Religions- & Kirchenkritik, Säkulare Szene

Der deutsche Papst ist der bisher reaktionärste in der Geschichte der Neuzeit

veröffentlicht in FREIDENKER 2-2011

Zum drohenden Papstbesuch* (III)

* (eigentlich das falsche Wort, denn anders als beim Krankenbesuch oder Zoobesuch besuchen ja nicht wir ihn, sondern er sucht uns heim)

von Gerhard Feldbauer

Im September 2011 wird der deutsche Papst der Bundesrepublik einen offiziellen ‚Staats‘besuch abstatten. Wes Geistes Kind ist dieser Benedikt alias Joseph Ratzinger? Beginnen wir mit einem aktuellen Aspekt. Die Wellen der Empörung über den sogenannten Missbrauchsskandal der katholischen Kirche sind noch nicht verebbt. Auch Benedikt distanzierte sich. Damit sind wir bei einem besonders üblen Charakterzug, seiner Heuchelei. Denn den Boden für derartige Verbrechen bildet auch die geistige Verwandtschaft Benedikts mit den Wegbereitern solcher Verbrechen. Darunter befindet sich der Begründer und langjährige Generalpräsident des Opus Dei, der Klerikalfaschist, Freund Hitlers und Francos, Josémaria Escrivá de Balaguer. Als Präfekt der Glaubenskongregation betrieb Ratzinger dessen 1982 erfolgte Heiligsprechung. Er beförderte das Opus Dei wo er nur konnte, schrieb Einleitungen zu Büchern des Gotteswerkes, präsentierte andere persönlich und stellte sich hinter dessen programmatische Schrift „El Camino“ (Der Weg). Dieses Machwerk will die Gläubigen in kaum zu überbietender Menschenfeindlichkeit zu absoluter Unterwürfigkeit abrichten. Darin heißt es u. a.: „Demütige dich. Weißt Du nicht, dass du ein Eimer für Abfälle bist. (…) Du bist schmutziger, herabgefallener Staub. (…) Wenn Deine Demut dich dahin bringt, dich als Unrat, als einen Haufen Unrat zu erkennen, können wir aus all dieser Erbärmlichkeit noch etwas Großes machen.“ So wurde und wird, auch unter dem derzeitigen Papst, der Boden dafür bereitet, dass Kinder und Jugendliche dazu gebracht werden, Misshandlungen zu erdulden, sie als „von Gott gewollt“ über sich ergehen zu lassen.

Ratzinger besuchte immer wieder Veranstaltungen des „Gotteswerk“. 1998 erhielt er zum Dank den Doktor Honoris causa der Opus Dei-Universität von Pamplona. Als er am 19. April 2005 am Ziel seiner Wünsche, Papst zu werden, angekommen war, hatte auch das Opus Dei sein Scherflein dazu beigetragen und natürlich das deutsche Episkopat, das reichste Glied der katholische Kirche.
Ratzinger enttäuschte seine Förderer nicht. Er stellte sich in die Tradition des Bündnisses der Kurie mit Reaktion und Faschismus und sprach im Oktober 2007 498  katholische Geistliche und Ordensleute selig, die sich auf die  Seite Francos gestellt, den Mordterror des faschistischen Regimes aktiv unterstützt und im Bürgerkrieg 1936-39 ums Leben gekommen waren. Während in Spanien nach Francos Sieg die Mordkommandos wüteten, beglückwünschte Pius XII. den Caudillo, dass so „die ewigen Werte der Religion und des Geistes“ gewahrt wurden. Ein weiteres Glückwunschtelegramm „mit besten Wünschen, dem Segen des Himmels und des allmächtigen Gottes“ erhielt Hitler, dessen „Legion Condor“  Tod und Verderben über die spanische Bevölkerung gebracht hatte. Pius XII. ist jener Papst, der als Kardinalstaatssekretär Eugenio Pacelli, 1933 das Reichskonkordat mit Hitler aushandelte, welches das bereits mit Mussolini geschlossene Bündnis der Kurie mit dem italienischen Faschismus nunmehr mit dem deutschen begründete und fortsetzte. Auf der Grundlage des Reichskonkordats beteten die Bischöfe und Pfarrer dann für den Sieg Hitlerdeutschlands in den Aggressionskriegen gegen die Völker der UdSSR und Europas, schaute dieser Papst tatenlos dem Holocaust zu, initiierte nach der Niederlage des Faschismus die Rettung Zehntauender Nazi- und Kriegsverbrecher vor ihrer gerechten Bestrafung und förderte aktiv das Fortbestehen des Faschismus in Italien. Der deutsche Papst hat zu all diesen Verbrechen, darunter des Völkermords, und zu ihrer Verherrlichung durch die Kurie nie ein Wort der Verurteilung geäußert. Er will im Gegenteil den „besten Freund Hitlers“, Pius XII. demnächst auch selig sprechen.

Halten wir noch fest, dass – im Gegensatz zu Italien und Spanien – das Reichskonkordat mit Hitler in der Bundesrepublik unverändert geltendes Recht ist. Der  nie von einem Parlament sanktionierte  Vertrag wurde vom Bundesverfassungsgericht 1957 bestätigt und damit für rechtsgültig erklärt. So wird das  Bündnis von Thron, später Hakenkreuz  und Altar, respektive von Kapital und Klerus“ fortgesetzt. Dazu gehört, dass der bundesdeutsche Staat heute  die beiden Großkirchen (katholische und evangelische) jährlich mit zwischen schätzungsweise 10 bis 14 Mrd. Euro finanziert und obendrein für sie die Steuern eintreibt,  ihre  Bischöfe und unzählige Geistliche besoldet, Kirchentage und Priesterseminare und  zahlreiche theologische Fakultäten finanziert, zum Unterhalt ihrer Krankenhäuser beiträgt, den Religionsunterricht an den öffentlichen Schulen einrichtet und bezahlt, nicht zu vergessen, die Ausgaben für die Militär- und Polizeiseelsorge. Die Kirche dankt für diese ihr erwiesenen Wohltaten mit der Absegnung der herrschenden Verhältnisse.

