China dreht Spieß um: Schmerzhafte Sanktionen gegen USA
Der größte Drohnenhersteller der USA, Hauptlieferant fürs Pentagon und die Ukraine, steckt wegen chinesischer Sanktion in einer Lieferkettenkrise. Andere Lieferanten können die Lücke nicht füllen. Politiker rufen nach sicherheitspolitischen Konsequenzen, aber „Friend-Shoring“ bleibt ein Tagtraum.
Von Rainer Rupp
Erstveröffentlichung am 07.11.2024 auf RT DE
Im Laufe dieses Jahres hat China die Sanktionsschraube gegen US-amerikanische Drohnenhersteller langsam und gezielt angezogen, ohne jedoch so weit zu gehen, um in Konflikt mit den Vorschriften der Welthandelsorganisation (WTO) zu kommen. Jetzt jedoch hat Peking unter einem plausiblen Vorwand den größten amerikanischen Drohnenproduzenten Skydio durch einen Totalboykott von wichtigen Bauteilen, wie zum Beispiel kleine, leichte, aber extrem leistungsstarke Batterien, in existenzielle Bedrängnis gebracht. Zugleich wird mit dieser Aktion die geopolitische Bedeutung von Lieferketten erneut in den Fokus gerückt.
Die Maßnahmen, die als Vergeltung für die Skydio-Lieferung von Drohnen an Taiwan eingeführt wurden, haben für das US-Unternehmen und dessen Kunden weltweit erhebliche Konsequenzen. Denn das US-Unternehmen versorgt mit seinen Drohnen unter anderem auch die ukrainischen Streitkräfte, die in ihrem Kampf gegen russische Truppen dringend auf die in den Drohnen eingebaute amerikanische Technologie angewiesen sind.
Geopolitische Spannungen und der „Wirtschaftskrieg“ um Drohnen
Aufgeregt werfen US-Politiker und hysterische Medien den Chinesen jetzt vor, was die Amerikaner in viel größerem Maßstab seit langem gegen China und viele andere Länder rund um die Welt tun. So hat zum Beispiel Washington einen weltweiten Lieferboykott von hochwertigen Computer-Chips und Techniken zu deren Herstellung gegen China verhängt. Zugleich droht Washington jeder Firma, egal ob sie in einem US-Vasallen-Staat oder einem souveränen Land ansässig ist, bei Zuwiderhandlung mit hohen Strafen und Aussperrung vom US-Markt.
Jetzt müssen die Amerikaner zum ersten Mal selbst von ihrer eigenen bitteren Sanktions-Medizin kosten. Da sie sich jedoch weiter als Meister des Universums fühlen, finden sie das Verhalten der Chinesen gegenüber den US-Herren unerhört und schäumen vor Wut.
In dieser schwierigen Situation hat Adam Bry, Chef von Skydio, hochrangige US-Regierungsbeamte im Weißen Haus um Hilfe gebeten, in der Hoffnung, dass Washington und seine EU- und NATO-Verbündeten bei der Behebung der „Unterbrechung der Batterielieferung“ helfen könnten. Der Chef von Skydio behauptete sogar, Peking versuche, „das führende amerikanische Drohnenunternehmen zu eliminieren.“ In einem Meinungsartikel der englischsprachigen chinesischen Zeitung Global Times wird dieser Aspekt genüsslich als die „Farce eines Diebes, der ‚Haltet den Dieb‘ schreit“ bezeichnet, was „die vielfältigen Facetten der US-Doppelmoral offengelegt“!
Interessant ist auch eine weitere kurze Anmerkung in diesem Artikel der Global Times, dass nämlich China inzwischen auch andere US-Unternehmen des militärisch-industriellen Komplexes sanktioniert. Wörtlich heißt es:
„Auf der Grundlage der einschlägigen Bestimmungen des chinesischen Anti-Auslandssanktionsgesetzes hat Peking Gegenmaßnahmen gegen Skydio und andere US-Militärindustrieunternehmen und deren Führungskräfte ergriffen.“
Derweil befürchten US-Industrievertreter zunehmend, dass China in Zukunft seine absolute Dominanz bei einer riesigen Zahl von wichtigen Bauteilen in den globalen Lieferketten als Retourkutsche gegen westliche wirtschaftliche und politische Erpressungsversuche einsetzen wird. Andere rühren die anti-chinesische Propagandatrommel und behaupten, Sanktionen wie jetzt gegen Skydio würden beweisen, dass China gezielt den Zugang zu wesentlichen Bauteilen einschränken will, um dadurch die westliche Technologieentwicklung zu bremsen und seine eigene Marktposition zu festigen.
