Demokratie – Medien – Aufklärung

Außenpolitische Denkfabriken und Netzwerke

Aus: Freidenker Nr. 4-07 Dezember 2007   66. Jahrgang – Thema, S. 14-19

Von Christian Christians

 

Die Landschaft um den niederländischen Ort Osterbeek bei Arnheim gilt als besonders malerisch, das örtliche Hotel de Bilderberg gehört zur gehobenen Preisklasse. An diesen angenehmen Ort lud im Mai 1954 Prinz Bernhard der Niederlande zu einer geheimen Konferenz. Wenige Jahre zuvor kollaborierte der deutschstämmige Prinz noch mit den Nazibesatzern seines neuen Heimatlandes. Inzwischen hatte Prinz Bernhard erfolgreich das Lager gewechselt und durfte als Gastgeber für ein Zusammentreffen von Personen aus Westeuropa und Nordamerika fungieren.

80 Politiker und Wirtschaftsführer kamen beim ersten Treffen zusammen. Bis heute folgen jährlich weitere Zusammenkünfte. Inzwischen nahmen rund 2.000 verschiedene Personen an den Treffen des geheimen Zirkels teil. Benannt wurde die Gruppe nach dem ersten Tagungshotel: Bilderberger. Wer will, kann Teilnehmer und Thema der Konferenz erfahren, die Diskussionen bleiben der Öffentlichkeit jedoch verschlossen. Die Bilderberger-Tagungen sind der Prototyp eines Netzwerks. Unternehmer, Politiker, Funktionäre aus staatlichen und privaten Organisationen kommen einmal im Jahr für mehrere Tage an einem abgeschirmten Ort zusammen. Sie diskutieren über Außen- und Wirtschaftspolitik, können über Probleme und Ziele sprechen und bauen ein Netzwerk aus Beziehungen auf.

Verschwörungstheorie und -praxis

Nicht zuletzt die Heimlichkeit rund um Veranstaltungsort und Themen machten die Bilderberger zu einem negativen Mythos. Für Verschwörungstheoretiker ist klar: hier trifft sich die heimliche Weltregierung. Auf den Treffen soll angeblich die Ermordung des schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme und des Deutsche Bank-Vorstandes Alfred Herrhausen angeordnet worden sein. Außerdem wurde hier das Ende der DDR beschlossen (vergl. Andreas von Rétyi: Bilderberg, Rottenburg 2006). Für den US-Rechtsextremisten Gary Allen steht fest: die Bilderberger und ähnliche Gruppen wollen den Kommunismus durchsetzen, denn hinter dem Sozialismus stehe angeblich das Großkapital, welches nach vollkommener Herrschaft durch Vergesellschaftung strebt (Gary Allen: Die Insider, Wiesbaden 12. Aufl. (!) 1994). Unsinn gleicher Art findet sich heute in Dutzenden von Büchern und auf unzähligen Internetseiten.

Dass die Bilderberger die tatsächlichen ‚Herren der Welt‘ sein sollen, dafür sind die Teilnehmerlisten erstaunlich unspektakulär (bei von Réthyi, s.o., finden sich die Listen von 2000-2006). Viele Ex-Regierungsmitglieder und nur vereinzelt bedeutende Unternehmer, eine heimliche Weltregierung müsste anders aussehen. Beim Treffen 2007 in Istanbul nahmen aus Deutschland der Medienmagnat und Focus-Verleger Hubert Burda, der Ex-Daimler-Chryssler Chef Jürgen Schrempp und der Chef der Deutschen Post AG Klaus Zumwinkel teil. Der Post Konzern ist besonders außenwirtschaftlich orientiert, er begann 1997 eine einzigartige Serie von Übernahmen rund um den Globus. Heute ist die Post der größte Transportkonzern der Welt mit 44 Mrd. Euro Umsatz und über 500 Tsd. Beschäftigten. Sowohl die britischen Gesundheitsbehörden wie auch die US-Streitkräfte im Irak sind heute ihre Kunden. Die Öffnung der nationalen Postmärkte weltweit bietet der Deutschen Post die Möglichkeit für eine noch gewaltigere Expansion. Die Kontakte zur Politik sind bei der Post Chefsache. Als Vorsitzender des Aufsichtsrates der Deutschen Telekom und Mitglied des Aufsichtsrates der Lufthansa ist Zumwinkel einer der herausragenden Exponenten des deutschen Großkapitals.

