Die Amis, die müssen verrückt sein
In der Rubrik Tagesdosis wurde am 31.07.2020 bei KenFM der Beitrag „Die Amis, die müssen verrückt sein“ von Rainer Rupp, Mitglied des Beirates des Deutschen Freidenker-Verbandes, veröffentlicht.
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Die Amis, die müssen verrückt sein – Tagesdosis 31.7.2020
Ein Kommentar von Rainer Rupp
So und nicht anders hätte Asterix die aktuelle Lage in den Vereinigten Staaten von Amerika bezeichnet. Egal wohin man blickt, im einstigen „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ steht heute alles auf dem Kopf. Der amerikanische Traum von der Suche nach dem persönlichen Glück und die Tellerwäscher-zum-Millionär- Karrieren sind heute mehr denn je nur ein Traum. Zyniker würden allerdings behaupten, dass in den USA auch heute immer noch alles möglich ist, vor allem die Selbstzerstörung und der gesellschaftliche Zerfall.
Vieles erinnert an Lenins Beschreibung einer vorrevolutionären Situation, die kurz zusammengefasst besagt: „Die da Unten wollen nicht mehr und die da Oben können nicht mehr.“
Die da Oben können nicht mehr, weil ihr bisher sehr profitables Geschäftsmodell der neoliberalen Globalisierung sich im Niedergang befindet, und keine Heilung in Sicht ist. Obwohl viele Präsident Trump dafür verantwortlich machen, hat diese Entwicklung schon lange vor seinem Amtsantritt angefangen, nämlich mit den großen Banken-Wirtschafts- und Staatsfinanzkrisen, die 2007 / 2008 begannen und sich in der Großen Rezession fortsetzen. In deren Folge machte sich der Neoliberalismus selbst redundant; spätestens nachdem offensichtlich geworden war, dass die herrschende Ideologie keinen Ausweg aus der Krise bieten konnte.
Erschwerend kommt zu dieser Entwicklung hinzu, dass sich – angeführt von Russland und China – immer mehr Länder, dem Hegemonialanspruch der US-Oligarchie in Washington und der von ihr angeführten westlichen Un-Wertegesellschaft widersetzen.
Die seit etlichen Jahren zunehmend in Unordnung geratene, sogenannte (neo)“liberale Weltordnung“ ist im Laufe des aktuellen Jahres durch den Ausbruch der Corona-Pandemie nur noch viel schlimmer geworden und hat in allen westlichen Staaten, vor allem aber in den USA die Gesellschaft zutiefst gespalten, horizontal und vertikal.
Die horizontale Spaltung der US-Gesellschaft verläuft entlang der immer tiefer werdenden Kluft zwischen der wachsenden Masse der Armen und der enormen Konzentration von unermesslichem Reichtum in den Händen einer immer geringeren Zahl von Superreichen, mit verheerenden Folgen für das bisschen Demokratie und Meinungsfreiheit, die in der heutigen USA und auch hierzulande noch überlebt haben.
Die inzwischen extrem tiefe, vertikale Spaltung der Unterschicht der US-Gesellschaft ist ein Phänomen jüngeren Datums und ein Produkt der systematischen „Teile und Herrsche“ Strategie der herrschenden Klasse. Damit die da Unten nicht auf den Gedanken kommen, sich zu vereinen und die elitären Parasiten notfalls mit Mistgabeln und Fackeln aus ihren Palästen zu jagen, kann man beobachten, wie seit Jahren die da Unten ständig mit neuen Wellen von angeblich Lebens-Sinn stiftenden Reiz-Themen überflutet werden., wie z.B. die Gender-Problematik, die Flüchtlingsproblematik, CO2-Problematik und die Fridays for Future Farce, die Rassismus Debatte und ob allen Weißen der strukturelle Rassismus angeboren ist, quasi als neue Erbsünde, oder ob die U-Bahnstation „Mohrenstraße“ in Berlin wegen Rassismus umbenannt werden muss. Diese und andere Themen sind wegen ihrer moralischen Inhalte so ausgesucht, dass sie garantiert die Aufmerksamkeit der Sinn suchenden Menschen unter denen da Unten erregen.
Mit Hilfe der privaten Konzern- und Regierungsmedien, die von den Strippen ziehenden, elitären Parasiten kontrolliert werden, werden die da Unten mit gefärbten Nachrichten, Meinungen und Spekulationen über das jeweils aktuelle Reizthema bombardiert, um die da Unten in verschiedene Gruppen von „dafür“, „dagegen“ und „ich weiß nicht“ auseinander zu dividieren. Darüber wird moralisch und oft irrational heiß diskutiert, überall und immer. Dabei zerbrechen alte Freundschaften und sogar Familienbande, und alles wegen eher marginaler oder gar künstlich geschaffener Probleme, die keinesfalls zentrale Fragen der aktuellen gesellschaftlichen Krise berühren.
