Die Friedensbewegung im Spannungsfeld
Die Friedensbewegung in Deutschland im Spannungsfeld zwischen der alten, vom NATO-Westen dominierten Welt und der sich entwickelnden neuen multipolaren Weltordnung.
Vortrag von Doris Pumphrey
Gehalten auf dem Kongress „Krieg und Frieden“ der Neuen Gesellschaft für Psychologie, Berlin 10. bis 12. April 2025
Die Friedensbewegung ist eine sog. Graswurzelbewegung, die die Mühen durchlaufen muss eines Aufbaus und einer Mobilisierung von unten. Authentische, unabhängige Graswurzelbewegungen haben es heute viel schwerer als früher.
Massen werden heute mobilisiert von professionell geführten, künstlich geschaffenen Graswurzelbewegungen, mit ihren unzähligen NGOs und Vereinen, die von Ministerien, der EU, Stiftungen, Finanzkonzernen, Soros, USAID etc. subventioniert werden. Mit viel professioneller PR und Medienrummel bedienen ihre Massenevents die staatlich geförderte Meinung und politische Agenda der herrschenden Elite.
Der Protest der Friedensbewegung richtet sich gegen Regierungspolitik. Je deutlicher ihre Positionierung und je stärker die Meinungsfreiheit eingeschränkt wurde, desto größer ihre Missachtung oder Diffamierung durch Politik und Medien.
In der Friedensbewegung agieren lokale und bundesweite Organisationen und Einzelpersonen mit z.T. sehr unterschiedlichen ideologischen und politischen Positionen, auf die ich aber in diesem Rahmen nicht eingehen kann. Hinzu kommt die sog. „neue“ Friedensbewegung.
Wenn ich von DER Friedensbewegung spreche, dann ist das eine notwendige Verallgemeinerung. Es geht hier vor allem um die, in der BRD geprägte „alte“ Friedensbewegung, wie sie in ihrer Gesamtheit nach außen und in ihrem geschichtlichen Zusammenhang erscheint.
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Viele fragen, was ist aus der Friedensbewegung geworden, die im Kalten Krieg Anfang der 80er Jahre in der alten BRD Hunderttausende mobilisieren konnte im Kampf gegen die Stationierung der US-Atomraketen Pershing II und Cruise-Missiles.
Geschichtliche Entwicklungen werden meist von ihrem Ende her betrachtet. Manche erinnern sich gerne an die bunten Massen im Bonner Hofgarten. Was rückblickend oft vergessen wird: Die Großdemonstrationen waren das Ergebnis eines z.T. zähen politischen Kampfes, in dem Kommunisten, Anti-Imperialisten, Grüne, linke Sozialdemokraten, Gewerkschafter und Christen zusammenwirkten.
Fälschlicherweise wird diese Massenbewegung als pazifistische Bewegung bezeichnet. Auch wenn Pazifisten immer Teil von Friedensbewegungen sind, die Friedensbewegung per se ist keine pazifistische Bewegung.
Die NATO-Propaganda hatte die neuartigen US-Erstschlagwaffen als Antwort auf die sowjetischen SS-20 dargestellt. Natürlich gab es innerhalb der Friedensbewegung den Versuch, diese falsche Gleichsetzung durchzusetzen, unter dem Vorwand, nur auf der Grundlage der sog. Äquidistanz die gewünschte „Bündnisbreite“ erreichen zu können.
Der Bewegung, die um den Krefelder Appell so viel Momentum entwickelte, gelang es, ihre ganze Kraft auf den Widerstand gegen die neuen US-Atomraketen zu fokussieren. Die unterschiedlichen Kräfte waren bereit ihre politischen und ideologischen Meinungsverschiedenheiten und Forderungen zurückzustellen. Wer diese eine konkrete, gemeinsame und zentrale Forderung teilte, war willkommen. Gesinnungsprüfung und McCarthy-ähnliche Hexenjagd fand nicht statt. Die Friedensbewegung war inklusiv und nicht exklusiv.
Eines dürfen wir nicht vergessen: Die Bipolarität – Imperialismus gegen Sozialismus – bestimmte die geopolitischen Auseinandersetzungen. In der Friedensbewegung war das Bewusstsein über die politischen und militärischen Fronten prägend. NATO und Warschauer Vertrag standen sich gegenüber – und die BRD einer DDR, die von antifaschistischen Widerstandkämpfern aufgebaut worden war. In der DDR waren Frieden, Antifaschismus und anti-imperialistische Solidarität politische Grundlage und Aufgabe.
