Geschichte

Gegen das Vergessen der Erfahrungen in der Weimarer Republik

Gegen die Nacht können wir nicht ankämpfen,
aber wir können ein Licht setzen!
(Franz von Assisi)

von Prof. Dr. Anton Latzo

Referat, gehalten auf der Konferenz »Globale Kriege, Sozialraub, Repression – ein neuer Faschismus?« des OKV am 20.06.2024

Es vergeht in diesem Lande kaum ein Tag, an dem nicht von Politikern, Parteien, „Experten“, Stiftungen und Verbänden wegen „Rechtsextremismus“ geklagt wird.

Ein wichtiges Kennzeichen dieser „Argumentationen“ besteht aber darin, dass sie weitgehend geschichtslos oder geschichtsarm sind. Sowohl die Politik als auch das geistige Leben in seiner ganzen Breite sind in dieser Republik mit einer schnell voranschreitenden geschichtlicher Amnesie, sowie mit Geschichtsrevisionismus verbunden. Das ist nicht Zufall, sondern Absicht: diese Gesellschaft soll doppelt hilflos gemacht werden – geistig und praktisch!

Ich sehe unsere Konferenz als Beitrag zu einer breiteren Diskussion, die aus gegebener Situation heraus zur bewussten Mobilisierung der Menschen gegen Faschismus und Krieg führen soll. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass sie als Initialzündung für einen Aufruf an alle Friedens-, Freundschafts-, antiimperialistischen und antifaschistischen Organisationen und Vereinen dient, ein Verständigungsseminar zum Thema durchzuführen, das zu wachsender Gemeinsamkeit führt.

Denn, und das ist schon eine der wichtigsten Lehren aus der Weimarer Zeit, sowohl Faschismus als auch Krieg sind nicht unausweichlich! Das war und ist in Deutschland so und anderswo nicht anders.

  1. Zu den Wurzeln des Faschismus

Der Faschismus entstand mit dem Hinüberwachsen des Kapitalismus in sein imperialistisches Stadium. Sein Wesen ergibt sich aus den Charakter des Kapitalismus. Er ist nicht eine spezifisch deutsche Erscheinung, sondern erwächst aus dem Imperialismus und als Reaktion auf die progressive, revolutionäre Bewegung der Arbeiterklasse für Sozialismus und Frieden.

Rudolf Hilferding machte schon 1910, als er noch Marxist war, darauf aufmerksam: „Als Ideal erscheint es jetzt, … die Herrschaft über die Welt zu sichern. … Zugleich stärkt die zunehmende Macht der Arbeiter das Streben des Kapitals, die Staatsmacht zur Sicherung gegen die proletarischen Forderungen noch weiter zu verstärken“.

Lenin wies darauf hin, dass „Der Imperialismus … als Weiterentwicklung und direkte Fortsetzung der Grundeigenschaften des Kapitalismus überhaupt (erwuchs)“. Er ist weder nur Politik, noch nur Kolonialpolitik usw. Er ist eine Stufe der gesellschaftlichen Entwicklung im Kapitalismus und umfasst sowohl die Innen- und Außenpolitik, das geistige Leben sowie die Formung des dazu nötigen Untertanen-Menschen.

Sein bestimmender Grundzug ist die uneingeschränkte ökonomische und politische Herrschaft des Monopols zur Gewinnung und Sicherung von Monopolprofit. Das Ziel ist der Profit. Der Weg ist die Ausbeutung, die Ausbeutung der Menschen im eigenen Lande und die Ausbeutung der Menschen und Ressourcen fremder Länder, also Reaktion nach innen und Expansion nach außen. Die Mittel bestehen in Herrschaft und Gewalt. Die Instrumente sind die politische Macht, der Staat, und das Militär, die eingesetzt werden, um Ruhe und Sicherheit im Inneren und Territorien weltweit zu sichern.

Wenn es den Herren des Kapitals nicht mehr möglich ist, ihre Ziele mit Hilfe der traditionellen bürgerlichen Parteien zu erreichen, dann greifen sie nach der Reaktion und nach Gewalt. Auch in diesem Fall soll Lenin zu Wort kommen: „Der freien Konkurrenz entspricht die Demokratie. Dem Monopol entspricht die politische Reaktion“. Auch die Entwicklung in Deutschland zu Beginn des 20. Jahrhunderts und nach dem 1. Weltkrieg hat das bestätigt.

