Solidarität mit den streikenden griechischen Stahlarbeitern
von Emmanuel Korakis, erschienen im Freidenker 1-2012
Das Griechische Stahlwerk ELLINIKI CHALYVOURGIA ist das größte Stahlunternehmen in Griechenland. Es unterhält drei Betriebe, eine in Aspropyrgos bei Athen(mit 400 Beschäftigten) und zwei in Volos, ca 300 km nördlich von Athen (mit 350 Beschäftigten). Die Produktion und die Gewinne des Unternehmens steigen in den letzten Jahren stetig. 2010 (während der Krise wohlgemerkt) wurden 266.000 Tonnen produziert, das Unternehmen machte 227 Millionen Euro Gewinn und kontrolliert heute nun über mehr als 30% des heimischen Stahlmarktes. Gleichzeitig steigen die subventionierten Exporte ständig.
Arbeit unter unmenschlichen Bedingungen mit Temperaturen über 110 C, Verbrennungen, Ohnmacht, tödliche Arbeitsunfälle wegen des schlechten Arbeitsschutzes und der schlecht gewarteten Ausrüstung, ist der Preis für den Gewinn des Unternehmens. Doch das Unternehmen versucht unter dem Vorwand der Wirtschaftskrise noch mehr belastende Arbeitsbedingungen zu verhängen: Kurzarbeit, Lohn-und Arbeitszeitkürzungen. Statt 1.000 bis 1.500 Euro sollen die Arbeiter 500-700 Euro Lohn bekommen, 50 neue Kündigungen wurden im Oktober angedroht. Auf die Erpressung, entweder 5 Stunden Arbeit mit entsprechender Gehaltskürzung oder 180 Kündigungen zu akzeptieren, antworteten die Werksarbeiter in Aspropyrgos mit einem Streik! Seit der Ankündigung der ersten 18 Kündigungen am 31.10.2011 steht die Produktion still, gleichzeitig werden dauerhafte weitere Streiks beschlossen.
Gegen die Angriffe des Kapitals
Der kompromisslose Klassenkampf der Stahlarbeiter zeigt die Auseinandersetzung zweier miteinander unvereinbaren Welten deutlicher auf. Die Troika, die Großunternehmer, die Regierung und die Parteien der Plutokratie, die Spitzen der Gewerkschaftsverbände, die Justiz und der Unterdrückungsmechanismus sowie die Mehrheit der Massenmedien bilden eine gemeinsame Front mit dem Industriellen Manesis (dem Eigentümer). Dieser „Schwarzen Front“ stehen die streikenden Stahlarbeiter, die unbeugsamen Arbeiter und die leidenden Volksschichten aufrecht gegenüber.
Der Streik der Stahlarbeiter macht der Plutokratie Angst. Angst vor dem organisierten Kampf, der Klassenauseinandersetzung und der -solidarität, Angst vor der Organisierung in den Betrieben und an den Arbeitsplätzen. Die PAME unterstützte den Kampf der Stahlarbeiter vom ersten Moment an, trug entscheidend bei der Entwicklung eines Solidaritätsklimas bei. Die PAME vertraut der Gewerkschaft der Stahlarbeiter und ihrer Kampfformen, die die Arbeiter selbst bestimmen. Einige, die den Kampf der Stahlarbeiter im Nachhinein entdeckt haben, bezichtigen die PAME, dass sie deren Kampf aufstachelt oder gar missbraucht. Alle diese identifizieren sich, ob sie es wollen oder nicht, mit Manesis und der SEB (Vereinigung Griechischer Industrie) und untergraben diesen heldenhaften Kampf.
An der Haltung zu diesem Streik wird jede Partei, jede Kraft gemessen, auf wessen Seite sie steht: entweder auf der Seite von Manesis, der Arbeitgeber, oder auf der Seite der Stahlarbeiter. Gegenüber den konsequenten Kräften, die den Kampf der Stahlarbeiter unterstützen und Solidarität üben, erhebt sich eine ebenfalls starke Front der Kräfte, die den Kampf unterwandern und ihn bekämpfen. Die zum Teil anonyme und zum Teil durch verschiedene Parlamentsabgeordnete vertretene schwarze Propaganda bezeichnet den Kampf der Stahlarbeiter als „blinden Konflikt“, oder „Mittel zur Betriebsstilllegung“. Sie will die klassenbewusste Haltung der Streikenden brechen.