Der Staatsapparat der BRD hingegen war nicht nur durch hochrangige Beteiligung von Nazis und SS-Veteranen aufgebaut worden. Sie spielten eine wichtige Rolle in der Wirtschaft, Politik und Justiz. Natürlich auch in der Bundeswehr – ganz im Interesse der NATO, die gegen die Sowjetunion gegründet worden war.
Im Bundestag der alten BRD saßen über viele Jahre ehemalige NDSAP-Mitglieder. Den „Nachkriegskonsens: Keine Zusammenarbeit mit extremen Rechten“, den Olaf Scholz heute herbeifantasiert, hat es nie gegeben.
In der BRD wurde der Nazi-Faschismus systematisch reduziert auf den Völkermord an Juden. Der Raub- und Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion wurde nie aufgearbeitet. Das wirkt sich in der Politik der Bundesregierung gegenüber Israel und Russland bis heute aus. Deutsche Staatsraison bedeutet volle Unterstützung des israelischen Völkermords an Palästinensern. Die geopolitische Hauptstoßrichtung deutscher Außen- und Kriegspolitik ist heute wieder gegen Russland.
Von der bipolaren zur unipolaren Welt des „Menschenrechts“-Imperialismus
Als der BRD durch Gorbatschow die DDR auf einem Silbertablett überreicht wurde, feierte der tiefsitzende bundesdeutsche Revanchismus seinen langersehnten Sieg. Die BRD konnte sich nun an der DDR rächen, die sie seit 1949 mit allen Mitteln bekämpft hatte.
Die mediale Lügen- und Hetzkampagne gegen alles was DDR war, diente auch dazu, den Deutschen langfristig jeden Gedanken einer sozialistischen Alternative auszutreiben. Die PDS-Führung trug dazu bei mit ihren würdelosen Entschuldigungen für und Distanzierungen von der DDR – statt die Auseinandersetzung mit der Geschichte und dem Charakter der alten BRD zu suchen.
Viele in der Friedensbewegung der BRD hatten ihre Hoffnung auf die PDS gesetzt. Doch ihre Führung verabschiedete sich immer deutlicher vom Antiimperialismus und Antimilitarismus – beides zentrale Erkennungsmerkmale linker Politik. Schließich versprach Gregor Gysi dem US-Botschafter, er werde in seiner Partei die Forderung nach einem NATO-Austritt Deutschlands verhindern und mit der illusionären Forderung nach einer Auflösung der NATO ersetzen.
Der Verlust der Sowjetunion – des Gegenpols zum US-Imperialismus – und des Friedensstaates DDR führte zu einer allgemeinen Schwächung der politischen Linken in Deutschland – mit entsprechender Auswirkung auf die Friedensbewegung. Linke Koordinaten kamen durcheinander. Das begann mit der Begriffsverwirrung von „links“ und „rechts“, Begriffe, die heute oft in ihr Gegenteil verkehrt werden.
Der Krieg gegen Jugoslawien
Im neuen Großdeutschland konnte der alte BRD-Revanchismus, mit seiner völkischen Ideologie, die außenpolitischen Fesseln abwerfen, die ihm die Nachkriegsordnung auferlegt hatte. Er zielte sofort auf die Zerschlagung Jugoslawiens, begleitet von einer hysterischen anti-serbischen Hetze und Dämonisierung von Präsident Milosevic.
Das wirkte sich auf die Friedensbewegung aus: Sie schwieg – bis auf wenige Ausnahmen. Und ihre große Mehrheit schwieg, als unter der SPD-Grünen Regierung 1999 Außenminister Josef Fischer die Bombardierung Jugoslawiens mit seinem „Nie wieder Auschwitz!“ als antifaschistischen Akt deklarierte.
Die Beteiligung am völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der NATO gegen Jugoslawien war der Türöffner für deutsche Kriegseinsätze. Die Zerstörung des blockfreien Landes war auch der erste Einsatz der NATO außerhalb des eigenen Bündnisgebiets und diente als Rechtfertigung für ihre weitere Existenz.