Faschistische Gestalt nahm der Drang nach Reaktion und Gewalt aber erst nach dem ersten Weltkrieg und nach dem Sieg der Oktoberrevolution an, also nach dem Eintritt in die allgemeine Krise dieser Gesellschaft.

Unter dem demokratischen Aushängeschild der Weimarer Republik entwickelte sich die Allianz zwischen Monopolen und Staat dahingehend, dass sich primär die politischen Positionen des Imperialismus entwickelten. Das Gewicht der deutschen Industrie fand seinen Ausdruck unter anderem darin, dass an der Konferenz über die Reparationen von Spa (Belgien) im Juli 1920 als offizieller Sachverständiger Hugo Stinnes teilnahm und dass der Generaldirektor der HAPAG, Cuno, später Fraktionsvorsitzender der Deutschen Volkspartei und Syndikus Stresemann Reichskanzler wurden!

Von Anfang an war in Deutschland die Schwerindustrie, vor allem die Rüstungsindustrie monopolisiert. Sie übte daher einen entscheidenden Einfluss auf die gesamte deutsche Innen- und Außenpolitik aus.

Die großen Monopole wurden nach dem ersten Weltkrieg nicht zerschlagen. Der Großgrundbesitz blieb erhalten. Die Aggressivität des Monopolkapitals verstärkte sich durch seine ökonomische, politische und ideologische Verbindung mit dem Junkertum.

Gleichzeitig führten die sozialökonomischen Verhältnisse zu einer Entfaltung des Klassenkampfes.

Die Bourgeoisie konzentriere ihre Macht auf den Staatsapparat, baute die Rechte des Parlaments ab. Der Weg führt über die „Große Koalition“ des SPD-Kanzlers Müller. Er geht zum Repräsentanten des Klerikalismus Brüning über den offenen Vertreter des Junkertums und Monopolkapitals Papen zu Hitler.

Bemerkenswert ist, dass dieser Weg sich nicht über den Bruch der Weimarer Verfassung vollzog. Er gehörte zum Verfassungsmechanismus der bürgerlichen Demokratie!

Auch die Generale, die Generalität waren nach dem ersten Weltkrieg geblieben. Ende des Jahrzehnts saßen schließlich mit Hindenburg und Schleicher die führenden Köpfe der Reichswehr an den Schalthebeln der Macht. Und der Hindenburg-Vertraute von Papen wusste auch, wie diese auszusehen hatte: „Wir wollen, meine Herren, eine machtvolle und überparteiliche Staatsgewalt schaffen, die nicht als Spielball von den politischen und gesellschaftlichen Kräften hin- und hergetrieben wird, sondern über ihnen unerschütterlich steht.“

Ihr Ziel war also die Macht. Die Republik war für sie allenfalls ein Kampffeld auf dem darum gekämpft wurde. Alle diese Kräfte fanden zueinander im Streben, das Zuspätkommen bei der Aufteilung der Welt wettzumachen. „Deutschland hat lange genug zugesehen, wie andere Mächte die Welt unter sich aufteilen. Es muss sich nun auch einen Platz an der Sonne sichern“, erklärte schon im Jahre 1897 Staatssekretär von Bülow, der spätere Reichskanzler, im Reichstag.

Auf der Grundlage des Antikommunismus ging die rechte SPD-Führung das Bündnis mit dem Generalstab ein. „Wir haben uns verbündet zum Kampf gegen die Revolution, zum Kampf gegen den Bolschewismus“, charakterisierte General Groener 1925 im sogenannten Dolchstoßprozess dn Hauptzweck des Bündnisses.

Damit diese Klasseninteressen als „Interessen der ganzen Nation“ erklärt werden konnten und ihre Expansionsziele als „Sache der ganzen Nation“ akzeptiert wurden, dafür sorgten die Eliten im Rahmen des „Alldeutschen Vereins“.

