Medien bereiten den Weg zum Krieg
In ihren ersten Reaktionen verschweigen die deutschen Medien die Kernaussage aus Putins Rede
Präsident Putin hat am Donnerstag in einer Rede angekündigt, Russland sehe sich nach den Angriffen mit westlichen Waffen auf sein Gebiet berechtigt, Ziele in den Ländern anzugreifen, die zu diesen Angriffen die Erlaubnis gegeben haben. Die deutschen Medien verschweigen das komplett.
von Anti-Spiegel (d.i. Thomas Röper)
Erstveröffentlichung am 21.11.2024 auf anti-spiegel.ru
Ich bin von den deutschen Medien ja einiges gewöhnt, aber was wir nach Putins Ansprache erleben, ist mehr als erschreckend. Putin hat in seiner kurzen Ansprache erklärt, dass die Erlaubnis westlicher Staaten, Ziele in Russland mit aus westlichen Ländern gelieferten Waffen anzugreifen, Russland das Recht gibt, nun auch Ziele in diesen Ländern anzugreifen.
Putins Aussage kam nicht überraschend, er hatte schon am 12. September angekündigt, dass Länder, die es der Ukraine erlauben, mit von ihnen gelieferten Waffen Ziele in Russland anzugreifen, dadurch mit Russland im Krieg sein werden. Aber auch diese Aussage von Putin haben die deutschen Medien damals weitgehend verschwiegen oder verharmlost. Dabei meinte Putin das sehr ernst, wie seine Reaktion auf die ersten derartigen Angriffe nun zeigt.
Konkret ist in den letzten Tagen folgendes passiert: Am 19. November wurde das russische Brjansk mit sechs aus den USA gelieferten ATACMS-Raketen beschossen. In der Nacht auf den 21. November hat Russland darauf mit einem Angriff mit einem bisher unbekannten russischen Raketensystem auf eine Rüstungsfabrik in der Ukraine geantwortet, was im Westen und in Kiew fälschlicherweise als Angriff mit einer Interkontinentalrakete bezeichnet wurde. Und am gleichen Tag gab es einen kombinierten Angriff mit aus Großbritannien gelieferten Storm Shadow-Marschflugkörpern und aus den USA gelieferten HIMARS-Raketen auf die russische Region Kursk.
In seiner Ansprache sagte Putin, dass dies der erste Kampfeinsatz einer neuen, bisher geheimen russischen Hyperschallrakete gewesen sei, die von keinem Luftabwehrsystem der Welt abgefangen werden kann.
Keine Übertreibung mehr: Wir stehen nur noch einen Schritt vor dem 3. Weltkrieg
Putin hat seine nicht einmal acht Minuten lange Ansprache gegen 18.00 Uhr deutsche Zeit gehalten, was bedeutet, dass beispielsweise die Tagesschau genug Zeit hatte, um die Rede zu übersetzen und in ihrer 20.00 Uhr-Sendung über die Rede und ihren Inhalt zu berichten. Immerhin hat Putin in der Rede beispielsweise gesagt, der Konflikt in der Ukraine habe nach den Angriffen mit westlichen Waffen auf Ziele in Russland nun „Elemente globaler Natur angenommen“, was im Klartext „Weltkrieg“ bedeutet, denn „global“ bedeutet nun einmal weltweit.
Und Putin hat klar gesagt, dass die Länder, die es der Ukraine erlauben, mit den von ihnen gelieferten Waffen Ziele in Russland angreifen – also bisher die USA und Großbritannien -, damit zu Zielen russischer Angriffe werden. Wir stehen damit unmittelbar vor einem großen Krieg, wenn die Angriffe mit westlichen Waffen auf Russland weiter gehen, denn Putin blufft ganz sicher nicht.