Von nun an verteidigte die „Westliche Wertegemeinschaft“ mit „humanitären Interventionen“ die „Menschenrechte“ weltweit. Dafür schrieb sie sich die „regelbasierte internationale Ordnung“ auf die Fahne, die Volker Perthes, vormals Leiter der regierungsfinanzierten Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) im Klartext definierte: „Eine Allianz williger Staaten muss internationale Regeln ersinnen, ohne den Verdacht zu erwecken, dass es dabei um westliche Dominanz geht.“
„Krieg gegen den Terror“ und Regime-Change
Nach dem Anschlag in den USA vom 11. September 2001, sicherten sich die, mit Israel eng verbundenen US-Neokonservativen, entscheidenden Einfluss auf die US-Außenpolitik. Der sog. „Krieg gegen den Terror“ diente ihnen als Vorwand für den Krieg gegen Afghanistan. Sog. „Humanitäre Interventionen“ dienten den Regime-Change Operationen u.a. gegen Irak, Libyen und Syrien zur „Neuordnung des Mittleren Osten“.
Um störenden Protest an der westlichen „Heimatfront“ zu verhindern, wurde das immer gleiche Propaganda-Drehbuch durchgespielt:
US-Geheimdienste nutzten soziale Unzufriedenheit in den sog. Schurkenstaaten, schürten latente Konflikte, unterstützten materiell – auch mit Waffen – oppositionelle Kräfte, um Proteste zu Aufständen auszuweiten und staatliche Repressionen zu provozieren. In groß angelegten Medienkampagnen und mit Hilfe von NGOs wurden die Staatsoberhäupter dämonisiert. Zum „Schutz der Zivilgesellschaft“ wurden die Länder mit Sanktionen geknebelt und schließlich mit Gewalt terrorisiert.
Vom Westen finanzierte und instruierte NGOs wurden ein wichtiger Teil der hybriden Kriegsführung, auch in den sog. Farbrevolutionen an der Peripherie Russlands. Die derzeitigen Enthüllungen über die Aktivitäten von USAID bestätigen, was vorher gerne als „Verschwörungstheorie“ abgetan wurde.
Die Friedensbewegung muss die imperialistischen Regime-Change Operationen in ihren geopolitischen Zusammenhängen sehen und sich davor hüten, eigene, zumal eurozentristische Vorstelllungen auf andere Länder zu projizieren. Nicht wir, sondern die Menschen in den angegriffenen Ländern erleiden schließlich die Konsequenzen.
Von der eigenen Regierung muss gefordert werden: Keine direkte oder indirekte Beteiligung und Unterlassung aller Aktivitäten, die die Lage in den angegriffenen Ländern weiter anheizen.
Durch die Schwächung der anti-imperialistischen Kräfte nach 1990 war der ideologische Einfluss des „Menschenrechts“-Imperialismus besonders fatal auch in der Friedensbewegung. Beeinflusst vom Propaganda-Drehbuch, distanzierten sich Akteure der Friedensbewegung in Aufrufen und Reden immer wieder aufs Neue vom jeweils dämonisierten Feind, um „glaubwürdig“ zu sein. Diese Distanzierungsrituale schwächten die Friedensbewegung.
Kriegswaffe „Sanktionen“
Erinnern wir uns: Als eine CBS-Journalistin 1996 die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Madeleine Albright fragte, ob der Tod von mehr als einer halbe Million Kinder, als Folge der Sanktionen gegen Irak den Preis wert sei, antwortete sie „ja das ist den Preis wert“.
Hier sei angemerkt, dass der Begriff „Sanktionen“ der Verschleierung dient: Denn nichts und niemand gibt einem Staat oder einem Staatenbündnis wie der EU das Recht, selbstherrlich Strafmaßnahmen zu verhängen. Dazu ist allein der UN-Sicherheitsrat legitimiert. In UN-Dokumenten werden sie daher als „unilaterale Zwangsmaßnahmen“ bezeichnet.
Sanktionen sind ein völkerrechtswidriges Instrument des Krieges. Große Teile der Friedensbewegung haben nie oder kaum gegen die Sanktionspolitik protestiert. Wir sehen das auch heute mit den Sanktionen der USA und EU gegen Russland, die von Teilen der gesellschaftlichen Linken und der Friedensbewegung sogar unterstützt werden.
Die NATO rückt vor Richtung Russland
Zum Abzug der alliierten Streitkräfte aus Berlin 1994 hatten die USA und die Stadt Berlin eine gemeinsame Parade aller Alliierten abgelehnt. Sie wollten damit die sowjetischen, bzw. russischen Truppen demütigen.
