Die Energieversorgung der Zukunft – nachhaltig oder nuklear?
Aus: „Freidenker“ Nr. 1-10 März 2010, S. 23-28, 69. Jahrgang
Von Gert Blumenthal
Einleitung
In dieser Arbeit wird der Leser vorrangig auf eine meist vernachlässigte Eigenheit einer Großtechnik, nämlich ihre Komplexität, orientiert.
Die komplexe Beurteilung der Atomenergie ist schwierig, weil das einerseits ein gewisses Fachwissen voraussetzt, andererseits komplexes Denken neu und darum ungewohnt ist. Wir sind durch die klassische Physik nicht vorbereitet für das Verstehen der Komplexität.
Für die an der Atomenergie materiell Interessierten sowie für atomtechnisch ausgebildete Naturwissenschaftler und Energetiker ist eine komplexe Betrachtung ihres Geschäftes zudem unerwünscht, weil dabei auch die gefährlichen Seiten der Atomenergie offengelegt werden, was die Bevölkerung gegen diese Technik mobilisieren kann.
Verantwortungsbewusste Wissenschaftler müssen aufklären und den von Interessenverbänden und bestimmten Politikern erzeugten Nebelvorhang für die Öffentlichkeit durchsichtig machen. Hieraus erhellt sich der eminent politische Charakter des Widerstands gegen die Atomenergie.
Atomkraftwerke: Nukleare Risiken – technische
In Werbepublikationen werden die Vorzüge der Atomenergietechnik unablässig hervorgehoben, deren belastende Auswirkungen aber gerne verschwiegen. Dazu gehören
u. a. der beträchtliche Wasserbedarf von Atomkraftwerken, der in Dürreperioden schon mehrfach zu Leistungsdrosselungen und sogar Abschaltungen gezwungen hat. In einer Zeit zunehmender Wasserknappheit ist ein hoher Wasserbedarf nicht gerade eine Empfehlung für eine als „zukunftsfähig“ angepriesene Technologie. Gefährlich für Einrichtungen der Atomenergietechnik sind Erdbebenschäden, wie erst jüngst in Japan am weltgrößten Atomkraftwerk Kashiwasaki-Kariwa eingetreten. Gesundheitsrelevant ist die von Wiederaufarbeitungsanlagen ausgehende, schon mehrfach nachgewiesene radioaktive Umweltverseuchung, was besonders Sellafield und La Hague seit Jahren demonstrieren. Von Sellafield in die Irische See geleitetes Plutonium wurde bereits vor der Küste Norwegens detektiert, und eine Bioakkumulation dieses radioaktiven Schwermetalls in Meeresorganismen ist absehbar, was dessen Eintritt in die menschliche Nahrungskette bedeutete.
Schon vor Windscale (1957) behaupteten Nuklearexperten, Atomenergietechnik sei sicher und befinde sich voll unter Kontrolle. Diese Beteuerungen wurden stereotyp wiederholt – vor Tscheljabinsk (1957), vor Harrisburg (1979), vor Tschernobyl (1986), vor Tokai Mura (1997 und 1999) bis heute. Die Atomtechnikanhänger werden sich auch durch den Beinahe-GAU im Vattenfall-Atomkraftwerk Forsmark-1 (Schweden) im Juli 2006 kaum beirren lassen, obwohl die dortige Havarie den Vorfällen in Biblis B und Isar 2 (Februar bzw. März 2004) in auffallender Weise ähnelt. „Sieben Minuten später und der Prozess, der zur Kernschmelze geführt hätte, wäre nicht mehr aufzuhalten gewesen. Das wäre der schlimmste Unfall seit Tschernobyl geworden“ (Högelund, ehemaliger Reaktorsicherheitsverantwortlicher in Forsmark). All das sind Irregularitäten, die sich zu einer globalen Bedrohung summieren, käme es zu einer Proliferation der Atomenergietechnik.
Der belorussische Botschafter in Deutschland berichtete: „Das Reaktorunglück hatte für uns besonders schlimme Folgen. Wir bekamen 70 Prozent des radioaktiven Fallouts ab und verloren durch ihn praktisch ein Viertel unseres Territoriums. …Belarus hat …17 Milliarden US-Dollar ausgegeben. Etwa 137.000 Menschen wurden umgesiedelt, es wurden 66.000 Häuser in 239 Orten errichtet…“
Zu der Chronologie nuklearer „Zuverlässigkeit“ gehören auch die Milliardenflops des Typs „Schneller Brüter“. Von den neun in den vergangenen dreißig Jahren gebauten Brutreaktoren (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Japan, UdSSR) wurden acht aus verschiedenen Gründen schon vor dem Jahr 2000 stillgelegt – was zeigt, dass sich hochkomplexe technische Systeme langfristig kaum beherrschen lassen.
