Weltanschauung & Philosophie

Die Leere der Frankfurter Schule

Aus: „FREIDENKER“ Nr. 3-18, September 2018, S. 26-41, 77. Jahrgang

von Klaus Linder

Rede auf der Wissenschaftlichen Konferenz des Deutschen Freidenker-Verbandes am 28.04.2018 in Hannover

 

Das Institut für Sozialforschung, also die spätere Frankfurter Schule um Max Horkheimer, Theodor Adorno, Herbert Marcuse, Leo Löwenthal war ursprünglich dem Marxismus verbunden. Es entstand aus dem von Carl Grünberg begründeten „Archiv für die Geschichte des Sozialismus und der Arbeiterbewegung“, das von 1911 bis 1930 erschien. Es hatte, wie dieser 1911 schrieb, „nicht nur rein wissenschaftlich und namentlich für die Geschichte der politischen Ökonomie, sondern wohl auch praktisch-politisch das höchste Interesse“[1]. 1923 übernahm er die Leitung des von Felix Weil finanzierten und an der Universität Frankfurt gegründeten „Instituts für Sozialforschung“.

1930 trat Max Horkheimer die Nachfolge an. Aus dem Grünberg-Archiv wurde die „Zeitschrift für Sozialforschung“. Im Gegensatz zur marxistischen, auf Arbeiterklasse und Arbeiterparteien orientierenden Ausrichtung ging Horkheimer 1932 im Vorwort zum I. Band der Zeitschrift an die Auflösung der Einheit von Theorie und Praxis: „Die Verpflichtung auf wissenschaftliche Kriterien trennt die Sozialforschung methodisch auch von der Politik“, die Zeitschrift werde „vornehmlich auf eine Theorie des historischen Verlaufs der gegenwärtigen Epoche eingestellt“.[2]

Noch vertrat Horkheimer die dem Marxismus wesentliche Auffassung einer „Wissenschaft des Gesamtzusammenhangs“ (Engels). 1932 beschrieb er die Aufgaben des Instituts: „Die Untersuchungen auf den verschiedensten Sachgebieten und Abstraktionsebenen (…) werden durch die Absicht zusammengehalten, dass sie die Theorie der gegenwärtigen Gesellschaft als ganzer fördern sollen. Dieses vereinigende Prinzip (…) erstrebt Erkenntnis des gesamtgesellschaftlichen Verlaufs.“[3]

Auf dieser Grundlage hätte sich fruchtbar machen lassen, was zentraler Beitrag der Frankfurter Schule zur Auseinandersetzung mit dem Faschismus wurde: Die Frage des inneren Widerspruchs des humanistischen Erbes der klassischen, bürgerlichen Aufklärungskultur, ihres Umschlags in die Barbarei und Antihumanität unter der faschistischen Herrschaftsform; damit verbunden: die Zersetzung der Aufklärungsvernunft des frühen revolutionären Bürgertums in die zerstörerische Irrationalität des imperialistischen Fäulnisstadiums.

Diese Gedanken spiegeln sich noch in Horkheimers Spätwerk in verkümmerter Form im Begriff der „instrumentellen Vernunft“. Hätten er und seine Mitarbeiter an der „Wissenschaft des Gesamtzusammenhangs“ festgehalten, wäre kritisch-revolutionäre Einheit für das philosophische und wissenschaftstheoretische Herangehen an diese Fragenkomplexe gegeben.

Die Rückbildung bürgerlichen wissenschaftlichen Denkens zu „Teilrationalitäten“ unter obwaltender Unvernunft der imperialistischen Widersprüche wäre geschichtlich konkret aus den Bewegungsgesetzen der bürgerlichen Gesellschaft bestimmbar gewesen. Als bestimmte Negation der bestehenden Verhältnisse hätte die Kritische Theorie, obwohl sie sich auf Fragen der kulturellen und ideologischen Entwicklung verengte,  Wege ihrer praktischen und theoretischen Überwindung weisen können.

Früh wurde der marxistische Anspruch auf Erkenntnis des Gesamtzusammenhangs über Bord geworfen, und damit auf die Erkennbarkeit der Welt, der widersprüchlichen Totalität des gesellschaftlichen und materiellen Seins. Der Widerruf kam als antihegelscher Satz in Adornos 1944-47 geschriebenen „Minima Moralia – Reflexionen aus dem beschädigten Leben“. Der lautet: „Das Ganze ist das Unwahre“. Damit wird sowohl Materialismus als auch objektivem Idealismus die Abfuhr erteilt. „Totalität“, das Ganze, wurde nun als „das Negative“ schlechthin aufgefaßt. Was wie ein Wortspiel klang, verfestigte die politische Position der Frankfurter Schule, erkenntnistheoretisch verhüllt: Die Gleichsetzung von „Totalität“ und „Totalitär“. Aufklärungsrationalität bis Marx und Engels, die mit der Theorie des dialektischen Widerspruchs die geschichtliche Perspektive des Gattungswesens Mensch angibt, wurde mit der Max Weberschen Zweck-Rationalität gleichgesetzt. Obzwar als Ideologie bezeichnet, wurde diese irrationale Zweckrationalität nun mit dem Wesen der bestehenden sogenannten „entwickelten Industriegesellschaften“ identifiziert, der imperialistischen ebenso wie der sozialistischen. Sie alle wurden letztlich unter dem vagen Oberbegriff „verwaltete Welt“ subsumiert.

Die Konsequenzen daraus zog die kurz vor der Befreiung vom Faschismus in den USA geschriebene „Dialektik der Aufklärung“ von Adorno und Horkheimer. Nach deren Meinung sollte das Buch –  im Moment des Sieges der Humanität im Großen Vaterländischen Krieg – den geschichtlichen Augenblick  der „Selbstzerstörung der Aufklärung“ festhalten. Die Grundthese war, daß „die Menschheit, anstatt in einen wahrhaft menschlichen Zustand einzutreten, in eine neue Art von Barbarei versinkt“:  „Wir hegen keinen Zweifel, dass die Freiheit in der Gesellschaft vom aufklärenden Denken unabtrennbar ist. Jedoch glauben wir, genauso deutlich erkannt zu haben, dass der Begriff eben dieses Denkens, nicht weniger als die konkreten historischen Formen, die Instititutionen der Gesellschaft, in die es verflochten ist, schon den Keim zu jenem Rückschritt enthalten, der heute überall sich enteignet.“[4]

Eine Perspektive des bewußten Fortschreitens ins Reich der Freiheit aus der Naturnot­wendigkeit, planvolle Beherrschung des Ver­hältnisses der menschlichen Gattung zu den Bedingungen ihrer Erhaltung, war hieraus nicht mehr zu gewinnen. Die eingeschränkt „instrumentelle“ Vernunft wurde zur Erscheinungsform von Vernunft überhaupt, zur Unentrinnbarkeit „totaler Herrschaft“. „Naturbeherrschung“ wurde einzig unter dem Aspekt sich entwickelnder Produktivkräfte gesehen, ohne diese noch in Beziehung zu den Produktionsverhältnissen zu setzen, die die Wirklichkeit des Gesellschaftswesens Mensch bestimmen.

Mit der Ersetzung des dialektischen Widerspruchs durch einen neu-Kantianischen Dualismus von Sein und Sollen, wird „der Mensch“ zu einer außergeschichtlichen Größe, der als ebenso außergeschichtliches Fixum „die Natur“ gegenübersteht: Das Verhältnis beider wurde nur noch unter der Kategorie „Herrschaft“ gefaßt.[5]

Nicht nur der Begriff der Totalität, sondern die Allgemeinheit des Begriffs überhaupt, wird als ideologisches Instrument der Repression „entlarvt“. Wurde Aufklärung selber  mit totaler Herrschaft gleichgesetzt, so das begriffliche und wissenschaftliche Denken und Handeln zur bloßen Herrschaft über die Sache, über „Das Nichtidentische“. Naturbeherrschung wird zum Sündenfall der Menschheit, die Befreiung der Gattung durch Entwicklung der Produktivkräfte Zwangsherrschaft, die nur in neue Zwangsherrschaft führt.

