„Falsche Fährten“
Seit geraumer Zeit wird von interessierten Kreisen unter dem Stichwort „Querfront“ eine Kampagne geführt (siehe den Artikel „Querfront“ – Rosstäuscher am Werk in KAZ 355). Ziel ist es, linke Kräfte zu diffamieren und zu isolieren, indem man sie in die Nähe von Faschisten rückt. Dies wurde z.B. exerziert an Abgeordneten der PDL, die in der Friedensbewegung sich gegen die Nato stellten und weiterhin an der Verweigerung der Zustimmung für deutsche Kriegseinsätze festhielten. Das Denkschema dahinter: Wer gegen die Nato ist, ist gegen den US-Imperialismus. Der US-Imperialismus aber ist die Schutzmacht Israels. Wer die USA angreift, greift also Israel an. Wer Israel angreift ist Antisemit und kommt damit als Deutscher in den Fußstapfen von Hitler daher. Das ist die krude Argumentationskaskade der sog. Antideutschen Strömung. Ganz nebenbei soll damit die starre Haltung gegen die Nato weichgeklopft werden, die ja auch eine Annäherung der PDL an die SPD verhindert und damit eine Rot-Rot-Grüne-Koalition. Und die wird ja bekanntlich von manchen Kräften als der Königsweg zu Frieden, Fortschritt, Fleischtopf gesehen.
Als Protagonist dieser Strömung hat sich Thomas Willms hervorgetan. Er ist Bundesgeschäftsführer der VVN-BdA. Durch sein „Querfront“-Schnüffeln in der Friedensbewegung (s. sein Artikel „Zauberlehrlinge“ in der „antifa“, VVN-Bda-Verbandszeitschrift vom 10.1.2016 – http://antifa.vvn-bda.de/2016/01/10/zauberlehrlinge/) hat er sogar die jahrzehntelange freundschaftliche Verbindung der VVN-BdA zum Deutschen Freidenker-Verband aufs Spiel gesetzt. Neuerdings hat Willms sich mit Frankreich befasst, wo er die linke France Insoumise (FI) von Mélenchon mit der faschistischen Front National (FN) von Le Pen gleichsetzt („antifa“ vom 14.7.2017 – http://antifa.vvn-bda.de/2017/07/14/melenchon-und-mouffe/). Das ganze nach dem Motto: Den Sack schlagen, aber den Esel meinen. Der Esel sind die deutschen Linkskräfte, die sich dem Zug ins Rot-Rot-Grüne-Wunderland widersetzen. Die also immer noch gegen Nato, deutsche Kriegseinsätze an der Seite der USA sind; die immer noch die Vereinigten Staaten von Europa als reaktionäres Projekt sehen, die die DDR verteidigen und die immer noch in den aggressivsten Teilen des deutschen Finanzkapitals die größte Gefahr für Faschismus und Krieg erkennen und die Arbeiterklasse als wichtigste Gegenkraft.
Unsere Autorin lebt, arbeitet und kämpft seit vielen Jahren in Frankreich. Sie ist durch ihre Biographie der deutschen antifaschistischen und Arbeiterbewegung eng verbunden. Sie veröffentlicht u.a. in Unsere Zeit (UZ).
In der „Antifa“, dem Magazin der VVN-BdA, schrieb Thomas Willms am 14. Juli 2017 unter dem Titel „Mélenchon und Mouffe – Über populistische Programmatiken in Frankreichs FI“ – Hier einige Klarstellungen. Sie können die im Hintergrund agierenden Personen und Organisationen der populistischen, faschistischen u.a. Verleumdungen aus Platzgründen nur sehr kurz anreißen.
