religionsgemeinschaft mit Abstand die größte ist. So ist denn auch festgelegt, wie viele Abgeordnete eines Wahlkreises welcher Religionsgemeinschaft anzugehören haben. wenn, wie in Saida, nur 2 Sitze dort zu vergeben sind und die an Sunniten gehen, dann dürfen zwar alle wählen, kandidieren können aber nur Sunniten. Ob Sunnit, Schiit, Maronit und 15 weitere anerkannte Religionsgemeinschaften, Mitglied wird man durch Geburt, Religionswechsel oder gar Atheist sein zu können ist nicht vorgesehen. Von daher ist die Ankündigung einer Neuwahl eine Farce.

Deshalb waren am 7. August auch so viele Menschen auf den Straßen und Plätzen. Zu der Demonstration hatte auch die KP aufgerufen. Meine politischen Sympathien gelten der Libanesischen Kommunistischen Partei, von der ich einige Genossinnen und Genossen kenne oder kannte.

Nach dem Krieg 2006 gab es eine Wahl, bei der das prowestliche Lager ca. 950.000 Stimmen bekam, das Lager des Widerstands (wie es sich selbst nannte) aber 1.050.000 Stimmen. Das Wahlrecht sorgte aber dafür, dass das prowestliche Lager deutlich mehr als die Hälfte der Sitze im Parlament bekam, wobei die 25 bis 30% Christen per Verfassung die Hälfte bekommen. Allerdings laufen die Grenzen zwischen den Lagern nicht immer entlang von Religionsgrenzen, sind nicht alle Christen prowestlich etc.

Ein Herr Steinmeier, damals Bundesaußenminister, lobte die Wahl – das erwünschte Ergebnis war ja herausgekommen – als demokratisch. Das auch deshalb, weil ja auch aktuell Politiker und Medien in unserem Land wieder meinen befugt zu sein, Wahlen in anderen Ländern in demokratisch oder undemokratisch einzuteilen.

Im Folgenden dokumentiere ich:

  • Erklärung der Libanesischen Kommunistischen Partei vom 7. August 2020
  • „Es ist Sache der Libanesen, über Reformen ohne Einmischung von außen zu entscheiden“ – Erklärung der Französischen Kommunistischen Partei
  • Spendenaufruf des Vereins Netzwerk am Turm e.V.: Dar Assalam – Nothilfe Beirut, um das Gästehaus von Dar Assalam als Notherberge für obdachlose Frauen zu öffnen.

Ich kenne den Akteur „Netzwerk am Turm“, das Dar Assalam und nicht wenige, die für die Einrichtung Verantwortung tragen, ich weiß, dass da jeder Cent richtig ankommt. Spenden an diese Adresse können jedenfalls nicht von deutschen Außenpolitikern, die seit langem in einer Tradition der westlichen Vereinnahmung des Libanon stehen, als Legitimation für ihre Politik missbraucht werden.

Volker Metzroth, Bad Kreuznach, ist Mitglied des Deutschen Freidenker-Verbandes Rheinland-Pfalz / Saarland


Erklärung der Libanesischen Kommunistischen Partei vom 7. August 2020 in Beirut, Libanon.

LCP ruft zum Sturz des mörderischen Regimes und seines von ausländischen Mächten unterstützten politischen Systems auf

Die Libanesische Kommunistische Partei (LCP) ist der Ansicht, dass die nationale Katastrophe, die nach der Zerstörung des Hafens von Beirut und vieler Stadtteile der Hauptstadt stattfand und zu Hunderten von Märtyrern und Tausenden von Verletzten und anderweitig Geschädigten führte, nur als schweres Verbrechen gegen die Nation angesehen werden kann. Dieses Verbrechen ist von einer politischen Autorität mit einem hohen Maß von Vernachlässigungen, Korruption und mangelnder nationaler Verantwortung begangen worden. In diesem Zusammenhang spricht LCP allen libanesischen Staatsangehörigen und Einwohnern, die ihre Angehörigen verloren haben, ihr tiefes Beileid aus und drückt die höchste Form der Solidarität mit Zehntausenden betroffener Bürger aus, die jetzt die Kosten für diese Katastrophe tragen. In diesem Zusammenhang möchte unsere Partei folgende Punkte hervorheben:

Das gesamte politische System – nicht nur die von 2014 bis heute gebildeten Kabinette, sondern auch die seit 1992 gebildeten Kabinette – sind für dieses katastrophale Verbrechen verantwortlich – unabhängig der unmittelbaren und technischen Faktoren, die die Explosion verursacht haben.

