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Auf der Jagd nach Geschichtsfälschungen?

von Dr. Wolfgang Schacht

(Erstveröffentlichung am 25.08.2019 auf www.dr-schacht.com)

In was für einer verkommenen Welt leben wir eigentlich? Da wendet sich doch tatsächlich ein in der Schweiz lebender dänischer Politologe namens Niels Peter Ammitzboell „angesichts aktueller Geschichtsverfälschungen, die in ihrer Hauptstossrichtung den Engländern die Schuld am 2. Weltkrieg zuschieben“ an ehemalige Bürger der DDR mit der Bitte „einen kompetenten Ansprechpartner zu nennen, da diese Kreise zunehmend in Deutschland Gewicht bekommen und man (ihnen, W.S.) etwas entgegen setzen muss“. Wer ist Niels Peter Ammitzboell? Im wessen Auftrag handelt er, wer bezahlt ihn und warum ist er nicht in der Lage, die „aktuellen Geschichtsfälschungen“ der Autoren Nikolay Starikov aus Russland, Wolfgang Effenberger aus Deutschland, Patrik Walsh aus Irland, Gerry Docherty aus Schottland u.a. selbstständig zu untersuchen und zu entschlüsseln? Kann er es nicht oder will er es nicht, weil er die Arbeiten der o.g. Autoren und Schriftsteller nicht gründlich gelesen bzw. nicht verstanden hat? Oder irren wir uns? Vielleicht sammelt er nur unwiderlegbare Beweise über die Beteiligung der Angelsachsen (USA und Großbritannien) an der Vorbereitung des Zweiten Weltkrieges, d.h. wir sollen für ihn – wie in der Vergangenheit schon so oft – wieder einmal kostenlos die Arbeit machen?

Im Internet (https://www.rubikon.news/autoren/niels-peter-ammitzboell ) finden wir über den „Wahrheitsapostel“ die bemerkenswerten Worte „Niels Peter Ammitzboell ist Erziehungs-wissenschaftler und Politologe. Er lebt als pensionierter Berufsfachschullehrer in der Schweiz, beschäftigt sich neben der Ornithologie mit politischen Systemen im Hinblick auf ihre wirtschaftliche Gerechtigkeit und untersucht manipulative Änderungen von Geschichtsbildern unter dem Aspekt der jeweiligen Machtinteressen“. Jetzt ist alles klar! Es handelt sich um eine anspruchsvolle und sehr lukrative Aufgabe, die ihn völlig überfordert und die er ohne fremde Hilfe nicht lösen kann. Wessen Gerechtigkeit und wessen Machtinteressen er vertritt, das teilt er uns leider nicht mit.

Bevor wir etwas über das Buch von Nikolay Starikov „Wer hat HITLER gezwungen STALIN zu überfallen?“ ( http://www.dr-schacht.com/Starikov_Wer_hat_Hitler_gezwungen_STALIN_zu_ueberfallen.pdf  ) sagen, müssen wir anlässlich des bevorstehenden 30. Jahrestages der Annexion der DDR durch die BRD unbedingt etwas sehr Konkretes über die aktuellen Fälschungen unserer eigenen Geschichte, der Geschichte unseres ersten deutschen Arbeiter- und Bauernstaates, der Geschichte des ersten deutschen Friedensstaates, der Geschichte des ersten deutschen Staates ohne Ausbeutung des Menschen durch den Menschen sagen. Wir, die noch lebenden Zeitzeugen der Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges, wir, die den heldenhaften Sieg der sowjetischen Armee unter der Führung von Josef Stalin über die stärksten faschistischen Armeen Adolf Hitlers in Europa selbst erlebt haben, wir, welche die Gründung der DDR als einzige mögliche Alternative zur Neuauflage des alten, verhängnisvollen, verbrecherischen und aggressiven kapitalistischen Ausbeutersystems in der BRD unterstützt haben, wir, die unter äußerst schwierigen und extrem komplizierten wirtschaftlichen, ideologischen und politischen Bedingungen unseren Staat 40 Jahre erfolgreich aufgebaut haben, fühlen uns verpflichtet, den nach uns kommenden Generationen die Wahrheit und nichts als die Wahrheit über unsere Geschichte zu sagen. Denn in unserem Alltag, in den bundesdeutschen Schulen, in den Hochschulen und Universitäten, in den kapitalistischen Konzernen, Betrieben und Banken, von den Lobbyisten in der Politik, in allen Parteien und Massenmedien werden unsere Kinder und Kindeskinder niemals die Wahrheit erfahren. Niemals! Im Gegenteil! Sie werden – wie in den Jahren von 1933 – 1945 in Hitler-Deutschland und wie in den Jahren von 1949 – 1989 in der BRD (die DDR existierte noch!) – belogen, betrogen und nach Strich und Faden verar…

