Global-Strategie der EU gegen Russland?
„Syrien-Krieg und Krim-Krise nur Vorwand“
Interview von Sputniknews Deutschland mit Ullrich Mies vom 25.06.2018
Die Europäische Union (EU) will einen gemeinsamen „Rüstungsfonds“ für ihre Mitglieder auflegen. In diesen sollen bis 2027 bis zu 50 Milliarden Euro fließen. Angeblich zur Forschung und zur Verteidigung kontinentaler Sicherheit. „Der wahre Grund: Brüssel rüstet massiv gegen Russland auf“, sagt der Politologe Ullrich Mies im Sputnik-Interview.
„Wir haben doch schon die Nato: Nein, die EU möchte jetzt noch selbst aktiv werden“, bewertete Politikwissenschaftler Ullrich Mies gegenüber Sputnik die aktuellen Militärpläne Brüssels. „Das ist doch unglaublich! Diese Beschlüsse vom Europäischen Rat muss man in größerem Zusammenhang sehen. Die Pesco und die strukturierte militärische Zusammenarbeit sowie der EU-Verteidigungsfonds sind letztlich Endprodukte jahrzehntelanger Bemühungen, Militär und Rüstung in den europäischen Integrationsprozess einzuführen.“
Die EU will nach Medienberichten die gemeinsamen Rüstungsentwicklungen ihrer Mitgliedsstaaten mit einem milliarden-schweren Fonds fördern. Im vergangenen Jahr habe die EU-Kommission dazu einen gemeinsamen Verteidigungsfonds aufgelegt. Ab 2021 sollen jährlich 5,5 Milliarden Euro in den gemeinsamen Topf fließen. Darunter fallen auch Forschungsgelder für militärische Weiterentwicklung von Ausrüstung und Waffensystemen. „Wobei die Einzelstaaten 80 Prozent der Beschaffungskosten selber tragen müssen“, so Mies. 20 Prozent zahle Brüssel. Dabei werden nach neuester Mitteilung der Kommission vom 7. Juni 2017 die Forschungsgelder komplett und die Rüstungs-Beschaffungskosten zu einem Fünftel von der EU getragen. Die Friedensbewegung kritisiert, diese Gelder würden dann in den Staatsetats für soziale Programme und im Bildungssektor fehlen.
„EU keine Friedensgemeinschaft“: Darum rüstet Brüssel auf
„Das ist der absolute Skandal. Die EU-Führung brauchte dann nur noch mehrere Treibsätze, um dieser ganzen Idee Leben einzuhauchen. Diese wesentlichen Treibsätze waren die Ukraine-Krise von 2013/14 – die dauert nach wie vor an – sowie der Krieg in Syrien und schließlich der Brexit von 2016. Großbritannien war als der große Blockierer einer vertieften Militärintegration der EU ausgeschieden. Das ist der Hintergrund.“
Stoßrichtung Russland: „EU-Konzept ist gen Osten gerichtet“
Fortan stand dann für die EU-Spitze Russland „als definitiver Bösewicht fest. Man muss sehen: Rüstungssteigerungen und Militarisierung sind unabhängig von der militärischen Bedrohungslage. Das ist der eigentliche Skandal. Ukraine-Krise, Syrien-Krieg und Brexit waren lediglich der aktuelle Legitimationsrahmen und der Treibsatz. Aufrüstung und Militarisierung in der EU waren im Lissabon-Vertrag 2009 schon längst beschlossene Sache.“ Das sei ein langfristiges, von weltpolitischen Ereignissen unabhängiges Ziel Brüssels gewesen.Ferner sollen ab 2020 weitere 6,5 Milliarden bereitstehen, um Straßen und Brücken militärisch auszubauen, damit „die militärische Mobilität vor allem Richtung Osten erhöht werden kann. Dazu werden auch die beiden neu zu schaffenden Logistikstandorte der Nato geschaffen, einer beispielsweise in Ulm. Das ist das ‚Joint Support and Enabling Command‘.“
Stärkung des Wettbewerbs? „Global Europe ist der Schlüsselbegriff“
„Das heißt, der Pesco und dem neuen EU-Verteidigungsfonds liegt eine neue Global-Strategie der EU zugrunde, die einen nahezu weltweiten geostrategischen Interesseraum formuliert und damit auch den potentiellen militärischen Interventionsraum für die EU erweitert. Das ist der wirkliche Wahnsinn. Diese EU-Global-Strategie wurde wenige Tage nach dem Brexit – der fand im Juni 2016 statt – von den EU-Staats- und Regierungschefs festgestellt.“ Der Vorläufer dieser Strategie sei eine über 10 Jahre alte Erklärung der EU namens „Global Europe: Competing in the world“ sowie eine „aggressive Handels-Politik“ Brüssels.
Spätestens seit den Tagen Javier Solanas, des früheren Generalsekretärs der Nato und von 1999 bis 2009 Chef des Rates der Europäischen Union sowie „Hoher Vertreter“ der „Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU“ (GASP), werde die Idee der Militarisierung der EU in Brüssel diskutiert. Jean-Claude Juncker, der Präsident der EU-Kommission, setze diese Linie nun fort.
Juncker will EU zur imperialen Weltmacht ausbauen
Es gebe bereits Brüsseler Beschlüsse, die Gesamtsumme der Förderung bis 2028 auf fast 50 Milliarden Euro zu erhöhen. Der Politologe und Militär-Experte bezweifelte, ob der Verteidigungsfonds „angesichts nationaler technologischer Rivalitäten, Eitelkeiten und so weiter nicht ohnehin ein Riesenflop“ werde. „Das steht noch in den Sternen. Hauptsache, das Geld steht für diesen Irrsinn schon mal bereit!“
Globale Militär-Macht EU: Eine alte Idee …
Mies erinnerte an frühere europäische Militärgebilde. So an die GASP und an die „Westeuropäische Union“ (WEU), „die dann schließlich 2011 aufgelöst wurde. Aber dann ging es erst richtig los: 2009 mit dem ratifizierten Lissabon-Vertrag.“ In jenem EU-Vertrag „wurde erstmals eine eigenständige Verteidigungspolitik formuliert.“Laut Presseberichten unterstütze Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Initiative des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, eine „schnelle Eingreiftruppe der EU“ (auch „EU-Battlegroup“ genannt) zu schaffen. Diese neue Interventionstruppe solle dann im Rahmen von Pesco agieren.
Ullrich Mies ist Mitglied des Deutschen Freidenker-Verbandes (LV Nordrhein-Westfalen)
Das Interview mit Politologe Ullrich Mies zum Nachhören:
Link zum Original-Artikel: https://de.sputniknews.com/politik/20180625321308512-eu-ruestungsfond-bildung-gegen-russland/
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