Frieden - Antifaschismus - Solidarität

Der NATO-Angriff auf Jugoslawien war ein Kriegsverbrechen …

… die Anerkennung des Kosovo ein großer Fehler – mein Interview für Vesti

Interview von Żaklin Nastić, MdB mit der Tageszeitung Vesti

(Deutsch zuerst veröffentlicht am 24.03.2020 auf www.zaklinnastic.de)

 

Was hat alles die Linke (damals PDS) unternommen, als das Bombardment am 24. 03. 1999 angefangen hat?

Die LINKE setzt sich konsequent für eine friedliche, auf diplomatischem Austausch basierende Außenpolitik ein. Wir lehnen Kriegseinsätze vom deutschen Boden grundsätzlich ab, auch aufgrund eines verantwortungsvollen Umgangs mit unserer Geschichte. Auch 1999 haben wir uns im Deutschen Bundestag (damals als PDS-Fraktion) als einzige politische Kraft gegen die Beteiligung Deutschlands an diesem verbrecherischen Angriffskrieg gegen Jugoslawien ausgesprochen.

Unser damaliger Fraktionsvorsitzender, Gregor Gysi, hat den Angriffskrieg der NATO gegen Jugoslawien klar verurteilt, die Angriffe auf Zivilisten durch NATO-Streitkräfte scharf verurteilt und direkte Gespräche mit dem serbischen Präsidenten Slobodan Milošević geführt, um zum Frieden in der Region beizutragen. Die PDS beteiligte sich an zahlreichen Anti-Kriegs- und Anti-NATO-Kundgebungen und organisierte viele Veranstaltungen, um die Bevölkerung in Deutschland über die Gräueltaten der NATO aufzuklären.

In welchem Alter waren Sie, und haben sie irgendwas davon mitbekommen?

Als das Bombardement Jugoslawiens durch die NATO am 24.03.1999 begann, war ich 19 Jahre alt. Ich habe an vielen Demonstrationen in Hamburg gegen den Krieg teilgenommen und wurde durch diesen Krieg mehr als zuvor politisiert. Die Lügen des damaligen Außenministers der Grünen, Joseph Fischer, um den Kriegseinsatz zu legitimieren, haben mich unglaublich erschrocken, aber auch, dass viele deutsche Medien diese Lügen verbreitet haben. Ich bin vor und nach der Bombardierung vielfach in Serbien gewesen, das Land und die Menschen mit ihrer Herzlichkeit und Gastfreundschaft sind mir bekannt, sie hatten damals wie heute meine Solidarität. Krieg darf niemals Mittel der Politik sein.

Wie schätzen Sie die Reaktionen anderer Parteien in Deutschland in dieser Zeit ein?

Mit dem Beschluss vom 16. Oktober 1998, sich am Angriff der NATO auf Jugoslawien zu beteiligen, beendete der Deutsche Bundestag mit großer Mehrheit den seit dem 2. Weltkrieg vorhandenen antimilitaristischen Konsens. Dieser lautete „Vom deutschen Boden darf nie wieder Krieg ausgehen“. Diese Entscheidung war eine Katastrophe, welche der friedlichen Außenpolitik Deutschlands ein Ende setzte, seit diesem Zeitpunkt beteiligt sich die Bundeswehr nahezu ununterbrochen an weltweiten Kriegseinsätzen.

Alle Fraktionen außer der PDS (jetzt LINKE) stimmten damals für den Kriegseinsatz gegen Jugoslawien. Sie ebneten somit den Weg für die Beteiligung der Bundeswehr an Kriegsverbrechen in Jugoslawien und an Tötungen von unschuldigen Zivilisten.

Besonders die SPD und Grünen haben nur drei Wochen nach der Bundestagswahl 1998 großen Verrat an den Werten begangen, denen sie Jahrzehnte lang vorgegeben hatten zu folgen. Somit bleibt die PDS bzw. DIE LINKE von da an bis heute die einzige antimilitaristische und antiimperialistische Kraft im Deutschen Bundestag, die sich stets für Völkerverständigung und für friedliche Außenpolitik einsetzt – auch gegenüber Serbien.

Was soll, nach Meinung der Linken, mit dem Kosovo in Zukunft passieren?

Uns Linken war schon damals klar: NATO-Bomben und Völkerrechtsbrüche schaffen keinen Frieden, im Gegenteil. Auch heute setzt sich DIE LINKE konsequent für die Einhaltung des Völkerrechts ein. Die Abspaltung des Kosovo war ein Völkerrechtsbruch. Die Anerkennung des Kosovo durch die Bundesrepublik Deutschland war nicht rechtens und ein großer Fehler. Dieser muss dringend korrigiert werden, indem man die Anerkennung zurückzieht – dafür setze ich mich im Bundestag ein. Ich habe vollstes Verständnis dafür, dass Serbien diese infolge eines NATO-Angriffskrieges und durch Völkerrechtsbruch abgespaltene Provinz, deren Politik immer noch von früheren Kriegsverbrechern bestimmt wird, nicht als Staat anerkennen möchte. Statt an diesem eklatanten Bruch des Völkerrechts weiter festzuhalten, sollte die Bundesregierung vielmehr direkte Gespräche zwischen Serben und Albanern zur Konfliktlösung unterstützen. Nur diplomatische Gespräche, auf staatlicher sowie auf zivilgesellschaftlicher Ebene, können zu einer nachhaltigen friedlichen Lösung führen. Ich begrüße die Bereitschaft Serbiens, solche Gespräche zu führen. Gleichzeitig muss klar sein – Kriegsverbrecher gehören ins Gefängnis, nicht in politische Ämter.