Bei der Analyse der heutigen Situation sollten wir also berücksichtigen,

  1. dass der Faschismus nicht plötzlich und aus dem Nichts erscheint. Kurt Gossweiler u.a. weisen zurecht darauf hin, dass die Vorläufer faschistischer Parteien schon vor und während des Ersten Weltkrieges entstanden sind.
  2. Der Kampf gegen die Faschisierung und gegen den Faschismus ist Bestandteil des Klassenkampfes! Der Faschismus steht nicht über den Klassen. Die Herrschenden waren aber schon immer bemüht, ihn so darzustellen.
  3. Die Geschichte hat die Richtigkeit der Einschätzung erbracht, die Mitte der 1930er Jahre durch die Kommunistische Internationale erarbeitet wurde. Die jetzige Lage ist Anlass, sich diese Einschätzung in Erinnerung zu rufen, aber nicht einfach als geschichtliche Reminiszenz, sondern um sich nach ihr zu richten. Georgi Dimitroff wies nachdrücklich darauf hin, dass der Faschismus nicht eine Form der Staatsmacht ist, die angeblich „über den Klassen, dem Proletariat und der Bourgeoisie steht“ wie zum Beispiel der österreichische Sozialdemokrat Otto Bauer behauptet hat. Das ist auch nicht das „aufständische Kleinbürgertum, das von der Staatsmaschine Besitz ergriffen hat“, so Dimitroff.
    „Nein, der Faschismus ist keine über den Klassen stehende Macht und keine Macht des Kleinbürgertums oder des Lumpenproletariats über das Finanzkapital. Der Faschismus ist die Macht des Finanzkapitals selbst“.
    Er kommt zu der Schlussfolgerung, dass der Faschismus „keine einfache Ersetzung der einen bürgerlichen Regierung durch eine andere, sondern die Ablösung der einen Staatsform der Klassenherrschaft der Bourgeoisie – der bürgerlichen Demokratie – durch eine andere Form durch die offene terroristische Diktatur“.
  4. Deutlich sollte daraus werden, dass man den Faschismus nicht mit irgendwelchen legalistischen Illusionen erfolgreich bekämpfen kann. Eine schein-radikale Phraseologie wird nie den Weg zur Vermeidung des Faschismus bieten.
  5. Und noch eine Lehre von damals für heute. Der Kampf durch Streiks, Demonstrationen und unterschiedlichen Aktionen war und bleibt eine entscheidende Waffe. Aber ohne ideologische Klarheit wird es nicht gelingen, eine wirksame Strategie und Taktik zu erarbeiten und in gemeinsamen und koordinierten Aktionen umzusetzen.

Auch heute werden unendlich viele Aktionen und Fraktionen für das gleiche Ziel ins Feld geführt. Die sozial-ökonomischen, die klassenmäßigen Aspekte werden aber bewusst ausgeklammert! So wird in einer Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung vom Mai 2022 die These vertreten, der Faschismus sei Ultra-Nationalismus, der mit aller Radikalität der Nation, deren Wiederaufstieg zusammenhängt.

Die faschistische Diktatur sollte die revolutionäre Entwicklung der Gesellschaft verhindern und günstige Bedingungen für die Verwirklichung der Ziele der Monopole – höchste und sichere Profite und maximale Expansion ermöglichen.

Es ist schon lehrreich und sollte als Warnung dienen, dass die Diktatur des Faschismus erst nach der Niederschlagung der revolutionären Bewegung der Arbeiterklasse erfolgt ist. Das war in Deutschland so, das war in Spanien so, und auch in Chile!

Im Kampf für die Rettung ihrer Gesellschaft durch die Vorbereitung und Errichtung der faschistischen Diktatur sind die Vertreter der Monopole bereit, Methoden und Mittel einzusetzen, die bis zur terroristischen Vernichtung der revolutionären Arbeiterbewegung reichen.

Dieses Vorhaben wurde auch damals schon begleitet von schein – revolutionären und schein -sozialistischen Forderungen. Parallel dazu wurde auch die scheinbar antibürgerliche Phraseologie und Demagogie als Instrument zur Täuschung der Massen eingesetzt.

Die Gestalter dieser Prozesse setzten Parolen in die Welt und waren (sind) sogar zu terroristischen Methoden bereit, um große Teile der Arbeiterklasse von ihren alten Organisationen zu lösen.

Der Faschismus hat sich als tödliche Gefahr für die gesamte, sozialdemokratisch und kommunistisch ausgerichtete Arbeiterbewegung erwiesen.

Aber er war ruinierend auch für die bürgerliche Demokratie und damit auch für demokratisch gesinnten Kräfte der Bourgeoisie!

Der Faschismus erwies sich von Anfang an als politische Waffe der imperialistischen Monopolbourgeoisie. Der Faschismus sollte der imperialistischen Bourgeoisie ermöglichen, Ziele zu erreichen, die mit Hilfe der historisch entstandenen bürgerlichen Parteien angesichts der inneren und internationalen Kräfteverhältnisse nicht mehr möglich war.

Es war gleichgültig, ob später Bürgerliche oder Sozialdemokraten an der Spitze der wechselnden Regierungen der Weimarer Republik standen. Die Regierungen wurden von einer anderen Kraft, von der unsichtbaren Kraft des internationalen Finanzkapitals gesteuert!