Bei der Lektüre des Artikels von Thomas Willms könnte man wähnen, auf einer der wie bösartige Geschwüre sich vermehrenden Webseiten Frankreichs gelandet zu sein, die Kampagnen gegen aktive linke politische Persönlichkeiten, Journalisten und Intellektuelle führen. Da sie faschistische und faschistoide Haltungen und Entwicklungen anprangern, sollen diese Aktiven selbst in eine faschistische Ecke gedrängt werden! Hervorgetan hat sich dabei u.a. die in extrem rechten Netzen fischende Journalistin Ornella Guyet. Auf der langen Liste der attackierten Linken stehen die Journalisten der Webzeitung Legrandsoir, der Chefredakteur der Zeitschrift „Fakir“, François Ruffin (und Parlamentsabgeordneter von France insoumise), der Betreiber von Investig‘action, Michel Collon, die Zeitschrift „Le monde diplomatique“ und Frédéric Lordon oder Noam Chomsky aus den USA.
Als Quelle der Webseiten und Blogs, die hinter einem progressiven Anschein neokonservative, identitäre und faschistische Propaganda verstecken und viel Konfusion verbreiten, wurde u.a. „www.conspiracywatch.info“ von Rudy Reichstadt ausgemacht. Er greift auf diverse Fälschungen zurück, die selbst als Kopie weitergereicht werden.[1] Aber die Fäden gehen bis in die USA.
Bevorzugte Angriffsperson ist Jean-Luc Mélenchon (JLM). Der Inhalt solcher Texte braucht hier nicht wiedergegeben zu werden. Thomas Willms hat sich bereits bemüht. Er greift „La France insoumise“ (FI, Das Aufrechte Frankreich) an als bevorzugten französischen Partnerverband der Partei „Die Linke“. Mélenchon aber geht im Gegensatz zur Partei „Die Linke“ keine politischen Allianzen mit am Sozialabbau beteiligten Sozialdemokraten ein! Soweit zu seiner Radikalität. Herr Willms aber bezweifelt nach Art der „Neokons“ und Identitären die linken Haltungen. Seine Kausalkette sieht so aus:
FI und FN haben zusammen 40 Prozent der Stimmen gewonnen. Kipping und Riexinger von „Die Linke“ wünschten dem aus dem Nichts aufgetauchten FI alles Gute zur Wahl. Mélenchon kennt Lafontaine schon länger. Mélenchon sei inspiriert von Chantal Mouffe. Und letztere stehe auf den Naziideologen Karl Schmitt. Also sind FI und FN gleichzusetzen. Die deutsche „Linke“ trifft er damit auch.
Später wird auf Frau Mouffe und Mélenchon zurückzukommen sein. Schauen wir uns vorerst an, wen Herr Willms unterstützt. Angriffe auf die FI, welche die Bewegung und ihre Anhänger in die rechtsextreme Ecke drücken, kommen ganz offen aus den Reihen von Macrons Partei „La République en marche“, aber auch zunehmend von Mitgliedern anderer rechter oder sich ehemals sozialistisch nennender Parteistrukturen in der Assemblée Nationale (Parlament). Der ehemalige Premierminister, ehemals auch Sozialdemokrat, ist einer der entschiedenen Gegner des „Aufrechten Frankreichs“. Herr Valls vertritt, wie manch anderer des alten und neuen Parlaments, ethnische Thesen der extremen Rechten. Die im Besitz eines Dutzend von Milliardären befindlichen Medien lieben es hervorzuheben, dass Marine Le Pen UND Jean-Luc Mélenchons populistisch sind. Auch das ist eine Gleichsetzung.
Mit dem direkten Angriff auf eine Person, deren angebliche Schwächen, Stärken und Regungen, umgemünzt in den negativ besetzten „Populismus“, sparen die Verantwortlichen der Kampagnen die Ursachen der Opposition der „Aufrechten Frankreichs“ aus. Die Opposition des FN in sozialen Fragen existiert nicht.
