Die Kirchenvertreter im Südwestrundfunk (SWR)
Schwarzröcke auf dem langen Marsch durch die Institutionen ?
In den Aufsichtsgremien der Rundfunkanstalten haben „gesellschaftlich relevante Gruppen und Institutionen“ das Recht auf Sitz und Stimme. Neben staatlichen Stellen wie Landtag oder Landesregierung sind dies Berufsverbände, Bildungseinrichtungen und verschiedene andere Interessensvertretungen. Immer dabei sind die evangelische und die katholische Religionsgemeinschaft, sowie andere religiöse Organisationen.
Seit dem 1. Oktober 1998 sind die beiden Landessender Süddeutscher Rundfunk (SDR) und Südwestfunk (SWF) aufgegangen im neugegründeten Südwestrundfunk (SWR). Am Beispiel dieses Senders soll einmal genauer untersucht werden, wie die kirchliche Interessensvertretung im Rundfunk in der Realität aussieht.
Zunächst einmal fällt auf, daß im SWR die Vertreter der beiden Großkirchen besonders arbeitswütig zu sein scheinen. (Die anderen Religionsvertreter sind allesamt nicht so umtriebig.) Nur als einfaches Mitglied in einem Gremium zu sitzen, scheint die Kirchenleute nicht auszufüllen. Von deren ursprünglich 6 Vertretern waren 5 in Wahlen erfolgreich: 3 erhielten einen Vorsitz, 2 gelangten in den Verwaltungsrat und errangen so 2 weitere Sitze für ihre Organisation. Das ist eine recht eindrucksvolle Bilanz. Dem unbefangenen Beobachter drängt sich da geradezu der Gedanke an Dutschkes „langem Marsch durch die Institutionen“ auf.
Dieser energische Gestaltungswille ist ja durchaus legitim, im Interesse konfessionsfreier Menschen ist er ganz bestimmt nicht. Die Schwierigkeit, kirchenkritische Sendungen zur Ausstrahlung zu bringen, kommt angesichts solcher Verhältnisse auch nicht von ungefähr.
Des Weiteren fällt auf, daß die Zahl religiöser Vertreter aus Baden-Württemberg um einiges größer ist, als die aus Rheinland-Pfalz. Und dies liegt nicht allein am Größenverhältnis der Länder. Es ist also durchaus sinnvoll, die diesbezüglichen Traditionen der einzelnen Landessender genauer anzusehen.
Die Struktur des SWR und das kirchliche Engagement in ihnen sollen im Folgenden dargestellt werden.
Die Aufsichtsgremien des SWR
Der SWR hat zwei Aufsichtsgremien: Einen Verwaltungsrat, der für die wirtschaftliche Kontrolle und für technische Entwicklungen zuständig ist. Und einen Rundfunkrat, der für Programmfragen zuständig ist. Dieser teilt sich für die Landesprogramme der beiden Bundesländer auf in einen Landesrundfunkrat Baden-Württemberg und einen Landesrundfunkrat Rheinland-Pfalz, wozu jeweils auch die aus den beiden Ländern kommenden Verwaltungsratsmitglieder gehören. Ganz wichtige Entscheidungen, wie die Wahl des Intendanten und Beschlüsse über die Satzung des SWR fallen in gemeinsamen Sitzungen von Rundfunkrat und Verwaltungsrat. Zur Wahl des Intendanten wird eine kleine Sonderkommission eingesetzt, die Findungskommission.
Der Rundfunkrat
In dieses Gremium, und zuerst einmal nur in dieses, dürfen privatrechtliche Organisationen, wozu ja auch die Kirchen zählen, ihre Vertreter entsenden. An dieser Stelle haben sie sozusagen den Fuß in der Tür des SWR. Von den 74 Mitgliedern (51 aus BaWü, 23 aus RLP) des Rundfunkrats werden von religiösen Organisationen entsandt:
Aus Baden-Württemberg
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2 Vertreter der evangelischen Kirche
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2 Vertreter der katholischen Kirche
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1 Vertreter der israelitischen Religionsgemeinschaft
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1 Vertreter der Freikirchen
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1 Vertreter der evang./kath. Frauenarbeit
Aus Rheinland-Pfalz
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1 Vertreter der evangelischen Kirche
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1 Vertreter der katholischen Kirche
Das bedeutet, 9 von 74 Personen sind offizielle Kirchenvertreter, das ergibt einen Anteil von 12,2%. Da der Rundfunkrat für Programmfragen zuständig ist, kann man von hier aus wunderbar Einfluß auf die Programmgestaltung des Senders zum eigenen Vorteil nehmen. Dieser recht beachtliche Anteil alleine ermöglicht aber noch nicht viel Einfluß. Wesentlich mehr Wirkungsmöglichkeiten hat man da als Vorsitzender des Rundfunkrats. Und die Bürde dieses hohen Amtes übernahm denn auch Hans Lambert, der Vertreter der katholischen Kirche Rheinland-Pfalz.