Bilderberger, Trilaterale Kommission, G 8

Als die Bilderberger in den 1950er Jahren gegründet wurden, sollten sie die enge Bindung der westeuropäischen Staaten an ihre Schutzmacht USA absichern. Die Bilderberger wurden am Anfang von Józef Hiernonim Retinger organisiert. Während des 2. Weltkrieges hatte er Konferenzen für die britische Regierung organisiert, beriet die bürgerliche polnische Exilregierung und sorgte für die Unterstützung des antikommunistischen polnischen Widerstandes gegen die deutschen Besatzer. Nach 1945 gehörte er zu den Organisatoren der sogenannten Europäischen Bewegung – eine von der US-Regierung und dem CIA heimlich finanzierte Gruppierung zur Schaffung eines vereinigten (West-)Europas, im engen Bündnis mit den USA (Frances Stonor Saunders: Wer die Zeche zahlt…, Berlin 2001, S. 311). Auch die erste Bilderberger Konferenz soll vom CIA bezahlt worden sein (s. Wikipedia Eintrag Bilderberger). Heute werden die heimlichen Konferenzen von Étienne Davignon geleitet. Davignon war Mitglied der Europäischen Kommission und ist inzwischen Manager beim belgisch-französischen Energiekonzern Suez.

1972/73 bekam die Bilderberger-Konferenz eine Schwester: die Trilaterale Kommission. Vertreter der drei Weltregionen Nordamerika, Westeuropa und Japan trafen sich auf Einladung David Rockefellers, der zugleich auch Mitglied der Bilderberger war. Die Familie Rockefeller gehört zu den mächtigsten Politiker- und Unternehmerfamilien der USA. Die meisten US-Ölkonzerne verdanken den Rockefellers ihre Gründung.

Nach der Grundidee der Trilateralen Kommission sollten die US-Verbündeten eine aktivere Rolle in einer US-dominierten Weltordnung spielen. Die USA befanden sich in den 1970er Jahren in einer schweren Krise. Im Vietnamkrieg stellte sich die Niederlage ein, das Weltwährungssystem von Bretton Woods mit festen Wechselkursen brach zusammen und die Ölpreise stiegen in ungeahnte Dimensionen.

Eine bis heute bedeutsame Aktion der Trilateralen war die Initiierung der G8. Unter der Ägide des französischen Staatspräsidenten Giscard d’Estaing und Bundeskanzler Schmidt bildeten1975 die sechs, später sieben reichsten Industrienationen der Welt diesen lockeren Zusammschluss, in den 1990er Jahren kam Russland dazu. Im Rahmen der G8 übernahmen Westdeutschland und Frankreich, ganz im Sinne der Trilateralen, eine aktive Rolle bei der Stabilisierung der Weltwirtschaft. Mit dem US-Präsidenten Jimmy Carter und dem deutschen Kanzler Helmut Schmidt kamen zwei Unterstützer der Trilateralen in den 70er Jahren in Regierungsverantwortung. Zu den bekanntesten deutschen Vertretern die Kommission gehören der FDP-Politiker Otto Graf Lambsdorff, der CDU-Politiker Kurt Biedenkopf und Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann, die Mitgliedschaft von Bundespräsident Horst Köhler dürfte zur Zeit ruhen.