Das gesamte politische System, das den Staat zu einem Apparat für politischen Klientelismus und sektiererische Bevorzugung gemacht hat, hat den Weg für ein solches Verbrechen geebnet. Darüber hinaus haben alle sektiererischen politischen Fraktionen des Landes, deren politische Agenda immer von ausländischen Kräften diktiert war, unser Land zu einem fruchtbaren Land für internationale Interventionen gemacht, insbesondere für US-Interventionen in unsere innenpolitischen Angelegenheiten. Diese Agenden machten es dem Staat schwer, auf die wirklichen Bedürfnisse der Menschen einzugehen und auf sie zu reagieren, einschließlich in der jüngsten Katastrophe. In diesem Zusammenhang waren auch die aktuelle Wirtschafts- und Finanzkrise, die offensichtliche Unfähigkeit, die einfachsten öffentlichen Dienste zur Bekämpfung der Corona-Epidemie zu sichern, und die Verschärfung der Strom- und Kraftstoffkrise Teil jener Katastrophe, die in der schrecklichen Beiruter Hafenexplosion gipfelte.

Die LCP betrachtet unser sektiererisches politisches System erschwert es dem Staat und dem Volk, sich dem amerikanisch-zionistischen Projekt in der Region zu widersetzen, und dadurch können wir auch keine Nation aufbauen, die alle die nationalen Opfer wert ist, die seit der Gründung dieses Landes erbracht wurden. Nach Ansicht unserer Partei müssen alle reformerischen Gruppen und Organisationen jetzt ihre Bemühungen für den Sturz der Regierung vereinen, und an ihrer Stelle eine Übergangsregierung bilden, deren Minister keiner der politischen Fraktionen des Landes angehören sollten.

Eine solche Regierung hat als oberste Priorität, einen neuen, modernen, demokratischen und nationalen Staat aufzubauen. Nur ein solcher Staat wird in der Lage sein, die drei Krisen zu bewältigen, mit denen unser Land konfrontiert war und noch konfrontiert ist: den wirtschaftlichen Zusammenbruch, die Coronavirus-Epidemie mit ihren Gesundheitsschäden und die Auswirkungen der Explosion des Hafens von Beirut. In diesem Zusammenhang bekräftigt die Partei, dass sich das libanesische Volk heute an einem historischen Scheideweg befindet, auf dem es kein Zurück mehr geben kann, und dass die Explosion des Hafens einen neuen politische Markstein gesetzt hat. Die katastrophale Explosion kann der Anlass sein, das politische System zu erneuern und die Voraussetzungen für einen neuen gesellschaftlichen Vertrag zu schaffen.

Die LCP lehnt jeden Versuch ab, aus dieser nationalen Katastrophe Vorteile zu ziehen oder ihre Auswirkungen und Implikationen auf andere als die nationalen Richtungen umzulenken. In diesem Zusammenhang sollten die Solidaritätskampagnen der Menschen und ihr hohes Maß an Humanität und Freiwilligkeit die Grundlage für den Aufbau der Zukunft des Libanon sein. Anstatt die Notwendigkeit dieser neu gebildeten nationalen Bindung zu betonen, nutzen einige Kräfte die Gelegenheit, um sektiererische und regionale Konflikte zu fördern. Die Partei bekräftigt, dass es jetzt Zeit für Einheit und nationale Solidarität gekommen ist und nicht für einen spaltenden, rassistischen oder ausgrenzenden Diskurs. Die Partei lehnt ausdrücklich alle Versuche von politischen oder sektiererischen Kräfte ab, dieses Verbrechen auszunutzen, um das interne Kräfteverhältnis zu korrigieren oder ausländische Mächte zur Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes zu bewegen.