Der bekannte DDR-Schriftsteller Volker Braun notierte dazu: „Die gesonderte Verabschiedung der russischen Streitkräfte war eine stille Kriegserklärung an Russland. Die Westalliierten, die im 2. Weltkrieg zögernd die zweite Front eröffnet hatten, sind im 3. auf deutscher Seite.“
Es dauerte nicht lange und die NATO begann, samt Aufbau militärisch-technischer Infrastruktur, Richtung Russland vorzudringen – entgegen der Abmachungen.
Russlands diesbezüglicher Vorwurf wurde durch den Fund eines Vermerks im britischen Nationalarchiv bestätigt. Demnach hatte Bonns Vertreter Jürgen Chrobog erklärt:
„Wir haben in den Zwei-plus-Vier-Verhandlungen deutlich gemacht, dass wir die NATO nicht über die Elbe hinaus ausdehnen.“
Das eigentliche Ziel der NATO-Osterweiterung war die Ukraine. Ohne die Ukraine könne Russland keine Großmacht mehr werden, schrieb der bekannte US-Stratege Brzeziński 1997. In den NATO-Ländern war man sich des Risikos einer NATO-Ausdehnung in die Ukraine bewusst – und damit der Verletzung der legitimen Sicherheitsinteressen Russlands. Das belegen inzwischen zahllose Aussagen westlicher Diplomaten, Militärs und Experten.
Der ungarische Ex-Diplomat, Dr. György Varga, machte vor kurzem auf einen weiteren wichtigen Aspekt aufmerksam, der hierzulande kaum Beachtung fand: Bei ihrem Gipfel in Bukarest 2008 hatte die NATO mit ihrer Ankündigung einer Mitgliedschaft der Ukraine die nationale Souveränität der Ukraine verletzt. Diese hatte sich nämlich seit ihrer Unabhängigkeit in ihren grundlegenden Dokumenten als „ständig neutrales und blockfreies“ Land definiert. Als solches war sie auch von Russland anerkannt worden.
Der Krieg gegen Russland
Leider ist es aus Zeitgründen im Rahmen dieses Vortrags nicht möglich, die mit genauen Fakten belegte, bewusst organisierte westliche Eskalation des Konflikts darzustellen, die zum Einschreiten der russischen Armee führen musste und die bis heute von Politik und Medien systematisch ignoriert wird. Die Einzelheiten sind alle nachzulesen in zahllosen Berichten westlicher Insider, z.B. von Jeffrey Sachs, Jacques Baud, György Varga, etc.
Auch in der Friedensbewegung hatten viele anfänglich die Vorgeschichte ausgeblendet oder kleingeredet. Im Eiltempo hatten sie Russland abgeurteilt unter Auslassung wichtiger Bestimmungen des Völkerrechts, die diesem Einschreiten zugrunde liegen.
Bereits 2014, nach dem Beitritt der Krim zur Russischen Föderation hatte das Ignorieren der Geschichte und die selektive Auslegung des Völkerrechts zum ständigen Distanzierungsritual von der sog. „völkerrechtswidrigen Annexion der Krim“ geführt.
Dass mit diesem Beitritt der Plan aus Sewastopol einen US/NATO-Stützpunkt gegen Russland zu machen, vereitelt wurde – womit eine höchst friedensgefährdende Situation entstanden wäre – spielte für den Großteil der Friedensbewegung keine Rolle.
Am Morgen des 24. Februar 2022, als die russische Intervention begann, sollte offenbar ganz schnell der Ton vorgegeben werden für die Reaktion der Friedensbewegung. Bereits um 08:25 wurde über den offiziellen E-Mailverteiler des Bundesausschuss Friedensratschlag eine Erklärung verteilt. Darin verurteilten Reiner Braun und Willy van Ooyen die „militärische Aggression Russlands“, die auch durch die „Mitschuld des Westen“ (…) keinesfalls gerechtfertigt“ sei. Und sie erklärten „es gibt keine militärische, sondern nur eine politische Lösung auf der Basis der Prinzipien der gemeinsamen Sicherheit“.
Diesen beiden prominenten Akteuren der Friedensbewegung war sehr wohl bekannt, dass Russland genau diese Lösung den USA und der NATO im Dezember 2021 mit konkreten Vorschlägen für Verträge über gegenseitige Sicherheitsgarantien angeboten und dann im Februar 2022 vergeblich wiederholt hatte.