‚Private‘ Stiftungen und Vereine

Bilderberger und Trilaterale Kommission sind Netzwerke einflussreicher Personen aus verschiedenen Ländern, daneben gibt es zahlreiche ähnliche Organisationen, die sich häufig durch eine engere Themenauswahl oder eine regionale Begrenzung unterscheiden. Die meisten Teilnehmer solcher Netzwerke sind zugleich Mitglieder außenpolitischer Vereine in ihren Heimatländern. Die westlichen Industriestaaten verbindet ein Netz von privatrechtlichen Vereinen mit außenpolitischem Schwerpunkt.

Die ersten Organisationen wurden am Rande der Versailler Verhandlung 1918 von den USA und Großbritannien gegründet (vgl. Laurence H. Shoup, William Minter: Kulissenschieber e.V., Bremen, Berlin 1981). US-amerikanische Politiker und Unternehmer wollten einen Rückzug der USA aus der Weltpolitik nach dem Ende des 1. Weltkrieges verhindern. Mit Sitz in New York wurde der Council on Foreign Relations (CFR) gegründet. Die CFR führte und führt Politiker, Wissenschaftler mit Unternehmern zusammen.

Erster Vorsitzender des Council war der ehemalige US-Außen- und Kriegsminister Elihu Root. Root war auch Berater des US-Großindustriellen Andrew Carnegie und an der Gründung der Carnegie Endowment for International Peace beteiligt. Die Carnegie Stiftung ist der Prototyp für alle von Unternehmern eingerichteten Großstiftungen wie Soros-, Gates- oder Bertelsmann-Stiftung, die sich aktiv in das politische Geschehen einmischen.

Als exemplarisches Beispiel für die enge Verflechtung des formal ‚privaten‘ Council mit der US-Regierung und dessen wichtigsten Dienststellen steht Allen W. Dulles. Dulles war als Direktor des CIA u.a. am Sturz der Mossadegh Regierung im Iran (1953) und der Regierung Guzmann in Guatemala (1954) beteiligt. Von 1927 bis 1969 war er Vorstandsmitglied des Council und teilweise zugleich Direktor des CIA.

Zeitgleich und in Abstimmung mit dem CFR in New York wurde in London das Royal Institute of International Affairs, auch bekannt als Chatham House, gegründet. Nach 1945 initiierten CFR und Chatham House ein internationales Netz von außenpolitischen Organisationen in allen westlichen Staaten sowie deren engsten Verbündeten, Südkorea, Taiwan etc.

In Deutschland gehört zu diesem Netzwerk die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin. Die DGAP hat wie ihr amerikanisches Vorbild die CFR den Doppelcharakter von ‚Denkfabrik‘ und Netzwerk. Bei ihren Vorträgen und Arbeitstagungen treffen Politiker, Wirtschaftsführer und Medienvertreter auf Experten aus Wissenschaft und Geheimdiensten.

‚Denkfabriken‘

Im Präsidium der DGAP sitzen Repräsentanten aller im Bundestag vertretenen Parteien, ohne Linkspartei, sowie Vertreter der Wirtschaftsverbände und die deutschen Vertreter in der EU-Kommission, zurzeit der SPD-Politiker Günther Verheugen. Aus dem Bereich der Medien gehören zum Präsidium Friede Springer, die Mehrheitsaktionärin des Axel Springer Verlages und der Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeine Zeitung Günther Nonnenmacher. Im Beirat der DGAP Zeitschrift Internationale Politik sitzen Vertreter von Zeitungen und Zeitschriften wie Wirtschaftswoche, Süddeutsche Zeitung, Welt am Sonntag, Le Monde etc. Der DGAP ist ein eigenes Forschungsinstitut angeschlossen, sie ist somit zugleich auch ‚Denkfabrik‘.

