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Jubel über Eskalation durch Freigabe weitreichender Waffen

Menschenverachtende ″Uni-Polaristen″ jubeln über Eskalation
Grünes Licht für Freigabe weitreichender westlicher Waffen gegen Russland.

von Wolfgang Effenberger

Auch veröffentlicht am 22.11.2024 auf apolut.net

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Mit den vier Worten „This is great news“ (Das sind großartige Neuigkeiten) begann Alexander Soros, Sohn des Finanzspekulanten George Soros, am 17. November 2024, seinen Beitrag auf X (vormals Twitter).(1) Dazu hatte sich der Soros-Sprössling auf die Eil-Meldung des Wall Street Journals (WSJ) bezogen:

„Präsident Biden hat zum ersten Mal ukrainische Streitkräfte autorisiert, im Westen hergestellte Langstreckenwaffen für Angriffe innerhalb Russlands einzusetzen.“(2)

Gleichlautende Eil-Meldungen erschienen in der Online-Ausgabe der New York Times sowie in den „Nachrichten der Woche“ im russischen Staatsfernsehen, dass sich eines Kommentars enthielt. Das machte dann Gilbert Doctorow, ein unabhängiger politischer Analyst Europäischer Koordinator des „American Committee for East West Accord Ltd.“ in Brüssel.(3)

Für Doctorow wiederholt sich ein Vorgang, der schon bei der ersten Wahl von Donald Trump im November 2016 zu beobachten war.

Die Obama-Regierung reagierte, indem sie die Monate vor der Amtsübergabe nutzte, um den wichtigsten Aspekt seiner geplanten außenpolitischen Initiative, nämlich die Normalisierung der Beziehungen zu Russland, zu sabotieren. Ich sage „hervorstechend“, nicht weil es Trumps oberste Priorität war, sondern weil wir in Hillary Clintons bösartiger Kampagne, Trump als russischen Agenten darzustellen, monatelang nur Russland, Russland, Russland hörten. Jedenfalls beschlagnahmten die Vereinigten Staaten während der Übergangszeit illegal russisches Konsulatsvermögen mit der Absicht, einen Skandal zu provozieren, der die Beziehungen zu Moskau vergiften würde. Dieser schmutzige Trick war ein Kinderspiel im Vergleich zu dem, was Biden & Company jetzt vorhaben“.(4)

Vom 15-17. November 2024 fand im Ferienpark Retgendorf/Schwerin das „II. Denkfest der Aktiven – FRIEDENSTAUB“(5) statt, veranstaltet von den Betreibern des Ferienparks, Henry & Andrea Marek (Schweriner Friedensbündnis) und dem Liedermacher und frischgebackenen Träger der Puschkin-Medaille für besondere Verdienste um den deutsch-russischen Kulturaustausch, Tino Eisbrenner (Friedensgesellschaft Musik statt Krieg e.V.)

Daniela Dahn „Der Schlaf der Vernunft  Über Kriegsklima, Nazis und Fakes“

Für den 17. November war ab 10 Uhr Daniela Dahn, Bestsellerautorin, vielfach geehrte Preisträgerin und PEN-Mitglied angekündigt. Bevor sie aus ihrem brandaktuellen Buch las, teilte sie dem Publikum die soeben im Radio gehörte Nachricht mit, dass Polen die Luftstreitkräfte alarmiert habe.

Die ehemalige Fernsehjournalistin Daniela Dahn, Gründungsmitglied des „Demokratischen Aufbruchs“, mit anschließenden Gastdozenturen in den USA und GB hatte Anfang November 2024 beim Rowohlt-Verlag ihr mutig-erhellende Buch „Der Schlaf der Vernunft“ herausgebracht. Zu diesem Titel hatte sie das Bildnis „Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer“ des spanischen Malers Francisco de Goya (1746-1828) inspiriert. Mit Röntgenblick durchleuchte Daniela Dahn die derzeitig existenzbedrohenden Ungeheuer; sie fragt

Befinden sich unsere gewählten Entscheidungsträger im Tiefschlaf der Vernunft?“(6),

um dann festzustellen, dass sie trotz ihrer Verpflichtung keinen Schaden vom ihrem Volk abwenden, sondern ihn anrichten:

„Sie selbst sind der Rechtsruck. Sie versagen darin, eine Friedensordnung zu entwerfen, riskieren gar einen Weltkrieg.“(7)

Von ihren 10 Kapiteln hob Daniela Dahn die Kapitel „Der lange Marsch ins Kriegsklima“ und „US-Schattenkrieg oder russischer Imperialismus?“ hervor.