Ein von Politik und Medien organisierter anti-Putin Tsunami überrollte das Land. In einer Sondersitzung des Bundestages wurde der damalige ukrainische Botschafter Andrij Melnyk, bekennender Verehrer des Nazi- und SS-Kollaborateurs und Massenmörders Stepan Bandera, als Ehrengast empfangen. Alle Fraktionen erhoben sich (einschließlich der Linken aber nur wenige Abgeordnete der AfD) und begrüßten ihn mit langanhaltendem Applaus.
Blau-Gelb beflaggt feierte Deutschland seine moralische Hybris. Die bedingungslose Unterstützung der Ukraine wurde oberste Priorität deutscher Politik – einer Ukraine, die per Gesetz die russische Sprache aus dem öffentlichen Leben verbannte, allem Russischem den Kampf ansagte, alle oppositionellen Parteien, regierungskritische Zeitungen und die Russisch-Orthodoxe Kirche verbot, Dissidenten verfolgt, foltert und ermordet, Nazi- und SS-Kollaborateure als Helden verehrt und faschistische Bataillone in ihre Armee integrierte.
Bundeskanzler Scholz kennt in seinem Geschichtsrevisionismus keine Roten Linien. Er erklärte die Unterstützung dieser Ukraine als „Vermächtnis des 8. Mai“.
Auf einer Schleimspur hatte die Bundesregierung Washington unverbrüchliche Treue geschworen. Der Grüne Vizekanzler Habeck hatte seinem Herrn und Meister in Washington versprochen, dass Deutschland eine „dienende Führungsrolle“ im Kampf gegen Russland spielen werde.
Als Schoßhündchen Bidens und Blinkens hatten die Politikerinnen und Politiker Putin jahrelang hysterisch angekläfft. Sie hatten Diplomatie durch Sanktionen und Eskalation ersetzt. Drei Jahre hatten sie damit verbracht, alle Brücken nach Moskau einzureißen.
Putin wolle keinen Frieden, wir müssen ihn militärisch an den Verhandlungstisch zwingen, war das Mantra, das der Bevölkerung tagein, tagaus heruntergebetet wurde.
Und dann kam Donald Trump und brachte durch ein Telefonat mit Putin das Kartenhaus aus anti-russischen Lügen zum Einsturz. Das kennen deutsche Politiker nicht mehr, einen Dialog, offenbar geprägt von gegenseitigem Respekt. Mit ihren britischen und EU-Kollegen gerieten diese russophoben Fanatiker vollends in Panik. Plötzlich droht der Frieden!
Die Friedensbewegung grenzt sich ein
Die „alte“ Friedensbewegung hatte schon 2014 eine Brandmauer „gegen rechts“ errichtet, gegen die Montagsmahnwachen für den Frieden. Die Brandmauer wurde immer höher, als die Bewegung gegen die anti-demokratischen Corona-Maßnahmen den Kampf für den Frieden aufgenommen hatte. Durch die Diffamierungen, die diese Bewegung erfahren hatte, hatten sie ein widerständigeres Potential entwickelt, das vielen in der „alten“ Friedensbewegung schon längst abhandengekommen war.
Dies gilt insbesondere für die Ostdeutschen, die die sog. Deutsche Einheit vor allem als westdeutsche Hybris, als permanente Diffamierung ihrer eigenen Lebensleistung und der Errungenschaften der DDR erfahren.
Allgemein weniger anfällig für die NATO-Propaganda, wurde von ihnen der Zusammenhang zwischen den steigenden Energiepreisen, ihrer wachsenden Armut und antirussischen Sanktionen schnell erkannt und benannt.
Was der deutsche Faschismus in der Sowjetunion angerichtet hatte, spielt zudem für die Ostdeutschen aufgrund ihres Geschichtsbewusstseins eine unvergleichlich höhere Rolle als für die Westdeutschen. „Freundschaft mit Russland“ empfinden auch heute noch sehr viele Ostdeutsche, während viele in der westlich dominierten „alten“ Friedensbewegung diesen Begriff kaum über ihre Lippen bringen.
Die herrschende Kriegsallianz konnte eine Aktionseinheit von „alter“ und „neuer“ Friedensbewegung nicht zulassen. Mit aktiver Schützenhilfe von Parteien, Medien und diversen Organisationen, die sich selbst als „antifaschistisch“ bezeichnen, wurde die „neue“ Friedensbewegung als „rechts-offen“ diffamiert.