Die Stahlarbeiter haben die arbeitgebertreuen Führungen des Gewerkschaftsbundes, der Metall-Gewerkschaft und einiger Arbeiterzentren bloßgestellt. Lange Zeit, während der Streikkampf sich entwickelte und das Klima der Solidarität sich erweiterte, gaben die Kräfte der arbeitgeber- und regierungstreuen Gewerkschaften keinen Ton der Solidarität von sich. Die Kämpfe, in die sie hineingeraten sind, waren gegen ihren Willen und gegen die Interessen der Großunternehmer, denen sie dienen. Unter Bedingungen des Druckes und der Zuspitzung der Klassenauseinandersetzung zeigen sie ihr wahres Gesicht.
SYN-SYRIZA und andere Kräfte im Arbeiterzentrum von Volos lehnten den Vorschlag der PAME für einen Solidaritätsstreik ab, da „die Streiks den Arbeitgebern nutzen, und sie nichts bringen“. Gleichzeitig heucheln sie vor Fernsehkameras Unterstützung für die Streikenden und rufen nach Solidarität.
In ihrer Zeitung schrieben sie von „Flexibilität und taktische Rückschritte, besonders, wenn die Produktionssparte unter Krisenbedingungen leidet“. Ohne Scham unterstellen sie die Identität der Interessen von Manesis und der Arbeiter. Weil Manesis wegen der Krise unter Druck gerät, müssten sich die Arbeiter den Arbeitgeberplänen unterordnen, müssten sie wie Sklaven arbeiten und die Folgen der Krise, für die sie nicht verantwortlich sind, ertragen. Sie fordern die Arbeiter auf, sich ständig zu unterwerfen und den Wert ihrer Arbeitskraft und ihre Bedürfnisse weiter zu senken.
Diese Kräfte, die ständig gegen die PAME agieren, die klassenbewusste Bewegung und die Arbeiterkämpfe verunglimpfen, arbeiten dem Staatsapparat bei der Repression der Volksbewegung zu, verbreiten theoretische Analysen vom Klassenkampf und verstecken sich hinter schön klingenden und kämpferischen Parolen, um ihre Unterwerfung und ihre bewusste Streikbrecherei zu rechtfertigen. Es ist eine offene Front gegen alle diese Kräfte erforderlich, die mit ideologischen Konstrukten und Hass die Reihen der Arbeiterklasse vergiften.
Solidarität
Auf der anderen Seite wächst die Solidarität, eine massive Solidaritätsbewegung unterstützt den Kampf der Streikenden vom ersten Tag, der mit Initiative von PAME begonnen hat. Die Unterstützung der Streikenden nimmt viele Formen an: Konzerte, Spendensammlungen, Bücher- und Kleidungsammlungen, Besuche von Schüler- und Studentenvereine, Botschaften der Unterstützung aus der ganzen Welt. Die Liste der Solidaritätsbekundungen aus dem Ausland wächst ständig.
Gewerkschaften, Gewerkschaftsverbände, Studenten- und Schülervereine, Bewegungen der kleinen Landwirte und Selbstständigen, die Frauenföderation Griechenlands unterstützen den Kampf der streikenden Arbeiter. Die Frauen der Streikenden haben selbst ein Kampfkomitee organisiert. Mitglieder der Schauspieler-Gewerkschaft brachten ihre Solidarität auf besondere Art zum Ausdruck: Sie haben im bestreikten Werk vor den Streikenden und ihren Familien Theaterstücke aufgeführt.
