Was das Krisenbarometer Gold über Trumps Zoll- und Geldpolitik sagt
Die Goldpreise brechen Rekorde und derzeit verstoßen sie dabei auch gegen „Gesetze“ der Finanzmärkte, was unter Experten für Unruhe sorgt.
von Anti-Spiegel, d.i. Thomas Röper
Erstveröffentlichung am 10.04.2025 auf anti-spiegel.ru
Die Finanzmärkte gehen gerade durch eine Krise, für die die Mainstream-Medien Trumps Zölle verantwortlich machen. So einfach ist es jedoch nicht, denn anscheinend ist die finanzielle Lage der USA weitaus ernster als viele meinen, denn derzeit einige der als Naturgesetze bekannten Regeln der Finanzmärkte außer Kraft gesetzt.
Der Spiegel hat darüber beispielsweise unter der Überschrift „Alarm an den Finanzmärkten – Was der Absturz der US-Staatsanleihen bedeutet“ berichtet. Das Problem ist, dass an den Finanzmärkten bisher eine goldene Regel galt: Wenn die Aktienkurse einbrechen (wie beispielsweise jetzt wegen Trumps Zöllen), dann gehen die Anleger in sicher Staatsanleihen. Aber dieses Mal gilt die Regel nicht, denn auch die US-Staatsanleihen werden von den Anlegern gemieden und ihre Kurse brechen ein.
Das hat einen Analysten, den mehrere deutsche Medien (ein wenig falsch übersetzt) zitiert haben, zu der Aussage gebracht, „Sell America“ sei nun angesagt und der Dollar wirke, zumindest kurzfristig, wie „das schmutzigste Hemd im Wäschekorb“.
Das bestätigt die Aussage eines russischen Experten, dessen Artikel ich gerade erst übersetzt und unter der Überschrift „Verzweiflungstat? Was steckt hinter Trumps Zöllen?“ veröffentlicht habe, der Trumps Zollkrieg damit begründet, dass Trump verzweifelt versucht, einen Staatsbankrott der USA abzuwenden, der laut Bloomberg-Experten schon im Sommer eintreten könnte, weil die US-Schulden und die Kosten, sie zu bedienen, außer Kontrolle geraten und auch das US-Handelsdefizit hoffnungslos ist.
Das scheinen Trumps Gründe zu sein, denn er versucht mit aller Gewalt, den Dollar zu retten und riskiert dafür Einbrüche an den Börsen und verlangt von allen Ländern der Welt ultimativ, ihr Handelsdefizit mit den USA schnell abzubauen. Auch der Auftrag an Elon Musk, in aller Eile zwei Billionen im US-Haushalt einzusparen, fügt sich nahtlos in dieses Bild ein.
Natürlich bedeutet das nicht, dass die USA im Sommer zwangsläufig pleite gehen, aber selbst wenn die Fed beispielsweise „nur“ gezwungen sein sollte, Dollars zu drucken, um US-Schulden aufzukaufen, die der US-Staatshaushalt nicht pünktlich zurückzahlen kann, dann droht dem Dollar natürlich ein Vertrauens- und Kursverlust.
Der Goldpreis steigt hingegen gerade auf Rekordkurse, was zu bedeuten scheint, dass die Anleger aus dem Aktien- und Staatsanleihenmarkt ins Gold flüchten, weil sie zu Aktien und (US-)Staatsanleihen derzeit kein Vertrauen haben. Darüber hat ein Experte der russischen Nachrichtenagentur TASS einen interessanten Artikel geschrieben, den ich übersetzt habe.