‚Denkfabriken‘ sehen ihre Aufgabe darin, Inhalte und Strategien zu erarbeiten, den Entscheidern aus Politik und Wirtschaft zu vermitteln und diese zu beraten. Das Wort ‚Denkfabrik‘ ist die deutsche Übersetzung für Think Tank, ein Begriff aus dem 2. Weltkrieg. In abhörsicheren Orten legten zivile Experten und Militärs die US-Strategie im Krieg fest. Neben den USA gilt die Bundesrepublik heute als Hochburg der Denkfabriken (Martin Thunert: Think Tanks in Deutschland – Berater der Politik? In Aus Politik und Zeitgeschichte B51/2003).

Die wichtigste deutsche Denkfabrik wurde 1977 vom Bertelsmann-Eigner Reinhard Mohn gegründet. Als Vorbild dienten die großen US-Familienstiftung Rockefeller und Carnegie. Doch von diesen unterscheidet sich die Bertelsmann-Stiftung deutlich. Zum einen vergibt sie keine Fördergelder, sondern führt eigene Projekte durch. Zum anderen hat die Stiftung ihr Geld nicht in Wertpapieren oder Immobilien angelegt, sondern besitzt 76,9 Prozent der Aktien der Bertelsmann AG, dem mit Abstand größten Medienkonzern Europas und einem der größten der Welt.

Zum Bertelsmann-Konzern gehört Europas größter Zeitschriftenverleger Gruner + Jahr, der in 19 europäischen Staaten und China annähernd 300 Zeitschriften verlegt. Die Bertelsmann Tochter Random House ist der größte Buchverleger der Welt, Marktführer in der englisch- und deutschsprachigen Welt und Nummer Zwei in der spanischsprachigen Welt. Die RTL-Gruppe ist der größte Betreiber von Fernseh- und Radiosendern Europas. In Deutschland gehören RTL, RTL2, SuperRTL, RTL Shop, VOX und ntv sowie Beteiligungen an diversen Radiosendern zur Gruppe. Sämtliche Stimmrechte an der Bertelsmann AG liegen bei der Bertelsmann Verwaltungsgesellschaft mbH. Durch die Kontrolle über die Bertelsmann AG und damit über die Finanzmittel der Bertelsmann Stiftung ist die Verwaltungsgesellschaft das eigentliche Machtzentrum. Die Anteile wiederum werden von acht Treuhändern gehalten. Vier Treuhänder gehören zur Famlie Mohn, der ehemaligen Inhaberfamilie von Bertelsmann. Die weiteren Treuhänder sind der Vorstandsvorsitzender von Bertelsmann Thielen, der Vorsitzende des Aufsichtsrates Vogel, ein Mitarbeitervertreter sowie das Aufsichtsratsmitglied von Bertelsmann und Vorsitzender des Aufsichtsrates von BASF Jürgen Strube.

Bertelsmann-Stiftung

Reinhard Mohn führte als Grund für die Einrichtung der Stiftung aus, dass der erfolgreiche Aufbau des Bertelsmann-Konzerns Vorbild sein solle für die nach seiner Ansicht notwendigen Reformen der Bundesrepublik (Reinhard Mohn: Ziele einer operativen Stiftung, Gütersloh 1996).

Die Bertelsmann Stiftung bezeichnet sich selbst als die „Reformfabrik“ und ist die größte deutsche Denkfabrik mit Schwerpunkten in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Außenpolitik. Auf die ‚Reformen‘ in der Bundesrepublik, des ‚Sozialstaats‘ und im Bildungsbereich hat die Stiftung heute einen großen Einfluss. Wie ‚Reformen‘ nach dem Modell Bertelsmann aussehen, kann im Hochschulbetrieb besichtigt werden.

Der Bertelsmann-Ableger „Centrum für Hochschulentwicklung“ setzte die Einführung von Studiengebühren mit durch. Bei der Initierung der Europäischen Verfassung spielte der Stiftungsvorstand Werner Weidenfeld eine Schlüsselrolle (Andreas Wehr: Europa ohne Demokratie? Köln 2004, S. 13/14). Der Aus- und Umbau der Europäischen Union gehört zu den Schwerpunkten der Bertelsmann Stiftung.