Widerstandskämpfer der Befreiungsarmee und der Demokratischen Armee Griechenlands sowie deren Nachfahren (VdN. VVN) besuchten die Streikenden mit einer größeren Spendensumme und wurden mit großer Begeisterung empfangen. Der Vorsitzender der Betriebsgewerkschaft: Wir heißen unsere Vätern, unsere Großmüttern willkommen, die Kämpfer, die durch Ihren Widerstand die Besatzer vor fast 70 Jahren vertrieben haben. Sie haben uns beigebracht, wie man kämpft und siegt, ohne vor Schwierigkeiten und Widrigkeiten Angst zu haben.
Eine noch nie dagewesene Lektion über das Leben und den Kampf gaben die Streikenden der Generation ihrer Kinder. Trotz der Bedrohung der Schulleitung haben Schüler aus Athener Gymnasien die Streikenden in Aspropyrgos besucht. Die Stahlarbeiter, sichtlich gerührt von der Solidarität der jungen Menschen, begriffen den großen Wert ihres Kampfes, der auch wichtig für die Zukunft der Kinder der gesamten Arbeiterklasse ist. Der Schülervertreter übergab den Streikenden Schreibmaterial und Hefte für ihre Kinder und sagte: Die unbeugsame Haltung der Streikenden, die Fortführung ihres Kampfes, trotz den Bedrohungen der Arbeitgeber, trotz den leeren Haushaltskassen, ist für uns Schüler Vorbild. Eine Lehrerin, die die Schüler angeschlossen hatte, sagte: „Die Rollen heute sind getauscht. Ihr seid die Lehrer dieser Schüler und ihr gebt den besten Unterricht, den man sich vorstellen kann.“
Alle Organe, die im Dienste der Monopole stehen, haben ein klares Ziel: Die Löschung von Errungenschaften, die während der letzten Jahrzehnte erkämpft wurden, das Niederschmettern aller Rechte der Arbeiterklasse, die Verelendung der Familien aus den Volksschichten. Das ist der gemeinsame Nenner der Forderungen der Regierung der Schwarzen Front. Alle zusammen, die Arbeitgeber, die Regierung der PASOK-ND-LAOS und die Troika, wollen in allen Wirtschaftszweigen das durchsetzen, was Manesis in Chalybourgia durchzusetzen versucht hat, damit den Monopolen noch billigere Arbeitskräfte gesichert werden.
Notwendig ist die klassenkämpferische Auseinandersetzung mit den Unternehmern und ihren Apparaten, die Wachsamkeit in jedem Betrieb. Sie sollen spüren, dass jeden Tag und in jedem Betrieb ein Teil der Arbeiter erstarkt, den sie nicht unterwerfen können. Es ist die Pflicht jeden Arbeiters mit den Kräften zu brechen, welche ihn knebeln. Die Befreiung der Arbeiter von der Regierungs- und Arbeitgebergewerkschaftsbewegung und der Ideologie des Kapitals ist Pflicht.
Für den Umsturz der Kapitalherrschaft
Die Missbilligung dieser Kräfte bedeutet einen Schlag für das Kapital und seine Regierungen. Sie schwächt sie und entreißt ihnen eine wichtige Waffe bei ihren arbeiterfeindlichen Plänen. Die Kämpfe werden noch härter werden, aber es gibt keinen anderen Weg. Entweder Sie oder wir! Die PAME hat bewiesen in der Praxis, dass sie fähig ist, den Kampf in eine klassenbewusste Richtung zu organisieren. Den Sirenen von der Klassenzusammenarbeit antwortet sie mit der Organisierung der Arbeiterkämpfe. Sie bekämpft die Logik der Klassenzusammenarbeit der regierungshörigen Gewerkschaften. Die Stärkung der PAME, die Stärkung der Linie des Klassenkampfes schafft die Bedingungen für die Wiederkonstituierung der Arbeiterbewegung, die den Monopolen nicht nur Hürden aufstellt, sondern die Bedingungen für den Sturz ihrer Macht formt.