Das ist nicht nur in den USA so, sondern auch hier bei uns in Deutschland. Die real existierenden, die tatsächlich brennenden Fragen der Gegenwart, wie z.B. Millionen armer Kinder im angeblich reichen Deutschland, Altersarmut nach einem arbeitsreichen Leben, Waffenexporte in Kriegsgebiete, Wirtschaftsterrorismus (nichts anderes sind Sanktionen gegen die Bevölkerungen anderer Länder zu nennen), Aggressionen und verdeckte Kriege gegen andere Länder, die keinerlei Bedrohung für das eigene Volk darstellen, aber dafür den Plänen der elitären Parasiten im Wege stehen und vieles mehr.
All diese real existierenden und dringenden Probleme werden in der Berichterstattung der Konzern- und Regierungsmedien weitgehend, wenn nicht sogar ganz ausgeblendet. Und die meisten Menschen merken nicht einmal etwas davon. Und wenn jemand*(in) tatsächlich aufmuckt und gegen die von den Konzern- und Regierungsmedien verbreitete „alternativlos richtige Wahrheit“ eine andere Sicht auf die Dinge ausspricht oder gar veröffentlicht, dann beschimpfen ihn sogar viele von denen da Unten als Verschwörungstheoretiker, Spinner oder gar als Rechter und Nazi. Man sieht, die Manipulation der Massen funktioniert.
Aber zurück in die USA. Dort lassen sich die parasitären Eliten aktuell in zwei Fraktionen aufteilen. Die größere Fraktion, die von der Mehrzahl der Konzernmedien bedingungslos unterstützt wird, hängt nach wie vor ihrem alten aber überholten Geschäftsmodell der (neo)liberalen Weltordnung an und versucht ihr neue Geltung zu verschaffen.
Die kleinere Fraktion hat erkannt, dass der Niedergang des US-Imperiums nicht mehr aufzuhalten ist und sie versucht, das Beste daraus zu machen, indem man sich von den teuren ausländischen Militärabenteuern verabschiedet und sich auf den Wiederaufbau der Infrastruktur, des Bildungssystem und der Reindustrialisierung des eigenen Landes konzentriert. Dafür hatte Präsident Trump das Motto geprägt: Make Amerika Great Again.
Diese beiden Fraktionen sind sich spinnefeind. Die Trennungslinie zwischen den beiden verläuft jedoch nicht entlang parteipolitischer Grenzen. Unter den Demokratischen Eliten gibt es die meisten Anhänger der liberalen Weltordnung, die dem US-Imperium mit Wirtschaftsterrorismus und aggressiven militärischen Aktionen und wieder zur alten Geltung verhelfen wollen. Für diese Demokratischen Eliten ist Trump der Hauptfeind. Schließlich hatte Trump bereits unmittelbar nach seinem Amtsantritt die weitreichenden TTIP- und TPP- Pläne der Obama-Regierung zur Weiterentwicklung und Perfektionierung der Kontrolle der nationalen Wirtschaften durch Großkonzernen gekillt. Und mit seiner Einführung von Schutzzöllen, flankiert von Subventionen hat Trump viel dazu beigetragen, Arbeitsplätze wieder zurück in die USA zu holen.
Aber auch unter den Republikanern hat Trumps viele Feinde. Um Trumps Wiederwahl zu verhindern haben sogar etliche seiner republikanischen Parteikollegen das LINCOLN PROJECT gegründet. Das ist eine finanziell bestens ausgestattete Initiative, die nur einen Zweck hat, nämlich Videos, in denen Republikaner gegen Trump Stimmung machen, zu den besten Sendezeiten in populären TV-Sendern zu platzieren. Auch diese Republikaner gehören zu der Fraktion, die das zerbrochene Ei der liberalen Globalisierung und der US-Hegemonie unbedingt wieder flicken wollen.
In ihrer über viele Jahrzehnte angeeigneten, US-typischen Überheblichkeit verkennen die meisten Imperialisten in Washington die neuen Realitäten, dass nämlich die USA schon längst nicht mehr die uneingeschränkte Supermacht ist. Denn die USA sind heute weder ökonomisch noch politisch noch militärisch stark genug, um rund um die Welt – notfalls im Alleingang – militärisch zu handeln.