Angesichts der Pannengeschichte der Atomenergietechnik kann Bedenkenlosigkeit hinsichtlich einer Atomenergie-Globalisierung im günstigsten Falle als Erfahrungsresistenz verstanden werden!
Der Erfinder des Kugelhaufenreaktors Kugeler schrieb zu den inhärenten Risiken der in Deutschland betriebenen Leichtwasserreaktoren: „Im Gegensatz hierzu (dem Deutschen Atomgesetz, G. B.) kann es bei derzeitigen Reaktoren mit einer wenn auch sehr kleinen Wahrscheinlichkeit zum Schmelzen des Reaktorkerns und damit dann auch zur Freisetzung von großen Mengen an Radioaktivität in die Umwelt kommen.… Gleichzeitig bilden sich durch Reaktion des Zirkons der Brennstabhüllen mit Wasserdampf große Wasserstoffmengen unter Freisetzung von zusätzlicher exothermer Reaktionswärme.“
Atomenergiebetreiber betonten mehrfach, dass eine Katastrophe wie die in Tschernobyl in deutschen Atomkraftwerken nicht möglich sei (eine ähnliche Aussage wird wiederholt nach der Forsmark-Havarie). Das ist nicht ganz falsch, denn in graphitfreien Reaktoren können keine Graphitbrände ausbrechen.
Peinlich, wenn zuweilen behauptet wird, die Atomenergietechnik selbst sei doch sicher, denn fast alle Havarien seien durch menschliches Versagen hervorgerufen worden. Vertretern dieser Ansicht ist offensichtlich nicht geläufig, dass Mensch und Technik ein einheitliches komplexes System bilden. In derartigen Systemen kann die Rolle des Menschen unbewusst dominant sein, was infolge der menschlichen Wesenseigenschaften das System unberechenbar werden lässt. Also muss die Technik an den Menschen so adaptiert sein, dass menschliches Versagen niemals zu weitreichenden lebensbedrohlichen Katastrophen mit Langzeitfolgen führen kann.
Der naturgegebenen Unsicherheit des Lebens muss die Technik der Zukunft Rechnung tragen. Unsere Welt wird enger, weil die Bevölkerung weiter wächst, die Landfläche aber allgemein abnimmt (infolge Anstieg des Meeresspiegels), insbesondere die landwirtschaftlich nutzbare Fläche (infolge Erosion, Versteppung, Desertifikation, Betonierung). Politische und soziale Konfrontationen werden vermutlich um sich greifen. Die künftige Technik darf keinesfalls die ohnehin unabwendbaren Kritikalitäten komplexer Systeme noch verstärken – so, wie es die Atomtechnik tut, die riskanteste aller Energietechniken.
Es gibt keine einzige andere Technik, die ein relativ harmloses menschliches oder technisches Versagen, häufig eng verflochten miteinander, derart brutal ahndet und dann so verheerende, hunderttausende Menschen betreffende Katastrophen auslösen kann, deren Folgen nicht haltmachen vor Ländergrenzen. Atomenergietechnik ist störungsallergisch.
Doch nicht nur infolge Havarien sind Atomenergieanlagen gefährlich. Schon im Normalbetrieb verseuchen sie alle Kompartimente mit Radioaktivität. Z. B. wird Tritium, ein radioaktives Gas, auch durch Atomkraftwerke in die Atmosphäre emittiert. Dieses Wasserstoffisotop 3H kann das Protium 1H der Biomoleküle durch Isotopenaustausch leicht ersetzen, was im Falle des Wassers infolge dessen Allgegenwart und biologischer Bedeutung schwer wiegt.
Ein weiteres von Atomenergieanlagen emittiertes Radionuklid ist Krypton-85, das als Edelgas nicht zurückgehalten werden kann, und dessen Konzentration infolgedessen in der Atmosphäre seit Jahrzehnten kontinuierlich ansteigt.
Radioaktive Kontaminationen sind zunächst meist unmerklich, und gesundheitliche Folgeschäden treten erst verzögert auf, so dass die Betreiber dafür alle möglichen Ursachen verantwortlich machen, die kausalen Zusammenhänge vernebeln und ihre eigene Verantwortung bestreiten können.