Doch was ist „rechts-offen“, wenn Menschen für Diplomatie, Frieden und Verständigung mit Russland demonstrieren – auch wenn sie mit der AfD sympathisieren. Sind die Forderungen rechts? Den Organisatoren der Friedensaktionen käme doch nicht in den Sinn, Demonstranten auszuschließen, die „Diplomatie statt Waffen“ fordern, auch wenn sie Wähler oder Mitglieder der Grünen und SPD sind, den hauptverantwortlichen Waffenlieferanten und Kriegshetzern.
Oder wäre z.B. ein Streik von abhängig Beschäftigten für gemeinsame Forderungen vorstellbar, würden alle Streikwilligen erst nach ihrem Wahlverhalten überprüft?
Die „alte“ Friedensbewegung aber grenzte sich in ihrer ohnehin schwachen Mobilisierung auch noch mit Brandmauern ein.
Inzwischen gibt es auf lokaler und regionaler Ebene erfolgreiche Bemühungen die Gesinnungs-Brandmauer einzureißen und sich nicht von den sog. „Antifas“ einschüchtern zu lassen.
Die Friedensbewegung muss raus aus der Defensive
Die Osterweiterung der NATO mit Truppenstationierungen und Militärmanövern, waren immer ein zentrales Thema des Protestes der Friedensbewegung. Als Russland nach vergeblichen Bemühungen den Ukraine Konflikt friedlich zu lösen, der NATO am
24. Februar 2022 deutlich machte „bis hierher und nicht weiter“, versagte die Friedensbewegung. Eine ernsthafte Antwort auf die Frage, welch andere Option Russland denn gehabt hätte, blieb bis heute aus.
Die Friedensbewegung hat sich von Anfang an selbst in die Defensive gebracht.
Mit der Übernahme des NATO-Mantras vom „völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieg“ wollte sie „glaubwürdig“ und nicht „angreifbar“ sein. Damit hat sie, laut Albrecht Müller, dem Herausgeber der NachDenkSeiten, nur dazu beigetragen „Vorurteile und Aggressionen gegen Russland“ zu verstärken.
Warum hat die Friedensbewegung, die sich auf den Antifaschismus beruft, nicht in jedem Aufruf und auf jeder Kundgebung dagegen protestiert, dass Deutschland politisch, finanziell und militärisch ein Nazi-verherrlichendes Regime in Kiew unterstützt. Damit hätte sie die Regierung in Erklärungsnot bringen können.
Warum hat sie nicht die Offensive ergriffen und immer wieder darauf verwiesen, dass die Bundesregierung durch ihre Sabotage von Minsk II am Krieg mitschuldig ist und die NATO im April 2022 die Istanbul-Vereinbarung zur sofortigen Beendigung der Kampfhandlungen verhindert hat.
Mit äquidistanten Forderungen wie „Waffen nieder“ und „Verhandeln“ hat die Friedensbewegung vermieden klarzustellen, dass nicht Putin, sondern Selenskij und seine NATO-Auftraggeber beides konsequent verweigerten.
Verantwortlichkeiten klar zu benennen und Forderungen entsprechend zu adressieren ist Teil der Aufklärung, die die Friedensbewegung leisten muss.
Die Mehrheit der Friedensbewegung schwieg zur russophoben Stimmungsmache, die von Politik und Medien systematisch betrieben wurde. Sie hat drei Jahre lang vermieden, den dringend notwendigen Widerstand gegen die zunehmende Volksverhetzung aufzubauen – aus Angst „Bündnispartner“ zu verprellen.
Was sind Bekenntnisse zur deutschen Verantwortung vor der Geschichte, wenn sich die Friedensbewegung nicht offensiv gegen die völlig enthemmte Anti-Russland-Propaganda der deutschen Regierung stellt, die jede anti-soziale und anti-demokratische Maßnahme mit „Putin“ rechtfertigt.
Die „Vernichtung der Lebenskraft Russlands“, wie Hitler es formuliert hatte, war nicht gelungen. Die deutsche Außenministerin wollte „Russland ruinieren“. Und der deutsche Kanzler gelobte: „Es muss unser Ziel bleiben, dass Russland diesen Krieg nicht gewinnt.“
Doch die Realität ist hartnäckig, Fakten am Ende immer stärker als Fakes. EU und Bundesregierung hatten den Krieg in der Ukraine als ihren eigenen Krieg gegen Russland propagiert. Drei Jahre lang hatten sie die „Schwäche“ Putins beschworen und täglich den Sieg Kiews verkündet. Die Niederlage Kiews wird zur eigenen Niederlage.