Zwar ist das US-Militär immer noch weltweit präsent. Aber dank neuer, innovativer Waffenentwicklungen und deren Einsatzbereitschaft wäre z. B. ein Konflikt im Südchinesischen Meer – anders noch als vor zehn Jahren – heute alles andere als ein sicherer Sieg für die US-Navy. Mit der Gefechtsbereitschaft der chinesischen ballistischen Flugzeugträger Killer-Rakete mit einer Reichweite von 2.000 Km können jetzt die Symbole der militärischen US-Machtprojektion mit einer auf dem Teich schwimmenden Ente verglichen werden, die auch für einem Amateurjäger ein leichtes Ziel wäre.
Ähnlich sieht es bei einem US-Feldzug gegen Russland aus. Ohne militärische Mobilisierung der westeuropäischen NATO-Staaten würde eine US-Militäroperation gegen Russland, selbst mit Unterstützung Polens und der Ukraine, laut US-Kriegssimulationen nicht in einem US-Sieg, sondern „mit großer Wahrscheinlichkeit“ in einer vernichtenden Niederlage enden. Dafür würden allein schon die logistischen Probleme des US-Aggressor sorgen. Die neuesten russischen Waffensysteme waren bei diesen Simulationen gar nicht mitgerechnet.
Sogar gegen den Iran hätten die US-Kriegstreiber große Problem. Zwar könnten sie versuchen, den Iran in einem langen Luftkrieg zu zerstören, aber die eigenen US-Verluste wären erheblich. Und an einen Bodenkrieg mit anschließender Besetzung des Iran denken selbst die wildesten Köpfe im Pentagon nicht. Daher sind alle die wüsten US-Drohungen und militärischen Aufmärsche an den iranischen Grenzen in den letzten Jahrzehnten immer nur Drohgebärden geblieben. Und das hat seine guten Gründe, denn Teheran lässt sich nicht einschüchtern und hat gezeigt, dass es nicht nur über Waffen verfügt, die die gesamte US-Basen im Mittleren Osten punktgenau vernichten können, sondern auch bereit ist, das im Ernstfall zu tun. Zugleich kann Teheran durch die Schließung der Meerenge von Hormuz der westlichen Welt den Öl-Hahn abdrehen, mit verheerenden Folgen für die Interessen der US-Wirtschaftseliten.
Insgesamt sehen daher die Aussichten für die Falken in Washington nicht gut aus. Aber immer wieder glauben sie in einem Akt der totalen Realitätsverweigerung, sie seien nach wie vor die Herrscher des Universums und könnten nach Belieben mit Peitsche und Zuckerbrot andere Nationen herumkommandieren.
Aus dieser, die Realität verweigernden Haltung heraus entstehen viele seltsame Situationen, besonders wenn führende Leute des Regimes in Washington die Welt belehren wollen. Zuletzt ist das letzte Woche geschehen, als der Realitätsverweigerer par excellence, US-Außenminister und ex-CIA-Chef Mike Pompeo mal wieder einen Rundumschlag gemacht hat. Dabei wird klar, dass Washingtons Arroganz inzwischen total außer Kontrolle geraten ist und zu völlig absurden Behauptungen und Forderungen führt, was ein weiterer Beleg für die berühmte „außergewöhnliche“ Qualität der der US-amerikanischen Spitzenpolitiker ist.
In einer Grundsatzrede in der vergangenen Woche ermahnte Mike Pompeo, Außenminister des Imperium Americana seine europäischen Vasallen, sich Washingtons rücksichtsloser, konfrontativer Haltung gegenüber China anzuschließen. Pompeo behauptete mit der Rhetorik des Zweiten Kalten Krieges, dass die „freie Welt“ gegen die „neue Tyrannei“ der Kommunistischen Partei Chinas verteidigt werden müsse.
Das sagte Pompeo ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, zu dem der US-Kongress härtere Wirtschaftssanktionen gegen europäische Firmen beschlossen hatte, weil die an der Fertigstellung der Nord Stream 2-Gaspipeline beteiligt sind. Laut Oliver Hermes, Vorsitzender des Bundesverbandes der Ostwirtschaft könnten diese Sanktionen für mehr als 100 europäische Unternehmen finanzielle Verlusten in Höhe von 12 Milliarden Euro bedeuten. Zwar hat der Deutsche Bundestag die wirtschaftlichen Terrormaßnahmen des Regimes in Washington als Angriff auf die Souveränität Europas und auf dessen strategische Energiepolitik verurteilt, aber das stört die selbstverliebten Herren des Universums im US-Kongress nicht die Bohne.