Antikommunismus und Russophobie bzw. Antisowjetismus waren die Pfeiler der Ideologie. Der DRANG nach dem Osten wurde zur GEFAHR aus dem Osten umgewandelt!

  1. Militarisierung und Faschismus sind Zwillinge und gemeinsames Anliegen des internationalen Kapitals

Die mit dem Versailler Vertrag vereinbarten Grundsätze zur Schaffung einer neuen Weltordnung waren nicht die von den Völkern erwartete Friedensordnung, sondern eine neue imperialistische Ordnung.

Sie war eine Fortsetzung der imperialistischen Politik. Sie schuf internationale Bedingungen und Möglichkeiten für den Wiederaufbau der dazu notwendigen militaristischen und die Schaffung faschistischer Formationen, denen – angesichts der revolutionären Situation und des Entstehens der Republik der Sowjets – die Aufgabe zugeteilt wurde, die Existenz und die Profit- und Expansionspolitik des Imperialismus abzusichern.

In diesem historischen Kontext wurde die Weimarer Republik zur Wiege für die Aufrüstung Deutschlands nach dem ersten Weltkrieg und für die Militarisierung des Landes.

Der amerikanische Bankier James B. Warburg, der auch Mitglied des „Gehirntrusts“ von Präsident Roosevelt und damit intimer Kenner nicht nur der Politik, sondern auch der Umstände ihres Entstehens war, schrieb 1944 in seinem Buch „Die Außenpolitik beginnt zu Hause“ über die Überlegungen der Westmächte dabei: „Die alliierten Regierungen trauten der Festigkeit der sozialen Struktur ihrer Länder nicht. Und weil sie ihr nicht trauten, strebten sie danach, den Bolschewismus in Russland zu vernichten; sie fürchteten, dass er auch in ihre Länder eindringen würde. Die Alliierten benutzten ihren Sieg nicht dazu, die Entwicklung der Demokratie in Europa zu fördern, sondern nützten ihn aus, um sicherzustellen, dass Teile der reaktionären politischen und ökonomischen Gruppierungen, die bis 1914 in den verschiedenen Ländern Europas geherrscht hatten, an der Macht blieben

Hätten wir so gehandelt, …,wenn wir nicht daheim bei uns selbst, in unserem eignen Vaterlande, vor dem ungelösten Widerspruch zwischen der politischen Demokratie und der ökonomischen Oligarchie Furcht gehabt hätten… Es ist eine historische Tatsache , … dass kapitalistische, soziale, religiöse Furcht sich vereinigten und sich in den westlichen Staaten verbreiteten, so dass diese weiterhin den demokratischen Fortschritt unterdrückten und in Europa eine Reaktion unterstützten, aus welcher schließlich der Faschismus geboren wurde.“

Es wird damit aus berufenem Munde bestätigt, dass die imperialistischen Staaten vor der Situation standen, dass ihre Gesellschaftsordnung noch nie so gefährdet war, wie nach dem Weltkrieg. Das war ein wesentlicher Faktor, der das Verhalten der Staaten bestimmte und sie veranlasste, den Faschismus zu fördern.

Unter diesen Umständen stellte man (Winston Churchill) bekanntlich die Gedanken der „westeuropäischen Versöhnung“ propagandistisch in den Vordergrund. Die Vorstellung, dass der deutsche Militarismus durch einen „Kreuzzug gegen den Osten“ Nutzen bringen könnte, wurde bald Gemeingut aller kapitalistischen Großmächte und eine Grundlage ihrer Beziehungen. Der „Drang nach Osten“ wurde zur „Gefahr aus dem Osten“ umfunktioniert und zum Bindeglied zwischen der deutschen Reaktion und den internationalen imperialistischen Kräfte.

Man hat das handelnde Subjekt gefunden, dass bereit war, sein eigenes Land und das Volk – also Menschenleben – zu opfern, um die Interessen des deutschen Monopol- und Finanzkapitals zu verwirklichen. Es musste nur noch so aufgebaut werden, dass es nicht den eigenen Interessen, den Interessen der Monopole in den USA, in Großbritannien usw., schadet!

Das um so mehr, als Rapallo gezeigt hat, dass es Alternativen zum antisowjetischen Konzept gibt. Der Rapallovertrag hat gezeigt, dass und wie die Beziehungen zwischen Sowjetrussland und einem kapitalistischen Staat auf der Grundlage der Gleichberechtigung und des gegenseitigen Vorteils geregelt werden können. Für Deutschland war er eine wichtige Stütze im Ringen gegen die Übermacht der Siegermächte. Er räumte Deutschland auch große ökonomische Vorteile ein. Der deutsche Export in die RSFSR hat sich in Jahresfrist mehr als verdoppelt.