Der Traditionslinie Benedikts entsprach die Rehabilitierung der klerikalfaschistischen Piusbrüder, unter ihnen der Holocaustleugner, Bischof Williamson. Diese stellten  sich an die Seite nicht nur des französischen Faschistenchefs des Front National Le Pen, sondern ebenso an die führender Vertreter der Kollaborateure der Regierung des französischen  Marschalls Petain mit der Hitlerfaschistischen Besatzungsmacht. Sie waren eng mit dem Nachkriegsfaschismus in europäischen Ländern, bis zu faschistischen Regimes in Südamerika, so in Chile und Argentinien verbunden.

1981 zum Präfekten der Glaubenskongregation, der ältesten und zugleich wichtigsten der neun (Ministerien vergleichbaren) Ressorts der Kurie ernannt, brachte Ratzinger die von dem polnischen Papst Wojtyla eingeleitete reaktionäre Wende erst zur eigentlichen Geltung. Er wachte unerbittlich über den „rechten Glauben“, vertrat einen fanatischen Antikommunismus und verfolgte kompromisslos die Theologie der Befreiung. Er wartete mit einem Archaischen Sündenregister auf, in dem auch die Drohung mit dem „ewigen Tod in der Hölle“ nicht fehlte und die Billigung der weltlichen Todesstrafe einschloss. Als Großinquisitor fällte Ratzinger in 24 Jahren Amtszeit gegen 150 Theologen einen Richterspruch. Viel höher lagen die Verschiedenen Zurechtweisungen, Forderungen nach Unterlassung und verbale Verurteilungen, die, wenn sie ihren Zweck erfüllten, eine Inquisition erübrigten.

Joseph Ratzinger sucht sich Vorbilder im Mittelalter des Wütens gegen die Ketzer und Abtrünnigen: An erster Stelle steht, wie er immer wieder öffentlich bekundet, der  Bischof von Karthago Cyprian, der im 3. Jahrhundert wirkte. Dieser schuf mit seiner katholischen Kirchenlehre die Grundlagen für die autoritäre Herrschaft der Papstmonarchie. Zu seinen  hasserfüllten Auswüchsen gehörte der Spruch, „der Teufel ist des Juden Vater“, der unter Hitler und Goebbels zu einem Nazischlagwort wurde. Benedikt macht in seinem Bekenntnis zu Cyprian keinerlei Abstriche von dessen Konzept.

Der deutsche Papst setzt die reaktionäre Gegenoffensive seines Vorgängers nicht einfach nur fort, er verstärkt sie noch. Seine Attacken stellen auf ein Rollback gegen die Aufklärung und die irdische Emanzipation des Menschen ab. Von seiner eindeutigen Positionierung zeugen neben der Seligsprechung der Kreuzritter Francos und der Rehabilitierung der Piusbrüder seine Ausfälle gegen Protestanten und Moslems. Er vertritt den Alleinvertretungsanspruch  der katholischen Kirche und fordert kategorisch, sie als die allein selig machende anzuerkennen. Sie soll auch heute die entscheidende geistliche Basis der Gesellschaft und des Staates bilden. Einen Staat ohne Christentum nennt Ratzinger in einem seiner Standardwerke „Werte in Zeiten des Umbruchs“ „eine Räuberbande“.  Das gerät schon in die Nähe der „Schurkenstaaten“ von Ex-Präsident Bush und seiner „Achse des Bösen“. Damit passt die klerikale zur imperialistischen Offensive.

Benedikts Bannstrahl, den er in dem eben zitierten Buch ausspricht, zielt auch auf alle außerhalb seiner Kirche stehenden Christen. Er spricht den Protestanten das Existenzrecht ab, „eine kirchliche Gemeinde in der Christenheit zu sein“, und degradiert sie sozusagen zu religiösen Freibeutern. Analysiert man diese Ausführungen in ihrer Substanz, dann  haben für Ratzinger Menschen, welche die katholischen Kirche als eine Verkörperung  der sittlichen Ordnung der Menschen verlassen, ihr Menschsein verloren. Hans Heinz Holz hielt fest: „an muss solche Aussagen, die dicht an die Ideologie von ‚Unmenschen’ oder ‚Untermenschen’ herankommen, wenn sie auch diese Vokabeln klug vermeiden, im Kontext von Ratzingers theologischem Konzept lesen. “In diesem Kontext war es auch genau berechnet, wenn er die 2. Koran-Sure falsch zitierte oder wenn er den nicht-katholischen „Ungläubigen“ eine „Perversion der Humanität“ vorwarf.

Runden wir das Bild ab mit einem Blick auf die bisherigen Enzykliken Benedikts, in denen er sich gleich mehrmals zur  reaktionären Linie der von Leo XIII. im Mai 1891 (120. Jahrestag) in der Enzyklika Rerum novarum verkündeten unerbittlichen Feindschaft zur marxistischen Arbeiterbewegung und des schonungslosen Kampfes gegen den Sozialismus als Pest  bekannte und sie zeitgemäß fortsetzt.

In diese Linie passt, dass er seinen Vorgänger, den Wojtyla-Papst, der ihn zu seinem Nachfolger auserkor, zum Dank nach schon sechs Jahren selig sprach.

Dr. Gerhard Feldbauer, Poppenhausen (Rhön), ist Historiker und Journalist


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