Die PAME stand an vorderster Front, damit Entlassungen rückgängig gemacht werden, damit Familien, die die Rechnung nicht zahlen konnten, wieder Strom bekamen. Wir rufen das Volk auf, mit uns gegen die volksfeindlichen Maßnahmen und diese Politik zu kämpfen, mit dem Ziel des Umsturzes der Herrschaft der Monopole und des Aufbaus einer neuen Gesellschaft, in der die Herrschaft in den Händen des Volkes liegt, und die Produktionsmittel und der Reichtum, den wir produzieren, Volkseigentum werden.
Die Verhinderung der Umsetzung der Regierungsmaßnahmen ist nicht das Endziel, sondern ein wichtiger, grundlegender Zwischenschritt für die Verteidigung der Familien der Arbeiterklasse und der anderen Volksschichten. Die Begegnung der Offensive des Kapitals kann mehr Kräfte auf die Linie des Klassenkampfes bringen, kann die Arbeiterbewegung in Richtung Gegenoffensive „bewegen“.
Die Kommunistische Partei Griechenlands betont, dass angesichts dieser schwierigen Situation zwei strategische Linien für das Volk gibt: Jene, die versucht die Krise zu Gunsten des Kapitals zu verwalten, die die getroffenen Maßnahmen unterstützt und versucht die Herrschaft der Bourgeoisie, vom Beben, die die Unzufriedenheit des Volkes hervorruft, zu stabilisieren. Die andere Strategie ist die der KKE, die für den Umsturz der Herrschaft des Kapitals und deren Ersatz durch die Arbeiter- und Volksherrschaft und die Vergesellschaftung der Produktionsmittel kämpft.
Dies ist der grundlegende Unterschied der KKE zu den anderen Parteien in Griechenland und anderswo. Alle versuchen den Kapitalismus zu retten und ihn in den Augen des Volkes zu beschönigen. Opportunistische Parteien wie die ELP, der SYN in Griechenland und die Sozialdemokraten ergänzen im Namen des Realismus die Vorschläge der bürgerlichen Parteien, wie z.B. die Euroanleihen, die Regulierung der Schulden, deren Differenzierung in moralisch akzeptabel oder inakzeptabel, die Anleihen mit niedrigem Zins, die Verbreitung der Meinung, dass die EU und die EZB volksfreundlicher werden können.
Dem gegenüber kämpft die KKE, um das System, das die Krisen produziert, d.h. den Kapitalismus, umzustürzen. Wir sind der Meinung, dass nur ein solcher offensiver Kampf den barbarischen Maßnahmen begegnen kann und den Weg für grundlegende Veränderungen auf der Ebene der Herrschaft und der Wirtschaft zu Gunsten des Volkes öffnet. Das Volk wird nur dann siegen, wenn es der einheitlichen Strategie der Plutokratie sein eigenes Bündnis und seinen strategischen Vorschlag für einen anderen Entwicklungsweg entgegenstellt.
Die Wut im Volk kann Kraft zur Entwicklung der Arbeiter- und Volksbewegung geben, aber nur, wenn sie zur bewussten Aktion gegen die wirklichen Gegner der arbeitenden Menschen, gegen die Plutokratie, die imperialistischen Bündnisse, die Parteien und die gewerkschaftlichen Kräfte, welche ihnen dienen, wird. Der Kampf und der Widerstand des Volkes braucht heute ein strategisches Ziel, die richtige revolutionäre Linie, damit es einen Ausweg aus der Krise zu Gunsten der arbeitenden Menschen, für eine andere Herrschaft, gibt.
Wir sind der festen Überzeugung, dass das jetzige Jahrzehnt und auch die nächsten Jahrzehnte Perioden des Aufwachens der Völker und sozialer Revolutionen sein werden.
Emmanuel Korakis ist Betriebsrat bei der Frankfurter Sozietäts-Druckerei und Mitglied im ver.di-Fachgruppenvorstand Verlage, Druck und Papier Bezirk Frankfurt; der Text basiert auf seiner Rede bei der Solidaritätsveranstaltung am 05.02.2012 in Frankfurt am Main
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Michael Beltz, Theorie und Praxis,
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