In der Außenpolitik organisiert die Bertelsmann Stiftung Diskussionsforen und Kongresse. Beim Internationalen Bertelsmann Forum 2006 erschienen 150 Personen, darunter 20 europäische Staats- und Regierungschefs sowie zahlreiche Außenminister und Botschafter. Zu den Teilnehmern gehörte auch der Vizepräsident des BND Rüdiger Freiherr von Fritsch-Seerhausen ebenso wie die ehemaligen BND-Präsidenten Klaus Kinkel und Hans-Georg Wieck.

Als Konferenzort wurde der Stiftung das Bundesaußenministerium zur Verfügung gestellt. Wenn sich die deutsche Regierung wie bei diesem Forum mit Vertretern der osteuropäischen EU-Mitglieder trifft, ohne wichtige Staaten wie Großbritannien oder Frankreich einzuladen, wäre das ein klarer Verstoß gegen die diplomatischen Regeln. Dass eine ‚private‘ Einrichtung wie die Bertelsmann Stiftung eine solche Konferenz ausrichtet, hat für die Bundesregierung klare Vorteile: hier kann sich die Bundesrepublik als Führungsmacht positionieren. Auch konnten ‚problematische Personen‘ eingeladen werden, so trafen Bundeskanzlerin und Außenminister mit den Anführern der ‚russischen Opposition‘ Garri Kasparow und Grigori Jawlinski zusammen, die auf der Konferenz vor einem ‚instabilen Russland‘ warnten.

Außenpolitische Hilfstruppen

Die Einladung der wichtigsten innenpolitischen Gegner Putins steht für einen Wechsel in der Haltung der Großen Koalition gegenüber Russland. Unter Gerhard Schröder strebte die Bundesrepublik noch einen engen Schulterschluss mit Russland an. Bei der Übernahme des führenden Erdgashandelshauses Europas, der Ruhrgas AG durch den größten privaten Stromkonzern der Welt Eon hatte die rotgrüne Bundesregierung dies mit Auflage genehmigt, Eon müsse in die russische Erdgasförderung investieren. Die Übernahme erfolgte gegen den Widerstand sämtlicher zuständiger Stellen durch eine Sondergenehmigung des Wirtschaftsministeriums.

Der rasche Anstieg der Energiepreise brachte Russland beachtliche Einnahmen und erlaubten Putin eine selbstbewusste Politik gegenüber den Ansprüchen des Westens. Eon verhandelt bisher erfolglos mit dem russischen Gasgiganten Gazprom über den Einstieg in die Erdgasförderung. Der Gazprom Konzern, der das Monopol auf Gasexport hat, fordert Beteiligungen an den Vertriebsgesellschaften in Westeuropa im Tausch gegen Anteile an russischen Erdgasfeldern. Eon ist jedoch nicht bereit, Gazprom diesen Einfluss zu gewähren. Der zweite große deutsche Erdgaskonzern, die BASF Tochter Wintershall erhielt nur einen Anteil an einem Gasfeld im Tausch gegen eine Beteiligung an ihrem Erdgashandelshaus Wingas.

Im März 2007 beschlossen die Staats- und Regierungschefs der EU, das „Nabucco-Projekt“ mit Priorität voranzutreiben. Im Rahmen dieses Projektes soll der europäische Erdgasmarkt durch eine Pipeline über den Balkan mit den Quellen im Nahen Osten verbunden werden. Ziel ist es, den Einfluss Russlands auf die Energieversorgung der EU-Staaten zu reduzieren. Russland versucht mit eigenen Pipelineplänen und binationalen Abkommen die Pläne der EU zu hintertreiben. Eine Schlüsselrolle spielen dabei die südkaukasischen Republiken.