Während der Marxismus die Lösung des gesellschaftlichen Antagonismus durch die in seinem Schoße heranwachsenden Produktivkräfte bestimmt, verschob sich den Kritischen Theoretikern somit der Antagonismus der kapitalistischen Klassengesellschaft auf die Gegenüberstellung von Individuum und Gesellschaft, und schließlich von „Geist“ und „Macht“. Aus scheinbar widerspruchsloser Totalität führt kein Klassenkampf hinaus, da die Theorie „totaler Integration“ keine im Innern des Systems heranreifende Perspektive der Befreiung anerkennt.

Sämtliche späteren Versuche Herbert Marcuses (die ihn zum Guru des antikommunistischen Linksradikalismus beförderten) sogenannte „Randgruppen“, „Marginalisierte“ zu „revolutionären“ Ersatzsubjekten zu erklären, basieren auf dieser antimarxistischen Geschichtslosigkeit der „Kritischen Theorie“. Daraus wurde heute die postmoderne „Identitätenpolitik“.

Das war die Folge der konsequenten Separierung der Theorie von der kämpfenden Arbeiterklasse. Schon 1937 schrieb Horkheimer, dass sich Kritische Theorie „weder auf bestehende noch auf zukünftige Macht“[6] – also weder auf die Bourgeoisie noch auf die Arbeiterklasse – stützt. Kurzum:

Die dialektische Figur der Negation der Negation wird aufgegeben – das ist der Kern der berühmten „negativen Dialektik“, auf die Marcuse, Adorno und Horkheimer ihre vermeintliche Radikalkritik „Des Bestehenden“ stützten.  Dem wurde allenfalls die irreale Utopie einer herrschaftsfreien Gesellschaft entgegengesetzt, die nur im isolierten Denken, in der immer wieder beschworenen „Transzendenz“ aufscheine – oder aber, wenn sie „praktisch“ wird, in putschistischer „direkter Aktion“.

So wie Neopositivismus und Existentialismus ist also die Kritische Theorie eine Schule bürgerlicher Philosophie im Verfall, die entschieden die Wendung zum subjektiven Idealismus vollzog. Ihre marxisierenden Anklänge machen sie zum Instrument der Rückentwicklung des Sozialismus von der Wissenschaft zur Utopie. Sie schritt konsequent zur Widerrufung der materialistischen Geschichtsauffassung – objektive Gesetzmäßigkeiten und soziale Antagonismen werden durch ethische Deklamationen und transzendentalen Rigorismus ersetzt. In „Dialektik der Aufklärung“ liest sich das so: „Weil die Geschichte als Korrelat einheitlicher Theorie, als Konstruierbares nicht das Gute, sondern eben das Grauen ist, so ist Denken in Wahrheit ein negatives Element“.[7]

Geschichte wird bloßes „Korrelat“ einheitlichen Denkens und bloß „Konstruierbares“ – hier wurde die Grundfrage aller Philosophie über Sein und Bewußtsein wieder auf den Kopf gestellt.

1937 schrieb Horkheimer: „Das Ziel, das (kritisches Denken) erreichen will, gründet zwar in der Not der Gegenwart. Mit dieser Not ist jedoch das Bild ihrer Beseitigung nicht schon gegeben. Die Theorie, die es entwirft, arbeitet nicht im Dienst einer schon vorhandenen Realität; sie spricht nur ihr Geheimnis aus“.[8] Mit der irrationalen Kategorie „Geheimnis“ deutet sich bereits der Übergang in politische Theologie an.

Wird der identifizierende Begriff mit Repressivität gleichgesetzt und nicht als Instrument zur Widerspiegelung widersprüchlicher Sachverhalte aufgefaßt, wird gegen jedes Allgemeine die nominalistische „Singularität“ des Seienden behauptet, so  liegt die Konsequenz nahe, die die Postmoderne zog: Identität wird zur bloßen „Konstruktion“ vor der ohnmächtigen Beschwörung  des „Nicht-Identischen“, „Heterogenen“, „Anderen“. Die Dialektik der Aufklärung sagte es so: „Die  unversöhnte Sache, der genau jene Identität mangelt, die der Gedanke surrogiert, ist widerspruchsvoll und sperrt sich gegen jeden Versuch ihrer einstimmigen Deutung“.

Von hier aus trat die irrationalistische Verfaßtheit dieser  Theorie immer offener hervor. Auch bei Marcuse. Ihn führte negative Scheindialektik zur Ersetzung des historischen Materialismus durch mystischen Messianismus, zur auf keine objektiven Bedingungen gründbaren Hoffnung auf das „Ganz Andere“. Reform und Revolution werden vor diesem ethischen Voluntarismus gleichermaßen gegenstandslos. Marcuse glaubt, „dass auch die materialistische Dialektik noch im Bann der idealistischen Vernunft, der Positivität, bleibt, solange sie nicht die Konzeption des Fortschritts destruiert, nach der die Zukunft immer schon im Bestehenden verwurzelt ist“[9]: Er endete bei einer Neuauflage der Max Stirnerschen „Empörung“, womit ein Anknüpfungspunkt für den bürgerlichen Teil der 68er Rebellion vorgegeben war.

Faschismus

Ab 1933 organisierte Horkheimer die Emigration des Instituts in die USA, Felix Weil sicherte die Existenz der Denkfabrik durch Vermachung seines Millionenerbes.

1936 schickte das Institut sich an, „endlich … das Faschismusproblem in Angriff“ zu nehmen“. Man versprach sich, laut Adorno, durch das Studium der „Reklame“ „zu den tiefsten Einsichten in die Struktur des Faszismus zu gelangen“, da  Reklame im diktatorischen System „erstmals ins politische Zentrum – oder besser in den politischen Vordergrund“ trete. Daraus wurde ein Beitrag Kracauers nicht etwa zur faschistischen, sondern zur „Totalitären Propaganda“, dessen Veröffentlichung Adorno allerdings unterdrückte.[10]

Bezeichnend ist zweierlei:

Erstens: Reduziert die Frankfurter Schule zunächst das Problem des Faschismus auf Propaganda und Reklame – unter Ausblendung des Klasseninhaltes, da der unspezifische Begriff sich auf Gesellschaften unterschiedlichsten Typs anwenden läßt: imperialistisch-faschistische, imperialistisch-“demo­kratische“ und nicht-imperialistische sowie revolutionäre.

Zweitens: Wird ihre Fixierung auf den Überbau der Gesellschaft deutlich. Die Problemstellung zeigt, dass es ihnen unter den Begriffen „Reklame, Propaganda“ bereits um den Gedankenkreis ging, den Adorno und Horkheimer dann unter dem Terminus „Kulturindustrie“ zusammenfaßten.

