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Nie wieder Krieg

Aus: FREIDENKER Nr. 4-18, Dezember 2018, 77. Jahrgang, S. 6-9

Nie wieder Krieg:
Frieden mit Russland! Raus aus der NATO!

„Der Krieg ist ein besseres Geschäft als der Friede. Ich habe noch niemanden gekannt, der sich zur Stillung seiner Geldgier auf Erhaltung und Förderung des Friedens geworfen hätte. Die beutegierige Canaille hat von eh und je auf Krieg spekuliert.«
Carl von Ossietzky in der Weltbühne vom 8. Dezember 1931

„Russland und China … sind berufen, eine neue Welt anzuführen, die das Überleben der Menschheit ermöglichen würde, wenn der Imperialismus nicht vorher einen kriminellen Ausrottungskrieg entfesselt.“
Fidel Castro Ruz, 2014

Der 2. Weltkrieg war ein barbarischer, ein totaler Krieg, bis heute ohne Beispiel: über 50 Millionen Tote, darunter China mit 13,5 Millionen und die Sowjetunion mit 27 Millionen. Im „Potsdamer Abkommen“ beschlossen die Mächte der Anti-Hiler-Koalition u.a. die völlige Abrüstung und Entmilitarisierung Deutschlands und Auflösung aller Streitkräfte.

„Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!“ – diese antifaschistische Grundüberzeugung wurde im Westen alsbald entsorgt. Unmittelbar nach dem Sieg über Faschismus und Krieg beschworen Großbritannien und die USA er­neut die „rote Gefahr“ und bereiteten die Gründung eines antikommunistischen Militärpakts vor, der im April 1949 zur Gründung der NATO führte. Dem abgespaltenen Westteil Deutschlands wurde das Ende der Entmilitarisierung durch „Wiederbewaffung“ unter der Voraussetzung seiner dauerhaften „Westbindung“ gestattet: 10 Jahre nach dem Sieg über den Faschismus, am 09.05 1955, wurde die BRD Mitglied der NATO. „Der Bund stellt Streit­kräfte zur Verteidigung auf“ wurde als Art. 87a in das Grundgesetz eingefügt.

Nach Kaltem Krieg und der Stationierung von Atomwaffen kollabierten die sozialistischen Staaten in Europa nach einem Rüstungswettlauf, dessen Ziel programmatisch auch „Totrüsten“ genannt wurde. Zugleich versicherten zahlreiche Vertreter der USA, Großbritanniens, Frankreichs und Deutschlands gegenüber Russland wiederholt, dass die NATO „keinen Zentimeter nach Osten vorrücken“ werde. Der Wert dieser Worte wurde bald deutlich: Zählte die NATO 1990 16 Mitgliedsländer, waren es 2017 schon 29. Der deutsche Imperialismus sah seine Stunde gekommen und proklamierte 1991 die Wiederherstellung der „Normalität“ Deutschlands durch Teilnahme am Kampf um den Weltherrschaftsanspruch als „Partner in Leadership“ mit den USA. Umgehend startete sein außenpolitisches Gesellstück: Südosteuropa als „traditionellen Hinterhof“ wieder unter Deutschlands Einfluss zu bringen durch Zerstörung Jugoslawiens und Stimulation der entsprechenden Sezessionskriege.

Am 24. März 1999 begann die NATO-Aggression gegen Jugoslawien mit Luftangriffen gegen Belgrad. Die im Wesentlichen von den Vereinigten Staaten geführte Operation Allied Force war der erste Krieg, den die NATO sowohl außerhalb des Bündnisgebiets und eines Bündnisfalls, dessen Ausrufung bis dahin als Grundlage eines NATO-Einsatzes galt, als auch ohne ausdrückliches UN-Mandat führte.

Während der Bombardierung des Landes, auf dem Jubiläumsgipfeltreffen in Washington am 24. April 1999, hat die NATO ein neues Strategisches Konzept (The Alliance’s Strategic Concept) verabschiedet. Damit ermächtigte sich das Bündnis – wie gegen Jugoslawien praktiziert – auch zu „Krisenreaktionseinsätzen“ auszurücken, die nicht von Artikel 5 der NATO-Charta (Territorialverteidigung) gedeckt sind. Sie will also unter Verstoß gegen ihre eigene Gründungscharta nun auch Kriege „außerhalb der Charta“, außerhalb des Bündnisgebiets führen. Die Jugoslawien-Aggression war demnach die Vorlage für die völlige Entgrenzung der NATO-Kriegsmaschinerie. Damit hat die NATO ihre Umwandlung in ein international agierendes Aggressionsbündnis beschlossen.