Die bisher ernsteste Warnung, daß es noch immer unbekannte Mechanismen der Gesundheitsschädigung durch die Atom-
energietechnik gibt, liefert die Studie des Deutschen Kinderkrebsregisters (KiKK), wonach in Deutschland eine statistisch signifikante Korrelation zwischen der Inzidenz von Kinderleukämie und der Nähe des Wohnorts zu einem Atomkraftwerk gefunden wurde. Im Umkreis von Photovoltaik- oder Wind-Kraftwerken sind derartige Zusammenhänge ausgeschlossen.
Nach Tschernobyl sollten Atomkraftwerke nicht zu nahe an Siedlungen oder Flüssen stehen. Dort beträgt die Sperrzone 2.800 km2 (30 km Radius); das gesamte belastete Gebiet ist größer als die Schweiz. AKWs dürften auch nicht in tektonisch labilen Gebieten errichtet werden, wie z. B. Japan – mit den für Atomkraftwerke wahrscheinlich gefährlichsten geologischen Bedingungen auf der Welt. Zu all den anderen Problemen von Atomkraftwerken kommt also noch das Standortproblem hinzu. (siehe Gefährdungsatlas der Deutschen Umweltstiftung)
Nukleare Risiken – politische
Atomkraftwerke sind attraktive Ziele für Anschläge. Diese Binsenweisheit hat bereits in mehreren Institutionen Überlegungen hinsichtlich Schutzmaßnahmen ausgelöst. Diskutiert wurden: Schutzmauern und -türme rund um Atomkraftwerke, Flugabwehrraketen (bei der Wiederaufarbeitungsanlage La Hague verwirklicht!), Vernebelungsaggregate usw. Am weitesten gehen Vorstellungen, Atomkraftwerke künftig unter die Erde zu verlegen (!).
Das Öko-Institut kommt zu dem Schluss, dass das älteste deutsche Atomkraftwerk, Biblis A, nur unzureichend gegen abstürzende Flugzeuge geschützt sei. Die Betonkuppel über dem Sicherheitsbehälter sei so dünn, dass sie auch dem Absturz kleinerer Maschinen nicht standhalten könne, ebensowenig wie bei Brunsbüttel, Isar 1 und Philippsburg 1. Bei einem GAU in Biblis A sei zu befürchten, dass die Bevölkerung auf einer Fläche bis zu 10.000 km² (Radius etwa 60 km) evakuiert werden müsse und in diesem Fall nicht nur Städte im Rhein-Main-Gebiet, sondern auch Berlin, Paris und Prag bedroht seien. Die Reaktor-Sicherheitskommission sieht das ähnlich.
Die Rohstoffversorgung
Uran ist das Mutterelement einer natürlichen radioaktiven Zerfallsreihe, zu der auch das radioaktive Edelgas Radon-222 gehört. Der Uranbergbau ist eine besonders schwerwiegende Verletzung der Erdkruste. Aus einer Uranerzgrube und den dazugehörigen Erzaufbereitungsanlagen und Halden entweichen Ströme radioaktiven Radons. Die Grubenarbeiter, ob in Australien, in Kanada oder im Kongo – fast ausschließlich Indigenas – stehen inmitten einer verwüsteten Natur, Tag für Tag radioaktive Stäube und Radon inhalierend. Wind und Wasser verbreiten das lungengängige Feinstkorn des Haldenmaterials weit über Land. Strahlenexperten sehen heute in Radon die Hauptquelle der natürlichen Radioaktivitätsbelastung des Menschen.
Beim gegenwärtigen Nutzungsstand wird die Reichweite von preiswertem Uran auf etwa vierzig Jahre geschätzt. Diese Reichweite schrumpft mit der zunehmenden Anzahl der AKWs. Wollte man die Energieversorgung der Welt auf Atomenergie umstellen, brauchte man 4000 neue Atomkraftwerke.
Der Öffentlichkeit wird verschweigen, wie Atomenergetik betrieben werden soll, wenn die Uranvorräte zu Ende gehen. Die Betreiber müssten dann nämlich eingestehen, dass sie für diesen Fall ohne Schnellen Brüter und Wiederaufarbeitungsanlagen – d. h. ohne die weiter risikoerhöhende Plutoniumwirtschaft – nicht auskommen, was Strompreiserhöhungen nach sich zöge. So sehen das selbst atomenergiefreundliche Technologen: „Nur ein geschlossener Brennstoffkreislauf bei Leichtwasserreaktoren und der verstärkte Einsatz Schneller Brutreaktoren mit Brennstoffkreislauf lässt Atomenergie eine echte langfristige Energiequelle sein“.