Deutschland hat ihn jedoch missbraucht, um einseitig seine Position gegenüber den kapitalistischen Mächten auszubauen. Die westlichen Mächte forderten seine Aufhebung. Dazu nutzten sie auch die reaktionärsten Kräfte in Deutschland. Sie waren daran interessiert, ein reaktionäres Deutschland als Angriffskolonne der kapitalistischen Welt gegen den Osten aufzubauen und zu benutzen.

Der Antibolschewismus wurde rasch zu Deutschlands wirksamer Waffe, die zum Beispiel die französisch-britischen Bedenken überwand.

Unter diesen Umständen wurde im Oktober 1925 der sogenannte Locarnopakt abgeschlossen, der die Grenzen im Westen sichern und garantieren sollte. In der britischen Regierung wurde der Standpunkt vertreten: „Die Bedeutung von Locarno ist ungeheuer groß. Sie liegt darin, dass sich die jetzige deutsche Regierung von Russland abwendet und ihr Geschick an das der Westmächte knüpft“. Und der deutsche Außenminister Stresemann erklärte: „Er hat die Einigkeit (der Westmächte – A.L.) gesprengt und in Osteuropa neue Möglichkeiten eröffnet“.

Und diese Politik nannte man – gegenüber der Bevölkerung – „Völkerverständigungspolitik“!

Die zentrale Erwartung formulierte der Erdölkönig Henri Deterding (Royal Dutch Shell) in der Morning Post vom 5. Januar 1926: „Ehe viele Monate ins Land gehen, wird Russland in die Zivilisation zurückgekehrt sein, aber unter einer besseren Regierung als der zaristischen. Mit dem Bolschewismus wird es vor Ausgang des Jahres vorbei sein“. Ein Programm zur Kolonialisierung Russlands, zur Ausbeutung seiner Schätze Russlands lag ja auch schon vor.

Diese Situation nutzend, bot sich Hitler den deutschen und internationalen Monopolherren mit dem Programm an: „Damit ziehen wir Nationalsozialisten bewußt einen Strich unter die außenpolitische Richtung unserer Vorkriegszeit. Wir setzen dort an, wo man vor sechs Jahrhunderten endete. Wir stoppen den ewigen Germanenzug nach dem Süden und Westen Europas und weisen den Blick nach dem Land im Osten….Nicht West- und nicht Ostorientierung darf das künftige Ziel unserer Außenpolitik sein, sondern Ostpolitik im Sinne der Erweiterung der notwendigen Scholle für unser Volk“.

Damit stieß Hitler auf offene Ohren sowohl bei den Westmächten als auch bei den deutschen Monopolen. Im November 1926 hatte Carl Duisberg, Vorsitzender des Aufsichtsrates der IG Farben und seit 1926 auch des Reichsverbandes der deutschen Industrie, erklärt: „In der Behandlung wichtiger wirtschaftlicher Fragen muß eine Änderung eintreten. Wie man es machen muss, kann man in Amerika sehen. Die ganze Politik wird dort von einem Gremium von Wirtschaftlern gemacht. Wenn größere Fragen zur Entscheidung anstehen, dann treten sie zusammen, sprechen diese durch und setzen diese Richtlinien durch. Nach ihnen wird dann gearbeitet. Aber wie soll man die Sache in Deutschland machen? Alle diese Dinge werden im Reichstag entschieden. Darum können und müssen wir auf die Parteipolitik einwirken. Nur durch planmäßige Beeinflussung lassen sich alle Schwierigkeiten überwinden“.

Das war ein mehrfaches und langfristiges Programm, das zu den bekannten Ergebnissen in den 1930er Jahren geführt hat. Es war ein Zeichen gegenüber den Amerikanern, eine Warnung an die Weimarer Verfassung und die parlamentarische bürgerliche Demokratie und ein Hinweis an die Parteien, dass sie sich entsprechend den Vorstellungen der Monopole zu verhalten haben.

Zum politischen „Beitrag“ haben die imperialistischen Mächte auch ihre ökonomischen Subventionen geleistet. Die großen amerikanischen Anleihen der zwanziger Jahre beschleunigten und verschärften die Entwicklung zu diesem Konzept und damit zum Faschismus.