Vielleicht sehen Sie das anders, aber ich bin der Meinung, dass das deutsche Publikum ein Recht darauf hat, zu erfahren, dass wir unmittelbar vor dem Dritten Weltkrieg stehen, denn nichts anderes ist es, wenn die USA und Russland gegenseitig militärische Ziele in ihren Ländern angreifen.
Das Verschweigen der deutschen Medien
Aber die Tagesschau, also die wichtigste deutsche Nachrichtensendung, hat das anders gesehen.
Das erste Thema der Sendung war, das Pistorius die Kanzlerkandidatur abgelehnt hat. Das war der Tagesschau 4 Minuten und 40 Sekunden Sendezeit wert. Das zweite Thema war der Haftbefehl, den der Internationale Strafgerichtshof gegen den israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu und andere ausgesprochen hat. Das war der Tagesschau weitere 3 Minuten 40 Sekunden Sendezeit wert.
Erst danach kam in der Tagesschau das Thema Ukraine-Konflikt. Aber in dem Beitrag der Tagesschau erfuhr der Zuschauer de facto nichts vom Inhalt von Putins Rede. Stattdessen erzählte die Tagesschau, der russische Angriff mit einem neuen Raketentyp sei eine russische Eskalation, von der Vorgeschichte erzählte die Tagesschau nichts. Dann erwähnte die Tagesschau, dass Putin den Einsatz einer neuen russischen Waffe bestätigt und „Drohungen gegen den Westen wiederholt“ habe. Danach durfte noch irgendein „Experte“ erklären, dass das alles nicht so schlimm und dass eine Eskalation oder „die Wahrscheinlichkeit eines Atomkrieg äußerst gering“ sei.
Das Thema war der Tagesschau nur zwei Minuten wert.
Die anderen westlichen Medien sind nicht besser. Der Spiegel titelt „Angriff auf Dnipro – Putin bestätigt neuen Raketenschlag und droht weitere an“, die BBC titelt „Putin sagte, Russland habe die Ukraine mit einem neuen ballistischen Raketen mittlerer Reichweite angegriffen“ und CNN titelt fast wortgleich „Russland habe die Ukraine mit einer neuen ballistischen Mittelstreckenrakete angegriffen, sagte Putin“.
Die westlichen Medien verschweigen den wahren Ernst der Lage
Kein westliches Mainstream-Medium hat in den ersten Stunden nach Putins Rede in den Überschriften über deren tatsächlichen Inhalt und über die nun wirklich ganz akut gewordene (Welt-)Kriegsgefahr berichtet, das fand sich bestenfalls verklausuliert in Nebensätzen der Artikel.
Das ist ein sehr schönes Beispiel dafür, wie gleichgeschaltet die westlichen Medien sind, denn aus Putins Rede gab es einiges, was man hätte zitieren oder thematisieren können, aber alle westlichen Medien haben (wie) auf Kommando praktisch wortgleich nur über den Angriff mit einer neuen Mittelstreckenrakete und über Putins Bestätigung des Angriffs berichtet.
Von der tatsächlichen, nun ganz akut gewordenen Gefahr eines echten Weltkrieges zwischen der NATO und Russland berichten die westlichen Mainstream-Medien hingegen kein Wort.
Die Menschen im Westen sollen offensichtlich vollkommen ahnungslos in den Dritten Weltkrieg getrieben werden, denn wenn wieder eine amerikanische Rakete in Russland einschlägt, werden die westlichen Medien das wahrscheinlich verschweigen. Aber wenn Russland dann antwortet und irgendein militärisches Ziel in einem NATO-Staat angreift, dann werden die westlichen Medien aufheulen, weil Putin angeblich vollkommen unprovoziert eskaliert hat.
Die Menschen im Westen werden von ihren Medien wie unwissende Schafe zur Schlachtbank geführt.
Thomas Röper, geboren 1971, lebt seit über 15 Jahren in Russland. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Bild oben: Studio der Tagesschau in Hamburg
Foto: Medea7, CC BY-SA 4.0
Quelle: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=128908018