Zur Etablierung des französischen Präsidenten und zur Rolle seiner Partei „La République en marche“ (Die Vorwärts-Republik)
Herr Willms teilt uns mit, dass die französischen Wähler [am 7. Mai 2017, A.L.] „das politische System Frankreichs de facto abgewählt (haben) ohne es formal abzuschaffen“ und so fort. Sympathie für die „Vorwärts“-Bewegung ist unübersehbar. Nur wurde der gewählte Präsident Emmanuel Macron mit unverhohlener Hilfe des Arbeitgeberverbandes Medef an die Spitze der Präsidialrepublik gehievt, der sich noch nie so direkt in die Wahl und die Arbeit der Regierung Macron einmischte. Durch geschicktes Manövrieren wurden die durch ihren Sozialabbau in Misskredit geratenen alten politischen „Eliten“ der Rechten und der Sozialdemokratie ins Nichts gedrängt. Aufgabe der letzteren war das Stimmenabjagen des für ein besseres Frankreich kandidierenden Jean-Luc Mélenchon. Er erhielt trotzdem sieben Millionen Stimmen (19,64 Prozent). Den französischen Wählern wurde in der zweiten Runde die Kandidatin des Front National (FN) und Macron als Präsidentschaftskandidat geboten. Seit Jahren durfte der FN sich mit Hilfe von Staat und Medien, ungehindert zahlreicher rassistischer und fremdenfeindlicher Ausfälle sowie krimineller Gesetzesverstöße seiner „Volksvertreter“, in ein demokratisches Licht setzen. Aber die Ablehnung ihrer Fremden- und Ausländerfeindlichkeit und ihres Rassismus durch die Mehrzahl der französischen Bürger war der Hauptgrund, dass sie als Präsidentin nicht in Frage kam. Und das, obwohl die Islamophobie des FN, die in Frankreich eine noch größere Rolle als in Deutschland spielt, mehr oder weniger offen durch Regierungsakte geschürt wird, z.B. die sich häufenden Schließungen von Moscheen unter dem Vorwand von Terrorismus, ständige Identitätskontrollen (Racial Profiling) der arabischen oder afrikanischen Jugendlichen. Dreißig Prozent der französischen Bürger haben ihre Ursprünge in Afrika und den Überseedepartements. Das Anprangern der aus der noch gar nicht so lange vergangenen Kolonialzeit stammenden Vorurteile ist gelebter Antifaschismus.
Die vorerst fünf ersten Ermächtigungsgesetze zur Änderung des Arbeitsgesetzes wurden im Sommer 2017 von den Anhängern Macrons, den Vorwärts-Republikanern (LREM) im Parlament durchgewinkt. Der französische Präsident regiert nun mit Verordnungen. Seine „Bewegung“, offiziell im Juni 2016 gegründet und am Tage vor der Wahl Macrons als Partei eingetragen, war 11 Monate lang offen für Mitglieder anderer Parteien und Auffangbecken für rechte Sozialdemokraten, Republikaner mit teils extremen Gesinnungen, einige zwielichtige Gestalten, sicher auch Verführte. Durch die groß propagierte Rolle des Unternehmertums liefen Macron viele Unternehmer aus dem Kleinbürgertum zu, die heute zum Jasagen in der Assemblée Nationale sitzen. Wer Macron vor seiner Wahl nicht unterstützte, blieb außen vor oder in Reserve. Eine Ausnahme bildete die kleine Partei „Modem“, die von Beginn an zu Macron hielt. Ihr Vorsitzender François Bayrou aber wurde nicht lange als Justizminister im Kabinett Philippe gebraucht. Die Politik Macrons zeigt Parallelen zu der zuerst von Reichswehr-Führern um Kurt von Schleicher in der Weimarer Republik als „Gleichschaltung » propagierten Politik (die nach Machtübernahme durch die Nazis zum Gleichschaltungsgesetz führte). Durch Finanzierungsentzug schwächt Macron und seine Regierung die Gemeinden und Departements und stärkt die Zentralmacht. Die „Republikaner en marche“ stimmen für die Wirtschaftsmacht Frankreich und werden durch großzügige Gesetze für kleinere Unternehmer beteiligt. Vor allem aber dient „En marche!“ der Stärkung des Monopolkapitals und des Militarismus. Für die große Masse aber bedeutet das Abbau von Arbeitsrechten und Prekarisierung. Gleichzeitig aber wird die Demokratie in der Französischen Republik abgebaut. Das birgt große Gefahren.