Daniela Dahn, 17. November 2024 auf dem „II. Denkfest der Aktiven“ (Foto: Wolfgang Effenberger)

In dem Kapitel über den US-Schattenkrieg blickte Daniela Dahn zurück auf die Kubakrise von 1962. Damals warnte John F. Kennedy, dass die Führer von Nuklear-Mächten nicht in die Situation gebracht werden dürften, «dass es nur noch die Wahl zwischen Demütigung und Atomkrieg» gebe.

Das eigentliche Dilemma sieht Daniela Dahn in einer immer erfolgreicher werdenden NATO-Kriegsführung, auf dem Boden der Ukraine und dem neuen Gefechtsfeld Russland,

desto wahrscheinlicher würde ein russischer Einsatz von Atomwaffen. Erfolg als sicherster Weg in den Untergang: Unter diesem Damoklesschwert kann man heute nur hoffen, dass jene Militärexperten recht behalten, die ein Vorrücken der NATO-gelenkten ukrainischen Truppen für ausgeschlossen halten und gerade deshalb auf Waffenstillstand und Diplomatie setzen“.(8)

Die Frage, ob das Recht auf Selbstverteidigung grenzenlos sei, beantwortet sie in aller Eindeutigkeit:

„Nicht alles, was legal und legitim ist, ist auch sinnvoll. Wenn eine berechtigte Verteidigung unverhältnismäßig viele Opfer und Zerstörung kostet, dann macht es keinen Sinn mehr. Dann muss man eher von «gesinnungsethischem Verteidigungsbellizismus» sprechen. Von einem Schlaf der Vernunft, der sich verheerend auswirkt“(9).

Das würde zuallererst die Ukraine selbst betreffen, die bei einer Schuldenquote „von fast 95 Prozent noch über Generationen von Selbstbestimmung nur träumen wird. Doch derzeit wird so getan, als sei die Souveränität der Ukraine die wichtigste Frage der Welt. So unterschlägt man, dass eine ganz andere Frage wohl für immer an oberster Stelle steht: das Weiterbestehen der Menschheit Gattung“.(10)

Dann lenkt Daniela Dahn den Blick zurück auf den 27. Februar 2022 in den deutschen Bundestag:

Da hielt Kanzler Scholz die von Ö-R-Medien immer gern zitierte Zeitenwende-Rede:

„Wir erleben eine Zeitenwende. Und das bedeutet: Die Welt danach ist nicht mehr dieselbe wie die Welt davor. Im Kern geht es um die Frage, ob Macht das Recht brechen darf [1999 brachen die USA das Recht, als sie ohne UN-Mandat Jugoslawien angriffen, W.E.], ob wir es Putin gestatten, die Uhren zurückzudrehen in die Zeit der Großmächte des 19. Jahrhunderts, oder ob wir die Kraft aufbringen, Kriegstreibern wie Putin Grenzen zu setzen.“(11)

Drei Tage nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine stellte Scholz unter Bruch der Verfassung ein „100 Milliarden Euro Sondervermögen“ für Rüstung in Aussicht – ein Vorgang, den es so noch nie gegeben hatte.

Welche angebliche Vernunft hat diesen Durchmarsch im Denken vollbracht?“,

fragt Daniela Dahn, um dann zu antworten:

„Wohl dieselbe, die die US-Führungsmacht Ende April 2024 nach monatelangem Zögern zur Bewilligung von weiteren 61 Milliarden Dollar Hilfe für die Ukraine bewogen hat“.(12)

Dann lässt Dahn Georg Beebe diese Logik kommentieren:

«Wenn Washington absichtsvoll eine Formel zur Zerstörung der Ukraine entwerfen würde, konnte sie dem vom Kongress verabschiedeten Hilfspaket sehr ähnlich sein.» „Das Paket reiche bestenfalls für ein paar Monate Aufrechterhaltung der Hoffnung, dass die Front unter großen Opfern an Menschenleben und Infrastruktur gehalten werden kann. Es sei aber keinesfalls genug, um die russischen Streitkräfte zu besiegen. Denn von den 61 Milliarden gehen nur 14 Milliarden für Waffen an die Ukraine. … Ein Großteil wird laut Beebe dafür verwendet, den militärisch-industriellen Komplex der USA über Jahre aufzurüsten. Obwohl doch die Rüstungsausgaben der USA schon jetzt fast zehnmal höher sind als jene von Russland. Auch unsere «Sonderschulden» sind einzig der erstrebten «Kriegstüchtigkeit» unserer Armee vorbehalten.“(13)

