Am 9. Mai: Dank den Sowjetsoldaten!
Ansprache von Klaus Hartmann, Bundesvorsitzender des Deutschen Freidenker-Verbandes, am 9. Mai 2019 auf dem Hauptfriedhof Frankfurt am Main
Zum Tag des Sieges 2019
Geehrte Vertreter der Konsularischen Vertretungen, Vertreter der Geistlichkeit,
liebe russische und deutsche Freundinnen und Freunde!
Der 9. Mai, der Tag des Sieges führt uns jedes Jahr zusammen:
- Die Angehörigen der Völker, die unter dem deutschen Faschismus, seinem Krieg und seinen barbarischen Verbrechen gelitten haben,
- die Nachfahren der ruhmreichen Kämpfer gegen die Bestie, ob an der Front, in Partisaneneinheiten oder im antifaschistischen Widerstand,
- und die Kriegsgegner und Antifaschisten heute.
Unsere Trauer um die Opfer, um die Gefallenen, um die Ermordeten, bedeutet einerseits ehrendes Gedenken, aber es ist zugleich Mahnung: Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!
Diese Mahnung bedeutet zuerst, nicht zuzulassen, dass die Erinnerung verdrängt oder verfälscht wird. Die Haltung heutiger Politiker zu diesem Erinnern ist ein Kriterium, ihre Einstellung zum Humanismus ebenso zu erkennen wie ihr politisches Selbstverständnis und ihre Ziele.
Deshalb bedauern wir, dass sich die Bundesregierung im Jahr 2015 geweigert hat, an den Feiern zum 70. Jahrestag des Sieges in Moskau teilzunehmen. Deshalb nehmen wir mit Befremden zur Kenntnis, dass der 8. Mai als Tag der Befreiung und der 9. Mai als Tag des Sieges in der diesjährigen deutschen Medienberichterstattung höchstens am Rand vorkommt.
Deshalb sind wir auch heute noch entsetzt, dass die Bundesregierung 2018 keine Vertreter zu den Feiern anlässlich des 75. Jahrestages des Sieges der Roten Armee in der Schlacht um Stalingrad entsandt hat.
Ein Lichtblick in dieser Reihe des menschlichen und politischen Versagens war Anfang 2019 das Gedenken zum 75. Jahrestag des Endes der Leningrad-Blockade: Die Blockade forderte über eine Million Todesopfer, und immerhin hat die Bundesregierung 12 Millionen Euro Entschädigung „für Überlebende oder ein Kriegsveteranen-Krankenhaus“ als „Humanitäre Geste“ übergeben.
Trotzdem übersehen wir nicht die mediale Begleitmusik zu diesem Ereignis: „Moskau missbraucht das Gedenken an Leningrad – Soldaten statt Mitgefühl: Die Armee probt für die Militärparade“, schrieb die Süddeutsche Zeitung am 24.01.2019. Statt sich zu schämen und um Vergebung zu bitten, wollen Nachfahren der Täter den Opfern vorschreiben, wie sie sich zu erinnern haben.
Wir vergessen auch nicht die Worte der Bundesverteidigungsministerin von der Leyen, man müsse „aus einer Position der Geschlossenheit und Stärke mit Moskau“ reden (22.04.2018). Und wir unterstützen die Antwort des russischen Verteidigungsministers Sergej Schoigu,: „Nach all dem, was Deutschland unserem Land angetan hat, müsste es in den nächsten 200 Jahren diesbezüglich lieber schweigen“. Deutschland sollte seine „Großväter fragen“, was werde, wenn man mit Russland aus der Position der Stärke zu sprechen beginne.
Ebenso unterstützen wir die Worte des ehemaligen CDU-Staatssekretärs Willi Wimmer bei den Protesten gegen die Air Base Ramstein: „Panzer vor die Tore der leidgeprüften Stadt Leningrad zu platzieren, ist das Perverseste, das man sich in Europa vorstellen kann“.
Unsere Mahnung bewahrt im historischen Gedächtnis, dass die Sowjetunion das Hauptziel der Expansionsgelüste des deutschen Kapitals und der faschistischen Aggression war.
Die Konfrontationspolitik der NATO gegen Russland erweckt den Eindruck von gelehrigen Schülern Hitlers:
„Der Kampf um die Hegemonie in der Welt wird für Europa durch den Besitz des russischen Raumes entschieden“
Es ist eine ungeheuerliche anti-russische Provokation der NATO, ausgerechnet heute, am 9. Mai, ein großangelegtes Stabsmanöver zum Krieg mit Russland zu starten. Das NATO-Manöver mit der harmlosen Bezeichnung „Crisis Management Exercise“ (CMX-19) folgt weitgehend dem Muster des „Winter Exercise“ (WINTEX) Stabsmanövers des Kalten Krieges, das regelmäßig im Abstand von zwei Jahren stattfand. Es ist die 22. Großübung dieser Art seit Bestehen der NATO und soll sicherstellen, dass der militärische Apparat alle Schritte eines Kriegsszenarios vollziehen kann. Das Drehbuch reicht bis zum Einsatz von Atomwaffen.
Dabei würde das Erinnern an die Toten des 2. Weltkriegs stören, eine ungeheuerliche Zahl zwischen 60 und 80 Millionen Menschen. Allein von den über 5 Millionen Sowjetischen Kriegsgefangenen, die in KZs und Kriegsgefangenenlagern oder unter Bewachung als Zwangsarbeiter eingesetzt waren, wurden zwischen 3 bis 3,3 Millionen ermordet.
Kriegsgegner und Antifaschisten müssen diese Erinnerung wachhalten. Deshalb haben wir gestern auf dem Römerberg auf die (im Bündnisaufruf zum 8. Mai nicht enthaltenen) Fakten aufmerksam gemacht und gesagt:
Dank den Sowjetsoldaten!
Die Sowjetunion trug mit 27 Millionen Toten die Hauptlast des Krieges und die Rote Armee hatte den entscheidenden Anteil an der Befreiung vom Faschismus.
Die Opfer mahnen uns und sind uns Verpflichtung: Schluss mit der hasserfüllten Hetze gegen Russland! Statt Aufrüstung, Konfrontation und neuer NATO-Ostfront:
Frieden mit Russland! Raus aus der NATO!
Bild oben: Die jüngste Generation der Gelbwesten: Russische Kinder bei der Ehrung der gefallenen Sowjetsoldaten und ermordeten Kriegsgefangenen