Religions- & Kirchenkritik, Säkulare Szene

Faschisten, Reaktionäre und der Vatikan

Aus: „Freidenker“ Nr. 1-09 März 2009 68. Jahrgang – Meldungen, Meinungen, S. 27-28

Dass die katholische Kirche zu Jahresbeginn in aller Munde war, hat sie sich unter ihrem Oberhirten Ratzinger alias Papst Benedict XVI. redlich verdient. Das meiste Aufsehen erregte er damit, den Holocaustleugnern und Erzreaktionären der „Bruderschaft St. Pius X.“ (FSSPX) das Tor zur Kirche wieder zu öffnen.

Nachdem der Vatikan vom Ausmaß der öffentlichen Erregung und Proteste offenbar überrascht war, begann ein halbherziges Zurückrudern und der Versuch von Erklärungen für den offenkundigen Fehltritt. „Falsch beraten“ sei er, der arme Ratzinger, womöglich habe er die geschichtsrevisionistischen Äußerungen seines Bruders Williamson gar nicht gekannt. Die österreichische Bischofskonferenz verlegte sich aufs Hoffen: „Wir hoffen, dass es gelingen wird, die unzureichenden Kommunikationsabläufe auch im Vatikan zu verbessern, damit der weltweite Dienst des Papstes nicht Schaden erleidet.“

Wenige Tage später sorgte Ratzinger für den nächsten Aufruhr, als er den Priester Gerhard Maria Wagner zum Linzer Weihbischof küren wollte. Der war kurz zuvor auffällig geworden, weil er die „Homosexualität eine Krankheit“ nannte. Schließlich hat er nach massiven Protesten aus dem österreichischen Klerus auf das Amt verzichtet.

In Deutschland hatten drei Professoren der katholisch-theologischen Fakultät Regensburg eine Petition für die uneingeschränkte Anerkennung aller Beschlüsse des II. Vatikanischen Konzils unterschrieben, was die Mitglieder der Priesterbruderschaft Pius X. ablehnen. Dafür wurden sie vom Bischof Gerhard Ludwig Müller wegen Papstbeleidigung scharf gemaßregelt, er fordert eine schriftliche Distanzierung von der Petition, die Delinquenten müssten vor ihm, Müller, erscheinen und das Glaubensbekenntnis sowie einen Treueeid auf die Lehre der katholischen Kirche ablegen, andernfalls drohe der Entzug der Lehrbefugnis.

Der Augsburger Bischof Walter Mixa, als Reichsmilitärbischof ein ausgewiesener Experte fürs Sterben, steuerte zur Diskussion laut „Fränkischer Landeszeitung“ die Bemerkung bei: „Es hat diesen Holocaust sicher in diesem Umfang mit sechs Millionen Getöteten gegeben. Wir haben diese Zahl durch Abtreibungen aber bereits überschritten.“ Trotz einer sanften Kritik durch seinen Bischofskonferenz-Vorsitzenden Zollitsch erklärte Mixa triumphierend, „er würde die Rede wieder so halten.“

Alles nur Missverständnisse, nur ‚Kommunikationsprobleme‘? Wer solchen Deutungen eine gewisse Wahrscheinlichkeit beimisst, der kennt den Verein und seinen Chef aber schlecht.

Im September 2008 hatte Mixa 30 „Marienkinder“ gefirmt, Angehörige einer apokalyptischen Sekte innerhalb der katholischen Kirche. Sie lehnen wie die Piusbrüder das Zweite Vatikanische Konzil ab, dazu noch die Demokratie als „Prinzip des Teufels“ und die Menschenrechte als „satanisch“. Walter Mixa befindet sich offenbar selbst in geistiger Nähe zu der umstrittenen Piusbruderschaft.

Der Sprecher der internationalen katholischen Laienbewegung „Wir sind Kirche“, Christian Weisner, erkennt klare Tendenzen zu einer Abkehr von den Reformen und

Demokratisierungen des II. Vatikanischen Konzils: Etwa die Liturgiereform, die im Sommer 2007 wieder voll zugelassene vorkonziliare lateinische Messe, die umformulierte Karfreitagsfürbitte, die geplante Seligsprechung des wegen seines Beschweigens der Shoah umstrittenen Papstes Pius XII. – alles Zeichen der Rückwärtsbewegung unter Benedikt XVI.

