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Israelische Soldaten zerstören palästinensische Behelfsklinik

In der Rubrik Tagesdosis wurde am 03.04.2020 bei KenFM der Beitrag „Israelische Soldaten bestehlen und zerstören palästinensische Behelfsklinik gegen Covid-19“ von Rainer Rupp, Mitglied des Beirats des Deutschen Freidenker-Verbandes, veröffentlicht.

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Der Beitrag ist auch auf YouTube verfügbar:  https://www.youtube.com/watch?v=Bh_fKFT_noo

Tagesdosis 3.4.2020 – Israelische Soldaten bestehlen und zerstören palästinensische Behelfsklinik gegen Covid-19

Ein Kommentar von Rainer Rupp

„Während die ganze Welt gegen die beispiellose und lähmende Corona-Gesundheitskrise kämpft, setzt das israelische Militär Zeit und Ressourcen ein, um die palästinensische Bevölkerung im besetzten Westjordanland, die Israel seit Jahrzehnten zu vertreiben versucht, auf besonders gemeine Art zu schikanieren.“

Unvorstellbar aber wahr, während sich der Corona Virus auch in den besetzten Gebieten verbreitet, hatte die israelische Soldateska nichts Besseres zu tun, als mit Planierraupen, Hebekränen und Sattelschleppern in dem palästinensischen Dorf Khirbet Ibziq aufzukreuzen, um dort die von der lokalen Bevölkerung bereits notdürftig errichtete medizinische Soforthilfestation für Covid-19 Kranke zu überfallen.

Das berichtete „B’Tselem“, eine in Jerusalem ansässige gemeinnützige Organisation, deren erklärtes Ziel es ist, Menschenrechtsverletzungen in den von Israel besetzten Gebieten zu dokumentieren, am 23. März. Wie zu erwarten wurde diese Nachricht von keinem unserer Qualitätsmedien aufgegriffen.

In einer Kommandoaktion rissen die israelischen Soldaten mit schwerem Gerät die Mauern der noch im Bau befindlichen Behelfsklinik ein, nicht ohne zuvor die medizinischen und anderen Gerätschaften, sowie große Zelte und einen Generator zu stehlen und nach Israel abzutransportieren, wahrscheinlich für eigene Zwecke. Schließlich werden rechtsradikale Rabbis nicht müde, den israelischen Soldaten davon zu überzeugen, dass „ein jüdisches Leben mehr Wert ist als 1000 arabische Leben“, eine Formel, die ex-Chef Rabbiner Mordechai Tzemach Eliyahu sogar in Gesetzesform gegossen sehen wollte.

Mitten in einer Pandemie aus einer Behelfsklinik der Palästinenser die Geräte zu stehlen und sie dann abzureißen ist „ein besonders grausames Beispiel für den regelmäßigen Missbrauch, der den Palästinensern zugefügt wird, und es widerspricht grundlegenden menschlichen und humanitären Grundsätzen in einer Notsituation“, heißt es in der Verlautbarung von „B’Tselem“. „Im Gegensatz zur israelischen Politik diskriminiert diese Pandemie nicht aufgrund der Nationalität, ethnischen Zugehörigkeit oder Religion.“ Es sei „höchste Zeit, dass die Regierung und das Militär anerkennen, dass ausgerechnet Israel jetzt für die Gesundheit und das Wohlergehen der fünf Millionen Palästinenser verantwortlich ist, die unter seiner Kontrolle in den besetzten Gebieten leben“, so die gemeinnützige Organisation „B’Tselem“ (1)

Es besteht kein Zweifel, dass laut Völkerrecht die Besatzungsmacht für die Bevölkerung in den besetzten Gebieten die Verantwortung trägt, einschließlich der Gesundheitsversorgung. Aber in Palästina haben die zionistischen Besatzer die rechtsbindende Verpflichtung stets ignoriert, weil sie sich darauf verlassen können, dass mächtigen Zionistenfreunde im US-Kongress und bisher in so gut wie allen US-Regierungen seit mindestens einem halben Jahrhundert jegliche Initiative in den Vereinten Nationen blockiert haben, die Israel gezwungen hätte, seinen verbrecherischen Kurs zu ändern. Und in Deutschland – in Politik, Medien und in der Gesellschaft – erstickt die drohend über allem schwebende anti-Semitismus-Keule jegliche Kritik an der rassistischen Apartheid-Politik des selbst erklärten Judenstaates.