Adorno bezeichnete einen eigenen Aufsatz als Durchbruch zur Theorie der „Kulturindustrie“, der ebenfalls 1936, in der Zeitschrift für Sozialforschung erschien – dessen Thema  war Jazzmusik. Dieser hatte eine faschistische Vorgeschichte:

Adorno glaubte während einiger Jahre in Nazideutschland bleiben zu können. In der Zeitschrift „Die Musik“ veröffentlichte er 1934 eine Besprechung von Chor-Liedern auf Texte des „Reichsjugendführers“ Baldur von Schirach. Er lobte, der Zyklus hebe sich aus den jüngsten Chorpublikationen heraus, „weil er bewußt nationalsozialistisch markiert“ ist; er hob die „Möglichkeit einer neuen Volksmusik“ hervor: „Es wird dem Bild einer neuen Romantik nachgefragt: vielleicht von der Art, die Goebbels als ‚romantischen Realismus‘ bestimmt hat.“ Für den „kritischen Theoretiker“ stand außer Zweifel, dass „ein Stück wie ‚Der Tote‘“ – gemeint war ein toter SA-Mann – „von der denkbar stärksten – und auch einer sehr originellen Wirkung sein muß“.[11]

Die kulturkritische Anrufung Goebbels‘ war kein Einzelfall. Um die Zeit schrieb Adorno einen Text „Rundfunkautorität und Schlagersendung“.[12] Was er als „Autorität“ begrüßte, waren die Gleichschaltungsmöglichkeiten des faschistischen Propagandastaatsfunks. Der Aufsatz münzt die scheinbar „ideologiekritische“ Beschreibung des Überbaus in dessen Rechtfertigung um. Zufrieden erkannte er an: „Der gegenwärtige Rundfunk ist Instrument des Staates und hat in den entscheidenden Monaten in dessen Dienst eine politisch-öffentliche Schlagkraft erwiesen, die dem quäkenden Begleiter des häuslichen Lebens keiner je zugetraut hätte und die alle Privatsphären unter sich begrub. Das Profit-Interesse gilt da nicht mehr: zum drastischen Zeichen dessen hat man jegliche Rundfunkreklame privater Firmen unterbunden“.[13]

Er entschied sich angesichts der kulturellen Repression für den Staatsmonopolismus in seiner terroristischen Form, dem er in aparter Pseudo-Dialektik mit pseudo-marxistischer Begrifflichkeit theoretische Weihen verlieh. Der Terror wird als Ausschaltung von „Profitinteressen“ von „politisch-öffentlicher Schlagkraft“ dargestellt, als ginge es um eine revolutionäre Überwindung des Konkurrenzkapitalismus.

Im Berliner Sender Funkstunde war im März 1933 ein völliges Verbot von Jazzmusik erlassen worden. Adorno monierte, dass Goebbels keine ganze Arbeit geleistet hatte. Die Reste von Liberalismus hätten anständige Menschen nicht nur empört, weil es wirke, „als wenn hinten weit bei den Negern die Synkopen aufeinanderschlagen“: „Die leichte Musik aber, oder, um es genauer und minder freundlich zu sagen: die Schlager sind geblieben. Die Hölle der Dummheit, in der die Schlagermacher sich tummeln, hat der Autorität gespottet, und es wird weiterhin Rücksicht auf Majoritäten geübt, die in der Politik vernommen zu werden wenig Aussicht mehr hätten.“[14]

Das „falsche Bewußtsein“ jener Mehrheiten, der Massen, deren größter Feind der Faschismus ist – als „Hölle der Dummheit“ apostrophiert – wird im Bündnis mit der terroristischen Finanzbourgeoisie so ausgeschaltet, dass „Majoritäten“ keine Aussicht mehr haben dürfen, „in der Politik vernommen zu werden“. Der gegen den „Autoritarismus“ der Unterschichten so sensibel-allergische spätere  „Erzieher nach Ausch­witz“ in der BRD appelliert an die Autorität von Dr. Goebbels:

„Es wäre an der Zeit, daß damit ernsthaft Schluß gemacht und die spukhaft entfremdeten Musikwaren aus den Sendern herausgefegt würden. An der Zeit: weil es heute möglich ist; [ . . . ] weil ein Wort der maßgebenden Stelle genügt (…)“.[15]

Wir haben keinen  Ausrutscher politischer Naivität vor uns, sondern den Problemkern der Kritischen Theorie. Hier geht vermeintlicher Humanismus, eine verschlepptes liberalistisches Freiheitsaxiom, in Antihumanität über. Der Elitismus dieses Menschenbildes kann zum anarcho-putschistischen Revoluzzertum oder zum Faschismus neigen.
Adornos Angriffspunkt im Kampf gegen „Kulturindustrie“ ist das verhaßte Bewußtsein der Majoritäten, nicht die Herrschaft der Finanzbourgeoisie. Er erkennt die propagandistische „Leistung“ der Faschisten an:

„Was hätte wohl eine politische Propaganda erreichen können, die den Bewußtseinsstand ihres Publikums als konstant angenommen und sich nach ihm gerichtet hätte, anstatt von sich aus (…) einzugreifen und zu verändern? In der musikalischen Propaganda aber — und musikalischer Rundfunk heißt nichts anderes als musikalische Propaganda — hält man noch nicht so weit.“[16]

Adorno entwirft einen musikalischen Pogrom:

„die Verbreitung von Schlagern (…) durch den Rundfunk des deutschen Volkes wird verboten und das Verbot — um es mit einem Ausdruck der politischen Propaganda zu sagen — ‚schlagartig‘ durchgeführt. …  kurz, der Schlager wird mit den unwiderstehlichen Mitteln, die die heutige Zentralisierung der Propaganda bietet, verfemt. (…) Man kann getrost eine Propagandawoche ‚SCHLAGT DEN SCHLAGER‘ veranstalten (…). Es müßte mit dem Teufel zugehen, wenn nicht binnen vier Wochen Luft geschaffen wäre.“[17]

Am 12. Oktober 1935 verkündet Reichssendeleiter Hadamovsky „ein endgültiges Verbot des Niggerjazz für den gesamten deutschen Rundfunk“. Auch wurde eine Propagandaserie gegen den Jazz durchgeführt.

Adorno ging das zu wenig „schlagartig“. Er hatte 1933 vorgelegt mit einem Aufsatz, den er „Abschied vom Jazz“ nannte.[18] Daraus wurde umgearbeitet 1936 jener  Aufsatz für die „Zeitschrift für Sozialforschung“, den er als Durchbruch seiner Theorie der Kulturindustrie einschätzte. In „Abschied vom Jazz“ befand er, mit dem Verbot von 1933 werde „nicht der musikalische Einfluß der Negerrasse auf die nördliche ausgemerzt; auch kein Kulturbolschewismus, sondern ein Stück schlechtes Kulturgewerbe.“

Bei Adorno führt die pseudo-marxistische Kritik einer warenförmigen profitorientierten Kulturindustrie zur Beglaubigung imperialistischer Herrschaft. Die Kolonisierung wird als Schuld auf die Kolonisierten selber verschoben, da die „Vitalität“ des Jazz „nicht von Wilden, sondern von domestizierten Leibeigenen bezogen“ sei.[19] Als Motiv für die Ausmerzung wird ausgeführt, dass die Subjekte ihren Freiheitsanspruch mit  der Individualität einbüßten, – die aber nur als abstrakte Negation  von „Ordnung“, als anarchische „Destruktivität“ und „Bedrohlichkeit“ gefaßt wird:

„So wenig er mit echter Negermusik zu tun hat, die hier längst industriell geglättet und gefälscht ward, so wenig wieder eignet ihm Destruktives und Bedrohliches; selbst die respektlose Verwertung Beethovenscher oder Wagnerscher Themen, (…) ist in Wahrheit lediglich Ausdruck der Armseligkeit einer Musikfabrikation, die derart genormt und auf den Konsum eingestimmt ward, dass das letzte bisschen Freiheit, der Einfall, ihr verloren ging (…).“[20]

Zu diesem Begriff von „Entfremdung“ wäre einiges anzumerken. Für Marxisten erfolgt Entfremdung, ihre verkehrte Spiegelung im Bewußtsein, aus der Unterordnung der Produzierenden unter die Produktion. Die Verselbständigung umfaßt alle Prozesse, die Marx in den 3 Bänden des Kapitals darlegte, nicht nur den Warenfetischismus der ersten Kapitel.