Beginn der Übersetzung:
Gold als wirtschaftliches Krisenbarometer – Zeichen auf Sturm vor allem für die USA
Michail Beljajew darüber, wie die Anstiege des Goldpreises die Probleme der US-Wirtschaftspolitik aufzeigen
Die Goldkurse erreichten Ende März dieses Jahres erneut einen historischen Höchststand und überschritten die Marke von 3.150 US-Dollar pro Feinunze (31,2 g). Das gelbe Metall symbolisiert seit Jahrtausenden Wohlstand und Reichtum und erfreut sich aufgrund der stets hohen Nachfrage ständig steigender Preise. Experten zufolge betrug die durchschnittliche Steigerungsrate des Goldpreises in der späteren Nachkriegszeit acht Prozent pro Jahr. (Gemäß den Beschlüssen der Bretton-Woods-Konferenz von 1944 wurde der Goldpreis auf 35 US-Dollar pro Unze festgelegt.) Diese Dynamik ist für ein Finanzinstrument recht ordentlich. Doch für einen Anstieg um 27 Prozent in einem Jahr (2024) und um fast 18 Prozent in einem Quartal (seit Anfang 2025) müssen die Gründe außergewöhnlich sein.
Sind die Gründe jenseits des Atlantik?
„Jein“. Nein, denn trotz allen Argumenten einerseits der Marxisten über „Goldfetischismus“ und darüber, dass der Glanz des Goldes die Augen blende, und andererseits der Keynesianer, die es als barbarisches Relikt der Vergangenheit bezeichneten, wird dieses Metall von den Anlegern als ein bevorzugtes Anlageobjekt angesehen. Daher steigt in schlechten Zeiten instabiler wirtschaftlicher und politischer Lage zwangsläufig die Nachfrage nach Gold und damit auch der Preis.
Gold hat sich aufgrund seiner Eigenschaften wie Haltbarkeit (man geht davon aus, dass fast das gesamte von Menschenhand geförderte Metall bis heute auf der Welt erhalten geblieben ist), Teilbarkeit (ohne Qualitätsverlust der einzelnen Teile, was man beispielsweise von einem Hammel oder der Haut eines Pelztiers nicht behaupten kann) und hohem Preis pro Gewichtseinheit (nennen wir es spezifische Tragbarkeit) an die Spitze des gesamten Rohstoffspektrums gesetzt.
Natürlich haben sowohl Marxisten als auch Keynesianer teilweise recht, schließlich hat Gold praktisch keinen sinnvollen Nutzen. Etwa 40 bis 60 Prozent des geförderten Metalls gehen an das Juweliergewerbe, während private Investoren und Zentralbanken jährlich 10 bis 15 Prozent aufkaufen. Und nur die restlichen 20 bis 25 Prozent werden von der Luft- und Raumfahrtindustrie, Herstellern von Computern, Elektronik und Elektrogeräten sowie von medizinischem Fachpersonal verbraucht. Aufgrund der erheblichen Bedarfsschwankungen in den einzelnen Bereichen ist es nicht möglich, genauere Zahlen zu nennen. Und dennoch setzt sich die Psychologie durch und führt zu einer stabilen Nachfrage nach dem Metall, in das zu investieren, als „stiller Hafen“ gilt, der die Sicherheit der angelegten Mittel garantiere.
Doch es gibt auch ein „Ja“, das den aktuellen Preissprung vorbestimmt hat: Der gestiegene Wunsch oder vielmehr das Streben, seine Gelder abzusichern, indem man sie in solide, materielle Vermögenswerte umwandelt, ist auf die drastische Destabilisierung der globalen Lage zurückzuführen. Und zwar nicht so sehr auf ihren Verfall, sondern vielmehr auf die Schwierigkeit der Vorhersage, auf die Unmöglichkeit, auch nur die groben Umrisse der nahen Zukunft zu prognostizieren.
Im Jahr 2024 lebte die Welt in freudiger Erwartung des Regierungswechsels in den USA und hegte eine gewisse Hoffnung auf zumindest einen vernünftigen Neuanfang. Dennoch gab es auch Besorgnis und der Goldpreis stieg schon damals. Der Beginn des Jahres 2025 mit der neuen Regierung im Weißen Haus hat keine Klarheit über die Zukunft gebracht, sondern diese eher noch weiter vernebelt und die alarmierte Unsicherheit erhöht. Gold, ein ziemlich sensitives Barometer, reagierte sofort und erzielte Rekordkurse.