Auf der Bertelsmann-Konferenz waren auch der Präsident Aserbaidschans Ilham Alijew und der Außenminister Georgiens Vartan Oskanian anwesend; ebenso der Staatspräsident Rumäniens, Traian Basescu, der Premierminister Ungarns, Ferenc Gyurcsány sowie der Päsident Bulgariens, Georgi Parvanov – alles Schlüsselpersonen beim „Nabucco-Projekt“. Von den Balkanländern wurden bereits große Teile der nationalen Energieunternehmen an deutsche Konzerne, besonders Eon, verkauft. Eine deutsche Führungsrolle im „Nabucco Projekt“ sichert zugleich eine führende Rolle in der wirtschaftlichen Entwicklung Südost-europas“.

Die besondere Bedeutung der Energieversorgung in der deutschen Außenpolitik wird durch die Präsenz von Spitzenmanagern in den außenpolitischen Organisationen deutlich. Jürgen Strube war viele Jahre Vorstandsvorsitzender und ist heute Vorsitzender des Aufsichtsrates von BASF. BASF ist nicht nur der größte Chemiekonzern der Welt, sondern gebietet mit Wintershall über einen eigenen Rohstoffarm. In Argentinien, Ägypten, Libyen, Syrien und in der Nordsee fördert Wintershall Erdöl und -gas. In einer strategischen Allianz ist die BASF-Tochter mit dem russischen Gasgiganten Gazprom verbunden.

Strube sitzt im Aufsichtsrat der Bertelsmann AG und ist zugleich Treuhänder der Bertelsmann Verwaltungsgesellschaft, die die Stimmrechte der Bertelsmann AG verwaltet. Der Eon-Chef Wulf Bernotat ist Mitglied des Kuratoriums der Bertelsmann Stiftung. Burckhard Bergmann, Mitglied im Eon Vorstand und zugleich Leiter der Eon Tochter Ruhrgas, gehört dem Präsidium der DGAP an.

Ruhrgas ist das größte Erdgashandelshaus Europas und gleichzeitig Großkunde und Großaktionärin des russischen Gasgiganten Gazprom. Bergmann ist weiterhin stellvertretender Vorsitzender des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, der gemeinsamen Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft für Fragen bezüglich Ost- und Südosteuropas, dort leitet er auch den einflussreichen Arbeitskreis Russland.

Für die Absicherung der deutschen Energieversorgung ist der Nahe Osten von entscheidender Bedeutung. Auch hier zeigt die Bertelsmann Stiftung Präsenz: in dem Projekt „Europa und der Nahen Osten“ werden Experten der Region mit deutschen Experten zusammengebracht. Gemeinsam werden Lösungen für die zahlreichen Konflikte erarbeitet, hierbei wird stark der israelischen Linie gefolgt. Die iranischen Atompläne werden kritisiert, die israelischen Atomwaffen aber nicht in diesen Zusammenhang gebracht. Die Verknüpfung der verschiedenen Konflikte wird abgelehnt (s. Europa und der Nahe Osten, Diskussionspapier der X. Kronberger Gespräche, 2006).

Die Kronberger Gespräche, seit 1995 von der Bertelsmann Stiftung organisiert, dienen als jährliche Zusammenkunft des Projektes, an denen z.B. auch Efraim Halevy teilnimmt. Halevy ist Direktor des Centre for Strategic Studies der Universität Jerusalem, Berater der israelischen Regierung und früherer Leiter des israelischen Geheimdienstes Mossad.

An den Netzwerken und Denkfabriken vorbei scheint heute Außenpolitik nicht mehr möglich. Besonders Deutschland nutzt dieses Netz, um eigene Interessen in den Internationalen Organisationen und zwischenstaatlichen Beziehungen durchzusetzen. In den deutschen Denkfabriken wird hierfür vorgedacht und geplant. Die Verflechtung mit der deutschen Hochfinanz gewährleistet eine abgestimmte Strategie von Wirtschaft und Politik. Die Bundesrepublik erstrebt weltweit mehr Einfluss, meist in Anlehnung an die USA, gelegentlich auch in Konfrontation.

Christian Christians ist Publizist und lebt in Hannover


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