Die Eskalationsspirale wird weiter beschleunigt

Am 17. November erschien von Patrick Baab der „Offene Brief an Dr. Sahra Wagenknecht und Katja Wolf“. Einleitend ging Baab mit Blick auf die kommende Wahl am 23. Februar 2025 ein und drückte seine tiefe Sorge um das Schicksal von 85 Millionen Menschen in Deutschland und die Zukunft Deutschlands aus. Dann könnte ein Kriegs-Hasardeur wie Friedrich Merz als Kanzler

„dem Kreml ein Ultimatum stellen und mit der Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern der Atommacht Russland praktisch den Krieg erklären. Diese Waffen können nur von Technikern der deutschen Bundeswehr für die Zielsuche programmiert werden. Die Russische Föderation hat deutlich gemacht, dass sie dies als Kriegseintritt Deutschlands betrachtet.“(14)

In dem Brief bittet Baab Frau Wagenknecht, möglichen Koalitionspartnern ein klares und unzweideutiges NEIN zu Taurus-Lieferungen an die Ukraine abzuverlangen. Eine rührende Bitte, die vergleichbar damit ist, bei einem in Flammen stehenden Haus den Nachbarn um seinen Gartenschlauch zu bitten.

Ebenfalls am 17. November 2024 überraschte der scheidende greise US-Präsident Joseph Biden die Welt mit der Freigabe von US-Raketen mit längerer Reichweite gegen Ziele im russischen Staatsgebiet.

Bei den im USA-Ukraine-Paket enthaltenen weitreichenden JASSM-Raketen (Joint Air-to-Surface Standoff Missile) handelt es sich um Luft-Boden-Marschflugkörper mittlerer bis hoher Reichweite,(15) die mittels F-16-Flugzeugen Ziele im russischen Kernland treffen soll und zu denen auch die ATA-CAMS, Storm Shadows- und Skalp-Raketen sowie S-200-Raketen gehören. Dabei steht außer Zweifel, dass die Ukraine Langstreckenwaffen wie die britischen Storm Shadow- oder die französischen SCALP-Marschflugkörper oder die US-amerikanischen ATACMS-Raketen selbst gar nicht bedienen kann. So müssen derartige Angriffe auf russisches Territorium von Kräften durchgeführt werden, die diese Waffensysteme programmiert und geliefert haben. Da die Ukraine nicht über die für die nötige Zielauswahl erforderlichen satellitengestützten Aufklärungsdaten verfügt, müssen diese vom Westen kommen. Neben GPS sind exakte Bodenkarten die zweite Möglichkeit, um eine Rakete ins Ziel zu manövrieren, mit denen die Rakete navigieren kann. Und solche detaillierten Bodenkarten über Rußland, so meint die britische Times, hätten nur die USA. Doch neben den USA soll auch Deutschland über die nötigen Bodenkarten verfügen.

Sollte Deutschland Taurus-Raketen an Kiew liefern, müssten Bundeswehrsoldaten die Raketen nicht nur programmieren, sondern sie auch auf der Basis von Informationen bedienen, über die die Bundeswehr in Europa offenbar exklusiv verfügt.(16)

Die Frage „Welche militärische Reaktion aus Russland ist zu erwarten?“ beantwortete der Schweizer Militärexperte Ralph Bosshard, ehemaliger Schweizer Oberstleutnant mit russischer Generalstabsausbildung. Nach Bossard haben die Russen neben Schlägen gegen Ziele auf ukrainischem Territorium auch die Möglichkeit,

„militärische Ziele von Briten und Franzosen in internationalen Gewässern, in deren Übersee-Besitzungen oder in Drittländern zu bekämpfen, letzteres aber bestimmt mit Einschränkungen. Bislang haben die Konfliktparteien auf den Abschuss von Satelliten der Gegenseite verzichtet, da dies eine Pandora-Box öffnen könnte.“(17) Bossard sieht kaum Chancen für eine Verhandlungslösung. Nicht der Westen bestimmt mit seinen Waffenlieferungen das Ende des Kriegs in der Ukraine. Die angeblichen Wunderwaffen des Westens haben seit Februar 2022 nicht viel gebracht, und wie ich eingangs sagte, werden auch die ATACMS, Storm Shadows und andere den Verlauf dieses Kriegs nicht mehr entscheidend beeinflussen können.“(18)

Nach der ATACMS-Freigabe gab Kremlchef Wladimir Putin  eine Änderung der russischen Prinzipien zum Einsatz von Atomwaffen bekannt,(19)

„wonach ein Einsatz weitreichender Waffen gegen Russland durch eine Nicht-Atommacht (wie die Ukraine) eine Gegenaktion mit Kernwaffen erlauben könne, wenn diese Nicht-Atommacht von einer Atommacht unterstützt wird. Ein Kommentator im britischen Telegraph meint jedenfalls, mit dem Einsatz von Storm Shadows gegen Kursk sei „ein Rubikon überschritten“ worden“.(20)

Russland hatte „entsprechende Reaktionen“ auf die ATACMS-Freigabe angekündigt, danach kündigte US-Präsident Joe Biden auch noch die massenhafte Lieferung von Antipersonenminen an; deren Einsatz ist der Ukraine eigentlich untersagt, weil sie Partei der Anti-Personenminenkonvention von Ottawa 1997/99 ist, doch wurde das schon im bisherigen Kriegsverlauf pragmatisch ignoriert.