Die libanesische Kommunistische Partei fordert – angesichts des mangelnden Vertrauens in das herrschende System – die Einrichtung eines von der politischen Autorität unabhängigen zivilen Untersuchungsausschusses zur Klärung der Wahrheit und Ermittlung der Verantwortlichkeiten. Eine solche Untersuchung ist äußerst notwendig, um zu wissen, wer für das Verbrechen verantwortlich war, und um alle Personen / Organisationen zu kennen, die aufgrund ihres Missmanagements und ihrer Nachlässigkeit verantwortlich sein könnten. Dieses unabhängige zivile Komitee ist die Garantie dafür, dass die Libanesen die Wahrheit und Rechenschaftspflicht erreichen, und es muss nationale und rechtliche Persönlichkeiten und Institutionen umfassen, die für ihre Professionalität und Unabhängigkeit bekannt sind. Die meisten von ihnen waren stark am Aufstand vom 17. Oktober 2019 beteiligt. Die Partei ist der Ansicht, dass dieses Komitee garantiert, dass die Libanesen gemeinsam den Weg der Untersuchung und Gerechtigkeit beschreiten, abseits von Voreingenommenheit, Undurchsichtigkeit und Internationalisierung.

Die LCP betrachtet den Besuch des französischen Präsidenten als zusätzliches Signal für die erneute internationale Unterstützung und Legitimierung des politischen Systems. In den letzten 30 Jahren haben Frankreich und andere ausländische Mächte das korrupte politische System unterstützt. Diese Mächte finanzierten direkt die staatlichen Institutionen, die von korrupten politischen Fraktionen kontrolliert und verwaltet werden, und Frankreich war ein direkter Finanzier bei den Konferenzen Paris I, II und III. Auch halten die französischen Behörden immer noch in ihrem Gefängnis den Freiheitskämpfer George Ibrahim Abdallah gefangen, und damit verstößt Frankreich gegen alle Entscheidungen der französischen Justiz, sondern beugt sich dem Druck der US-Regierung und der zionistischen Entität.

Die LCP fordert die libanesischen Bürger auf, an ihrem Patriotismus festzuhalten, der sich unter allen schwierigen Umständen, die der Libanon durchgemacht hat, als Sicherheitsventil erwiesen hat. Die Partei ist der Ansicht, dass die Aufgabe des Aufbaus eines modernen Staatsbürgerschaftsstaates über jedem anderen Versuch steht, die Position ausländischer Mächte zu nutzen und ihnen die Werkzeuge und Ressourcen zur Verfügung zu stellen, um in die inneren Angelegenheiten des Libanon einzugreifen. Solche Aufrufe würden einen fruchtbaren Boden bereiten, um staatliche Institutionen zu fragmentieren und die nationale Souveränität zu untergraben. Darüber hinaus war die Forderung nach ausländischen Mächten, ein Mandat über das Territorium unseres Landes zu errichten, immer eines von vielen starken Elemente gewesen, die von den politischen Eliten genutzt wurden. Das politische System hatte immer von der Legitimierung durch ausländische Mächte profitiert.

Die LCP schätzt und würdigt jedoch die Sachspenden, die medizinische Versorgung und das Logistikmaterial, die von vielen Ländern, Organisationen und der libanesischen Diaspora bereitgestellt werden. Wir sind dankbar für diese weltweite Unterstützung. Diese Beiträge bilden eine gute Grundlage für eine globale humanitäre Hilfe in Krisenzeiten, die die LCP stets durch ihr Netzwerk mit linken Parteien auf der ganzen Welt stärken will.

Die Partei fordert eine rasche finanzielle Entschädigung für alle Betroffenen. Die LCP fordert die Behörden nachdrücklich auf, Obdachlosen in den Hotels und unbewohnten Wohnungen Unterkünfte zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus fordert unsere Partei auf, allen von der Explosion betroffenen Haushalten finanzielle, gesundheitliche und soziale Unterstützung zu gewähren und die Einwohner von Beirut und allen benachbarten Gemeinden von Steuern, Gemeindegebühren, Strom- und Wasserrechnungen zu befreien – unabhängig davon ob diese in diesem Monat oder in den kommenden Monaten fällig werden.

Die LCP, die die derzeitige Phase als Phase des demokratischen Wandels schlechthin betrachtet, lehnt jeden Versuch der offiziellen Behörden, die Rede-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit einzuschränken, entschieden ab. In diesem Zusammenhang sieht die Partei die Bedeutung des auferlegten „Ausnahmezustands“, warnt jedoch die Behörden vor Absichten, ihn als dauerhafte Maßnahme einzuführen.