Die Findungskommission
Zur Vorbereitung der Wahl des Intendanten wird diese wichtige Kommission eingesetzt, die aus den Vorsitzenden des Rundfunk- und des Verwaltungsrats und ihren Stellvertretern besteht, das sind 5 Personen. Dazu gehörte nun auch automatisch Herr Lambert. Der immense politische Einfluß dieser Findungskommission besteht darin, daß sie darüber befindet, welche Bewerber überhaupt zur Wahl gestellt werden. Das klingt zunächst einmal ganz harmlos. Bemerkenswert ist aber, daß von 16 Bewerbern für das Amt des Intendanten des SWR ein Einziger für würdig befunden wurde, sich zur Wahl zu stellen: Peter Voß, der frühere Intendant des SWF, für seine stramm konservative politische Einstellung hinreichend bekannt. Dieser eine Kandidat wurde dann auch tatsächlich gewählt. Er mußte sich aber schon vor der Wahl gegen Berichte verteidigen, die Auswahl seiner Führungsmannschaft für den Sender sei „von der Politik bestimmt“ gewesen.
Der Verwaltungsrat
7 von den 15 Mitgliedern dieses Gremiums werden von den beiden Landesregierungen bzw. Landtagen benannt. 8 werden vom Rundfunkrat aus den eigenen Reihen gewählt. Die Kirchenvertreter scheinen keine Mühe zu scheuen, und so befinden sich 2 von ihnen unter den Gewählten: Dr. Klaus Koziol von der katholischen Kirche Baden-Württemberg, sowie Heiner Künzlen (seines Zeichens Oberkirchenrat) von der evangelischen Kirche Baden-Württemberg.
Und der Clou dabei ist, daß für jeden in den Verwaltungsrat gewählten Vertreter ein Nachrücker in den Rundfunkrat einziehen darf. Die Zahl der Kirchenvertreter wurde so um 2 vermehrt!
Die Landesrundfunkräte
Da diese Gremien einfach mit den jeweiligen Landesvertretern von Rundfunk- und Verwaltungsrat besetzt werden, sitzen im Landesrundfunkrat Baden-Württemberg 9 Kirchenvertreter (von 62 Mitgliedern = 14,5%), im Landesrundfunkrat Rheinland-Pfalz 2 Kirchenvertreter (von 27 Mitgliedern = 7,4%).
Fernseh- und Hörfunkausschüsse
Der Rundfunkrat und der Landesrundfunkrat Baden-Württemberg besitzen jeweils einen Ausschuß für Hörfunk und einen für Fernsehen. Auch hier muß sich jemand für den Vorsitz opfern. Zwei Herren von den Kirchen waren sich für diese gewiß undankbare Aufgabe nicht zu schade: Vorsitzender des Fernsehausschusses des Rundfunkrats wurde Udo Sopp von der evangelischen Kirche Rheinland-Pfalz. Vorsitzender des Landeshörfunkausschusses Baden-Württemberg wurde Gerd Schmoll von der evangelischen Kirche.
Weitere Einflußmöglichkeiten auf die Medien
Das besondere Engagement der offiziellen Kirchenvertreter erklärt aber nicht hinreichend den Einfluß der Kirchen in den öffentlichen Medien.
Zumindest ein wichtiger Grund für die Erfolge bei Wahlen in den Aufsichtsgremien ist einfach der unkritische und oft unreflektierte Vertrauensbonus, den Kirchen bei vielen Menschen, und so wohl auch hier, genießen.