Was hat den 82jährigen Biden veranlasst, in den letzten Wochen seiner Amtszeit derartig die Eskalationsspiral anzutreiben?

Geht es ihm darum, die bislang magere Bilanz seiner Amtszeit aufzupolieren? Biden hat die Blamage von Kabul zu verantworten, „war aber danach noch arrogant genug, um Russlands Initiative in Sachen Friedensgarantien vom Dezember 2021 zurückzuweisen.“(21) Bossard geht nicht davon aus, dass Biden die Welt in einen Atomkrieg stürzen will, doch Biden nimmt es zumindest billigend in Kauf!

2026 droht mit der Stationierung von US-Hyperschallwaffen in Deutschland ein Atomkrieg

Eine weitere dramatische Zäsur in Richtung Atomkrieg stellt der Beschluss von Joe Biden und Olaf Scholz dar, ab 2026 auf deutschem Boden drei neue Typen von Mittelstreckenwaffen gegen Russland aufzustellen. Für Lühr Henken kommt die Stationierung der Hyperschallwaffe „Dark Eagle“ dem sogenannten NATO-Nachrüstungsbeschluss vor 45 Jahren gleich:

„Damals fasste die NATO den Beschluss, hier die neuen Mittelstreckenraketen Pershing II und Marschflugkörper Cruise Missiles aufzustellen. Die ballistische Rakete Pershing II hatte es in sich: Sie verfügte über einen atomaren Gefechtskopf, der gehärtet war, um unterirdische Kommandozentralen in der Sowjetunion zerstören zu können. Damals sprach man davon, damit dem „Huhn den Kopf abschlagen“ zu wollen. Sie traf auf 20 bis 40 Meter genau. Die Pershing II war eine Enthauptungsschlagwaffe, die als atomare Erstschlagwaffe konzipiert war. Die Waffe gibt es nicht mehr. Der INF-Vertrag führte zu ihrer Verschrottung“(22) und zum Abzug des 56. Artilleriekommandos.

Am 8. November 2021 wurde erstmals nach dem Ende des Kalten Krieges das 56. US-Artilleriekommando reaktiviert – ein Großverband der United States Army mit Sitz im Ortsbezirk Mainz-Kastel der Stadt Wiesbaden, der einem Zwei-Sterne-General untersteht. Der Befehlshaber, Generalmajor Stephen Maranian, erklärte am 3. November 2021: „Die Reaktivierung des 56. Artilleriekommandos wird den US-Streitkräften in Europa und Afrika bedeutende Fähigkeiten für multidomäne Operationen bieten… Es wird außerdem die Synchronisierung von gemeinsamen und multinationalen Feuern und Wirkungen sowie den Einsatz künftiger Boden-Boden-Langstreckenfeuer ermöglichen“(23). Am 10. November 2021 berichtete die britische Zeitung „The Sun“ unter dem Titel „Dark Eagle has landed“ von einem zum ersten Mal seit dem Kalten Krieg reaktivierten nuklearen mit Hyperschall-Langstreckenraketen vom Typ „Dark Eagle“ ausgerüsteten Verband der USA in Deutschland.

Die USA aktivieren eine Atomeinheit in Deutschland. (Screenshot,  © The Sun, 10.11.2021) (24)

Nach Angaben der US-Army sollen die Multi-Domain Operations (MDO) dafür sorgen, dass die gemeinsamen Streitkräfte [Heer, Marine, Luftwaffe, Marineinfanterie und Weltraumstreitkräfte] „einem nahezu gleichwertigen Gegner, der in der Lage ist, die USA in allen Bereichen [Luft, Land, See, Weltraum und Cyberspace] anzugreifen, sowohl im Wettbewerb als auch im bewaffneten Konflikt begegnen und ihn besiegen zu könne(25). Weiter wird in dem Konzept beschrieben, wie die US-Bodentruppen als Teil des gemeinsamen und multinationalen Teams im Zeitraum 2025-2050 Gegner abschrecken und hochgradig fähige, gleichwertige Gegner besiegen können. Dazu sollen die Multi-Domain Operations den Befehlshabern zahlreiche Optionen „für die Durchführung gleichzeitiger und aufeinander folgender Operationen unter Einsatz von Überraschungseffekten und der raschen und kontinuierlichen Integration von Fähigkeiten in allen Bereichen bieten, um den Gegner in mehrere Dilemmas zu stürzen und so physische und psychologische Vorteile sowie Einfluss und Kontrolle über das operative Umfeld zu gewinnen“.(26)