Von den Geschichtsfälschern wird das Leben in der DDR auf „Mauerbau, Stasi, Unrechtsstaat, Mord- und Terrorregime“ reduziert und verunglimpft. Die Mehrheit der Menschen in unserem Staat, hat glücklich, zufrieden und ohne Kriegseinsätze gelebt. Es gab keine Armut, keine Bettler, keine Obdachlosigkeit, keine Angst um den Arbeitsplatz, keine Leiharbeit, keine Zeitarbeit, keine befristeten Arbeitsverträge. Wir wurden ohne Kostenbeteiligung gesundheitlich betreut und waren auch im Alter sozial abgesichert. Wir lebten in einem sozialistischen Rechtsstaat, in dem allein der Mensch im Mittelpunkt allen Strebens stand. Ein Streben nach Profit gab es nicht. Durch Volksabstimmung über die Verfassung wurde das Volk der DDR zum Souverän. Das Arbeitsgesetzbuch garantierte das Recht auf Mitbestimmung der Werktätigen in allen Betrieben. Wir besaßen ein Bildungssystem, das für ganz Europa vorbildlich war. Die Jugend hatte eine klare berufliche Perspektive – Lebensplanung und Gründung einer Familie mit Kindern waren deshalb kein Problem. Die DDR war völkerrechtlich als Staat anerkannt und Mitglied der UNO. Sie unterhielt zu fast 200 Staaten der Welt diplomatische Beziehungen. Wie ist das möglich? Diplomatische Beziehungen mit einem Unrechtsstaat, mit einem Mord- und Terrorregime? Die DDR war, ist und bleibt die bisher glücklichste Phase in der deutschen Geschichte [1].

Ja, es ist wahr, im Jahre 1989 haben wir für den grenzenlosen „westlichen Konsum“, für die grenzenlosen „westlichen Freiheiten“ und „westlichen Werte“, für das Geschwätz über „blühende Landschaften“ und für 100,- DM „Begrüßungsgeld“ unseren ersten deutschen Arbeiter- und Bauernstaat mit einem erstmals im Aufbau befindlichen sozialistischen Gesellschaftssystem aufgegeben. Mit wehenden Fahnen und mit einer für viele Menschen in der DDR überraschenden Losung „Wir sind ein Volk!“ (ursprünglich „Wir sind das Volk!“) sind wir zu unserem ideologischen und politischen Gegner in die kapitalistische BRD übergelaufen. Wie war das möglich? Eine bedingungslose Kapitulation, die selbst nach 30 Jahren viele DDR-Bürger nicht begreifen und niemals verzeihen werden! Sind wir tatsächlich solche Dummköpfe und Egoisten? Haben wir nichts aus unserer Geschichte gelernt? Diente der diskriminierende Anschluss der DDR an die BRD tatsächlich dem Wohle unserer Kinder und Kindeskinder? Nein! Nie und nimmer!

Ja, es stimmt, dass uns die Sowjetunion nach ihrem ruhmreichen Sieg über den Faschismus in Europa, die neue sozialistische Gesellschaftsordnung de facto auf einem Tablett serviert hat. Schwere Kämpfe zum Sturz der alten faschistischen Staatsmacht – wie die kubanische Revolution zum Sturz des Diktators Fulgencio Batista durch Fidel Castro im Jahre 1959 – gab es im Nachkriegsdeutschland nicht. Ist dieser Sachverhalt auch ein entscheidender Grund dafür, dass sich viele Bürgerinnen und Bürger der DDR mit ihrem Staat nicht identifizierten und sich so leicht und schnell vom Sozialismus in der DDR abgewandt haben? Haben wir den ideologischen und politischen Kampf um die Köpfe unserer Menschen, der sich über das „Schaufenster BRD“ und das „Schaufenster DDR“ mit Hilfe der Fernseh- und Radiokanäle vollzog, unterschätzt und deshalb verloren? Warum haben wir die so genannten Andersdenkenden und politischen Gegner der DDR nach Zahlung eines Pauschalbetrages (z.B. für ein in Anspruch genommenes Hoch- oder Fachschulstudium) nicht großzügig ausreisen lassen? So wie es Fidel Castro praktiziert hat! Inzwischen wissen wir: Die Mehrzahl der ausgereisten DDR-Bürger wäre angesichts der Wirtschaftskrise und der harten Lebensbedingungen in der BRD schnell wieder in die DDR zurückgekehrt. Der Stolz auf unsere sozialen Errungenschaften würde mit jedem Rückkehrer wachsen. Über den Blick nach dem „Goldenen Westen“ brauchten wir uns keine Sorgen zu machen. Natürlich ist das aus heutiger Sicht nur eine Fiktion und ein Traum.