Ein Präsident Frankreichs hat ebenso umfangreiche Rechte wie in der Weimarer Republik zuletzt Hindenburg. Sie ermöglichen bei Bedarf einen leichteren Übergang zur faschistischen Diktatur als eine bürgerlich-demokratische Republik ohne Präsidialregime. Der französische Präsident setzt die Regierung ein, ist oberster Kriegsherr (Frankreich hat nun eine Armeeministerin) im Besitz von modernsten Atomwaffen und kann unter gegebenen Voraussetzungen mit oder ohne Parlament im Staate bestimmen. In der Bundesrepublik wurde diese Machtbefugnis im Ergebnis der Hitlerdiktatur durch das Grundgesetz abgeschafft. Ein Blick in die Geschichte sollte uns zeigen, dass die nach sozialem Aufstieg drängenden Kleinbürger still halten.
Zielstellung der französischen Regierungspolitik, hautnah geleitet und geführt von bürgerlichen Denkfabriken wie dem Institut Montaigne, ist das ökonomische Erstarken Frankreichs, eine Aufrüstung der Armeen und ein Kooperieren mit starken Europa-Kräften wie Deutschland und Italien. Afrika wird von der Regierung Macron bzw. seinen Hintermännern ohnehin als französischer Hinterhof betrachtet. Frankreich soll noch stärker in vorderster Linie in der Weltpolitik mitmischen. Genau diese wesentlichen Punkte stehen im Wahlprogramm des Front National.
Nur eine aufrechte politische Opposition: La France insoumise und der PCF gemeinsam mit den Gewerkschaften
Die Aufgabe der progressiven Kräfte war die Verhinderung des offenen Einzugs des FN als faschistische Präsidialmacht. Im Wissen um den Finanzkapital-Kandidaten Macron war das keine leichte Entscheidung. In den Demonstrationszügen des 1. Mai 2017 wurde bildhaft aufgerufen: Am Sonntag den Einzug von Marine Le Pen verhindern, am Montag gegen Macron kämpfen! Der Aufruf von France insoumise lautete: Macron wählen oder sich enthalten. Mélenchon persönlich überließ demokratisch diese Wahlentscheidung seinen Anhängern, um nicht politisch ausgeschlachtet zu werden. Daraus eine Affinität zur Le Pen zu konstruieren ist hanebüchen. Von einer „informellen Regel der politischen Kultur Frankreichs“ weiß hier niemand, von der Wahl zwischen Pest und Cholera schon. Das hat nichts mit fehlendem Antifaschismus, aber mit der Ablehnung des herrschenden politischen Systems der 5. Republik zu tun, das die Wahlfarce gemeinsam mit dem Kapital organisierte. Wenn Herr Willms Antifaschismus an der Nibelungentreue zum bestehenden System festmacht, gerät Antifaschismus zur Farce. Seine ominöse Wählerprognose gehört dazu.
Die 5. Republik als bürgerliche Präsidialrepublik ist eine „Jupiter-Demokratie“ (griechisch: Zeus), das Volk „faul, zynisch oder extrem“ – so aus dem Munde von Präsident Macron. „Jupiter“ bejubelten ihn große Zeitungen auf der Titelseite. Seine Auftraggeber haben mittlerweile Mühe, seine sich häufenden verbalen Ausfälle gegen Lohnempfänger zu begründen.
Macrons Parlament hat u.a. ein neues Gesetz für die innere Sicherheit und Justiz durchs Parlament gepeitscht, das den seit November 2015 geltenden Notstand ablösen soll. Neben Besetzungs-Protesten wird damit auch gegen die steigende Flüchtlingszahl vorgegangen. Einzige Antwort gegen Terrorismus u.a. Gesetzesverstöße ist eine personelle und militärische Aufstockung von Polizei, Justizapparat und Armee und z.B. die Gründung eines Sondergerichtshofes für Terroristen. Das Gesetz ist verfassungswidrig. Aber Verfassungsänderungen sind bereits vorgesehen.