Die libanesische Kommunistische Partei ist der Ansicht, dass die Kräfte des nationalen Aufstands vom 17. Oktober aufgefordert sind, den Protest wieder auf die Straße zu bringen und die Konfrontation mit dem herrschenden autoritären System zu eskalieren, indem sie ein alternatives Programm vorschlagen. Daher sollten sich alle politischen Gruppierungen, die unter dem Dach des 17. Oktober operieren, zusammenschließen und ihre Bemühungen vereinen, um einen einheitlichen politischen Rahmen zu schaffen, der die Führung bei der Organisation der nächsten Welle des Aufstands übernehmen kann. In diesem Rahmen ruft die Partei dazu auf, sich am Samstag, dem 8. August, um 16 Uhr auf dem Märtyrerplatz zu versammeln und zu demonstrieren, unter den in dieser Erklärung hervorgehobenen Losungen.

Parallel dazu fordert die LCP alle ihre Mitglieder auf, sich an allen Hilfsorganisationen zu beteiligen, um den Verwundeten zu helfen, die Trümmer in den umliegenden Gebieten zu beseitigen und Unterkünfte für die Vertriebenen bereitzustellen. Abschließend ruft die LCP ihre Mitglieder und Unterstützer dazu auf, auf dem neuesten Stand zu sein und bittet sie, in dieser heiklen Phase ein Höchstmaß an politischer und organisatorischer Bereitschaft zu zeigen. Dies ist äußerst wichtig, um die politischen Ziele des Aufstands zu erreichen; und um den schnellsten Übergang zu einem neuen Libanon zu gewährleisten – einem Land, dessen Werte auf Modernität, Freiheit, Demokratie und sozialer Gerechtigkeit beruhen.


Erklärung der Französischen Kommunistischen Partei

Es ist Sache der Libanesen, über Reformen ohne Einmischung von außen zu entscheiden

Die enorme Explosionskatastrophe, die am 4, August den Hafen und Teile der libanesischen Hauptstadt Beirut verwüstet hat, löste in aller Welt eine Welle solidarischer Hilfsbereitschaft aus. Das Unglück traf ein Land, das sich ohnedies bereits in einer schweren wirtschaftlichen und auch politischen Krise befand. Zunehmende Demonstrationen hatte in letzter Zeit verdeutlicht, dass erhebliche Teile der libanesischen Bevölkerung sich nicht mehr mit den miserablen Zuständen abfinden wollen. Sie fordern eine grundlegende Änderung sowohl der ökonomischen Verhältnisse als auch des politischen Machtsystems. Dieses ist seit Jahrzehnten von ausufernder Korruption und Vetternwirtschaft im Ergebnis eines verkrusteten Regime der Aufteilung der politischen Machtfunktionen zwischen den machtausübenden Clans der libanesischen Oberschicht gekennzeichnet, die sich zur Irreführung der Menschen mit religiösen Gewändern (Christen, Sunniten, Schiiten usw.) verkleiden. Außerdem war das Land mehrfach Opfer militärischer Überfälle der rechtsextremen Regierung Israels unter Netanjahu, die dafür die Existenz der schiitischen Hisbollah-Milizen in Südlibanon zum Vorwand nahm. Auch die Regierungen der westlichen Großmächte, insbesondere Deutschlands und Frankreichs und die Führungskreise der EU haben sich zu Hilfsleistungen bereit erklärt. Frankreichs Staatspräsident Macron nutzte die Gelegenheit, um sich als großer internationaler Staatsmann in Szene zu setzen, und flog eiligst nach Beirut. Er verband Hilfszusagen allerdings in Kolonialherrenmanier mit der Aufforderung an die Libanesen zu „Reformen“, mit denen die Staatsausgaben und die Renten gesenkt und die Anzahl der Staatsbediensteten verkleinert wird, ganz im Sinne der Sparzwang-Dogmen des Neoliberalismus. Offensichtlich sehen die imperialistischen Großmächte in der Katastrophe eine Gelegenheit, die derzeitigen Führungskreise Libanons über Hilfsleistungen mit derartigen Bedingungen zu mehr Gefügigkeit und Unterwerfung unter westliche Direktiven zu veranlassen und damit wieder mehr direkten Einfluss auf dieses Land zu bekommen. Denn der Libanon war stets und ist auch heute ein wichtiger Stützpunkt für imperiale Einflussnahme auch in Syrien und in der gesamten Nahostregion.