Die Kritische Theorie, die die Ursache von Entfremdung auf „Identität“ zurückführt, beschränkt sich darauf, den Kern des Übels im Äquivalententausch mit der abstrakten Identitäsbildung W=G=W zu erblicken. Die­se Auffassung von Warenfetischmismus wird losgelöst von den ihn erzeugenden Ausbeutungsverhältnissen in ihrer Totalität und wird damit zu einer bloß erkenntnistheoretischen Kategorie. Entsprechend wird die Herrschaft des Produkts über den Produzenten nur noch in der Konsumsphäre aufgespürt, nicht im gesellschaftlichen Gesamtprozess, der aus der Trennung des Arbeiters von seinen sachlichen Produktionsbedingungen resultiert. Die Kritische Theorie verkehrt in ihrem Entfremdungsbegriff das Primäre und Sekundäre, und verfällt ihrerseits der kritisierten Entfremdung.[21]

Adorno macht vor, wie subjektiv-idealistische „Kritik an der entfremdeten Warenform“ in rassistisch getönten Nihilismus übergehen kann, sobald die Subjekte nicht das „Ganz Andere“ der Kritischen Theorie verkörpern: „Negermusik“ sei nicht negerhaft, die Wildheit des Jazz nicht „wild“, für die Ansprüche des Mittelklasse-Revolutionärs nicht „destruktiv“, „bedrohlich“ genug. Es ist die Haltung, die sich von jedem beliebigen „revolutionären Subjekt“ die „Befreiung“ erwartet, außer von der kämpfenden Arbeiterklasse, deren Entwaffnung sie zustimmt. Es ist das Kokettieren mit dem Umsturz der „Natur“ gegen die Gesellschaft, das jede auch noch so brüchige „Subjektivität“ der „Integration“ bezichtigt, wenn sie nach Adorno „gegen eine Kollektivmacht aufbegehrt, die sie selber ist“.[22] Daraus wurde später die „Ästhetik der Großen Weigerung“ von Marcuse, die die logische Folge der Bestimmung des Ganzen als das Unwahre ist.

Zur Pervertierung bei Adorno gehört die Wendung, dass die Musik der Afroamerikaner  „Verweigerung der Warenform“, „Widerstand gegen den Kulturbetrieb“ usw. zu verkörpern habe – oder wie man es später nannte „subversive Gegenkultur“. Die Einhaltung des Viervierteltaktes wird deshalb als zwanghafte Unterwerfung unter das Bestehende psychoanalysiert und die Verschiebungen des Taktschwerpunkts als sich selbst kastrierendes Aufbegehren.

Adorno verwahrte sich später so gegen den Vorwurf des Rassimus: „Ich habe kein Vorurteil gegen die Neger, als daß sie von den Weißen durch nichts sich unterscheiden als durch die Farbe“.[23] Das liegt bereits auf der Linie der antisemitischen Antideutschen von heute, die Juden Sprechverbot erteilen, weil sie sich nach ihren Kategorien nicht jüdisch genug verhalten.

Antifaschismus?

Während die Kritischen Theoretiker ihr Verhältnis zum Faschismus erkundeten, formulierte 1935 der VII. Weltkongreß der KI „die Aufgaben der Kommunisten im Kampf für die Volksfront gegen Krieg und Faschismus“.

Es war eine Weiterentwicklung der Leninschen Imperialismustheorie, die auf dem Studium der Verhältnisse sämtlicher Klassen basiert. Hieraus bestimmte Dimitroff den Klasseninhalt des Faschismus in der bekannten Definition, also ganz kurz „Faschismus ist die Macht der Finanzbourgeoisie“ – und eben nicht der „Mitte“, der kleinbürgerlichen Schichten usw.. Das trifft den Gegensatz zwischen Klasseninhalt und Massenbasis des Faschismus – und nur unter diesem Aspekt die ideologisch-demagogischen Erscheinungsweisen zur Irreführung dieser Massenbasis gegen ihre Interessen.

Marxismus-Leninismus bestimmt den Faschismus nicht als Ideologie, sondern als Herrschaftsform der imperialistischen Bourgeoisie, mit möglichen vorbereitenden Etappen. Wesentlich für diese Faschismusanalyse – darum muss man Dimitroffs Referat zum Faschismus mit dem von Togliatti zur Kriegsvorbereitung zusammen lesen – ist der innerste Zusammenhang von Faschismus und Kriegspolitik im Zuge der imperialistischen Neuaufteilung der Welt, sowie die Abwälzung der vollen Krisenlasten auf breiteste Schichten.

Das war zu erinnern, um zu vergegenwärtigen, welche Zusammenhänge in der bürgerlichen Faschismustheorie der Frankfurter Schule nicht berücksichtigt werden.

Wenden wir uns den in USA durchgeführten Faschismusforschungen zu, die der Frankfurter Schule den Ruf als Verfechter empirischer Soziologie einbrachten. Sie sind mit Untersuchungen zur sogenannten autoritären Persönlichkeit verbunden.

Ich kann hier nur auf das Instrument eingehen, mit dem die Forscher glaubten, Bewußtseinshaltungen nachweisen und  messen zu können, aus denen unter den Massen Faschismusgefahr abzulesen sei. Dieses nannten sie  „F-Skala“. Sie besteht aus Aussagesätzen, die den Probanden, unabhängig von jeder Widerspiegelung konkreter gesellschaftlicher Situationen, vorgelegt wurden. Sie kreuzen sie auf einer mehrstufigen Skala zwischen Ja und Nein an. Überwiegt Zustimmung, stehen sie hoch oben auf der Faschismusskala. Daraus soll ein Bild des dominierenden Sozialcharakters einer Gesellschaft extrahiert werden.

Aus der Psychoanalyse bezog man das Argument, dass politische Einstellungen nicht durch direkte Fragen zu ermitteln seien. Man ging davon aus, dass sie vor dem Befrager verheimlicht würden und die Probanden durch Überlistung dazu gebracht werden müssten, ihren latenten Faschismus als manifesten zu erkennen zu geben. Die Auswertungen wurden unter die Arbeitsbegriffe „Vorurteil“ und „Antisemitismus“ gestellt. Dafür war ein Schwenk bezeichnend, der sich in einem Brief Horkheimers 1940 an Adorno ankündigte und eine weitere Stufe der Abkehr vom Marxismus festschrieb. Horkheimer teilte mit, dass die Frage der Zeit nicht länger der Klassenkampf sei, sondern die Judenfrage.

Es ergibt sich ein erster Einwand: Offenbar wurde außer Acht gelassen, dass Antisemitismus nicht zum ideologisch-demagogischen Kern von Faschisierung gehören muß. Der völkisch-antisemitische Charakter der damaligen Nazi-Ideologiespielart wurde zur universellen Wesenseigenschaft von Faschismus erklärt; im Gegensatz zur KI vertauschte man die Ideologie mit der Herrschaftsform, einmal mehr: das Sekundäre mit dem Primären.

Um den Apriorismus dieser Zuordnung von formalen Sprachmustern zu angeblich faschistischem Inhalt zu demonstrieren, drei Beispiele:[24]

Man entwickelte Oberkategorien „autoritärer Denkmuster“ und ebenso fixe „Merkmale“, die den Testsätzen zugeordnet wurden:

Aussage: „Der Geschäftsmann und der Fabrikant sind viel wichtiger für die Gesellschaft als der Künstler und der Professor.“ Merkmal: „Abwehr des Subjektiven, des Phantasievollen, Sensiblen, , Imaginativen und Schöngeistigen“.

„Autoritäres Denkmuster“: „Anti-Intrazeption. (Abwehr von Innerlichkeit)

Aussage: „Weder Schwäche noch Schwierigkeiten können uns zurückhalten, wenn wir genug Willenskraft haben.“

Merkmal: „Denken in Dimensionen wie Herrschaft – Unterwerfung, stark – schwach, Führer – Gefolgschaft; Identifizierung mit Machtgestalten; Überbetonung der konventionalisierten Attribute des Ich; übertriebene Zurschaustellung von Stärke und Robustheit.

“Autoritäres Denkmuster“: „Machtdenken und Kraftmeierei“.

