Jetzt auch Kohlekraftwerke und Klimawandel antisemitisch?
Die Selbstentlarvung der Antisemitenjäger:
Jetzt auch Kohlekraftwerke und Klimawandel antisemitisch? Heil Greta!
Von Sebastian Bahlo
Dass es in Deutschland auf Bundes- und Länderebene offizielle „Antisemitismus-Beauftragte“ gibt, kann schon an sich als rassistische Praxis angesehen werden. Solange es nämlich nicht auch gleichwertige Beauftragte für weitaus wichtigere Formen des Rassismus in Deutschland gibt, wird damit implizit verkündet, dass Juden für den Staat als Rassismusopfer erster Klasse gelten, sie werden als ethnische Gruppe heraus- und emporgehoben und unter besonderen staatlichen Schutz gestellt. So werden – scheinbar paradoxerweise – antisemitische Vorurteile wahr, mit vorhersehbarem Effekt auf die gesellschaftliche Einstellung gegenüber Juden.
Näher besehen stellt sich freilich heraus, dass dies kalkuliert sein muss. Der Begriff „Antisemitismus“ dient dem Staat zur Diffamierung von jedweder Kritik an der Macht der Eliten und nutzt die vorgebliche Sorge um die Sicherheit und Akzeptanz von Juden nur als löchrige Tarnung. Dass dies für den Kampf gegen wirklichen Antisemitismus einen Bärendienst bedeutet und sogar direkt zur Ausgrenzung von Juden beiträgt, wird eiskalt in Kauf genommen.
Freidenker weisen schon lange auf diese gefährliche Neudefinition des Antisemitismusbegriffs hin. Das Thema wird auch im Rahmen der Freidenker-Konferenz zum „Tiefen Staat“ am 16. November 2019 in Stuttgart behandelt werden. Als wie passend sich die Wahl der baden-württembergischen Landeshauptstadt als Konferenzort erwiesen hat, zeigt sich nun einmal mehr mit der Veröffentlichung des 1. Berichts des baden-württembergischen Antisemitismusbeauftragten Michael Blume.
Was Blume im Kapitel „Definition und kulturelle Verbreitung“ über angeblichen Antisemitismus absondert, ist bloßes substanzloses Geschwätz und hat mit tatsächlicher Judenfeindlichkeit so gut wie gar nichts zu tun. Er zitiert zu Beginn die „Arbeitsdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) vom 15. Mai 2016“:
„Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen. Darüber hinaus kann auch der Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel solcher Angriffe sein.“
So viel Unsinn ist selten in drei Sätzen kondensiert gewesen. Antisemitismus sei nach dem ersten Satz eine „Wahrnehmung“, im Prinzip unabhängig davon, ob sie sich in Judenhass ausdrückt. Im zweiten Satz ist er aber dann keine Wahrnehmung mehr, sondern richtet sich in Wort oder Tat gegen Juden und jüdische Einrichtungen, aber unter anderem auch gegen „nichtjüdische Einzelpersonen“. Aha. Im dritten Satz werden Angriffe gegen den Staat Israel als antisemitisch qualifiziert, weil oder wenn, das ist nicht klar, dieser „dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird“. Da der Staat Israel sich selbst als jüdisches Kollektiv versteht, wird seinen Gegnern hiermit wenig Spielraum gelassen, ihn auf nichtantisemitische Weise anzugreifen.