Internationale Konfrontationen werden sich entwickeln, wenn die Verknappung der Uranressourcen allgemein spürbar wird. Was die Welt dann zu befürchten hat, wird ihr seit Jahren unter dem Slogan „Nation building“ in Afghanistan und Irak vor Augen geführt. Unter Berücksichtigung all dessen denkt und handelt unverantwortlich, wer mit dem Wachstum der Bevölkerungsdichte weltweit die Flächendichte an Atomkraftwerken erhöhen will, wodurch die ökologische Belastungsdichte zunähme, und das auch in Regionen, die ein hohes Konfrontationspotenzial und eine traditionell geringe technische Tradition aufzuweisen haben.
Im Gegensatz zur Atomenergietechnik gibt es bei keiner der Ökoenergien derartig lebensbedrohende Zusammenhänge. Öko-energiewandler und die damit verbundene Infrastruktur sind störungstolerant. Öko-energien wirken potenziell politisch entspannend – sie sind unerschöpflich, überall verfügbar und lassen sich kaum monopolisieren.
Atomenergietechnik und Nachhaltigkeit
Die weltweite Verbreitung von Atomkraftwerken führt dazu, dass den kommenden Generationen, ohne dass diese sich wehren können, alle nuklearen Risiken aufgebürdet werden. Atomenergie, ob friedlich, ob militärisch, ist eine Kriegserklärung an die Zukunft, bei der der Adressat stumm bleiben muss.
Die Atomdebatte hat ein neues Moment zutage gefördert, das allerdings noch zu wenig beachtet wird, weil es für alle bisherige Technik nicht existierte: Eine in die ferne Zukunft reichende Verantwortung für die dann lebenden Generationen. Diese sind zu schützen vor dem unsachgemäßen Umgang mit den radioaktiven Hinterlassenschaften, die selbst in zehntausend Jahren ihre Gefährlichkeit nicht verloren haben: Die wichtigsten bei der Kernspaltung entstehenden Nuklide weisen Abklingzeiten zwischen 105 und 1011 Jahren auf.
Es ist nicht trivial, für die Menschen der fernen Zukunft warnende Botschaften zu formulieren, die dann noch verstanden werden. Das liegt nicht nur an der mangelnden Langzeitstabilität der Informationsträger, sondern auch an den Wandlungen der Sprache. Selbst bei Kontinuität der gesellschaftlichen Entwicklung seien nach 10.000 Jahren nur noch 12 % des anfänglichen Grundwortschatzes vorhanden.
Für raffiniert halten es die Befürworter der Atomenergietechnik, den Begriff der „Nachhaltigkeit“ für sich zu reklamieren. Sie missbrauchen die Tatsache, dass ein Atomreaktor direkt kein CO2 emittiert, dafür, die gesamte Infrastrukturlinie (Uranbergbau, Abbau der Altanlage, Endlagerung) als klimafreundlich darzustellen, obwohl diese vollständig fossilenergetisch, also CO2-emittierend, betrieben wird. Aber selbst bezogen allein auf den Reaktor ist diese Argumentation eine Halbwahrheit, denn der Anteil der nuklearen Elektroenergie (und nur diese ist in der Lage, C-stämmige Primärenergie zu substituieren) an dem Welt-Endenergieverbrauch beträgt rund 2 % – als CO2-Minderungspotenzial uninteressant.
Zum Verhältnis von Nachhaltigkeit und Atomenergie sei die 2003 erschienene Stellungnahme des WBGU („Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen“) zitiert: „Ein nachhaltiges Energiesystem sollte auf Technologien beruhen, deren Betrieb im „Normalbereich“ der Umweltrisiken liegt. Die Atomenergie kollidiert mit diesen Anforderungen insbesondere durch intolerable Unfallrisiken und ungeklärte Abfallentsorgung sowie wegen der Risiken durch Proliferation und Terrorismus.“
Und in einer neueren WBGU- Publikation wird fortgesetzt: „Weil die Nutzung der Atomenergie mit nicht akzeptablen Risiken verbunden ist, empfiehlt der WBGU, diese auslaufen zu lassen.“
Die Menschen in der Dritten Welt haben von der Atomenergie nichts zu erhoffen. Etwa zwei Milliarden Menschen leben noch immer ohne Stromversorgung. Das hat sich trotz fünfzig Jahren Atomenergie nicht geändert – nicht verwunderlich, denn mit der Energieversorgung von Notleidenden ist kaum Profit zu machen.