Aussage: „Die meisten Menschen erkennen nicht, in welchem Ausmaß unser Leben durch Verschwörungen bestimmt wird, die im Geheimen ausgeheckt werden.“

Merkmal: „Veranlagung, an wüste und gefährliche Vorgänge in der Welt zu glauben; Projektion unbewusster Triebimpulse auf die Außenwelt “

„Autoritäres Denkmuster“: „Projektion“

Halten wir einige Charakteristika fest – Erstens: Die Loslösung der Sprachzeichen von objektiver Wirklichkeit erlaubt keine Interpretation über ihren gesellschaftlichen Gehalt. Keiner der Sätze muß für eine irrationale Deutung der Klassenverhältnisse stehen. Der Satz „Weder Schwäche noch Schwierigkeiten können uns zurückhalten usw.“ kann von einem Antifaschisten im Kampf gesagt werden. Darin kann sich ein klassenmäßig vernünftiges Verhältnis zu Autorität ausdrücken

Zweitens: Die meisten Sätze der F-Skala laufen auf das hinaus, was als „Verschwörungstheorien“ bezeichnet wird. Sie wären aber klassenmäßig einzuordnen: Die Realistik von Verschwörungen durch die herrschende Klasse steht und fällt mit dem materiellen Nachweis über Hintergründe und Motive solcher Verschwörungen. Irrational wäre nur die Annahme, dass die herrschende Klasse stets sichtbar und offen agiert.

Drittens: Der vorgeordnete Begriff „Autorität“ steht im Bann des subjektiven Idealismus der Frankfurter Schule: Sie setzen das Autoritätsverhältnis formationsunabhängig mit dem gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnis gleich.

Viertens: Die Methode gibt vor deskriptiv zu sein, ist aber normativ: Es wird damit festgelegt, dass ein gewisser Typ von Aussagen über die Gesellschaft „faschismusaffin“ oder „regressiv“ wäre. Dadurch wird der Umkehrschluss aufgedrängt: Wer solche Aussagen nicht macht oder zu vermeiden weiß, wird als progressiver Demokrat und Antifaschist eingestuft. Da aber der Klasseninhalt entscheidet, kann eine gesellschaftliche Lage eintreten, wo die Faschismusgefahr genau umgekehrt zu verorten wäre.

Von den Kritischen Theoretikern wurde gesehen, dass der Gegenstand nicht nur spontane Bewußtseinsbildungen, sondern auch gezielte Agitation umfasst.

Exkurs: „Faschistische Agitationselemente“

Der Schritt von der „F-Skala“ zum „Agitator“ wurde mit Leo Löwenthals Buch: „Falsche Propheten. Studien zur faschistischen Agitation“ gemacht.[25] Die Studie basiert ebenfalls auf Sprachmustern. Löwenthal collagiert Schnipsel aus us-amerikanischen Agitationsreden, die er vorab als „faschistisch“ einstuft, zu einer Art Urtext, den er einer überpersönlichen Kunstfigur namens „Der Agitator“ in den Mund legt. Sie stammen von randständigen „Laienpredigern“, über deren gesellschaftliche Bedeutung nichts mitgeteilt wird.

Beispiele nach Löwenthal:

„Manchmal sind diese wenigen internationalen Finanziers nicht einmal an Preis oder Profit interessiert. Sie gebrauchen ihre monopolistische Kontrolle, um die Lebensstandards der Menschen festzulegen. Sie würden eher Arbeitslosigkeit, Fabrik- und Minenschließungen und weitverbreitete Armut in Kauf nehmen, wenn sie dadurch die Erfüllung ihrer eigenen geheimen Pläne erreichen könnten.“[26]

„Wenn wir irgendwelches Geld für nichts anzubieten haben, zu verleihen oder einfach wegzugeben, würden wir es besser zuerst unseren Leuten geben.“[27]

„Hinter solchen Ungerechtigkeiten stehen die Internationalen Banker, die unser monetäres System entwickelten  und kontrollieren, und  unsolides Geld ausgeben“.[28]

„In USA Geborene begehen Selbstmord, weil sie nichts zu essen haben, während Flüchtlinge ihre Jobs bekommen“.[29]

Tauschen wir einmal das Wort USA gegen DDR aus:

„In der DDR Geborene begehen Selbstmord, weil sie nichts zu essen haben, während Flüchtlinge ihre Jobs bekommen“.

Die kritisch-theoretische Methode kann dann benutzt werden, den Unmut der DDR-Bürger über soziales und nationales Unrecht unter Faschismusverdacht zu stellen.

Die bloße Verwendung eines Oktopus (Krake) als Agitationselement, wird von Löwenthal auf den Faschismus-Index gesetzt.[30] Das zeigt einmal mehr, dass wir es bei dieser Methode mit einem Katalog verbotener Zeichen und Sprache zu tun haben, nicht mit Aufklärung über ihre sinnvolle Verwendung im Kampf gegen die Monopolherrschaft.

Löwenthal charakterisiert den fiktiven faschistischen „Agitator“ folgendermaßen:

„Die Feinde des Agitators sind berüchtigt wegen ihrer Laxheit in moralischen Fragen: sie geben sich dem Luxus hin…“[31]

„Er findet zahllose verleumdende und bösartige Feinde, aber nirgends kann er eine deutlich definierte soziale Ursache entdecken..“[32]

Damit verschiebt Löwenthal die Fragestellung auf die sogenannte Personalisierung, die zum Merkmal faschistoider Beeinflussung stilisiert wird.

„Wie ein roter Faden ziehen sich durch alle Äußerungen des Agitators Wörter wie Schwindel/Falschmeldung, korrupt, unaufrichtig, betrogen/zum Narren gehalten, manipuliert.“[33]

„Der Agitator gibt zu verstehen, daß zwar eine Überfülle materieller und geistiger Güter vorhanden ist, die Massen jedoch um ihren rechtmäßigen Anteil gebracht werden. Die Gelder amerikanischer Steuerzahler werden zum Nutzen aller anderen, nur nicht ihrer selbst verwandt.“[34]

In all dem fehlt nicht der Topos der „Unterkomplexität“:

„Stereotypen wie „Wallstreetmachenschaften“, „monopolistische Verschwörungen“ oder „internationale Spione“ bezeichnen nicht etwa Vorstellungen von bestimmten Ereignissen und Gegebenheiten, sondern sind eher gleichsam versuchsweise Verdächtigungen, mittels derer man über die Bedeutung komplexer Phänomene Klarheit zu erhalten erhofft (…)“[35]

Die agitierten Massen beschreibt Löwen­thal so: „Gewöhnlich führt geistige Unterlegenheit zum Ausschluss aus der Gesellschaft der Erfolgreichen. (…) Obgleich (der Agitator) seinen Zuhörern nicht das Gefühl  gibt, intellektuelle Einsichten gewonnen zu haben oder als eigenständige Individuen anerkannt zu sein, macht er es ihnen doch möglich, sich in ihrer unveränderten Minderwertigkeit einzurichten.“[36]

Charakteristisch für das Demokratieverständnis Löwenthals, als Grundlage seines Begriffs von Faschismus, ist das Axiom, dem wir schon bei Adorno begegneten: ureigene Aufgabe des Staatswesen sei Schutz der Minderheiten vor der Mehrheit. Er wirft „dem Agitator“ vor: „So wird Demokratie aus einem System, das Minoritätenrechte garantiert, in ein System verwandelt, das den privilegierten Status der Majorität zu bestätigen hat.“[37]

Und so ist auch für Löwenthal gemeinsamer Nenner all dieser angeblich dem Faschismus inhärenten Versatzstücke die „Verschwörungstheorie“: „ihr  Gefühl (der agitierten Massen), ausgeliefert zu sein, wird dazu benutzt, den Glauben zu nähren, dass sie das Objekt einer permanenten Verschwörung seien“.[38] 38)

„Das Forcieren der Verschwörungsidee lenkt nicht nur vom Versuch ab, soziale Prozesse zu erforschen, sondern es verwischt auch die Identität der als Verschwörer bezeichneten Gruppen. Dieselben Stereotypen, die einmal mehr oder weniger bestimmt auf soziale Oligarchien bezogen  waren, werden jetzt gigantischen, aber unbestimmten, geheimen internationalen Intrigen zugeschrieben. Das Bild des „Octopus“ (…) wird jetzt für die „internationalen, unsichtbaren Herren“ verwendet. Diese fantastischen Vorstellungen und Bilder scheinen vor allem das starke Bedürfnis der Zuhörer nach einer Erklärung ihrer Leiden zu befriedigen“.[39]

Wir sehen: In all diesen Aussagen hätte aufklärerische, revolutionäre Agitation feste Anknüpfungen, um aus spontaner Wahrnehmung die Keime von Klassenbewusstsein weiterzuentwickeln.