„Wir erleben heute einen Rückfall in eine der gefährlichsten Phasen des Kalten Krieges“, schrieb im November 2021 Wolfgang Effenberger, „als Anfang der 80er Jahre der Nachrüstungsbeschluss durchgepeitscht wurde und die veralteten Pershing I-Raketen durch die Pershing II ersetzt wurden.“(27)

Die Reichweitensteigerung von 800 auf 1200 Kilometer war für den Laien nicht dramatisch, wohl aber für die Fachleute im Kreml. Denn nun konnten die verbunkerten Befehlsstände rund um Moskau in nur wenigen Minuten ausgeschaltet werden. Reagans Traum vom Enthauptungsschlag war Wirklichkeit geworden. In Washington geisterte die Vision „Victory is possible“ durch die Hallen des Kapitols.“(28)

Mit „Dark Eagle“, einem der drei neuen US-Waffentypen, nimmt die Vernichtungsgefahr in Deutschland dramatisch zu.

„Dark Eagle“ fliegt mit bis zu 17-facher Schallgeschwindigkeit. Sie nimmt andere Flugbahnen als die Pershing II. „Während diese einem berechenbaren 300 km hohen Bogen folgt, reitet der von der Rakete gelöste Gefechtskopf der Dark Eagle gleichsam in nur 60 bis 80 m Höhe in unberechenbaren Wellen und kann mittels Radar erst 500 bis 300 km vor dem präzisen Einschlag erfasst werden. Sie abzufangen, ist bis heute unmöglich. Sie zielt nicht auf verbunkerte Ziele, benötigt deshalb auch keinen atomaren und keinen gehärteten Sprengkopf.“(29) Für Lühr Henken sind die Ziele der bis zu 3.700 km weit fliegenden Dark Eagle „zeitkritische Hochwertziele“- u.a. hochrangige Politiker. Bis Moskau braucht sie von Süddeutschland aus etwa 10 Minuten. Dem russischen Präsidenten ist die persönliche Gefahr bewusst.

In seiner Rede an die Nation wenige Tage vor seinem Befehl zum Einmarsch in die Ukraine setzte sich Putin mit den Gefahren für Russland auseinander, wenn die Ukraine NATO-Mitglied wird. Er sagte:

„Flugzeit von Marschflugkörpern ‚Tomahawk‘ nach Moskau betragt weniger als 35 Minuten, für ballistische Raketen aus dem Raum Charkow – 7 bis 8 Minuten und für die Hyperschall-Schlagmittel – 4 bis 5 Minuten.“(30)

Das berüchtigte Messer am Hals. Weiter bedroht „Dark Eagle“ die Radarfrühwarnanlagen gegen US-Interkontinentalraketen.

Russland wäre als Folge einer Dark-Eagle-Salve blind – und damit erpressbar. Ähnliches gilt für die Gefährdung der russischen Silos mit Interkontinentalraketen. Für Lühr Henken handelt es sich bei Dark Eagle um eine geostrategische Offensivwaffe,

die das nuklearstrategische Gleichgewicht zu Gunsten der USA untergräbt und die russische nukleare Zweitschlagskapazität massiv bedroht. Das hat nichts mit der Abschreckung Russlands zu tun, wie Joe Biden und Olaf Scholz wahrheitswidrig behaupten, sondern versetzt Russland in einen fortgesetzten Alarmzustand. Und das bei sehr geringen Vorwarnzeiten, die bei wenigen Minuten liegen. Das wiederum erhöht die Gefahr von Fehlalarmen und Fehlentscheidungen. Es erhöht auch die Gefahr eines Präventivangriffs Russlands auf US-Kommandostrukturen hierzulande, so zu sagen als proaktive Verteidigung. Auf die brandgefährlichen US-Plane antwortet Russland nun mit der Herstellung neuer Nuklearwaffen und mit einer angepassten Nukleardoktrin, die die Schwelle ihres Einsatzes senkt.