Doch Ratzinger hat auch Fürsprecher: In dem österreichischen www.kath.net verspürt Nathanael Liminski von der „Generation Benedikt“ angesichts der öffentlichen Proteste „einen Hauch von Kulturkampf“: „Es geht um einen Angriff gegen die Kirche insgesamt, bei dem sich militante Atheisten mit vom Relativismus erfassten Christen verbrüdern“.

Solche Stimmen scheinen eher den Geist in einem Verein zu kennzeichnen, der den Hitlerjungen Ratzinger zu seinem Papst machte.

Der von Ratzinger zur Seligsprechung ausersehene Vorgänger Pius XII. hatte nicht nur die faschistische Hitler-Regierung als Erster anerkannt, sondern auch auf ihr Zustandekommen gedrängt: „Pacelli meinte, ich müsse eben, mit Rücksicht auf ein Reichskonkordat, eine Regierung der Rechten bilden. … Er glaubte, mir wieder eine Einigung mit den Nazis wünschen zu müssen”, schrieb der vormalige Reichskanzler, der Katholik Brüning in seinen Memoiren.

Die im März 1998 vom Vatikan veröffentlichte „Erklärung zum Holocaust“ war keine Entschuldigung, sondern der Versuch, sich selbst und insbesondere den Papst Pius XII von der schweren Mitschuld am millionenfachen Judenmord zu entlasten.

Den im KZ Buchenwald inhaftierten tschechischen Priester Pater Plojhar exkommunizierte Pius XII., aber keinen der faschistischen Massenmörder. Der Antifaschist und Freidenker Emil Carlebach kommentierte: „Die Gnadensonne des frommen Pius strahlte über ganz anderen Männern. Ein Bischof wurde eingesetzt, der die Mörder aus SS, Gestapo und KZ mit Geld und falschen Papieren versorgte, um ihnen die Flucht nach Übersee zu ermöglichen. Hudal war der Name dieses Komplizen der Verbrecher, der durch diplomatische und geistliche Immunität geschützt war. … Bleibt noch die Frage: was wurde zwischen Rom und Tel Aviv ausgehandelt, um den Namen des Papstes und seines Bischofs Hudal aus dem Eichmann-Prozeß herauszuhalten?“

Für Kroatiens Erzbischof Stepinac, war „es jedoch leicht, die Hand Gottes in diesem Werk zu erkennen” – als nach Hitlers Überfall die Ustascha-Faschisten die Macht übernahmen und KZs errichteten. Das Vernichtungslager Jasenovac mit über 200.000 ermordeten Serben und Juden wurde zeitweise von Franziskaner-Pater Filipovic kommandiert, in dieser Zeit verantwortlich für 40.000 Morde.

Nochmals Emil Carlebach: „Genauso ‚versagte‘ der Vatikan, als er 1944 vor den heranrückenden Alliierten Ustascha-Gold im Wert von 200 Millionen Dollar ‚in Sicher-

heit‘ brachte, es zunächst zur Fluchthilfe der Ustaschaverbrecher ‚anlegte‘, und schließlich 1990 mit Zins und Zinseszins als Milliardengeschenk dem dank Deutschland neu erstandenen ‚unabhängigen‘ Kroatien zurückzahlte.“

Schon Ratzingers unmittelbarer Vorgänger Johannes Paul II. stand in Treue fest: Im Rahmenprogramm der NATO-Aggression 1999 gegen Jugoslawien sprach er den ‚verdienten‘ Erzbischof Stepinac selig. Nicht weniger ausgeprägt ist des Nachfolgers Gespür für das passende politische Umfeld. Seine „Regensburger Rede“ am 12.09.2006 war zwar intellektuell unterirdisch, aber zur antiislamischen Stimmungsmache für die diversen Kriege „gegen Terror“ fast ein Gottesgeschenk. Schließlich war auch die Seligsprechung einiger hundert Franko-Faschisten durch Benedikt XVI. am 28. Oktober 2007 weder Zufall noch Ausrutscher, sondern Teil eines Programms zur reaktionären Formierung seiner Organisation.

Wie lobte noch der verflossene US-Präsident George W. Bush Joseph Ratzinger anlässlich der Wahl zum Papst: er sei ein „Mann großer Weisheit und Kenntnis“. So betrachtet war die aktuelle Causa „Holocaustleugner Williamson“ zwar voll auf der vatikanischen Traditionslinie, nur mit Blick auf die öffentliche Wirkung etwas unbedacht.


Bild: Altar in der Piusbruderschaftskirche St. Joseph in Memmingen
Von Bene16 – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=6096693