Die Auffassung der Frankfurter Schule von der angeblich faschistischen Mentalität wird nun gesellschaftlich bestimmter: Es handelt sich um Aussagen, die einer spontanen, bereits teilaufgeklärten Verarbeitung der Realitäten des Monopolkaitalismus durch die nichtmonopolistischen Klassen entspringen. Verdächtigungen der herrschenden Klasse – oft explizit der Finanzbourgeoisie – werden mit Adorno und Löwenthal nach ein und demselben Schema interpretiert: Als Verdächtigung der beherrschten Klassen selber, ein zumindest irrationalistisches Weltbild zu hegen.

Es findet so eine Verschiebung von der eigentlich zu untersuchenden gesellschaftlichen Wirklichkeit auf eine ahistorische Archentypenlehre von Zeichen und Symbolen statt. Diese ist nicht gar zu weit entfernt von der Lehre C. G. Jungs von den seelischen Archetypen, die angeblich unser gesellschaftliches Sein bestimmen. Fatal, und charakteristisch für die heutigen antideutschen Kampagnen, die ihr ideologisches Rüstzeug aus der Frankfurter Schule beziehen, ist nun, dass sie die Verschiebung wieder umkehren: Wo immer solche Archetypen als Aussagen über die herrschende Klasse auftauchen, taugen sie zur Denunziation beliebiger Positionen als „rechtsaffin“. Damit eignen sie sich aber, tatsächliche Triebkräfte von Faschisierung aus dem Visier zu nehmen.

Um einen Begriff des faschistischen Agitators zu entfalten, wäre eben herauszuarbeiten, worin aufklärerische Agitation über das Wesen dieser Herrschaft besteht. Das würde eine Bestimmung der Klassenkräfte realer Faschisierung bedeuten, wie sie auf dem VII. Weltkongress geleistet wurde. Ausgehend von diesen ist erst zu den möglichen Ideologieformen überzugehen. Löwenthal und die Kritische Theorie gehen den umgekehrten Weg.

Bemerkenswert an Löwenthals Traktat ist, dass es wirkt, als sei es die inoffizielle Fibel der heutigen Pro-NATO-Tansatlantifa. Der Katalog von „Beweisführungen“, mit denen aus diesen Kreisen gegen die Friedensbewegung Stimmung gemacht wird, sobald sie gegen NATO und antirussische Propaganda Stellung bezieht, ist bei Löwenthal vorgegeben. Als faschistisch, rechtsoffen, antisemitisch usw. gelten: Verdächtigung der Finanzbourgeoisie, ja bereits das Wort; Personalisierung von Herrschaft; Unterkomplexität; Verschwörungstheorie; Verwendung neutraler Bilder wie des Oktopus usw. Dazu kommt die Gleichsetzung von Faschismus und Antisemitismus.

Die explizite Vorstoß zur Ersetzung kommunistischer Faschismustheorie durch die „Falschen Propheten“ Leo Löwenthals blieb allerdings dem jW-Redakteur Daniel Bratanović vorbehalten (z.B. „Elitär plebiszitär“, jW, 19.5.2016). Nicht ohne Grund trug eines seiner Pamphlete gegen die Friedensbewegung in Anlehnung an „Falsche Propheten“ den Titel „Falsche Friedensfreunde“ (jW 23.4.2014).

Das Buch von Löwenthal erschien 1949, markiert also den Übergang der Frankfurter Schule von der Anti-Hitler-Koalition in den Kalten Krieg auf Seiten der USA und der wiederaufzurüstenden BRD.

In den USA galt es mit seinem zentralen Kampfbegriff „Verschwörungstheorie“ seit seinem Erscheinen als Standardwerk der Faschismusforschung.

KritischeTheorie gegen die Friedensbewegung

Ein Teil der Frankfurter Schule blieb nach 1945 in den USA – Marcuse, Löwenthal. Horkheimer und Adorno gingen in die BRD, wo 1950 das Institut für Sozialforschung neu eröffnet wurde.

Auf den Bruch des Potsdamer Abkommens folgten die Spaltung Deutschlands, Gündung des westdeutschen Separatstaates, Restauration der Monopolherrschaft mit Nazikadern unter US Hegemonie, Einbeziehung der BRD in die NATO- und Atomwaffenstrategie der USA, Expansion der westdeutschen Rüstungsindustrie, Abbau der antifaschistischen und demokratischen Gehalte des BRD-Grundgesetzes. Die Aufgaben des Instituts für Sozialforschung wurden auf ideologische Dienstleisungen für den antikommunistischen Frontstaat festgelegt. Ihre antifaschistische Reputation verbürgte die Brauchbarkeit für die Re-Education im US-BRD-imperialistischen Sinne.

Auf dem Feld der Philosophie wurde früh der Wiederaufstieg der BRD zu einer der führenden Mächte des imperialistischen Lagers vorbereitet. So Theodor Litt, seit 1950 Präsident der Allgemeinen Gesellschaft für Philosophie in Deutschland in der Programmrede „Der Westen hat eine Idee“: Es gelte die weltanschaulichen Grundlagen für ein „Bekenntnis zum Antikommunismus“ zu schaffen“.[40] Diesem Ziel verpflichtete sich mit den konkurrierenden bürgerlichen Philosophenschulen der BRD auch die Frankfurter Schule.

Karl Jaspers, feinsinniger Existentialist, trat als Apologet der Atombombe gegen die sozialistischen Staaten hervor. Er fasste zusammen: „Die Solidarität verlangt heute bedingungslosen Zusammenschluß aller europäischen freien Staaten und Amerikas“.[41] „Unterentwickelten Völkern ist materiell nicht zu helfen, wenn sie die Hilfe als Zündung der Selbsthilfe gar nicht wollen. Aber es ist ihnen ihr Raum zu lassen, auf ihre Weise zu leben, zu hungern, in Massen geboren zu werden und hinzusterben. Sie haben das Recht zu ihrer Freiheit.“[42]

Ein Leben im Sozialismus bezeichnete er als lebensunwertes Dasein.[43] Angesichts der Brechung des Atomwaffenmonopols durch die SU führte er gegen diese die atomare Vernichtung als vorzuziehende „Wahl“ ins Feld mit der philosophischen Begründung: „Die Ehrfurcht vor dem Leben ist nicht das letzte“[44]. Eine neue Spielart der Faschisierung nahm Gestalt an: die Herrschaft des imperialistischen Antikommunismus vermittels der Atombombe. Eine Spielart, für die sich nun die Vereinigung von Prinzipien der Nazipropaganda mit US-amerikanischen Reklametechniken vollzog, die Adorno schon 1936 so faszinierte.

Der tiefe Fall bürgerlicher Philosophie in imperialistischen Nihilismus blieb nicht auf Jaspers beschränkt. Die Sprache von Max Horkheimer war nicht weniger blutsäuferisch, wenn es gegen die Friedensbewegung  ging – nur dass er offener den antislawischen Rassismus und Nihilismus zum Ausdruck brachte, den wir in der Propaganda von heute wiederfinden. In einem Brief an Ludwig Marcuse (24.X.1961) schrieb er: „Der Besetzung durch russische und mongolische Barbaren ziehe ich ohnehin eine H-bomb direkt auf den Hinterkopf vor“.[45]

Die F-Skala hatte zwar keine verwertbaren Resultate – sie sollte nun aber zum praktischen Einsatz kommen, nämlich zur pseudo-antifaschistischen Bemäntelung der Wiederbewaffnung der BRD mit Wehrmachtskadern. Diese stieß auf breiten Widerstand der Bevölkerung, getragen von der KPD unter Mobilisierung der Gewerkschaften, der SPD und der Kirchen – das führte zum Verbot der Kommunistischen Partei. Um die Stimmung umzukehren, erfassten die Machthaber in der BRD schnell den Wert der unkritischen Praxis der kritischen Theoretiker.