Von Anfang an gehörte die Förderung der deutschen Rüstungsindustrie dazu. Schon 1919 bis 1922 fingen die amerikanischen Finanzinstitute in weitem Ausmaß an, als Anleihegeber für die deutsche Schwerindustrie aufzutreten. Empfänger auf deutscher Seite waren u.a. Krupp, Hugo Stinnes und Otto Wolf, sowie Friedrich Flick. Dazu gehörte die Chemieindustrie sowie Firmen wie Carl Zeiss Jena u.v.a.

Alle diese Pläne und Handlungen wurden mit Friedensparolen und paneuropäischen Argumenten ummantelt. Es wurde für Vertrauen geworben, nicht nur in die Aktionen, sondern auch in die Empfänger der Gelder.

Die Regierungen der Weimarer Zeit haben diese Prozesse nicht behindert, sondern kräftig gefördert. Bei allen „demokratischen“ Formulierungen der republikanischen Verfassung lag die wirkliche wirtschaftliche wie gesellschaftliche Macht des Reiches in den Händen einer äußerst begrenzte Gruppe Industrie- und Finanzmagnaten. Sie waren nicht nur Finanzquelle für die Politik. Sie finanzierten auch die gesamte Propagandaarbeit.

Auf der Grundlage der wirtschaftlichen Verflechtung wurden also die Faschisten und ihre „Bewegung“ von deutschen und ausländischen „Wohltätern“ finanziert. Von den ausländischen Finanziers seien genannt: Erdölmagnat Henri Deterding und der Amerikaner Henry Ford.

Der Chef des deutschen Stahltrusts, Fritz Thysen, hatte schon früh mit dem „nationalen Widerstand“ entsprechende Beziehungen. 1928, als sie an Geldmangel litten, hat er ihnen eine große Anleihe beschafft. Nach der Rede Hitlers am 27. Januar 1927 im Industrieklub Düsseldorf erklärte Fritz Thyssen: „Die Rede machte auf die anwesenden Industriellen tiefen Eindruck, und als Folge davon flossen eine ganze Anzahl großer Beträge aus Mitteln der Schwerindustrie in die Kassen der Nationalsozialistischen Partei“.

Diese und viele andere Verbindungen und Aktionen führten dann zur „Münchner Politik“ und schließlich zum Krieg. Es war aggressiver Selbsterhaltungstrieb und zielgerichtete Politik des deutschen Großkapitals und seiner ausländischen Partner, die die Weimarer Republik ausnutzten, sie zu Grabe trugen und die Nazidiktatur installieren ließen.

Der Faschismus ist das bewusst herbeigeführte Produkt der Monopole, um die Klassenherrschaft zu sichern.

  1. Alles nur Geschichte?

Marx und Engels weisen uns darauf hin, dass „die herrschenden Ideen einer Zeit … stets nur die Ideen der herrschenden Klasse“ sind. Es gibt keine Politik ohne Ideologie. Das sollten wir beherzigen.

Die Bedingungen, die den Faschismus als politische Waffe der imperialistischen Bourgeoisie hervorbrachten, bestehen weiter. Die Menschheit kann nur überleben, wenn sie sich erneut und stärker gegen den Imperialismus erhebt.

Die Geschichte lehrt, dass wir in unseren Aktionen partei- und organisationsübergreifend handeln müssen. Es gibt aber genügend Anlässe, die uns feststellen lassen, dass ein solches Herangehen keinesfalls bedeutet – wie manche meinen und sich verhalten – auf Parteinahme in zentralen gesellschaftspolitischen, ideologischen und theoretischen Fragen zu verzichten.

Die Hauptgefahren des Faschismus gehen auch heute, wie früher, wie immer von der imperialistischen Bourgeoisie aus.

Die „Rechten“ oder sogar faschistischen Bewegungen und Organisationen sind aber keine selbständige Kraft. Man muss die Kräfte entlarven, die hinter ihnen stehen!

Die Geschichte der Weimarer Zeit zeigt, dass solche Organisationen von den Herrschenden an der Leine gehalten werden, solange sie in den Regierungen noch nicht gebraucht werden. Ihr Wachstum und ihre Regierungsfähigkeit wird dann durch politische und wirtschaftspolitische Maßnahmen und durch „Spenden“ gefördert, wenn dies als zweckmäßig erscheint, um den gewünschten Sozial- und Demokratieabbau forciert voran zu bringen oder außenpolitischen Expansionen eine stärkere innere Unterstützung zu sichern.