Nun stehen sie vor ihrer gescheiterten Politik. Das können sie nicht eingestehen. Mit allen Mitteln versuchen sie einen möglichen Friedensprozess zu torpedieren.
Die Bundesregierungen haben das eigene Land an den Rand des wirtschaftlichen Ruins gebracht – mit ihrem „Green Deal“, den Corona-Maßnahmen, den Sanktionen gegen Russland und der Alimentierung des Ukraine-Krieges. Frieden und politische Entspannung würde der Bevölkerung das ganze Desaster der Regierungspolitik deutlich machen.
Was eignet sich in diesem Deutschland besser zur Ablenkung von der eigenen Schuld als „Putin“? Also muss Putin nach der „Eroberung der Ukraine“ nach Westen weitermarschieren, denn Deutschland hat beschlossen bis spätestens 2030 „kriegstüchtig“ zu werden mit Kriegskrediten in Billionenhöhe, beispielloser Aufrüstung und Militarisierung der Gesellschaft.
Die immer extremere Einengung der Meinungsfreiheit in den letzten Jahren hat die Bevölkerung eingeschüchtert. Die Angst vor der angeblichen „russischen Bedrohung“ soll sie vollends gefügig machen, um die drohende wirtschaftliche und soziale Katastrophe widerstandslos hinzunehmen. Dem muss die Friedensbewegung entgegenwirken.
Wie war der Westen doch überzeugt, sein Sieg im Kalten Krieg sei das Ende der Geschichte und die NATO die Garantie seiner globalen Vorherrschaft. Und dann kam Putin, bot dem siegestrunkenen „kollektiven Westen“ die Stirn und zerschmetterte dessen Allmachtsanspruch.
Der 24. Februar 2022 markiert das Ende der unipolaren Welt. Das Eingreifen Russlands wirkte geopolitisch wie ein Katalysator und hat die Dynamik der internationalen Entwicklung, Richtung einer multipolaren, demokratischen Weltordnung, auf der Basis der „souveränen Gleichheit“ aller Nationen beschleunigt. Es hat bereits Ländern im globalen Süden, insbesondere in Afrika, neuen Aufrieb gegeben in ihrem Kampf gegen den Neokolonialismus.
Die Friedensbewegung muss sich klar werden, wer in den internationalen Konflikten und in dieser geopolitischen Entwicklung welche Interessen verfolgt. Sie muss sich entscheiden wo sie steht.
Im Mai jährt sich zum 80sten Mal der Tag der Befreiung vom deutschen Faschismus durch die Rote Armee. Das deutsche Außenministerium empfiehlt, russische und belarussische Diplomaten von offiziellen Veranstaltungen auszuschließen – wenn nötig sie vor die Tür zu setzen. Man wolle vermeiden, dass diese Diplomaten mit ihrer „Propaganda, Desinformation und geschichtsrevisionistischer Verfälschung“ das Gedenken der Deutschen „instrumentalisieren“.
Jegliches Schuld- und Schamgefühl über die eigene deutsche Geschichte wurde abgelegt. Der Angriffskrieg Nazideutschlands, der 27 Millionen Tote und verbrannte Erde in der Sowjetunion hinterließ, soll endgültig aus dem Gedächtnis der Deutschen getilgt werden. Mit anti-russischer Hysterie, die Goebbelsches Ausmaß schon längst übertroffen hat, soll die deutsche Bevölkerung erneut in den Krieg gegen Russland gehetzt werden.
Die Friedensbewegung muss endlich den Mut haben, die anti-russische Aggressionspolitik als zentrales Problem zu benennen und zu bekämpfen. Und sie muss der Bevölkerung klarmachen:
Deutschlands Feind ist nicht Russland, sondern Geschichtsfälschung, Verantwortungslosigkeit, Größenwahn und der völlige Realitätsverlust seiner Regierung und des politisch-medialen Establishments.
Doris Pumphrey ist langjährige Aktive in der Friedensbewegung, u.a. in der Friedenskoordination Berlin.
Bild oben: Ostermarsch 2018 in Berlin-Moabit
Foto: Bernd.Brincken, CC BY-SA 4.0
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