Neben dem allgemeinen „Ja“ gibt es auch spezifische Faktoren. Die Unsicherheit und sogar Unvorhersehbarkeit der Schritte des derzeitigen US-Präsidenten sowie die wirtschaftlichen Probleme, die vor allem mit der wachsenden Verschuldung der USA zusammenhängen, haben die Attraktivität US-amerikanischer Wertpapiere verringert, die hinsichtlich ihrer Zuverlässigkeit bisher nach Gold an zweiter Stelle standen. Es scheint, dass US-Schuldverschreibungen diese Position nun verlieren. Da es jedoch bisher niemanden gab, der sie mit einem ähnlich verlässlichen Wertpapier wirksam ersetzen konnte, ist stattdessen eben die Nachfrage nach Gold noch weiter gestiegen. Demnach könnte der Goldpreis laut Goldman Sachs bis Ende 2025 auf 3.300 US-Dollar pro Unze steigen.
Superschwergewicht gegen Fliegengewichte
Aus denselben Gründen schwindet die Begeisterung und Aura der Superzuverlässigkeit rund um Kryptowährungen, die für eine hohe Investitionsnachfrage gesorgt hatte. Wo Gold zumindest eine gewisse materielle Grundlage für die Preisbildung bietet (in vollem Umfang kann die Schmuckindustrie diese Rolle aus offensichtlichen Gründen nicht übernehmen), haben Kryptowährungen überhaupt keine, egal wie clever die Formeln sind, die sie verwenden. Der Preis einer Kryptowährung hängt ganz von der Stimmung der Anleger ab. Und angesichts schwankender Notierungen verlieren die Anleger ihren Optimismus eben.
So wurde der Preishöchststand der wichtigsten Kryptowährung Bitcoin am 17. Dezember 2024 erreicht und belief sich auf 108.268 US-Dollar pro Coin. Und am 2. März 2024 lag der Bitcoin-Kurs bei 94.393 US-Dollar, am 10. März bei 79.642 US-Dollar und am 31. März bei 83.539 US-Dollar. In absoluten Zahlen ein unrealistisch hoher Betrag. (Im Jahr 2009 wurden Tausende von Bitcoins zu einem Preis von 0,003 Cent verkauft, und im Jahr 2010 wurden bereits 0,50 Dollar pro Einheit verlangt) Aber wer den Coin im Dezember des Vorjahres für 100.000 gekauft hat, was soll er denn jetzt damit anstellen? Obwohl er leicht zu kaufen ist, ist er viel schwieriger zu verkaufen. Ein Anlageinstrument muss sich neben der Wertstabilität auch durch Liquidität, also die Möglichkeit der Rückverwandlung in Geld, auszeichnen. Nach all diesen Kriterien gleicht Gold im Vergleich zu zahlreichen Kryptowährungen einem Schwergewichtsboxer gegen die „Fliegengewichte“ – Sportler der leichtesten Gewichtsklasse bis 49 Kilo.
Zeichen auf Sturm
Wenn wir zugeben, dass Gold die Rolle eines Barometers spielt, können wir nicht nur davon ausgehen, dass schwierige Zeiten bevorstehen, sondern auch davon, dass diese Zeiten für die USA besonders schwierig sein werden. Ihr Hauptrisiko besteht darin, dass es ihnen vielleicht nicht gelingen wird, die mittlerweile unattraktiven Schuldtitel weiterhin an den Mann zu bringen, um eine pünktliche Schuldentilgung sicherzustellen und eine Staatspleite zu vermeiden.
Und diese Gefahr besteht und wächst ständig. Experten von Bloomberg behaupten einerseits nicht, bestreiten andererseits aber auch nicht, dass es im Juli dieses Jahres zu einem teilweisen Zahlungsausfall (Nichterfüllung der Verpflichtungen aus irgendeinem Paket) kommen könnte. Ein solches Ereignis zieht eine Herabstufung der Bonität des Kreditnehmers nach sich, was erhebliche Schwierigkeiten beim Verkauf von Schuldverschreibungen mit sich bringt und den Zusammenbruch der Schuldenpyramide zur Folge hat. Das Szenario ist schlicht apokalyptisch.