Wir veröffentlichen nachstehend zur Information eine Stellungnahme der Französischen Kommunistischen Partei (PCF) zu den Vorgängen, die am 7.8. auf ihrer Homepage publiziert wurde. Die PCF unterhielt seit Jahrzehnten traditionell sehr enge Beziehungen zu den Linkskräften im Libanon und speziell zur Libanesischen Kommunistischen Partei, schon in der Zeit, als der Libanon tatsächlich noch eine französische Kolonie war. Daher hat ihre Warnung vor den neokolonialen Hinterabsichten bei den Hilfsangeboten der westlichen Großmächte ein besonderes Gewicht.

Wortlaut:

Es ist Sache der Libanesen, über ihre Reformen zu entscheiden

Die schreckliche Explosion, die Beirut zerstört und in dramatischer Weise in Trauer versetzt hat, erfolgte zu einem Zeitpunkt, da das Land bankrott ist, mit einer korrumpierten Regierung, die die Reichtümer des Lands absaugt und Steuerflucht organisiert. Das libanesische Volk, von der Explosion schwer getroffen, mit mehr als 120 Toten, 4000 Verletzten und 300 000 Beirutern ohne Wohnung bringt also zu Recht seine Wut gegen dieses Regime zum Ausdruck. Sie brauchen unsere Hilfe.

Angesichts des sanitären und sozialen Notstands hat Priorität, internationale Hilfe zu leisten und abzusichern, dass sie nicht in die Hände der Profitmacher fällt, aber vor allem, dass die Solidarität nicht an Bedingungen der Umsetzung der sehr harten Sparpolitik des IWF geknüpft wird. Es ist Sache des libanesischen Volkes und seiner progressiven Kräfte, über Reformen zu beschließen, die es ermöglichen, ihren Bedürfnissen gerecht zu werden. Frankreich hat sich nicht wie eine ehemalige Kolonialmacht zu verhalten, um dieses Land noch mehr zu unterjochen. Wenn es eine Notlage gibt, gibt es keine Einmischung.

Die westlichen Mächte und ganz besonders Frankreich haben mit aller Macht diese Führer unterstützt, die mit Hilfe der internationalen Finanzinstitutionen den Ruin hervorgerufen, den Produktionsapparat und die öffentlichen Dienste der Wasserversorgung, der Elektrizität und des Gesundheitswesens zerstör haben – die Folgen sind am Wiederaufleben der Pandemie von Covid-19 zu ermessen.

Es ist also unanständig, Emmanuel Macron kommen und den Libanesen das an den Tag zu legende Verhalten diktieren zu sehen und Moralpredigten zu halten, die ständig im Widerspruch stehen zu den Positionen Frankreichs.

Der Libanon steht unter Schock. Ja, der Libanon braucht massive finanzielle und materielle Hilfe, um den Verletzten, den Obdachlosen helfen zu können, aber auch um die Hauptstadt wieder aufzubauen. Ja, der Libanon braucht grundlegende Reformen, um dem religiös bemäntelten Clan-System ein Ende zu machen, sich von diesen schändlichen Führern zu befreien, die Wirtschaft wieder aufzubauen. Aber der Libanon ist kein französisches Protektorat mehr. Wenn Paris diesem Land wirklich helfen will, muss es die auf den Straßen vom libanesischen Volk und den Fortschrittskräften gegen dieses System zum Ausdruck gebrachten Forderungen hören. Der Europäischen Union würde es zur Ehre gereichen, wenn sie die Tausende Flüchtlinge aufnehmen würde, die in diesem Land Zuflucht gefunden haben, wo Solidarität kein leeres Wort ist.

Hinter der scheinbaren Großmütigkeit von E. Macron steht der Wille, unter neuen Bedingungen die bestehende Ordnung beizubehalten, um die westliche Vorherschaft und Einmischung zu verewigen. Schlimmer noch, E. Macron gibt die von der Weltbank und dem IWF sowie von D. Trump erhobenen Bedingungen weiter. Der IWF hat seine Hilfe unter die Bedingung einer drakonischen Reduzierung der Höhe der Renten, der Anzahl der Staatsbediensteten und der öffentlichen Ausgaben gestellt, womit das Elend noch verstärkt wird. Er hat die hermetische Schließung der Grenze zu Syrien gefordert, was unmöglich ist.

Was den Präsidenten der USA betrifft, macht er die internationale Hilfe von der Bedingung des Kampfes gegen die libanesische Hisbollah abhängig, womit die Kriegsgefahr und die Anwendung des Loi Caesar (2019 neu erlassenes US-amerikanisches Gesetz, das auch Nicht-US-Bürger mit Sanktionen bedroht, falls sie Geschäftsbeziehungen mit syrischen Behörden unter Baschar Al-Assad unterhalten, Übers.) verstärkt wird, das die libanesischen Unternehmer hindert, sich am Wiederaufbau Syriens zu beteiligen.