Am Nachmittag des 16. November 2024 hielt Wolfgang Effenberger seinen Vortrag „Warum die Welt keinen Frieden findet – Künftige Konflikte – Wege aus der Gefahr?“, in dem die Aufstellung der US-Hyperschallwaffen 2026 einen wichtigen Platz einnahm.

Wolfgang Effenberger bei seinem Vortrag am 16.11.2024 in Retgendorf (Foto: via Wolfgang Effenberger)

Am 2. Oktober hatte das Schiller-Institut zur Zoomkonferenz „Ein weiterer Schritt näher an der nuklearen Apokalypse: Deutschland braucht eine Sicherheitsarchitektur“ geladen. Neben dem ehemaligen US-Botschafter in Moskau (1988-91), Jack Matlock, war Ted Postol, emeritierter Professor für Wissenschaft, Technologie und nationale Sicherheitspolitik am MIT geladen. Postols Fachgebiet sind nukleare Waffensysteme, Anwendungen von Atomwaffen und ballistische Raketenabwehr. Bevor er von der Stanford University zum MIT kam, arbeitete er als wissenschaftlicher und politischer Berater des Chefs der Marineoperationen.(31) Nachdem ein prominenter Politiker der Kohl-Ära der Einladung nicht folgen konnte, durfte Wolfgang Effenberger nachrücken und ein 10-minütiges Statement abgeben. Ted Postol hatte sein Statement „Der deutsch-amerikanische Typhon-Einsatz: Eine Garantie dafür, Europa zu einem Zündpunkt für einen globalen Atomkrieg zu machen“ mit Power-Point-Folien unterlegt. Anschließend stellte er den Folien-Satz den Teilnehmern zur Verfügung. Einige dieser Folien verwendete Wolfgang Effenberger in seinem Vortrag:

Die Hyperschall-Rakete fliegt in Bodennähe (Grafik: Ted Postol)
Extreme kurze Vorwarnzeit beim Nuklear-Angriff auf Moskau – 6 Minuten (Grafik: Ted Postol)
Mögliche Folgen sehr begrenzter russischer Gegenschläge mit taktischen Atomraketen (75 KT – in Hiroshima 10 KT). Grafik: Ted Postol

Russland wird alles tun, um nicht der ständigen Bedrohung durch US-Hyperschallwaffen auf deutschen Boden ausgesetzt zu sein. So bleibt eigentlich nur ein Präventivschlag. Wie kann ein deutscher Kanzler zulassen, dass die USA hier in Deutschland das „Messer am Hals Russland“ installieren?

Vorbereitungen auf einen Krieg gegen Russland seit Ende des 2. WK

Die tiefgreifende Störung der russisch-amerikanischen Beziehungen begann bereits am 15. September 1945. An diesem Tag wurde vom US-WAR DEPARTMENT der Befehl zur Produktion von Atombomben unterschrieben. Unter Punkt 18 wurde die benötigte Anzahl der Atombomben aufgelistet:

  • 204 zur Zerstörung von 66 strategisch wichtigen Städten
  • 10 zur Neutralisierung von Feindbasen in der westlichen Hemisphäre
  • 10 zur strategischen Isolation auf dem Gefechtsfeld

Hier die Karte mit den strategischen Atomzielpunkten:

Am 19. Dezember 1949 – nur ein halbes Jahr nach Gründung der NATO(!) wurde der Kriegsplan DROPSHOT unterzeichnet.

Unter „II. Grundannahme“ wurde festgeschrieben:

Am oder um den 1. Januar 1957 ist den Vereinigten Staaten durch einen Aggressionsakt der UdSSR und/oder ihrer Satelliten ein Krieg aufgezwungen worden.“(32)

Dieser geplante Nuklearkrieg kam 1957 dank Sputnik, dem ersten Satelliten, nicht zur Ausführung. In der Kubakrise 1962 verhinderten dann J.F. Kennedy und Nikita Chruschtschow die nukleare Katastrophe. Und nach 1983 sorgte Michail Gorbatschow dafür, dass das von Reagan geplante Inferno (der „Enthauptungsschlag“) ausblieb.