Die USA, die NATO und die EU betreiben seit 1991 eine Politik der Einkreisung, Zurückdrängung und Destabilisierung Russlands und Chinas. Mit dem Putsch in der Ukraine 2014, ständigen Manövern und dem Vorrücken der NATO direkt an die russische Westgrenze wird eine Zuspitzung der unmittelbaren Konfrontation betrieben.

Das größte NATO-Manöver an den russischen Grenzen seit Ende des sogenannten Kalten Krieges statt fand im Herbst 2018 statt: Trident Juncture mit 50.000 NATO-Soldaten, Deutschland stellte das zweitgrößte Kontingent an Soldaten und hat als einziges Land eine ganze Brigade nach Norwegen verlegt. Kostenpunkt ca. 100.000,– Euro, und es sollte die „Feuertaufe“ für die Übernahme der sogenannten NATO-Speerspitze sein, Schnelle Eingreiftruppe bzw. Very High Readiness Joint Task Force (VJTF) genannt – in sieben Tagen soll die Truppe kampfbereit sein. Die Kampftruppe in Brigadegröße wird ab Januar 2019 von Deutschland befehligt, im militärischen Konfliktfall hätte also die Bundeswehr das Kommando an der neuen Ostfront.

Protestplakat in Norwegen gegen das Manöver “Trident Juncture“ 2018 Asav – CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=73913942

Zusätzlich zu den permanent in Osteuropa stationierten 4000 US-Soldaten sollen 4000 Nato-Soldaten in Polen, Litauen, Lettland und Estland stationiert werden, Deutschland wird den Nato-Verband in Litauen befehligen. Die Stationierung stellt einen Verstoß gegen die NATO-Russland-Akte dar, die eine dauerhafte Stationierung substanzieller Kampfverbände in Osteuropa verbietet. Die NATO hingegen will die Truppen alle 9 Monate austauschen und meint, mit diesem Wanderzirkus die Öffentlichkeit über ihren Vertragsbruch täuschen zu können.

Um die schnelle Kampfbereitschaft zu gewährleisten will die EU eine Art militärischen Schengen-Raum schaffen, damit Truppenverlegungen und Panzertransporte nicht durch nationale Genehmigungsverfahren behindert werden. Nach Aufforderung durch die NATO will die EU auch bessere Straßen für Panzertransporte bereitstellen, denn „die zivile Infrastruktur – Straßen, Schienennetze und Flughäfen – müsse militärischen Anforderungen entsprechen“. Für über 6,5 Milliarden Euro soll die Infrastruktur in den Mitgliedsländern für Militärtransporte ausgebaut, also kv – kriegsverwendungsfähig gemacht werden.

Für die schnellen Truppen- und Materialverlegungen der NATO innerhalb Europas hat Kriegsministerin von der Leyen angeboten, ein neues Planungs- und Führungszentrum in Deutschland zu errichten, wegen seiner „Lage im Herzen Europas“. Dieses neue Hauptquartier mit dem schönen Namen ‚Joint Support and Enabling Command‘ soll in Ulm, derzeit schon Standort des Multinationalen Kommandos Operative Führung, eingerichtet werden

Das System der Rüstungskontrolle und Rüstungsbegrenzung wird durch die USA zunehmend torpediert. Die Ankündigung von US-Präsident Trump steht mit einer Vielzahl vor­angegangener Maßnahmen im Zusammenhang: Aufgrund der Pläne des US-Präsidenten George W. Bush für einen sogenannten „Raketenabwehrschild“ wurde der ABM-Vertrag über die Begrenzung von antiballistischen Raketenabwehrsystemen 2002 von den USA einseitig gekündigt. Es handelte es sich um den schlecht getarnten Versuch einer Abkehr vom Prinzip des strategischen Gleichgewichts, denn eine funktionierende Raketenabwehr ist eine wichtige Voraussetzung für einen „erfolgversprechenden“ atomaren Erstschlag der USA: Es verkürzt die Raketen-Vorwarnzeiten für Russland, die USA wollen sich die „ungestrafte Erstschlagsfähigkeit“ verschaffen.