Ja, es ist richtig, dass wir uns im brüderlichen Bündnis mit der Sowjetunion und mit ihren mächtigen Streitkräften relativ sicher fühlten, dass wir uns im Vergleich mit ihnen auf vielen Gebieten für „unschlagbar“ und sogar „überlegen“ hielten. Selbstüberschätzung und Arroganz waren in bestimmten Kreisen unserer Gesellschaft nicht mehr zu übersehen. Schon im Alten Testament der Bibel steht geschrieben „Hochmut kommt vor dem Fall“. Diese uralte Weisheit der Menschheit war offensichtlich nicht besonders aktuell, ihr wurde deshalb nicht die erforderliche Aufmerksamkeit geschenkt.

Ja, es ist bedauerlich, dass es ein Szenarium für das zeitweilige Überleben der DDR ohne die Sowjetunion nicht gab, denn dieser Fall war utopisch, absurd und völlig undenkbar! Mit Ihren planmäßig großen Lieferungen von Erdöl, Erdgas und Elektroenergie, von Walzstahl, Roheisen, Schnittholz, Aluminium, Kupfer, Ferrolegierungen, Blei, Zellstoff, Papier und Baumwolle sowie von Fahrzeugen, Flugzeugen, Maschinen und verschiedenen Ausrüstungen hat uns die Sowjetunion mehr als 40 Jahre die planmäßige Entwicklung unserer Volkswirtschaft und unseren relativ hohen Lebensstandard gesichert [2]. Das dürfen wir niemals vergessen!

Seit 30 Jahren leben wir in einem Staat, in dem die Söhne und Töchter bzw. die Enkelkinder der alten Finanz- und Monopolkapitalisten und der Aristokratie die Macht ausüben, d.h. in einer menschenverachtenden und menschenfeindlichen, verlogenen und heuchlerischen, unmoralischen und verdorbenen, egoistischen und geldgierigen Gesellschaft. Alle bedeutenden öffentlichen Ämter und großen Unternehmen werden von Bürgern aus den alten Bundesländern geführt. Ausnahmen bestätigen diese Regel.

Alles was die DDR in harter Arbeit unter unsäglichen Entbehrungen durch die fleißige Arbeit von Millionen Menschen geschaffen hat, wurde von korrupten und kriminellen Managern und Politikern verramscht, von der „Treuhand“ an private Investoren verschachert, in der Regel geschlossen, abgebaut und verschrottet. Die Vernichtung des gesamten Industriekapitals der DDR ist und bleibt das größte Verbrechen in der Wirtschaftsgeschichte Deutschlands.

In den Zentren der Macht ist der alte deutsche Ungeist, die menschliche Kälte, die grenzenlose Dummheit und Arroganz, der Zynismus und die Heuchelei, der Geiz und die Geldgier in einer einzigartigen Form und Mischung konzentriert. Mit erschlagender Offenheit wird von den so genannten Führungskräften behauptet, dass sie – wie schon die Junker – dank ihrer Gene dazu berufen sind, uns – ihre Untertanen – zu führen. Ihr wichtigstes Machtinstrument „Teile und herrsche!“ wird von ihnen in allen Bereichen der Gesellschaft mit einer perfiden Perfektion pausenlos praktiziert.

Die Geschichte wird von den „Siegern des kalten Krieges“ neu geschrieben. So erfahren wir, dass Josef Stalin

  • die ganze Welt erobern wollte;
  • Adolf Hitler geholfen hat, in Deutschland an die Macht zu kommen;
  • hinsichtlich seiner Verbrechen mit Adolf Hitler auf eine Stufe gestellt werden muss;
  • mit Hilfe des Nichtangriffspaktes (Molotow – Ribbentrop – Pakt) den Zweiten Weltkrieg provoziert hat;
  • angesichts seiner Eroberungspläne den Zweiten Weltkrieg verloren hat.