Wir sollten uns jedoch darauf einstellen, dass der Übergang zum Faschismus sich nicht als Kopie von bereits Gehabtem abspielt. Die imperialistische Bourgeoisie verfügt inzwischen über ein ungleich größeres Reservoir von Mitteln sowohl zur Manipulierung der Massen als auch zur Überwachung des einzelnen Bürgers, als zu Zeiten der Weimarer Republik.

Dazu gehören die in der Zwischenzeit nicht mehr zu zählenden Stiftungen, “Forschungszentren“ usw., die Konzepte erarbeiten, die von der „offenen Gesellschaft“ von G. Sörös bis zum „Regime Change“, wie es uns beispielsweise 1989/90 vorgeführt wurde und dann auch in der Ukraine praktiziert wurde (wird), reichen.

Dazu gehört die „Konvergenztheorie“ wie auch die sogenannte ideologische Koexistenz. Eigentlich entstand ein völlig neuer Zweig der Gesellschaftswissenschaft, der einen ganzen Kreis mit der Propaganda zusammenhängender Probleme erforscht und Konzeptionen ausarbeitet sowie eine Reihe angrenzender Gesellschaftswissenschaften vereint.

Die ersten Anfänge liegen in der Zeit nach dem ersten Weltkrieg und auch in den 1930er Jahren. Nicht nur im damaligen Deutschland wurden bis zum zweiten Weltkrieg riesige Summen für die Propaganda zur Verfügung gestellt. Auch in den USA entstand zwischen den beiden Weltkriegen eine Reihe von Institutionen, die sich speziell mit Problemen der Propaganda befassten. Dazu zählt zum Beispiel das 1937 an der Columbia-Universität geschaffene Institut zur Analyse der Propaganda. Allerdings haben die deutschen Faschisten für die innen- und außenpolitische Propaganda mehr Mittel und und Kräfte eingesetzt als die Herrschenden in den USA.

In den USA setzte ab 1945 ein Aufschwung dieser Tätigkeiten ein, die sich mit den Aufgaben und Methoden des „psychologischen Krieges“ beschäftigten. Die Ergebnisse fanden Eingang in die strategischen Dokumente der Regierungsinstitutionen. In der amerikanischen militärischen Anweisung für den „psychologischen Krieg“ (1955) wird auf die Bedeutung der soziologischen, ökonomischen und politischen Forschungen vor allem im Zusammenhang mit dem erforderlichen Studium der Bevölkerung, ihrer sozialen Zusammensetzung, ihrer Interessen, ihres Kulturniveaus, der in dieser oder jener Gesellschaft bestehenden Konflikte usw. in der Propaganda hingewiesen.

Als ein weltweites Zentrum für die Entwicklung von Ideen und Studien sowie für Ausbildung von Kadern, die „vom Völkerrecht kommen“ (Baerbock) entwickelte sich das WEF in Davos (Schweiz).

Unter der Leitung von Klaus Schwab ist das WEF zu einem internationalem Zentrum zur Ausarbeitung von Theorien und Konzepten für einen „Neustart des Kapitalismus“ und zur „Neugestaltung der Welt“ geworden.

Die jährlichen Treffen wurden 1987 in den Rang von Weltwirtschaftsforum gehoben (vorher, seit 1971 Europäisches Managerforum).

Gleichzeitig werden vom WEF jährlich jüngere (bis 38 Jahre) Politiker, Wirtschaftler u.a. in den einzelnen Ländern ausgesucht und in mehrjährigen Lehrgängen für künftige Führungsfunktionen in nationalem und internationalem Rahmen ausgebildet. Das Netzwerk entwickelte sich zur Kaderschmiede der internationalen Oligarchie indem es Politiker, Spitzen-Manager, Milliardäre und Meinungsmacher ausbildet.

Seit 1992 wurden zum Beispiel im Rahmen der „Young Global Leaders“ bzw. „Global Leaders of Tomorrow“ ausgebildet: Microsoft-Gründer Bill Gates, Amazon-Chef Jeff Besos, Weltbank-Chef und US-Päsidenten-Berater Larry Summer sowie Regierungschefs wie Angela Merkel, Nicolas Sarkozy, Tony Blair, Gordon Brown und Jose Maria Aznar, Benazir Bhuto, EU-Kommissions-Chef Jean-Claude Juncker, Präsident Macron, Guido Westerwelle, Jens Spahn, Wolfgang Kubicki, TV-Moderatorin Sandra Maischberger. Und Annalenaa Baerbock gehört der Klasse von 2020 an.