Sie haben nichts zu tun mit einer von Linken (auch PCF und FI) vorgeschlagenen vollständig neuen demokratischen Verfassung (neue heißt 6. Republik), in deren Zuge das Präsidialsystem abgeschafft werden soll. Die Aktionen für eine „6. Republik“ laufen bereits seit mehreren Jahren. Sie reihen sich ein in einen Kampf um Egalität, Mitbestimmung, Souveränität Frankreichs (raus aus der EU und der Nato) und gegen Krieg. Bei den Wahlen 2012 traten die Menschen um Mélenchon gemeinsam mit dem PCF als Front de Gauche an. Wegen einiger unterschiedlicher politischer Auffassungen kam es ab Frühjahr 2016 mit Unterstützung vieler PCF-Mitglieder zur Formierung von „La France insoumise“. So kommt es, dass zwei Gruppen der progressiven Opposition im Parlament arbeiten: 17 Mitglieder von LFI und zehn der Gruppe der demokratischen und republikanischen Linken (PCF inklusive). Weil sie Gesetze zum Sozialabbau, zum Abbau von Demokratie und Meinungsfreiheit nicht mittragen, sind sie ständigen Angriffen anderer Parlamentsmitglieder ausgesetzt, die sie mit dem FN (der keine Gruppenstärke hat) in angeblicher Opposition gleichsetzen. So zieht das Regierungslager aus der in die Bedeutungslosigkeit gedrängten und noch nie soziale Rechte der Arbeitenden einfordernden FN Nutzen, indem sie der aufrechten Opposition schadet.
Trotz gegenteiliger demagogischer Versicherungen werden Steuern auch für Arme und Rentner erhöht, Sozialbeiträge für Lohnempfänger abgeschafft – und damit die Sozialversicherung demoliert. Wohngeld wird gestrichen und ganze Sozialwohnungs- und Krankenhaus-Komplexe privatisiert. Für das Monopolkapital gibt es riesige Steuergeschenke. Deshalb vergeht seit dem 12. September 2017 in Frankreich keine Woche ohne machtvolle Demonstrationen und Streikbewegungen verschiedener Gewerkschaften mit der CGT an der Spitze, die zur Rücknahme des Arbeitsgesetzes auffordern. Die „Aufrechten Frankreichs“ und der PCF unterstützen die Kämpfe und arbeiten für eine größere Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften. Nur riesige gemeinsame Kampfmaßnahmen der Bevölkerung können den Abbau von sozialen und demokratischen Rechten verhindern. Sieht Herr Willms hierin populistische Programmatiken?
Wenn er seiner Linksallergie folgt und ein Zusammenrücken von France insoumise und dem Front National konstruiert, handelt er in Anbetracht der politischen Verhältnisse im Interesse derer, die für die Entdemokratisierung des bürgerlichen Systems verantwortlich sind bzw. sie fördern. Er unterstützt Positionen französischer Regierungsvertreter gegen das französische Volk, indem er die einzige konsequente politische Opposition diffamiert. Ein anderer Thomas nannte den Antikommunismus „die Grundtorheit unserer Epoche“. Manch einer dehnt sie heute schon sehr bedenklich auf demokratische Sozialisten und linke Sozialdemokraten aus.
Noch einige Worte zur Verdeutlichung der von Herrn Willms konstruierten „ideologischen Zusammenhänge“. Ja, Frau Chantal Mouffe gab der großbürgerlichen Zeitung Figaro am 11.04.2017 ein Interview. Die Zeitung hat Frau Mouffe „als Inspirator von Jean-Luc Mélenchon“ angekündigt. Frau Mouffe hat sich dessen nie gerühmt. Diese und andere Zeitungen diffamieren die FI-Opposition „populistisch“ zu sein und stellen sie an die Seite des FN.
In den Gesprächsrunden mit François Ruffin (Name S. 1 oben) zur Sommeruniversität der FI 2017 fand ein interessanter intellektueller Gedankenaustausch statt. Ruffin konnte den theoretischen Ausführungen der auf Linkspopulismus als Theorie bestehenden Frau Mouffe nicht viel abgewinnen, vor allem dort, wo sie sich auf Konvergenztheorien zwischen diffusen Klassen bezog. Die Belgierin Chantal Mouffe, lange Jahre mit ihrem Ehemann Ernesto Laclau in Südamerika lebend, ist international als linke Populismus-Theoretikerin bekannt. Sie unterrichtet an der Westminster-University in London politische Philosophie. Frau Mouffe will einem linken Populismus zur Geburt verhelfen. Sie zieht dabei Grenzen zur herkömmlichen Sozialdemokratie und zur extremen Linken und besteht auf einem „revolutionären Reformismus“.