Horkheimer sah die Möglichkeiten seines Einflusses als Ordinarius der Frankfurter Universität zur Beeinflussung der Studentenschaft für die Wiederbewaffnung. 1952 sagte er einem Interview: „Wir fanden bei unseren Nachforschungen heraus, daß die Studenten eine ganz vernünftige Haltung gegenüber der Wiederaufrüstung einnehmen. Ihrer Reden kurzer Sinn ist: ‚Natürlich halten wir nicht viel davon, aber schließlich bleibt uns kein anderer Ausweg.‘“[46]

Das Amt Blank zum Aufbau der Bundeswehr wurde gegründet. Im Januar 1953 fanden erste Gespräche des Instituts für Sozialforschung mit der Dienststelle statt. Interessant wurden die Gruppenuntersuchungen zur F-Skala für die militärische Kaderpolitik, weil sie versprachen, Motivlagen und Verhaltensweisen diskret ermitteln zu können. Das Institut sollte die psychologischen Tests von Offiziersanwärtern vornehmen. Mit anderen Worten: Eine Methode wurde erarbeitet, um der Rekrutierung einer Angriffsarmee im imperialistischen Bündnis den politisch korrekten Anstrich neuer Sprach-  und Verhaltensnormen zu verpassen – und zugleich breite Bevölkerungsstimmungen auszuhorchen und psychologisch zu beeinflussen. Zur Camouflage wurden etliche Vorsichtsmaßregeln eingehalten.

Der think tank operierte bewusst gegen den Widerstand der demokratischen Öffentlichkeit, hatte aber zugleich, als scheinbar linke, antifaschistische, gar „marxistische“ Schule die wachsende Unzufriedenheit insbesondere von Studenten mit dem restaurierten Monopolkapitalismus zu absorbieren und zu neutralisieren.

Horkheimers und Adornos Vorsicht kam die Forderung aus dem Amt Blank entgegen, die Regelungen für Staatsgeheimnisse gemäß §§ 99–101 StGB strikt einzuhalten. So blieb die Auswahlstudie und Mitwirkung der Kritischen Theoretiker geheim, die meisten Akten tragen den Stempel „streng vertraulich“.

In einem Brief an seine Eltern hatte Ador­no 1943 seine Vorstellungen über die Befreiung mitgeteilt: „Fast muß man bitten, daß es nicht zu schnell geht, daß nicht ein politischer Zusammenbruch erfolgt, der den Deutschen die offene militärische Niederlage erspart“[47], er wünschte: „möchten die Horst Güntherchens in ihrem Blut sich wälzen und die Inges den polnischen Bordellen überwiesen werden, mit Vorzugsscheinen für Juden“.[48]

Und am 1. Mai 1945: „Alles ist eingetreten, was man sich jahrelang gewünscht hat, das Land vermüllt, Millionen von Hansjürgens und Utes tot.“ Und Löwenthals Reaktion angesichts der Zerstörungen in Wien: „Zu wenig“.[49]

Unschwer läßt sich in dieser Haltung jener nationale Nihilismus als Untergrund des bürgerlichen Antifaschismus wiederfinden, gegen den sich Dimitroff und die KI gewandt hatten. Dieser stand im Gegensatz zu der Humanität einer Zukunftsperspektive, wie sie durch den Sieg der Roten Armee und mit dem Aufbau der DDR gegeben war. Er setzt sich heute fort in „antideutschen“ Losungen wie: „Bomber Harris do it again“ oder dem tweet der Frau von Ditfurth vom 24. September 2017: „Es war ein Fehler, #Dresden wieder aufzubauen. All die kuscheligen Pegidaversteher*… Merke: Nazis tätscheln macht Nazis groß.“.

Während Adornos Kosmopolitismus den überlebenden Horst Günthers und Utes nun allenfalls als Objekten für die F-Skala begegnete, pflegte er Freundschaft mit dem ehemaligen Generalstabsmitglied in Rommels Afrikacorps, Wolf Graf von Baudissin, einem der Architekten der Wiederbewaffnung der BRD und des späteren NATO-„Doppelbeschlusses“. Erwärmt schrieb er ihm: „Ich war sehr beeindruckt von dem Maß nicht nur an gutem Willen, sondern auch an Einsicht und Erfahrung, das ich bei den mitarbeitenden Offizieren fand. Im Grunde eine erfreulichere und sachlichere Atmosphäre als eine Fakultätssitzung“.[50] Horkheimer lud von Baudissin in den Frankfurter Universitätsclub ein, um vor akademischem Publikum für die Wiederaufrüstung zu werben.

Ende der Geschichte

Während schärfster Zuspitzung zwischen den imperialistischen und antiimperialistischen Blöcken hielt Adorno 1962 einen Vortrag zum Thema „Fortschritt“.

Er stellte voran, „Reflexionen über den Fortschritt“ hätten „zurückzutreten von lähmenden Fakten und Spezialbedeutungen“.[51] Als Kern nannte er die „Besinnung darüber, ob die Menschheit die Katastrophe zu verhindern mag“.[52] Jedoch: „Die Angewiesenheit des Fortschritts auf Totalität“ kehre „einen Stachel wider ihn“.[53]

Indem Adorno die materialistischen Motive der Geschichtsphilosophie Walter Benjamins beiseite schob, berief er sich auf ihn, um den Begriff des Fortschritts mit dem der „Erlösung“ in eins zu setzen. Dabei verkehrte er das Marxsche Wort von der „Vorgeschichte“ in eine der Schein-Aporien der „negativen Dialektik“: Es sei nämlich „kein Fortschritt derart zu unterstellen, als wäre die Menschheit überhaupt schon und könne deshalb fortschreiten. Vielmehr wäre er erst ihre Herstellung…“.[54]

Die Menschheit bleibt also eingefangen in der „Totalität“ – da es damit keine Menschheit im eigentlichen Sinne gibt, ist kein Fortschritt und da kein Fortschritt ist, ist keine Menschheit… Das Kriterium für das Vorhandensein einer Menschheit sei nämlich die Abwesenheit von Totalität, weil diese den Sprung ins Immanuel Kantsche Weltbürgertum verhindere: „Erst wo das Grenzen setzende Prinzip der Totalität, wäre es auch bloß das Gebot ihr gleich zu sein, zerginge, wäre Menschheit und nicht ihr Trugbild“.[55] Es ist also im Kontinuum der Zeit kein Subjekt geschichtlicher Perspektive gegeben.

