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Den Prozess gegen Julian Assange sofort abbrechen!

Der Fall Julian Assange ist politisch – deshalb gibt es nur eine Konsequenz

Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann

Über dem Haupteingang zum Londoner Gefängnis, in dem Wikileaks-Gründer Julian Assange zurzeit unter menschenverachtenden Bedingungen festgehalten wird, ist zu lesen: „HMP Belmarsh“. Das bedeutet: „Her Majesty’s Prison Belmarsh“ – „Das Gefängnis ihrer Majestät“ der Königin von England. Und das Gericht, an dem über den Auslieferungsantrag der USA befunden werden soll, befindet sich gleich nebenan. Doch, was an diesem Gericht „im Namen der Königin“ abläuft, entbehrt jeder Grundlage. Das ergibt sich aus dem zwischen Großbritannien und den USA abgeschlossenen Auslieferungsvertrag und einem Schreiben des Königshauses an eine deutsche Unterstützerin von Julian Assange.

In Artikel 4 des 2007 in Kraft getretenen „Auslieferungsvertrags zwischen der Regierung des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika“ (Extradition Treaty between the Government of the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland and the Government of the United States of America with Exchange of Notes) heißt es: „Die Auslieferung wird nicht bewilligt, wenn die Straftat, für die die Auslieferung beantragt wird, eine politische Straftat ist.“ (Extradition shall not be granted if the offense for which extradition is requested is a political offense.) (1)


Titelseite des zwischen Großbritannien und den USA abgeschlossenen Auslieferungsvertrags

Die an die Königin von England gerichtete Bitte einer deutschen Unterstützerin von Julian Assange, sich zu dessen Gunsten einzuschalten, wird am 23. Dezember 2019 wie folgt beantwortet: „Sehr geehrte Frau G., ich wurde gebeten, auf Ihren Brief an die Königin zu antworten. Wir haben Ihre Ausführungen zu Herrn Julian Assange sorgfältig zur Kenntnis genommen. Ich muss Ihnen jedoch sagen, dass Ihre Majestät als konstitutionelle Souveränin auf den Rat ihrer Minister handelt und zu jeder Zeit streng unpolitisch bleibt. Daher ist dies keine Angelegenheit, in die die Königin eingreifen würde.“ (2)


Schreiben im Namen der Königin vom 23.23.2019

Damit ist die Sachlage klar: Der Fall Julian Assange wird vom britischen Königshaus als politisch bewertet. Die Auslieferung aufgrund politischer Straftaten ist laut Vertrag von 2007 unzulässig. Damit darf Julian Assange nicht ausgeliefert werden. Die logische Konsequenz: der gegen ihn geführte Auslieferungsprozess entbehrt jeder Grundlage und muss daher unverzüglich beendet werden. Julian Assange muss frei gelassen werden.

Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann sind Herausgeber der Neuen Rheinischen Zeitung,
Vorstandsmitglieder des Bundesverbandes Arbeiterfotografie
und Mitglieder des Deutschen Freidenker-Verbandes

Fußnoten:

1 Auslieferungsvertrag zwischen dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland und den Vereinigten Staaten von Amerika, in Kraft seit 2007
https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/243246/7146.pdf

2 Schreiben im Namen der Königin vom 23.12.2019 im englischen Original:
„Dear Ms G., I have been asked to write in response to your letter to The Queen from which careful note has been taken of your comments regarding Mr Julian Assange. I must tell you, however, that as a constitutional Sovereign, Her Majesty acts on the advice of her Ministers and remains strictly non-political at all times. This is, therefore, not a matter in which The Queen would intervene.“


Bild oben: Wappen über dem Haupteingang zum Belmarsh Prison (Foto: © arbeiterfotografie.com, bearbeitet von rlx)