Der US-Amerikaner Michael Parenti bringt das so auf den Punkt: „Viele von denen, die sich als Linke verstehen, sind dermaßen antimarxistisch, dass sie bereit sind, alle unmöglichen Vorstellungen zusammenzuraffen um zu erklären, was in der Welt geschieht – ausgenommen die Klassenmacht. Das sind die Theoretiker der Anything-but-Class (ABC). Weil sie mit den meisten Konservativen in politischen Fragen nicht übereinstimmen, übernehmen sie in ihrem Teil der Arbeit das Bremsen des Klassenbewusstseins.“ Zu ihnen zählt er Ernest Laclau und Chantal Mouffe.[2] Von Rechtspopulismus oder einer Nähe zu faschistischen Gruppierungen ist keine Rede. Wäre sie sonst gemeinsam mit Mélenchon vom Verein „Mémoire des luttes“ (Gedächtnis der Kämpfe) am 21.10.2016 zur Diskussion „Die Stunde des Volkes“ eingeladen worden? Jean-Luc Mélenchon hielt Chantal Mouffe einen Vortrag über historischen Materialismus und die Notwendigkeit des Klassenkampfes, lehnte es ab sich populistisch zu nennen und argumentierte zu ihrem Erschrecken mit Marx.[3] Er setzt auf die Aufklärung des Volkes und weiß, dass es ohne politische Bildung kein handlungsfähiges Klassenbewusstsein gibt.
Der Verein „Mémoire des luttes“ wurde von Günter Holzmann initiiert, der auch die Zeitschrift „Le Monde diplomatique“ finanziell unterstützte. Er wurde 1912 in einer deutsch-jüdischen Familie in Breslau, heute Wroclaw, geboren und ist 2001 verstorben. Zuletzt lebte er in Bolivien. Holzmann hatte aktiv am antifaschistischen Kampf in Deutschland teilgenommen und war später in Lateinamerika aktiv. Seine Mahnung lautet:
„Für unsere Kämpfe von morgen, für eine freiere, der Gleichheit verpflichtete, eine gerechtere Welt, die brüderlicher und solidarischer ist, müssen wir unsere Kämpfe im Gedächtnis behalten.“[4]
Alexandra Liebig
Diplom-Kriminalistin, Berufsverbot, Emigration nach Frankreich, wohnt bei Paris.
Ist manchmal auch bei den Demos in Paris gegen Demokratieabbau und für soziale Rechte zu finden.
Artikel für die UZ. Übersetzungen für die französischen Genossen
Mit freundlicher Genehmigung der KAZ – Kommunistische Arbeiterzeitung
Erstveröffentlichung bei KAZ online: http://kaz-online.de/artikel/falsche-faehrten
Endnoten:
[1] www.legrandsoir.info/ornella-guyet-l-archetype-de-la-desinformation.html und andere
[2] ABC: «Alles außer Klasse». Michael Parenti: Le mythe des jumeaux totalitaire, S. 166. Edition Delga, 2014, Paris.
[3] www.youtube.com/watch?v=FtriFMxsOWw Eine englische Übersetzung wurde von Mélenchon angeregt.
[4] Siehe Ausführungen von Ignacio Ramonet (leider auch nur Frz.): www.medelu.org/Gunter-Holzmann
Bild: Massenprotest gegen die Überarbeitung der Arbeitsgesetze durch den französischen Präsidenten Emmanuel Macron – Beamtenstreik & Demo in Paris – 10. Oktober 2017
Quelle: https://www.flickr.com/photos/jmenj/37362382120 [Attribution 2.0 Generic (CC BY 2.0)]