Wie sollen vertriebene Leute aus dem Kosovo entschädigt werden?

Ich halte Entschädigungen für aus dem Kosovo vertriebene Menschen für absolut notwendig. Es muss eine unabhängige Kommission ins Leben gerufen werden, welche das ganze Ausmaß der entstandenen Schäden objektiv bewertet. Deutschland darf sich als ein Land, welches an den Kriegsverbrechen in Jugoslawien beteiligt war und stets auf der Seite der kosovarischen Kriegsverbrecher-Elite stand, nicht aus der Verantwortung stehlen – weder moralisch, noch finanziell, noch rechtlich. Doch unzählige tote Menschen können nicht mehr zurückgebracht werden. Um auch deren Angehörigen zumindest ein wenig Gerechtigkeit zu gewähren, müssen alle an diesen Morden und Vertreibungen beteiligte Kriegsverbrecher juristisch zur Rechenschaft gezogen werden – sowohl die kosovarischen Machthaber, als auch die Entscheidungsträger in den beteiligten NATO-Staaten.

Zahl der Serben in Deutschland wächst kontinuierlich, in Berlin sind sie die viertgrößte Einwanderergruppe. Meinen Sie, dass sie mehr an der deutschen Politik teilnehmen sollten und was können sie machen?

Nach Serbien und Bosnien-Herzegowina lebt in Deutschland die größte serbische Community Europas. Viele Serbinnen und Serben haben in den 1950-1960er Jahren zum deutschen Wirtschaftswunder beigetragen – und das obwohl der von Deutschland begonnene Zweite Weltkrieg so viel Leid über Serbien und das serbische Volk gebracht hatte. Bis heute leisten die Serbinnen und Serben einen wichtigen Beitrag zum sozialen, kulturellen und politischen Leben in Deutschland und sind eine Bereicherung für unser Land. Es ist von daher besonders schade, dass die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland mit ihrer desaströsen Politik Spaltung und Verwüstung auf dem Balkan gesät haben, anstatt einen Beitrag für Frieden und Völkerverständigung zu leisten. DIE LINKE setzt sich für eine Politik der Freundschaft zwischen Serbien und Deutschland ein. Natürlich würde ich es begrüßen, wenn sich unsere serbischen Mitbürgerinnen und Mitbürger noch aktiver in das politische Leben in Deutschland einbringen. Sie alle können sich sicher sein, dass sie in meiner Partei DIE LINKE eine politische Heimat finde können, denn wir stehen konsequent für eine soziale Politik hier in Deutschland, aber auch für freundschaftliche Beziehungen zu Serbien.

Was ist der Fehler im Kampf gegen Corona und was kann die Regierung jetzt am besten unternehmen?

Der größte Fehler in Deutschland ist nicht nur während der Corona-Epidemie gemacht worden, sondern schon in den Jahren zuvor. Es ist die weitreichende Privatisierung und Kommerzialisierung des deutschen Gesundheitssystems, vor der DIE LINKE schon lange gewarnt hat und die sich in dieser schwierigen Zeit besonders bemerkbar macht. Die Bundesregierung war über die Gefahren einer potenziellen Pandemie schon seit Jahren weitreichend informiert, trotzdem wurde das Gesundheitssystem darauf nicht vorbereitet. Was wir jetzt schnell brauchen, sind massive Investitionen in das Gesundheitssystem sowie zügig wirkende finanzielle Hilfen für besonders betroffene Arbeitnehmer, Auszubildende, Kleinunternehmer und Freiberufler, aber auch für die Ärmsten unter den Ärmsten – die Obdachlosen, die sich nicht in die häusliche Selbstisolation begeben können. Eine Gesellschaft ist nur so stark und so gesund, wie das schwächste Mitglied dieser Gesellschaft.

Außerdem rufe ich Deutschland und die EU dazu auf, endlich zu begreifen, dass man eine Pandemie nur gemeinsam solidarisch bekämpfen kann. Dass man jahrelang Druck auf Serbien macht, seine Wirtschaft zu liberalisieren und für EU-Konzerne unbegrenzt zu öffnen sowie sich von Russland und China zu distanzieren, aber nun, in Zeiten der Corona-Krise, die Serben im Stich lässt, ist ein peinliches Eingeständnis von Egoismus und Profitwahn. Es ist gut, dass China und einige andere Länder bereit sind, zu helfen. Ich wünsche den Menschen auch in Serbien, dass wir diese Epidemie schnell überstehen und alle möglichst gesund bleiben!

Żaklin Nastić ist Sprecherin für Menschenrechtspolitik der Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag
und Mitglied des Deutschen Freidenker-Verbandes

Link zur deutschen Erstveröffentlichung: https://www.zaklinnastic.de/der-nato-angriff-auf-jugoslawien-war-ein-kriegsverbrechen-die-anerkennung-des-kosovo-ein-grosser-fehler-mein-interview-fur-vesti/


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Bilder vom Blog der Autorin www.zaklinnastic.de