Parallel zur in der Praxis betriebenen Kriegspolitik unter NATO-Vorherrschaft, wird der Rückfall der Theorie in den Neu-Kantianismus des ewigen Friedens benutzt, um der kämpfenden Friedensbewegung sei­ner Zeit philosophisch die Grundlage wegzuziehen. Platzhalter der Menschheit sei nach Adorno nur noch „extreme Individuation“.[56]

Während die Kritische Theorie nun Auschwitz und Hiroshima für die irrationale Beschwörung des Endes der Geschichte einsetzt, werden ihr die Kriege des US-Imperialismus zum Kampf für Freiheit und Menschenrechte. Dies hob Horkheimer zum Vietnamkrieg hervor (wobei der antislawische Rassismus sich in einem antichinesischen fortsetzt). Er liefert damit nicht nur den Offenbarungseid der negativen Dialektik als Negation von Dialektik, sondern auch die ideologische Blaupause des kosmopolitischen Menschenrechts-Imperialismus:

„Die Lage Amerikas in Südvietnam ist ein großes Unglück. (…) Aber mit einiger Sicherheit läßt sich sagen, daß der Rückzug (…) den Weg der Chinesen zum Rhein beschleunigen würde. Ganz Asien würde chinesisch werden. Aber die Intellektuellen sehen nur das Grauen dieses Krieges, die unglücklichen Vietnamesen, die scorched earth policy [Verbrannte Erde] der amerikanischen Kriegsführung. Was sie nicht sehen, ist die Hölle einer chinesischen Weltherrschaft.“[57] „Wenn in Amerika es gilt, einen Krieg zu führen, so ist es nicht so sehr die Verteidigung des Vaterlandes, sondern es ist im Grunde die Verteidigung der Verfassung, die Verteidigung der Menschenrechte.“[58]

Die Doktrin lückenloser Totalität, von Marcuse und Adorno auch „Eindimensionalität“ genannt, kann nur in den mystischen und gefährlichen Kitsch des großen Ausnahmezustands, des „Ganz Anderen“ führen, oder in Rückzug auf die Innerlichkeit und negative Theologie. Bei allen drei Varianten der „Großen Weigerung“ beruhte die Leugnung einer in Widersprüchen fortschreitenden Gesetzmäßigkeit der Geschichte darauf, dass sie der Arbeiterklasse jede Möglichkeit absprach, die fortschrittliche Seite des Widerspruchs im Innern der Totalität aufgrund der erkannten Einheit von Theorie und Praxis zu verkörpern. Horkheimer, Marcuse, Adorno, Löwenthal – sie alle setzten die imperialistischen Gesellschaften mit den sozialistischen gleich. Dabei waren sie aber objektiv – und in den meisten Lebenslagen auch subjektiv – Ideologen des angreifenden Imperialismus.

 

Es war in der  Phase eines aufkeimenden westdeutschen und us-amerikanischen Linksradikalismus, dass die Frankfurter Schule aufgrund ihrer Scheinradikalität und ihres „marxistischen“ Rufes die Aufgabe wahrnahm, große Teile der studentischen Intelligenz von einer nicht-revisionistischen Aneignung des Marxismus sowie der kämpfenden Arbeiterklasse und ihren Parteien fernzuhalten.

Als neue Eliten standen sie nach der Konterrevolution 1990 Gewehr bei Fuß. Sie wurden Schreibtischtäter des Jugoslawienkrieges, nachdem sie sich wenige Jahre zuvor an einer kritisch-theoretischen Karikatur des Marxismus berauscht hatten. Das sollte bedacht werden, wenn heute wieder  Kräfte, die der Frankfurter Schule weitaus näher stehen als dem Marxismus-Leninismus, in neuer Demagogie gegen die Friedensbewegung die Unterstellung vortragen, man wisse dort nicht, was“links“ und was „rechts“ sei.

Klaus Linder, Berlin, ist Mitglied des geschäftsführenden Verbandsvorstandes des Deutschen Freidenker-Verbandes

Fußnoten

[1] Zitiert nach: Hans Heinz Holz: Deutsche Ideologie nach 1945, Essen 2003, S. 165

[2] Zeitschrift für Sozialforschung I (1932), S.III

[3] Zeitschrift für Sozialforschung I (1932), S.1

[4] Max Horkheimer, Theodor W.Adorno: Dialektik der Aufklärung. Frankfurt am Main 1979, S.3

[5] Siehe auch ausführlicher: Walter Jopke: Grundlagen der Erkenntnis- und Gesellschaftstheorie Adornos und Horkheimers, in: Die „Frankfurter Schule“ im Lichte des Marxismus, Frankfurt am Main 1970, S. 48ff.

[6] Max Horkheimer: Autoritärer Staat, in: Walter Benjamin zum Gedächtnis, herausgegeben vom Institut für Sozialforschung, Los Angeles 1942, S.153

[7] Zitiert nach Jopke (1970), S.51

[8] Zeitschrift für Sozialforschung VI (1937), S. 270

[9] Herbert Marcuse, Ideen zu einer kritischen Theorie der Gesellschaft, Frankfurt am Main 1969, S.186

[10] zitiert nach: Momme Brodersen: Siegfried Kracauer. Rheinbek bei Hamburg 2001, S.113ff.

[11] Adorno, Rezension von „Herbert Müntzel, Die Fahne des Verfolgten. Ein Zyklus für Männerchor nach dem gleichnamigen Gedichtband von Baldur von Schirach, in: Die Musik 9. Juni 1934, S. 712 (jetzt: Gesammelte Schriften Bd. 19. S.331). Siehe auch: Joachim Dyck: „Schlechtes Kunstgewerbe ausgemerzt“, in: Die Welt, 1.IX.2003

[12] Adorno, Rundfunkautorität und Schlagersendung, in: Frankfurter Adorno Blätter VII/2001, S. 90-93

[13] Adorno, Rundfunkautorität, S.90

[14] ebd. S.90

[15] ebd. S.91

[16] ebd., S. 92

[17] ebd., S.93

[18] Adorno, Abschied vom Jazz,. In: GS, Bd. 18

[19] Adorno, GS, Bd. 17, S. 83

[20] Adorno, Abschied vom Jazz

[21] vgl. auch: Wolfgang Heise: Aufbruch in die Illusion. Zur Kritik der bürgerlichen Philosophie in Deutschland. Berlin Hauptstadt 1964

[22] Adorno, GS Bd. 17, S.77f.

[23] Adorno, GS, Bd 10.2, S.808f

[24] für den schnellen Überblick über die Methodik reicht eine der popularisierenden Zusammenfassungen im Internet: http://www.teachsam.de/psy/psy_pers/psy_aut_pers/psy_aut_pers_2.htm

[25] Leo Löwenthal, Falsche Propheten. Studien zum Autoritarismus. Frankfurt am Main 1990

[26] ebd., S.21; Übersetzung englischer Zitate von K.L.

[27] ebd, S.26

[28] ebd.

[29] ebd.

[30] ebd., S.41

[31] ebd., S.27

[32] ebd., S.25

[33] ebd., S.28

[34] ebd.

[35] ebd., S.40

[36] ebd., S.39

[37] ebd., S.46

[38] ebd., S.35

[39] ebd., S.40f.

[40] vgl. Holz 2003, S. 21

[41] Karl Jaspers: Die Atombombe und die Zukunft des Menschen, München 1958, S. 177. Zitiert nach Holz 2003, S. 72

[42] Jaspers 1958, S. 133

[43] Holz 2003, S.76

[44] Jaspers 1958, S.479

[45] zitiert nach: Monika Boll: Kalte Krieger oder Militärreformer? Das Institut und die Bundeswehr. In: Die Frankfurter Schule und Frankfurt – Eine Rückkehr nach Deutschland. Frankfurt am Main 2009, S.58

[46] Der jüdische Rektor und seine deutsche Universität. Interview mit Max Horkheimer. In: Allgemeine Wochenzeitung der Juden in Deutschland, 1.8.1952. Zitiert nach: Boll 2009, S. 62

[47] zitiert nach: Günter Platzdasch: Habermas als autoritärer Charakter / Henscheid als antiautoritärer Frankfurter Schule-Schwänzer. Unorthodoxe Tagung über Theodor W. Adorno in Frankfurt am Main. In: www.linksnet.de

[48] ebd.

[49] Arnd Beise: „Kritik des Falschen“, jW 20.1.2018

[50] zitiert nach Boll 2009, S. 58

[51] Theodor W. Adorno: Fortschritt, in: Stichworte. Kritische Modelle 2. Frankfurt am Main 1970, S. 29

[52] ebd.

[53] ebd., S.30

[54] ebd., S.31

[55] ebd., S.32

[56] ebd., S.38

[57] Max Horkheimer: Gesammelte Schriften Bd. 14, Frankfurt am Main 1988, S. 360f.

[58] Max Horkheimer, Gesammelte Schriften Bd. 18, Frankfurt am Main 1996, S. 646f.


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