Der Libanon verdient Besseres als Taschenspielertricks und hinterhältige Manöver, deren Folgen katastrophal wären.

Im Namen der Freundschaftsbeziehungen, die unsere zwei Völker vereinen, stellt sich die Französische Kommunistische Partei auf die Seite des libanesischen Volkes.

Übersetzt aus dem Französischen von Georg Polikeit

Die Texte stammen von der Internetseite der PCF, der untere wurde auch auf der Seite der LCP veröffentlicht


Spendenaufruf

Nothilfe Beirut

Liebe Freunde und Unterstützer des Dar Assalam,

wie viele sind wir erschüttert über die verheerenden Folgen der Explosionen im Hafen von Beirut am 04.08.2020, die über 140 Tote und Tausende von Verletzten gefordert hat, 300.000 Beiruter obdachlos gemacht haben und einen Sachschaden in Höhe von mehreren Milliarden Euro verursacht hat. In Anbetracht der Wirtschaftskrise, des drohenden Staatsbankrotts, der galoppierenden Inflation und der Corona-Pandemie ist klar, dass die Einwohner von Beirut auf sich gestellt sind, vom libanesischen Staat ist keine nennenswerte Unterstützung zu erwarten. Um so dringender sind die Beiruter auf Hilfe von außen angewiesen. Wir waren überwältigt von der Welle von Mitgefühl und Hilfsangeboten, die uns erreicht hat. Wir möchten hiermit allen, die uns auf die verschiedensten Wege erreicht haben, von ganzem Herzen danken.

Wir möchten gern einen kleinen Beitrag zur Unterstützung der Opfer vor Ort leisten. Da wie fast immer die Frauen und Mädchen am meisten unter der fürchterlichen Situation zu leiden haben, stehen diese im Focus unserer Hilfe. Nach längeren Beratungen haben wir uns zu folgenden Hilfsangeboten entschieden:

  • Wir werden das Gästehaus von Dar Assalam als Notherberge für obdachlose Frauen öffnen.
    Wegen der Covid-19-Pandemie und der deswegen einzuhaltenden sozialen Distanz können wir das Haus allerdings nur zur Hälfte belegen.
  • In Zusammenarbeit mit den libanesischen, konfessionsübergreifenden NGO’s „Kafa`“ und „Libanesische demokratische Frauenvereinigung“ wollen wir Frauen in Not unterstützen.

Wir haben diese Organisationen ausgesucht, da wir diese und ihre hervorragende Arbeit kennen und schätzen und auch wissen, dass hier kein Geld in irgendwelchen dunklen Kanälen versickern wird.

Die Spenden für diese Hilfsaktionen können auf das Konto des Vereins „Netzwerk am Turm e.V.“ (Wassersümpfchen 23, 55543 Bad Kreuznach, Vorsitzender: Pfarrer Siggi Pick) überwiesen werden.

Dieser Verein hat sich zum Ziel gemacht:

  • Die internationale Gesinnung, die Toleranz auf allen Gebieten der Kultur und des Völkerverständigungsgedankens in der Region Bad Kreuznach mit den Schwerpunkten Gerechtigkeit, Frieden und Umwelt zu fördern sowie
  • die Vernetzung von Gruppen und Institutionen zu fördern, die sich für Gerechtigkeit, Frieden und Umweltfragen einsetzen.

Spenden bitten wir an folgende Kontoverbindung zu überweisen:

Netzwerk am Turm e.V.
IBAN: DE58 5609 0000 0006 5347 16
BIC: GENODE51KRE (Volksbank RNH eG)
Verwendungszweck: „DAR ASSALAM LIBANON: NOTHILFE BEIRUT“

Bitte teilt bei einer Spende dem Verein die vollständige Adresse mit, damit Spendenbescheinigungen ausgestellt werden können.

Herzlichen Dank für eure Hilfe

Uwe Weltzien (1. Vorsitzender des Vereins Dar Assalam)
und das Team vom Dar Assalam

 


Bild: Zerstörungen im Hafen von Beirut nach der Explosion am 04. August 2020
Foto: Freimut Bahlo – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0
Quelle: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=92954703