Seit 1994 gehört die hybride Strategie offiziell zum Handwerkskasten der US-Armee: Im Dokument TRADOC 525-5, US-Konzept für die strategische Armee des 21. Jahrhundert vom 1. August 1994 wird eine neue „Dynamische Ära“, eine Welt im Übergang (Transition) beschrieben. Der Übergang vom 20. in das 21. Jahrhundert sollte sich über zwei Dekaden vollziehen (von 1990 bis 2010) unter Anwendung der Schritte Aufruhr, Krise, Konflikt und schließlich Krieg. Dieses Drehbuch kann man vom Irak- bis zum heutigen Ukraine-Krieg beobachten. Instrumente für die provozierten Umstürze sind die „Dynamischen Kräfte“ (Dynamik Forces at Work) mit dem Ziel der Geostrategischen Ausrichtung. Für diese Politik wurde das Werkzeug „Operations Other Than War“ geschaffen:

  • Civil Support (Zivile Unterstützung)
  • Disaster Relief (Katastrophenhilfe)
  • Peace Operations (Friedenseinsätze)
  • Counter Insurgency (Aufstandsbekämpfung)
  • Arms Control (Rüstungskontrolle)
  • Counter Terrorism (Terrorismus-Bekämpfung)
  • Environmental Operations (Umweltbezogene Operationen) und
  • Noncombatant Evacutation (Evakuierung von Nichtkombattanten)

Im Herbst 2014 stellte der Befehlshaber des „U.S. Army Training and Doctrine Command“ (TRADOC), Vier-Sterne-General David. G. Perkins, das Nachfolgepapier „TRADOC 525-3-1 Win in a Complex World 2020-2040“ vor. In diesem Papier erhielten die US-Streitkräfte den Auftrag, die von Russland und China ausgehende Bedrohung „abzubauen“. Dieser Abbau erfolgt natürlich gemäß dem Strategiepapier mit dem Einstieg über „Operations Other Than War“ (OOTW). General Perkins führte dazu aus, dass „Win in a Complex World“ (Siegen in einer komplexen Welt) die Bedeutung einsatzbereiter Landstreitkräfte für den Schutz der Nation und die Sicherung der lebenswichtigen Interessen gegen entschlossene, schwer fassbare und zunehmend fähige Gegner unterstreicht und die grundlegenden Fähigkeiten hervorhebt, die das Heer zur Verhinderung von Kriegen und zur Gestaltung des Sicherheitsumfelds benötigt. TRADOC 525-3-1 soll die Feinde abschrecken, die Verbündeten beruhigen und die Neutralen beeinflussen.(33)

Das alles ist hier in der „westlichen Wertegemeinschaft“ kaum oder nicht mehr bekannt. Dafür aber umso mehr in Russland

Der Autor dieses Beitrags bittet um Verständnis, wenn er immer wieder auf die US-Strategiepläne – z.B. „Win in a Complex World 2020-2040“ zu sprechen kommt.

Ein Sprichwort sagt ja, daß die Wiederholung die Mutter der Weisheit ist: 1941, im Jahr des Überfalls auf die Sowjetunion und noch während der Präsidentschaft F. D. Roosevelts „formulierte sein Freund Henry R. Luce den Weltführungsanspruch der USA mit den Worten, es sei an der Zeit, ernsthaft unsere Aufgabe und unsere Chance als mächtigste und vitalste Nation in der Welt wahrzunehmen und daher in dieser Welt unseren uneingeschränkten Einfluß geltend zu machen, und zwar für Zwecke, die wir für richtig halten, und durch Mittel, die wir für richtig halten“(34).

Für Roosevelts Nachfolger H. S. Truman war dieser Satz ein seine Präsidentschaft prägendes Leitmotiv. „Kaum im Amt erklärte er, dass die Russen in ihre Schranken verwiesen werden müssen, daß die Vereinigten Staaten dann die Führung übernehmen und die Welt so regieren werden, wie sie regiert werden sollte“(35). Nach erfolgreicher Erprobung der ersten Atombombe glaubte Truman am Rande der Potsdamer Konferenz mit dem Satz triumphieren zu können, daß Macht „das einzige ist, was die Russen verstehen“. Ein Satz, „den wir heute von den Habecks, Kiesewetters, Hofreiters u. a. täglich hören.“(36)

Sind die deutschen Politiker tatsächlich naiv genug, die atomare Bedrohung durch ihre Kriegstreiberei auszublenden? Oder hat das Ganze Methode? Soll von der Biden-Administration und ihren europäischen Handlangern bewusst ein Weltkrieg provoziert werden, um via Kriegsrecht die Amtsübernahme Trumps zu verhindern? So formulierte es jedenfalls Donald Trump Jr., der Sohn des designierten US-Präsidenten Donald Trump, in einer Reaktion auf die Freigabe des Einsatzes weitreichender Waffen gegen Russland auf der Plattform X. Er bezeichnete die Regierung als „Schwachköpfe“ und warf den Entscheidern Geldmacherei vor.