Der folgende Friedensnobelpreisträger als US-Präsident, Barack Obama, realisierte den Plan in drei Phasen. Schwerpunkt ist das Aegis-System zum Starten von Raketen, bisher auf vier US-Schiffen in der Ostsee, im Mittelmeer und im Schwarzen Meer, aber auch landgestützt, Mai 2016 auf dem Luftwaffenstützpunkt Deveselu in Rumänien und demnächst in Polen. Der mit dem Namen „Raketenabwehr“ suggerierte Defensivcharakter trügt, denn die Senkrechtstartanlagen können auch atomare Marschflugkörper abschießen – Mittelstreckenraketen also, die nach dem INF-Vertrag seit 1987 verboten sind. Das bringt eine neue Qualität der nuklearen Bedrohung nach Europa zurück. Auch ohne Stationierung neuer Atomraketen wird Deutschland im Fall eines Angriffs auf Russland zum Ziel des Gegenschlages, denn die Kommandozentrale des Aegis-Systems ist auf der US-Air Base Ramstein (bei Kaiserslautern) stationiert.

Trotz zunehmender Bedrohung hat Russland seine Militärausgaben um 20% auf 55,3 Milliarden Dollar gesenkt, während die USA sie nach SIPRI-Angaben auf 606 Milliarden Dollar gesteigert haben, 36 % der Welt-Militäraus­gaben. Die 29 NATO-Staaten geben 881 Mrd. Dollar, fast das 16 fache Russlands für Rüstung aus.

Der deutsche Rüstungshaushalt steigt 2019 von 38,5 Milliarden auf 43,2 Milliarden Euro – die höchste Steigerungsrate seit 1963. Kriegsministerin von der Leyen will bis 2024 einen um weitere 12 Milliarden erhöhten Haushalt – mehr als Russland gegenwärtig ausgibt. Um die der NATO zugesagten 2% der Wirtschaftsleistung für das Militär auszugeben, müsste der Etat sogar auf über 85 Mrd. Euro steigen.

Aus derzeit sechs, nur gut zur Hälfte ausgerüsteten Heeresbrigaden sollen bis 2031 zehn voll ausgerüstete werden. Die Artillerie soll fast verfünffacht werden, die Infanterie soll fünfmal so viel Radpanzer haben. Es sollen mehr Kampfpanzer und mehr Schützenpanzer, mehr Military Airbusse und bis zu 60 schwere Transporthelikopter beschafft werden. Außerdem soll Seekrieg aus der Luft wieder möglich gemacht werden. Drei zu 100 Prozent ausgerüstete gepanzerte Heeresdivisionen mit 60.000 Soldaten sollen für die NATO-Speerspitze der Schnellen Eingreiftruppe aufgestellt werden. Alle diese Projekte hat die Kriegsministerin der NATO bereits zugesagt, ohne den Bundestag zu fragen.

Die gescheiterte EU-Verfassung wurde zum „Vertrag von Lissabon“ umdekoriert, darin festgeschrieben die Verpflichtung zu ständiger Aufrüstung. Auf dieser Grundlage wurde auch die „Pesco“ geschaffen – die permanente strukturierte Zusammenarbeit. Die Europäische Union (EU) will einen gemeinsamen „Rüstungsfonds“ auflegen, also eine gemeinsame Kriegskasse, der bis 2027 50 Milliarden Euro umfassen soll. Die Einzelstaaten sollen 80 Prozent der Beschaffungskosten für neues Kriegsgerät zahlen, 20% kommen aus dem EU-Fonds.

Durch die Koppelung der Kriegsausgaben an die Wirtschaftsleistung, die der NATO zugesagt wurde, will Deutschland als stärkste Wirtschaftsmacht auch zur führenden Militärmacht der EU werden. Die Aufrüstungsvereinbarungen zwischen sehen neue Generationen von Kampfflugzeugen, Kampfdrohnen, Kampfpanzern und Artilleriesystemen vor. Sie sind für den Aufbau einer europäischen Armee, vorgesehen, die EU erhält einen eigenen Militärhaushalt und eine Interventionstruppe. Das „Future Combat Air System“ (ein Verbund mit Aufklärungs-, Kampf- und Minidrohnen zwecks Aushebelung gegnerischer Flugabwehr) ist auch zum Transport französischer Atomraketen geeignet – künftig mit Bundeswehr-Piloten im Cockpit?