Der Name des vom US-Kongress erlassenen Sanktionsgesetz gegen europäische Firmen ist eine Stück Realsatire und lautet „Gesetz zum Schutz Europas vor der Energieabhängigkeit von Russland“. Man kommt sich vor, wie bei „Alice im Wunderland“, wo oben unten und unten oben ist. Eine absurdere Begründung für diesen Wirtschaftsterror kann man sich nicht ausdenken. Tatsächlich geht es den Amis darum, die Europäer zum Import des teureren US-Fracking Gas mit Hilfe von Flüssiggastankern über die Atlantikroute zu zwingen. Das ist die wahrhaftige Freie Markwirtschaft des amerikanischen Turbo-Kapitalismus.
Aber die Satire ist noch nicht zu Ende. Pompeo fordert im selben Atemzug von den Europäern, dass sie auf den Zug seiner anti-China Kampagne aufspringen und die „Werte der freien Welt gegen Tyrannei“ stärker gegenüber Peking verteidigen. Mit anderen Worten, Pompeo verlangt von den Europäern, dass sie sich aus Vasallentreue gegenüber Washington gleich doppelt selbst schaden: nämlich teureres Gas von den USA, statt von Russland kaufen, und zweitens sollen die EU-Länder ihre guten und wichtigen Wirtschaftsbeziehungen mit China aufs Spiel zu setzen, nur weil die Kriegstreiber in Washington auf Konfrontationskurs gegangen sind und ihre anti-China Strafaktionen nicht die erhoffte Wirkung zeigen, wenn die Europäer nicht mitziehen.
Waren die bisherigen Forderungen Pompeos bereits wahnsinnig genug, so gibt es bei ihm immer noch eine Steigerung. So stellte er in seiner bereits erwähnten Rede von vergangener Woche seine irren Fähigkeiten unter Beweis, vielschichtig zu denken, als er sagte, dass Washington von Russland erwarte, dass es sich den amerikanischen Bemühungen anschließt, Waffenexporte nach China einzuschränken.
Am Ende seiner Rede wurde Pompeo dazu folgende Frage gestellt: „Bietet die Situation in Russland jetzt für die Vereinigten Staaten eine Gelegenheit, Moskau dazu zu bringen sich in den Kampf zu stürzen und unerbittlich ehrlich mit der Kommunistischen Partei Chinas umzugehen?“
Darauf antwortete den Pompeo: „Also ich denke, es gibt diese Gelegenheit. Diese Chance ist aus der Beziehung, den natürlichen Beziehungen zwischen Russland und China entstanden, und wir können auch etwas tun. Es gibt Sachen, an denen wir mit Russland zusammenarbeiten müssen. Heute – oder morgen, denke ich, werden unsere Teams (in Wien) vor Ort sein, wobei die Russen an einem strategischen Dialog arbeiten, um hoffentlich die nächste Generation von Rüstungskontrollabkommen zu schaffen, wie es (der ehemalige US-Präsident) Reagan getan hat. Das liegt in unserem Interesse, das liegt im Interesse Russlands. Wir haben die Chinesen gebeten, daran teilzunehmen. Sie haben sich bis heute zurückgelehnt. Wir hoffen, dass sie ihre Meinung ändern werden.“
Was hier wirklich vor sich geht, hat nichts mit Pompeos Sorge um den „Weltfrieden“ zu tun, den er in seiner Rede immer wieder bemühte. Vielmehr versucht Washington, indirekt Einfluss auf Chinas strategische Kräfte zu nehmen, indem es Russland als Gesprächspartner einsetzt. Das dürfte einer der Gründe für die Ambivalenz der Trump-Administration bei der Verlängerung des neuen START-Abkommens mit Moskau sein. Washington spielt bewusst mit der Drohung eines neuen globalen Wettrüstens, um Druck auf Moskau und Peking auszuüben.
Das Regime in Washington will also Moskau gegen Peking ausspielen, während es zugleich immer neue Wirtschaftsterrormaßnahmen gegen Russland verhängt und seine EU-Vasallen zwingt, das Gleiche zu tun. Ob sich Moskau auf eine derart krude US-Gangster Diplomatie einlässt, darf bezweifelt werden. Außerdem hat man sicherlich auch in Moskau nicht vergessen, dass Pompeo als ehemaliger Direktor der CIA vor nicht zu langer Zeit sich in einer öffentlichen Rede lachend damit gebrüstet hatte, dass „lügen, betrügen und Stehlen“ zum Berufsbild der Agency gehört. Daher: Wer Pompeo und den Amis traut ist selber schuld.
Rainer Rupp ist Mitglied des Beirats des Deutschen Freidenker-Verbandes
Link zur Erstveröffentlichung auf KenFM: https://kenfm.de/die-amis-die-muessen-verrueckt-sein-von-rainer-rupp/
Bild: Marco Verch / Lizenz: CC BY 2.0
Quelle: https://www.flickr.com/photos/30478819@N08/50144446212