Angesichts der inzwischen zentralen Rolle, die Drohnen sowohl im zivilen als auch im militärischen Bereich spielen, benutze China den Sanktionshebel, um in Sicherheitsfragen Druck auf den Westen auszuüben und die strategisch wichtige Drohnentechnologie zu destabilisieren. In diesem Zusammenhang spricht Skydio-Chef Bry bereits ganz militärisch von einem „Angriff“ auf westliche Lieferketten, da das Unternehmen nun gezwungen sei, die Batterien zu rationieren und alternative Lieferquellen zu suchen, die, wenn überhaupt, erst im Frühjahr des kommenden Jahres einsatzfähig sein könnten.
Dabei ist Skydio kein Einzelfall. Auch in anderen Technologiebranchen versuchen Konzernchefs wie Adam Bry mit Unterstützung Washingtons die chinesischen Wettbewerbsvorteile mit staatlichen Maßnahmen zu untergraben. Mithilfe von Zöllen gegen chinesische Produkte sollen überteuerte und technisch schlechtere US-Produkte auf dem US-Binnenmarkt wettbewerbsfähig gemacht werden. Das würde zwar den US-Firmen auf dem US-Binnenmarkt helfen, aber auf den viel größeren Exportmärkten rund um die Welt würde sich nichts ändern. Denn dort wären die US-Produkte im Vergleich mit den chinesischen weiter überteuert oder technisch schlechter, oder beides.
Für die Streitkräfte der Ukraine, die sich im US-Stellvertreterkrieg gegen russische Truppen auf US-Drohnen stützen, hat die eingeschränkte Batterieversorgung schwerwiegende Konsequenzen. Die Sanktionen könnten die Einsatzdauer und Reichweite der Drohnen einschränken und somit die ohnehin schwindende Kampfkraft der Ukraine in einer bereits kritischen Phase weiter schwächen. Eine reduzierte Drohnenverfügbarkeit könnte die Operationen in der Ukraine erheblich behindern und das Abdeckungsgebiet sowie die strategische Tiefe der Einsätze begrenzen.
Friend-Shoring keine Lösung
Zugleich wird aufgrund der chinesischen Sanktionen gegen Skydio die Diskussion in US/NATO über die dringende Notwendigkeit, unabhängige und resiliente Lieferketten für sicherheitsrelevante Technologien aufzubauen, weiter in Richtung irrationales Wunschdenken treiben. Dazu gehört auch der Traum von der kostengünstigen, wettbewerbsfähigen und schnell umsetzbaren, sogenannten „Friend-Shoring“-Strategie, die auf eine Verlagerung der Produktion kritischer Komponenten in verbündete Länder abzielt. Diese Strategie ist bereits zu einem entscheidenden Bestandteil der US-amerikanischen Verteidigungspolitik geworden, und die Herrschaften in der militarisierten EU streben dasselbe Ziel an.
Dessen Umsetzung wird die Steuerzahler indes sehr, sehr viel Geld kosten, wobei ein wettbewerbsfähiges Ergebnis in den Sternen steht; denn hier wird ein neuer Industriezweig aufgebaut, der ohne ständige Subventionen nicht überleben kann.
Um den Übergang zur „Friend-Shoring“-Strategie anzustoßen, wären erhebliche Investitionen und staatliche Anreize (Subventionen) erforderlich. Auch spielt der Zeitfaktor eine Rolle. Skydio hat Berichten zufolge bereits mit ersten Schritten begonnen, seine Lieferketten zu diversifizieren, aber eine vollständige Umstellung könnte bis zu fünf Jahre in Anspruch nehmen.
Zugleich müssten für die Umstellung große logistische Herausforderungen gemeistert werden. Das alles, um letztlich Produkte herzustellen, die allein schon wegen des höheren Lohnpreisniveaus im Westen auf dem Weltmarkt nicht wettbewerbsfähig sein können, weil sie dort gegen preisgünstige, qualitativ hoch- oder sogar höherwertige chinesische Produkte bestehen müssten.
Die für „Friend-Shoring“ notwendigen Schritte würden daher auf Jahre hin erhebliche Ressourcen an Geld, Maschinen und Material erfordern. Vor allem aber würde es an hochwertigen Fachkräften fehlen, die in anderen, produktiven Branchen abgeworben werden müssten. Diese Umschichtungen knapper Ressourcen zugunsten der politischen Prioritäten der US/NATO-Kriegstreiber, die zwar aktuell immer noch im Westen dominieren, wäre auf die Dauer nicht durchführbar. Denn sie würde vor dem Hintergrund zunehmender finanzwirtschaftlicher Probleme und wachsender sozialer und gesellschaftlicher Instabilitäten in den Ländern des kollektiven Westens stattfinden und müsste sich über viele Jahre hinweg gegen den wachsenden Unmut in der Bevölkerung durchsetzen.
Die einzige Erfolgschance für die „Friend-Shoring“-Strategie, die ich sehe, wäre die totale Abschaffung der demokratischen Restbestände in den Staaten des kollektiven Westens.
Rainer Rupp ist Mitglied des Beirats des Deutschen Freidenker-Verbandes
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Foto: Alexander Kubitza, Gemeinfrei
Quelle: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=142132386