Auch die bisherige Erfahrung mit dem Coronavirus im Westjordanland ist nicht nur ein perfektes Beispiel dafür, mit welcher kriminellen Verantwortungslosigkeit Israel über die Palästinenser herrscht, sondern auch wie die Zionisten die Corona-Krise für illegalen Aktivitäten in den besetzten Gebieten ausnützen. In der palästinensischen Stadt Bethlehem z.B., in der es etwa 30 Fälle von Corona gab, wurde eine vom israelischen Militär strikt kontrollierte Ausgangssperre verhängt, während im israelischen Tel Aviv, wo er zur gleichen Zeit Hunderte mehr Fälle gab, derart einschränkende Maßnahmen nicht verhängt wurden.

Begleitet wurde die Ausgangssperre für die Palästinenser von nächtlichen Razzien des israelischen Militärs und von der Vertreibung palästinensischer Familien aus ihren Häusern, die anschließend abgerissen wurden, um Platz für die Erweiterung alter oder für den Bau neuer, illegaler Zionistensiedlungen im Westjordanland zu machen. Das alles hat vermehrt in der 2. Märzhälfte stattgefunden, wobei die Besatzer die Corona-Krise dazu ausgenutzt haben, um ausländische Journalisten von den Orten ihrer Verbrechen fernzuhalten.

Vor dem Hintergrund der dramatischen Zuspitzung der Covid-19 Erkrankungen in den besetzten Gebieten haben führende Repräsentanten und Senatoren der Demokratischen Partei im US-Kongress, u.a. Elisabeth Warren, Bernie Sanders, Van Hollen, Tom Udall und andere mehr, in einem Brief die Trump Administration aufgefordert, inmitten der COVID-19-Krise dringend benötigte Hilfe nach Palästina zu schicken. In dem Schreiben heißt es:

„Angesichts der Ausbreitung des Coronavirus im Westjordanland und im Gazastreifen, der extremen Fragilität des Gesundheitssystems in Gaza und der andauernden Blockade der bisherigen US-Hilfe für das palästinensische Volk, sind wir besorgt, dass die lokalen Organisationen der Palästinenser nicht in der Lage sind, alles Notwendige zur Bekämpfung dieses Gesundheitsnotstands in den palästinensischen Gebieten zu tun“, heißt es in dem Schreiben (2).

Wenn in dem Brief der Kongress-Mitglieder an Präsident Trump die Rede davon ist, dass die fortdauernde Blockade der bisherigen US-Hilfe für das palästinensische Volk aufgehoben werden müsste, hat dies folgenden Hintergrund. Bis Ende letzten Jahres hatten die palästinensischen Selbsterverwaltungsbehörden in bescheidenem Maße von den USA wirtschaftliche und medizinische Hilfe bekommen. Als die Palästinenser jedoch Präsident Trumps „Großem Friedensplan“, den er am 28. Januar 2020 vorgestellt hatte, nicht zustimmen wollten, wurden auf seine Anweisung alle US-Hilfen für Palästina eingestellt.

Der Trump-Friedensplan, mit dem offiziellen Titel „Friedenspreis für Wohlstand: Eine Vision zur Verbesserung des Lebens des palästinensischen und israelischen Volkes“ hätte gegen das Versprechen von größeren Geldsummen das Territorium der Palästinenser im Westjordanland noch stärker zerstückelt und de facto noch mehr Raum für die zionistischen Landräuber geschaffen.

Der Plan war unter Federführung von Trumps Schwiegersohn Jared Kushner entstanden. Trump hatte den glühenden Zionisten Kushner, der eng mit dem israelischen Ministerpräsidenten und rechtsradikalen Rassisten Benjamin Netanyahu befreundet ist, zum Sonderbeauftragten für den Mittleren Osten ernannt. In dieser Funktion hatte Kushner, gemeinsam mit Netanyahu den „Friedensplan für den Mittleren Osten“ ausgearbeitet. Dritter im Bunde wurde dann der saudi-arabische Kronprinz Mohammed Bin Salman (MBS), der vor allem als Auftraggeber für den Mord an dem Journalisten der Washington Post, Jamal Khashoggi, berüchtigt wurde.