Der militärisch-industrielle Komplex scheint den Dritten Weltkrieg ausbrechen lassen zu wollen, bevor mein Vater eine Chance hat, Frieden zu schaffen und Leben zu retten“, schrieb er; es gehe um „Billionen Dollar„.(37)

Nach dem Stand der Entwicklung in den letzten Tagen sollte sich niemand der Illusion hingeben, ein 3. Weltkrieg bzw. ein Atomkrieg sei ausgeschlossen. Damit diese Apokalypse nicht eintritt, muss den Kriegstrommlern unbedingt ihr Spielzeug aus der Hand genommen werden.

Wolfgang Effenberger ist Mitglied des Deutschen Freidenker-Verbandes und seines Beirats

Ein Hoffnung machendes Abschlussbild vom II. Denkfest (Foto: via Wolfgang Effenberger)

 

Quellen und Anmerkungen

1) https://x.com/AlexanderSoros/status/1858245904651743341

2) https://on.wsj.com/4fP1wiF

3) https://www.ipg-journal.de/ipg/autorinnen-und-autoren/autor/gilbert-doctorow/

4) https://seniora.org/politik-wirtschaft/joe-biden-mit-einem-fuss-im-grab-und-er-will-den-rest-von-uns-mit-sich-reissen

5) Veranstaltet von Tino Eisbrenner (Friedensgesellschaft Musik statt Krieg e.V.) und Henry&Andrea Marek (Schweringer Friedensbündnis)

6) Daniela Dahn: Der Schlaf der Vernunft. Hamburg 2024, Rückseite

7) Ebda.

8) Daniela Dahn a.a.O. S. 58

9) Ebda.

10) Ebda.

11) Regierungserklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz am 27. Februar 2022 https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/regierungserklaerung-von-bundeskanzler-olaf-scholz-am-27-februar-2022-2008356

12) Daniela Dahn a.a.O. S. 59

13) Ebda.

14) https://apolut.net/offener-brief-an-dr-sahra-wagenknecht-und-katja-wolf/

15) Die selbstlenkenden Flugkörper mit 450-Kilogramm-Gefechtsköpfen, eingeführt ab 2002, fliegen mit ca. 900 bis 1000 km/h bis zu 550 Kilometer weit (womöglich weiter) – in der Exportversion, die auch die Ukraine in unbekannter Anzahl bekam, indes nur knapp 300 Kilometer (https://www.diepresse.com/19091994/britische-storm-shadow-flugkoerper-treffen-erstmals-russisches-kernland)

16) RotFuchs, 28. Jahrgang Nr. 321, November 2024, S. 37

17) https://www.nachdenkseiten.de/?p=125017

18) Ebda.

19) https://www.diepresse.com/thema/putin?ref=article_a

20) https://www.pressenza.com/2024/11/the-moment-of-truth-how-will-russia-respond-to-ukraines-use-of-western-long-range-missiles

21) https://www.nachdenkseiten.de/?p=125017

22) Lühr Henken Friko-Plenum, 3.11.2024, Impuls zum „Berliner Appell“

23) https://www.janes.com/defence-news/news-detail/us-army-reactivates-56th-artillery-command-in-europe

24) https://www.thesun.co.uk/news/16695568/us-nuclear-germany-eagle-hypersonic-missiles-moscow/

25) https://sgp.fas.org/crs/natsec/IF11409.pdf

26) https://sgp.fas.org/crs/natsec/IF11409.pdf

27) https://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=27817&css=print

28) Artikel von Gray Victory is possible in der Zeitschrift Foreign Policy, Sommerausgabe 1980, S. 22

29) Lühr Henken Friko-Plenum, 3.11.2024, Impuls zum „Berliner Appell“

30) Zitiert nach Lühr Henken a.a.O.

31) https://thebulletin.org/biography/theodore-a-postol/

32) Vgl. Wolfgang Effenberger: Das amerikanische Jahrhundert Teil1 Die verborgenen Seiten des Kalten Krieges, Norderstedt 2011, S. 35-40

33) https://www.kobo.com/ww/en/ebook/2020-2040-u-s-army-operating-concept-aoc-win-in-a-complex-world-how-future-army-forces-prevent-conflict-win-wars-shape-security-environments-tenets-and-core-competencies

34) Vgl. https://open.bu.edu/bitstream/handle/2144/14116/Holm_bu_0017E_10145.pdf;jsessionid=C6A6C58A8928405B0FBD68E25CBBE8E2?sequence=6; zitiert nach Hans Schoenefeldt „Oktober 2024 – ein Brief, eine Demo und ein Geburtstag “ in RotFuchs a.a.O. S. 8/9

35) RotFuchs a.a.O., S. 9

37) Ebda.

37) https://www.fr.de/politik/schwachkoepfe-donald-trump-jr-attackiert-atacms-entscheidung-im-ukraine-krieg-zr-93418302.html

 


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