„Der Beauftragte empfiehlt Landtag und Landesregierung, allen staatlichen, kommunalen und zivilgesellschaftlichen Stellen sowie interessierten Bürgerinnen und Bürgern die Annahme und Anwendung dieser IHRA-Arbeitsdefinition“
heißt es weiter. Der Freidenker-Verband kann sich der Empfehlung nicht recht anschließen. Die „Definition“ ist geeignet, den Antisemitismusvorwurf willkürlich in jede beliebige Richtung zu lenken. Und ebenso verfährt Blume dann in langwierigen Auslassungen über „Verschwörungsmythen“, die mit Juden überhaupt nichts zu tun haben. Seine eigenen Feldforschungen an Schulen beschreibt der Antisemitismusbeauftragte so:
„Heutige Kinder und Jugendliche lernen auch in Baden-Württemberg antisemitische Mythen also über gezielt verbreitete wie auch unreflektierte Sprach-und Geschichtsbilder in Familien und Freundeskreisen kennen, darüber hinaus aber auch über populärkulturelle und digitalisierte Formate wie Rap-Songs und YouTube-Clips. So war z.B. der antisemitische „Apokalypse“-Song und das dazugehörige Musikvideo des deutschsprachigen, zum Islam konvertierten Rappers „Kollegah“ in allen vom Beauftragten besuchten Schulen bekannt und wurde nicht selten von jugendlichen Fans ab Klasse 8 – 9 als „provokantes Kunstwerk“ verteidigt. Schon ab Klasse 5 identifizierten Schülerinnen und Schüler schulartübergreifend und spontan eine Abbildung der Freimaurer-Pyramide auf der US-Dollarnote als Symbol der „Illuminaten“, die „irgendwie aus dem Geheimen die Regierungen kontrollieren“ würden. Dass verborgene Superverschwörer auch die Terroranschläge des 11. September 2001 oder gar die Mondlandung „gefaked“ hätten, war als mögliche Weltdeutung ab Klasse 7 – 8 weithin präsent.“
Die Tatsache, dass Schüler ein Kunstwerk anders bewerten als Blume, ist wirklich ein starkes Indiz für gesellschaftlichen Antisemitismus, alles sonst erwähnte hat keinerlei Bezug zu Juden. Dann folgt nochmals Kunstkritik, diesmal, welche Ehre für die Freidenker, geht es um ein Lied unseres Beiratsmitglieds Lisa Fitz:
„Es fiel den Schülerinnen und Schülern ebenso leicht, vielfache – auch antisemitische –Verschwörungsmythen aus dem YouTube-Song „Ich sehe was, was Du nicht siehst“ der bayerischen Kabarettistin Lisa Fitz zu identifizieren.“
Was auch immer das heißen mag.
Es lohnt sich nicht, auf weitere Einzelheiten des Berichts einzugehen. Alles schon mal gehört. Unnötig zu erwähnen, dass auch Blume der von den Freidenkern unterstützten Kampagne „Boykott, Desinvestition, Sanktionen“ als „antisemitsch“ den Kampf ansagt. Dazu erübrigt sich hier jeder Kommentar.
Aber in den Schlussbemerkungen schießt der Beauftragte der grün-schwarzen Landesregierung, vielleicht sommerhitzebedingt, endgültig über das selbstgesteckte Ziel hinaus:
„Wenn wir den Antisemitismus global und glaubwürdig bekämpfen, für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einstehen wollen, dann muss dies auch stärkere Anstrengungen für die Wende zu erneuerbaren Energien und die Dekarbonisierung bedeuten. Die Verfeuerung fossiler Rohstoffe vergiftet nicht nur Umwelt und Klima, sondern verformt auch Gesellschaften, Staaten und religiöse Lehren ins Autoritäre.“
„Dein goldenes Haar Margarete / Dein aschenes Haar Sulamith“ dichtet Paul Celan in seiner „Todesfuge“. Packen wir nicht Gretel Thunbergs blonde Zöpfe, scheint uns Dichter Blume sagen zu wollen, riskieren wir, dass die „Verfeuerung fossiler Rohstoffe“ wieder in die Verfeuerung von Juden umschlägt.
Wer an der Beliebigkeit des so tragisch deformierten Antisemitismusbegriffs und seiner Verwendung zur Hexenjagd auf alle, die aus der transatlantisch-zionistischen Allianz ausscheren und ihre Glaubenssätze in Frage stellen, noch Zweifel hatte, dem wird Herrn Blumes dankenswerte Selbstentlarvung letzte Klarheit bringen.
Sebastian Bahlo ist stellvertretender Bundesvorsitzender des Deutschen Freidenker-Verbandes
Bild: „Närrischer Staatsempfang“ der Landesregierung Baden-Württemberg am 27.02.2019 – Ministerpräsident Winfried Kretschmann (M.) begrüßt die Narren.
Quelle: https://www.baden-wuerttemberg.de/de/service/media/mid/naerrischer-staatsempfang-der-landesregierung-12/