Der Friedensplan hatte jedoch mit Frieden wenig zu tun, denn er sollte hauptsächlich eine militärpolitische und wirtschaftliche Achse zwischen Israel, den USA und Saudi Arabien gegen den Iran schmieden. Um zu verhindern, dass der saudische Kronprinz MBS in der arabisch-islamischen Welt als Verräter an der palästinensischen Sache dastand, sollten die Palästinenser mit dem Versprechen von sehr viel saudischem Geld gelockt werden, dem später von Trump vorgestellten Friedensplan zuzustimmen.

Da der so genannte „Friedensplan“ jedoch neben vielen anderen Zumutungen eine weitere Zerstückelung des Westjordanlandes beinhaltete, wurde der Plan, sowie jede Verhandlung darüber, von den Palästinensern rundum abgelehnt. Als Erzwingungsmaßnahme stoppte daraufhin Washington prompt jede weitere US-Hilfe an die Palästinenser. Da Trumps Schwiegersohn inzwischen auch Mitglied der COVID-19 Taskforce des US-Präsidenten ist, kann man sich nur schwer vorstellen, dass Trump trotz der drängenden humanitären Situation in den besetzten Gebieten Palästinas die Blockade der US-Hilfe ohne Gegenleistung der Palästinenser wieder aufheben wird.

Dennoch hat am Donnerstag letzter Woche (26.3. 2020) die linksgerichtete Organisation amerikanischer Juden „IfNotNow“ bekannt gegeben, dass mehr als 10.000 Menschen ihre Petition unterzeichnet haben, in der Israel aufgefordert wird, die palästinensische Bevölkerung in Gaza und im Westjordanland vor dem Corona-Virus zu schützen, indem sie die Blockade beendet und die medizinische Versorgung (aus anderen Ländern) wieder durchlässt. In einer Pressemitteilung zur Petition hieß es zudem: „Die internationale Gemeinschaft muss alles in ihrer Macht Stehende tun, um alle Menschen dieser Welt vor dieser Pandemie zu schützen. Dazu müssen auch die staatenlosen Palästinenser in Gaza gehören, deren Leben vom israelischen Militär kontrolliert wird. Wenn es jemals einen Moment gab, um zu erkennen, dass wir in diesem Kampf zusammen sind, dann jetzt.“(3)

Der Appell von „IfNotNow“ an die internationale Gemeinschaft allein wird wenig nutzen. Bei der Hilfe für die Palästinenser müssen die USA vorangehen. Denn um die „internationale Gemeinschaft“ scheren sich die Zionisten einen Dreck, genauso wenig wie ihnen Resolutionen der Vollversammlung der Vereinten Nationen egal sind. Wenn sie jedoch offizielle Hilfe der US-Regierung für die Palästinenser behindern würden, dann könnte das ernsthafte Folgen für die Höhe der alljährlichen US-Finanzspritzen und Militärhilfe an Israel haben.

Kumulativ ist Israel der größte Empfänger von US-Auslandshilfe seit dem Zweiten Weltkrieg. Bis heute hat die Regierung der Vereinigten Staaten Israel insgesamt 142,3 Milliarden Dollar gegeben. Die Zahl ist nicht inflationsbereinigt, was heißt, dass z.B. eine Million Dollar im Jahr 1960 eine bedeutend höhere Kaufkraft hatte als eine Million Dollar im Jahr 2020. Das bedeutet, dass die oben ausgewiesen Summe der US-Hilfen von 1946 bis 2020 in Höhe von 142,3 Milliarden Dollar viel zu niedrig angesetzt ist und eher doppelt so hoch ist.

Rainer Rupp ist Mitglied des Beirats des Deutschen Freidenker-Verbandes

Quellen:

  1. https://www.btselem.org/press_release/20200326_israel_confiscates_clinic_tents_during_coronavirus_crisis
  2. https://mondoweiss.net/2020/03/warren-van-hollen-lead-senators-in-demanding-trump-admin-send-aid-to-palestine-amid-covid-19-crisis/
  3. https://twitter.com/IfNotNowOrg/status/1243291644872609793?ref_src=twsrc%5Etfw%7Ctwcamp%5Etweetembed%7Ctwterm%5E1243291644872609793&ref_url=https%3A%2F%2Fmondoweiss.net%2F2020%2F03%2Fwarren-van-hollen-lead-senators-in-demanding-trump-admin-send-aid-to-palestine-amid-covid-19-crisis%2F

 

Link zur Erstveröffentlichung auf KenFM: https://kenfm.de/tagesdosis-27-3-2020-corona-patentloesung/


Bild: Screenshot aus dem Video von KenFM