Inhaltlich wurden in der Öffentlichkeit vor allem die Ideen debattiert, die Herr Schwab über einen „Stakeholder“-Kapitalismus und über „The Great Reset“ (Der große Umbruch) entwickelt hat.

Das Stakeholder-Konzept enthält – schön verpackt – im Grunde die Negierung jeder Art von Demokratie zugunsten der Herrschaft der Interessen des Unternehmens. Maßstab jeglicher Tätigkeit ist Profit und Ausbeutung. Die Menschen sollen die Technologien akzeptieren, die ihrer Ausbeutung und Kontrolle dienen.

Es lohnt schon, über Konzepte nachzudenken und dagegen aufzustehen, die besagen, dass die Gesellschaft nicht mehr als eine lebendige Gemeinschaft besteht, sondern auf ein Unternehmen reduziert wird, dessen Rentabilität das einzig gültige Kriterium der menschlichen Tätigkeit ist. Besonders gefährlich wird es, wenn man das in Zusammenhang mit herrschenden Meinungen zur künstlichen Intelligenz und ihrer Anwendung in der Gesellschaft betrachtet.

Herr Schwab verkündet dazu: „Die verblüffenden Innovationen, die durch die Vierte Industrielle Revolution angestoßen wurden, von der Biotechnologie bis zur KI definieren neu, was es bedeutet, Mensch zu sein“. Und an anderer stelle: „Wir werden besser in der Lage sein, unsere eigenen Gene und die unserer Kinder zu manipulieren. Diese Entwicklungen werfen tiefgreifende Fragen auf: Wo ziehen wir die Grenze zwischen Mensch und Maschine? Was bedeutet es, Mensch zu sein?“

Derart „phantasievolle“ Aussagen gibt es noch mehr. Man sollte sie aber nicht belächeln, sondern sie mit vollem Ernst betrachten, weil sie zumindest den Geist zeigen, der die Gestalter der Gegenwart und Zukunft leitet.

Und um diese Vision abzurunden, wird gesagt: „Das bedeutet nicht, dass jeder ein Cyborg werden muss. Wenn man mit seinem Zustand als Mensch zufrieden ist, dann kann man so bleiben, wie man ist. Aber seien sie gewarnt – so wie wir Menschen uns vor Jahren von unseren Vettern, den Schimpansen, getrennt haben, so werden sich auch die Cyborgs von den Menschen trennen. Diejenigen, die Menschen bleiben, werden wahrscheinlich zu einer Untergattung werden. Sie werden gewissermaßen die Schimpansen der Zukunft sein“.

Man wird also wahrscheinlich nicht bei Menschenversuchen im Konzentrationslager stehen bleiben. Die Entmenschlichung des Menschen und der Menschheit soll mit Hilfe der „Wissenschaft“ erfolgen und dazu noch als Fortschritt ausgegeben werden. Menschen zweiter Klasse gibt es auch! Das sind zumindest jene, die „zu einer Untergattung werden“.

Wir sollten schon darüber nachdenken, denn diejenigen, die so denken, betreiben die Ausbildung und Vorbereitung der „Elite“, die heute schon in den Regierungen und Institutionen sitzen, die eine Neue Weltordnung gestalten sollen. Sie finanzieren Bücher und Konzepte. Aber nicht Frieden und Sicherheit, nicht Entwicklung und Wohlstand der Völker ist das Ziel, sondern Sicherheit für Vermehrung des Profits durch Ausbeutung der „Untergattung“. Und dafür können auch Kriege nützlich sein!

Faschismus im 21. Jahrhundert wird sich von den Konzentrationslager des 20. Jahrhunderts unterscheiden. Sein Kernanliegen, die Menschheit mit menschenfeindlichen autoritären Mitteln kapitalismusgerecht zu gestalten wird bleiben. Es geht nicht um die Herrenrasse, sondern um die Herrenklasse!

Wie hieß es doch? Der Schoß ist fruchtbar noch aus dem das kroch! Und Julius Fucik sagte unterm Strang:

Menschen seid wachsam!

Prof. Dr. Anton Latzo ist Historiker und Mitglied des Beirats des Deutschen Freidenker-Verbandes

Das OKV plant die Herausgabe eines Buches mit allen Beiträgen der Konferenz vom


Bild oben: Verhaftung von Kommunisten durch die SA in Berlin am 6.3.1933, am Tage nach den Reichstagswahlen
Foto: Bundesarchiv, Bild 102-02920A / Georg Pahl / CC BY-SA 3.0 de
Quelle: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5479531