Bis zu einem gewissen Grad (obwohl derzeit kein direkter Austausch nationaler Währungen, einschließlich des US-Dollars, stattfindet) bedeutet die Aufmerksamkeit der Anleger für Gold, wie wir sie heute beobachten, Misstrauen gegenüber dem Weltwährungssystem und untergräbt die Position des US-Dollars. Das zeigt sich daran, dass die Zentralbanken seit einigen Jahren den Dollar in ihren Reserven durch Edelmetalle ersetzen, was deren Nachfrage auf dem Weltmarkt erhöht und die Kurse in die Höhe treibt.
Ist das der Grund, warum Trump mit aller Kraft versucht, auf Kryptowährungen (aus eigener Entwicklung) zu setzen, die Hebel der Kontrolle in seinen Händen zu konzentrieren, Gold aus dem Weg zu räumen und gleichzeitig den Dollar durch ein Instrument unter seiner Kontrolle zu ersetzen?
Gold: für Russland eine gewinnbringende Ware
In Russland, einem der führenden Goldförderländer, spielt das Edelmetall eine doppelte Rolle. Einerseits wird ein Teil des geförderten Metalls von der russischen Zentralbank aufgekauft, um die Gold- und Devisenreserven aufzufüllen, und ein Teil landet in der Gochran, der staatlichen Schatzkammer Russlands. Für die Industrie ist das Metall jedoch ein Rohstoff und eine Verkaufsware. Leider weichen die Daten zur Metallförderung aus verschiedenen Quellen, wenn auch nur geringfügig, voneinander ab. Nach Angaben des World Gold Council wurden im Jahr 2023 in Russland 321,8 Tonnen des Metalls abgebaut. Nach Angaben des russischen Finanzministeriums brachten die Exporte dieses Rohstoffs dem Land im Jahr 2024 13,6 Milliarden Dollar ein. Laut des Zentralen Forschungsinstituts für geologische Prospektion von Nichteisen- und Edelmetallen beabsichtigen Russlands Goldförderungsunternehmen, ihre Fördermengen bis zum Jahr 2030 auf 600 bis 700 Tonnen zu steigern.
Neben den klassischen industriellen Metallabnehmern agieren auch private Investoren auf dem russischen Markt. Nach der Abschaffung der 20-prozentigen Mehrwertsteuer auf den Kauf und Verkauf von Anlagebarren und -münzen im Jahr 2022, auch im Zuge der Entdollarisierung, hat die Aktivität in diesem Marktsegment stark zugenommen. Wenn private Anleger im Jahr 2021 Anlageinstrumente im Äquivalent von 5,3 Tonnen Gold erwarben, so waren es im Jahr 2022 sage und schreibe 75 Tonnen, und im Jahr 2023 schätzte das russische Finanzministerium das Verkaufsvolumen von Barren und Münzen auf 95 Tonnen. Die Öffnung des Zugangs zu Goldtransaktionen für private Investoren können wir bis zu einem gewissen Grad den „Überhang“ von Geld binden und so die Rolle eines Stabilisators des Geldumlaufs in Russland übernehmen.
Goldene Garantie des digitalen Zeitalters
Auch heute noch spielt Gold im Wirtschaftsmechanismus eine wichtige Rolle. Seine Rolle ist in stabilen Perioden nicht besonders bemerkbar. In Zeiten einer Verschärfung der internationalen Lage wird sie jedoch deutlich wichtiger und merkbarer: Es dient als sensitiver Indikator und liefert die Grundlage für die Entwicklung oder Anpassung einer Verhaltenslinie auf internationaler Ebene.
Wir sehen, dass die Edelmetallpreise stark gestiegen sind, was eine Einschätzung der extrem egoistischen und risikoreichen Wirtschaftspolitik eines der weltweit führenden Länder – der USA – darstellt.
Ende der Übersetzung
Thomas Röper, geboren 1971, lebt seit über 15 Jahren in Russland. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
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