Deutschland ist also keinesfalls nur das Opfer, der Erfüllungsgehilfe der USA wider Willen. Der deutsche Imperialismus schickt sich an, die ab 1990 wiedererträumte Weltmachtgeltung zu erreichen – teils eigenständig, teils im militärischen EU-Verbund, und hauptsächlich un­ter Nutzung der Mitgliedschaft in der NATO. Niemals wurde deutlicher, welche fundamentale Bedeutung die Existenz der DDR für den Frieden in Europa und auf der Welt hatte.

Die deutschen imperialistischen Kreise wissen: eine Arbeitsteilung und auch Bindung inklusive Unterordnung entsprechend der eigenen ökonomischen und militärischen Potenz an den US-Imperialismus ist der einzige Weg, um wieder einen „Platz an der Sonne“ zu erlangen. Die NATO ist das entscheidende Instrument für den deutschen Imperialismus, um seine militärischen Kräfte auszuweiten – nur durch die NATO-Mitgliedschaft kann die deutsche Bourgeoisie indirekten Zugriff auf modernisierte Atomwaffen haben. Zugleich ist die NATO die Haupttriebkraft bei der fortschreitenden Militarisierung Deutschlands. Nur eine imperialistische Logik kann den völlig verstandfreien Kriegskurs gegen Russland und China begründen.

Aufgrund der lebensgefährlichen Steigerung der Kriegsgefahr, aber auch mit Blick auf rd. 16% arme Menschen in Deutschland, ist die exorbitante Steigerung der Kriegsausgaben obszön und skandalös. Deshalb erinnern wir daran: Die Verpflichtung, 2% des Bruttoinlandsproduktes für Krieg zu spendieren, gilt nur für NATO-Mitglieder! Wer austritt, ist die Verpflichtung los: Durch Kündigung des NATO-Vertrags. Die Kündigungsfrist beträgt nur ein Jahr.

Man kann noch mehr loswerden: Die Kriegsdrehscheibe Air Base Ramstein mit der Befehlszentrale des Aegis-Raketensystems, die 40 US-Stationierungsorte wie Kalkar, Wiesbaden-Erbenheim und Grafenwöhr, EuCom und AfriCom in Stuttgart, die Atomwaffen in Büchel – durch Kündigung des Abkommens über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in Deutschland 2 Jahre. Die Kündigungsfrist beträgt nur zwei Jahre.

Der Einwand, durch die NATO-Mitgliedschaft werde der deutsche Imperialismus gewissermaßen gezähmt, ist eine grandiose Realitätsverleugnung: Deutschland hat sich 1999 in vorderster Front an der NATO-Aggression gegen Jugoslawien beteiligt. Es hat alle weiteren US- und NATO-Aggressionskriege unterstützt, zumindest durch Bereitstellung von Infrastruktur und Militärspionage. Ohne NATO-Mitgliedschaft keine Manöver in Norwegen, kein Kommando in Litauen oder über die NATO-Speerspitze. Nur dank NATO-Mitglied­schaft hat die Bundeswehr den „zweiten Schlüssel“ zu den Atomwaffen in Büchel.

Es ist also genau umgekehrt: Die NATO begrenzt nicht die Ambitionen des deutschen Imperialismus, sondern sie dient ihm als Hebel und Steigbügelhalter. Deshalb wäre der Austritt Deutschlands aus der NATO eine entscheidende Schwächung aller Kriegstreiber und Militaristen, und nicht zuletzt der deutschen Bourgeoisie. Deshalb sagen wir:

Raus aus der NATO – NATO raus!

Autorenkollektiv: Klaus Hartmann, Sebastian Bahlo und Klaus von Raussendorff


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Nie wieder Krieg: Frieden mit Russland! Raus aus der NATO! (Auszug aus FREIDENKER 4-18, ca. 234 KB)


Beitragsbild oben: Auszug aus einem Protestplakat in Norwegen gegen das Manöver “Trident Juncture“ 2018
Asav – CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=73913942