Eine weltweite, bedarfsdeckende Installierung der Atomenergie würde die Verwirklichung einer zukunftsfähigen Solar-energiebasis langfristig blockieren. Und umgekehrt: Der Einsatz für den Ausbau der Ökoenergien hat nur dann Zukunftsaussichten, wenn eine ökoenergetische Vollversorgung das Ziel ist. Das wäre einer der wirksamsten Schritte, um die Menschheit von der Atomenergie zu befreien.
Atomenergie und Klimaschutz
Es ist bemerkenswert, dass die internationale Klimaforschung trotz des großen psychologischen Drucks durch die CO2-Emissionen eindeutig erklärt hat, dass sie in der Atomenergie – als nicht nachhaltig – keine Option für die Zukunft sieht.
Rahmstorf und Schellnhuber schreiben dazu: „Eine Erhöhung dieses Anteils in den kommenden 30 Jahren, bei wachsendem Energiebedarf und alterndem Reaktorbestand, würde den Bau von vielen hunderten neuer Atomkraftwerke erfordern – eine weder realistische noch wünschenswerte Option. Hauptsächlich aufgrund der Risiken, die mit einer weltweiten Verbreitung von Reaktortechnologien (u. a. in die Krisengebiete des Mittleren Ostens, Afrikas und Lateinamerikas) verbunden wären, scheint hier eine langfristige Null-Leitplanke angemessen. Tatsächlich ist das Klima-Energie-Problem auch ohne Atomstrom zu lösen.“
In der Publikation „Der UN-Weltklimareport“ von 2007 untersuchen einige Autoren die Bedeutung der Atomenergie für den Klimaschutz. In weitgehender Übereinstimmung (Ausnahme: Ministerin Annette Schavan) gelangen sie zu Schlüssen, die den oben zitierten nahezu gleichen.
Die „friedliche Nutzung“ und die Bombe
Der Bau von Atomwaffen war stets der Motor für die primäre Entwicklung jeglicher Atomtechnik. Belege hierfür sind Indien, Pakistan, Israel sowie die Ängste vor den potenziellen Atommächten Nordkorea und Iran. Die diesbezüglichen Entwicklungen in diesen Ländern bezeugen die Wirkungslosigkeit internationaler Kontrolle.
Die zivile Nutzung der Atomenergie schafft stets eine Infrastruktur, die die Produktion von Atomwaffen und deren Verbreitung in hohem Maße begünstigt. Die sogenannte „friedliche Nutzung“ ist eine Illusion und selbst bei Atomenergiebefürwortern ehrlichen Herzens nur ein hartnäckiger Wunschtraum. Es mutet praxisfern an, wenn nach den desillusionierenden Erfahrungen der letzten Jahrzehnte überzeugte Atomwaffengegner für die Globalisierung der Atomenergie eintreten.
An kaum einem anderen Brennpunkt der gesellschaftlichen Entwicklung kommt in der Auseinandersetzung über die Atomenergie derart eindeutig zum Ausdruck, dass Entscheidungen in dieser Frage nicht in erster Linie wissenschaftlich-technisch, sondern politisch begründet sind. Die Auseinandersetzungen um die Zukunftsenergie werden immer mehr zu einem wichtigen Teilbereich des aktuellen politischen Kampfes.
Es gibt hinsichtlich der Atomenergietechnik keine Garantie, weder, dass sie unfallfrei funktioniert, noch, dass Niedrigdosenstrahlung harmlos ist und schon gar nicht, dass militärischer Missbrauch oder terroristische Anschläge zu verhindern sind. Weil von der nun einmal mit der Atomenergie
naturgesetzlich verbundenen Radioaktivität schwer einschätzbare gesundheitliche Langzeitwirkungen drohen, ist zu fordern:
Hände weg von dieser Energietechnik!
Der Artikel von Gert Blumenthal ist eine stark gekürzte Fassung. Interessenten an der aktualisierten Originalfassung (14 Seiten mit umfangreicher Literaturliste)
senden bitte eine Nachricht an die E-Mail-Adresse: Gert.blumenthal@googlemail.com
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