Auch die Hetze gegen die DDR, die Verleumdung ihrer großen wirtschaftlichen, politischen und sozialen Erfolge und die ständigen Beleidigungen ihrer Bürgerinnen und Bürger durch die kapitalistischen Massenmedien der BRD haben in den letzten Jahrzehnten beispiellose Züge angenommen. Es wird alles Erdenkliche unternommen, um auch die letzten positiven Erinnerungen an unseren Arbeiter- und Bauernstaat „… mit Stumpf und Stiel …“ auszurotten.

 


Grafik: Wolfgang Schacht

Je größer die Lüge, desto mehr Menschen glauben ihr. Die oben dargestellten Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage in Deutschland, Frankreich und in Großbritannien aus dem Jahre 2017 „Welche Armee welchen Landes hat bei der Befreiung Europas vom Faschismus die entscheidende Rolle gespielt?“ zeigen das erschreckende Resultat einer Geschichtslüge des herrschenden Establishments.

Das Buch von Nikolay Starikov „Wer hat HITLER gezwungen STALIN zu überfallen?“ behandelt die Frage: Wer hat Hitler zu dem selbstmörderischen Überfall auf Stalin getrieben? Es handelt von den Ursachen, Hintergründen und Inspiratoren der größten Katastrophe in der Geschichte Russlands, die am 22. Juni 1941 mit dem Überfall auf die Sowjetunion begann. Es entlarvt jene, die Hitler und seiner Partei schon während der Weltwirtschaftskrise das Geld gaben und ihm halfen, an die Macht zu kommen. Ziel der Machtübernahme Hitlers war der Überfall auf die UdSSR, d.h. die „Korrektur“ der Machtübernahme der Bolschewiki in Russland. Auf der Grundlage eines umfangreichen Fakten- und Tatsachenmaterials, das der Leser unbedingt lesen und studieren sollte, wird in diesem Buch der logische Zusammenhang der historischen Ereignisse vom September 1919 bis zum 22. Juni 1941 dargelegt. Im Ergebnis erkennt der Leser, wer der wahre Brandstifter des Zweiten Weltkrieges ist, d.h. wer gemeinsam mit den Nazis in Europa die Verantwortung für die ungeheuerlichen Verbrechen trägt.

( http://www.dr-schacht.com/Starikov_Wer_hat_Hitler_gezwungen_STALIN_zu_ueberfallen.pdf )

Die vom dänischen Politologe Niels Peter Ammitzboell ohne jegliche Analyse des Fakten- und Tatsachenmaterials getroffene Behauptung, bei dem im Buch von Nikolay Starikov getroffenen Aussagen handle es sich um „aktuelle Geschichtsfälschungen“, ist eine einzige Lüge. Der Autor und der Übersetzer des Buches „Wer hat HITLER gezwungen STALIN zu überfallen?“ sind gespannt, wie Herr Ammitzboell nach dem Studium aller historischen Dokumente seine Aussage über „aktuelle Geschichtsfälschungen“ beweisen will.

„Wer die Wahrheit nicht weiß, der ist bloß ein Dummkopf. Aber wer sie weiß und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher!“ (Bertolt Brecht).

Der Politologe Niels Peter Ammitzboell ist nicht der Prinz von Dänemark. Trotzdem müssen wir in Anlehnung an den großen Dramatiker William Shakespeares auf Grund seiner begonnenen Jagd auf „aktuelle Geschichtsfälschungen“ feststellen „Etwas ist faul im Staate Dänemark!“.

Dr. Wolfgang Schacht 25. August 2019

Quellen

[1] Fritz, Alfred, Antwort zu Lügen über die DDR und zu den Grenzsicherungsmaßnahmen“
http://www.k-p-d-online.de/index.php/aktuell/partei/311-antwort-zu-luegen-ueber-die-ddr-und-zu-den-grenzsicherungsmassnahmen

[2] Krenz, Egon, „Wir und die Russen – Die Beziehungen zwischen Berlin und Moskau im Herbst ʼ89“, edition ost 2019

 


Bild: Wandbild „Der Weg der roten Fahne“ am Kulturpalast Dresden von Gerhard Bondzin (1969)
Foto: Jens Oldenburg