Daneben haben die Kirchen aber in den Sendern noch eine große Zahl inoffizieller Mitarbeiter, wie man sie durchaus mit Berechtigung nennen kann. Damit ist gemeint, sie arbeiten nicht offiziell im Auftrag der Kirchen, aber als loyale Angehörige ihrer Glaubensgemeinschaft nehmen sie sehr konsequent deren Interessen wahr. Ein Paradebeispiel für einen solchen Mann der Kirche stellt der ausgeschiedene Intendant des SDR dar, Hermann Fünfgeld. Am 14.01.98 wurde ihm vom Rottenburger Bischof ein Papstorden für seine Verdienste verliehen. Besonders hervorgehoben wurde sein „Einsatz für ein attraktives religiös-kirchliches Programm einschließlich der kirchlichen Verkündigungssendungen und Gottesdienstübertragungen“. Mit dem „attraktiven“, sprich im Sinne der Kirche gestalteten, religiös-kirchlichen Programm sind hier explizit die eigenen redaktionellen Beiträge des Senders gemeint (vor allem wohl aus der Kirchenfunk-Redaktion)! Dabei sorgte Fünfgeld auch in besonderer Weise für ein „positives Verhältnis zwischen Medien und Kirche“, wie in der Laudatio betont wurde. Und sogar in seiner Freizeit hat der Intendant unermüdlich als Mitglied verschiedener Einrichtungen „in der kirchlichen Medien- und Bildungsarbeit Impulse gesetzt“. Dieser persönliche Einsatz war dem Papst denn auch einen „Gregoriusorden“ wert.
Aber auch für einfache Journalisten werden Anreize geschaffen, in erwünschter Weise über kirchliche Themen zu berichten. Zu diesem Zweck werden von den verschiedensten Organisationen Journalistenpreise verliehen, so zum Beispiel der „Caritas-Journalistenpreis Baden-Württemberg“. Daß einen solchen, der Karriere durchaus dienlichen Preis natürlich niemand erhält, der den Kirchen schon einmal unangenehm aufgefallen ist, versteht sich von selbst.
Was tun?
Solange die Strukturen so sind, wie sie sind, solange also die Trennung von Staat und Kirche nicht durchgeführt ist, müssen Konfessionslose sich innerhalb der bestehenden Verhältnisse für ihre Interessen entsprechend engagieren. Eine Form des Engagements ist es, in Resolutionen, Zeitungsartikeln oder Demonstrationen eine Änderung der Zustände zu fordern. Es ist aber auch notwendig, daß man sich vor Ort, da wo man beruflich oder ehrenamtlich tätig ist, einbringt.
Im vorliegenden Fall könnte man überlegen, ob es möglich ist, Einfluß zu nehmen auf die Benennung eines Vertreters für den Rundfunkrat. Das kann sein bei Gewerkschaft, Journalistenverband, Landeselternbeirat, Sportverband usw. Wünschenswert wäre ein Vertreter, der neben der politischen Eignung auch ein gewisses Maß an kritischer Grundhaltung zu den Kirchen mitbringt. Aber auch einen bereits tätigen Vertreter kann man ansprechen, um ihn für die berechtigten Interessen Konfessionsloser zu sensibilisieren.
Ein politisches Ziel könnte sein, für die ganz gewiß „gesellschaftlich relevante Gruppe“ der Konfessionslosen eine angemessene Vertretung im Rundfunkrat zu fordern. Hier sind vor allem parteipolitisch engagierte Menschen gefordert. Damit diese Forderung aber Chancen auf Gehör finden kann, müssen sich viel mehr Konfessionslose auch in Verbänden organisieren. Nur starke Interessensvertretungen können sich um einen Sitz im Rundfunkrat bemühen. (Den Kirchen gelingt es Umfragen zufolge sogar, Heiden und Gottlose in ihren Reihen zu halten. Den Konfessionslosen-Verbänden gelingt es dagegen bei weitem nicht, alle Nicht-Religiösen zu organisieren.)
Eine weitere Möglichkeit des Engagements wäre die intensivere Nutzung der „Offenen Kanäle“, die es bei verschiedenen Rundfunkgesellschaften gibt, um dem kirchlichen Meinungsmonopol etwas entgegenzusetzen. Dieses Angebot wird schon an manchen Orten genutzt, wobei es natürlich entsprechende Schwierigkeiten durch die Kirchenlobby gibt. Aber hier liegen noch einige Wirkungsmöglichkeiten brach.
Ideen lassen sich noch viele finden. Überlassen wir den Rundfunk nicht einfach den Großkirchen!
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