Frieden - Antifaschismus - SolidaritätGeschichte

Zum 142. Geburtstag von Georgi Dimitroff

von Liane Kilinc

Georgi Dimitroff (1882-1949) war ein herausragender bulgarischer Kommunist, dessen Leben und dessen Leistung uns heute wieder besonders nah sind, denn vor allem sind sie von einem geprägt: vom Kampf gegen den Faschismus.

Da ist zum einen das Referat, dass er im Jahr 1935 vor dem VII. Weltkongress der Komintern gehalten hatte. Wer kommunistische Organisationen kennt, weiß, dass das nicht die Gedanken eines Einzelnen waren, sondern die Zusammenfassung einer Diskussion, die bereits seit Jahren geführt wurde; dass es sich hier um die Ergebnisse der Beratungen des Exekutivkommittees der Komintern handelte.

Aber es hatte seinen Grund, dass Dimitroff sie vortrug, und er war in den Jahren darauf auch damit beschäftigt, diese Erkenntnisse umzusetzen, bis hin zu seiner Zeit als bulgarischer Ministerpräsident nach 1945. Als Generalsekretär der Komintern musste man ihn, das belegen seine Tagebücher, von seinem Schreibtisch förmlich fortzwingen. Aber er wusste eben nicht nur theoretisch, sondern auch sehr praktisch, mit welchem Gegner die kommunistische Weltbewegung zu jener Zeit zu kämpfen hatte.

„Der Faschismus ist die offene, terroristische Diktatur der reaktionärsten, chauvinistischsten, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals.“

Das ist ein Satz, der sich ebensosehr aufs Heute bezieht wie aufs Gestern; nur, dass sich damals letztlich die herrschende Klasse vieler europäischer Länder dem deutschen Faschismus unterordnete, um den Krieg nicht nur gegen die Werktätigen der eigenen Länder, sondern auch den gegen die Sowjetunion zu führen, während das heute unter der Führung der Vereinigten Staaten geschieht.

Damals war diese Entwicklung auch eine Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise 1929; heute ist sie die Reaktion auf eine Krise, die 2008 begonnen und bis heute nicht geendet hat. In diesem einen Satz, dieser Definition, finden sich zwei entscheidende Punkte, die sich auch heute wieder bestätigen lassen.

Zum einen, es handelt die äußerste Reaktion. Die Masken der bürgerlichen Demokratie sind gefallen. Das ist genau das, was heute geschieht; sowohl in der Art und Weise, wie in der Ukraine ein halbes Volk auf die Schlachtbank geführt wird, nur um Russland zu schwächen, zeigt es sich ebenso wie in dem hemmungslosen Gemetzel, das seit Monaten unter den Palästinensern angerichtet wird.

Aber die äußerste Reaktion, die „reaktionärsten, chauvinistischsten, am meisten imperialistischen Elemente“ lassen sich heute, gleich, in welche Flaggen sie sich hüllen, gleich, welche Losungen sie verbreiten, vor allem an Einem erkennen: am Willen, um jeden Preis die koloniale Ordnung aufrechtzuerhalten.

Die zweite wichtige Aussage in diesem Satz ergibt sich aus der Formulierung der Elemente. Dass in einer Situation der äußersten ökonomischen Krise die bürgerliche Demokratie fallen gelassen wird, ist nicht nur der Tatsache geschuldet, für den gewünschten Krieg jeden Widerspruch unterdrücken zu müssen; es ist auch eine Folge der Tatsache, dass die staatliche Macht eben nicht mehr den Interessen der gesamten Bourgeoisie dient, sondern direkt jenen reaktionärsten Elementen untergeordnet wird.

Die Thesen, die Dimitroff 1935 vortrug, zeichneten den Weg vor, der nach der militärischen Niederlage des Faschismus umgesetzt wurde; die die Bündnisse, die erforderlich waren, um diesen Sieg zu erringen, die Volksdemokratien und die Grundlinien des antifaschistischen Wiederaufbaus, all das findet sich bereits in diesem Referat und prägte die Politik der Kommunisten in den folgenden Jahrzehnten.

Das Entscheidende an der Analyse des Faschismus, die Dimitroff damals vortrug, war, sich nicht von der zur Schau getragenen Ideologie blenden zu lassen, sondern genau zu betrachten, in wessen Interesse geherrscht und gehandelt wird. Das ist der Schritt, der es möglich macht, auch hinter der in vielen westlichen Ländern vorgehaltenen Maske von Menschenrechten und persönlicher Freiheit die alte faschistische Fratze zu erkennen, deren entscheidendes Merkmal eben nicht die Verwendung altbekannter Symbole ist, auch wenn sie in der Ukraine an jeder Straßenecke zu sehen sind, sondern das Handeln im Interesse dieser reaktionärsten Teile des Kapitals.

Aber den Faschismus zu erkennen und Strategien zu entwickeln, wie er niederzuringen ist, sich darum zu bemühen, seine Gegner zu sammeln, das ist nur die halbe Miete. Und man würde die Person Georgi Dimitroff gewaltig unterschätzen, sähe man in ihm nur den erfolgreichen Theoretiker, den fleißigen Funktionär.

Er war nicht nur derjenige, der die theoretischen Erkenntnisse über den Faschismus vortrug. Er war auch derjenige, der ihm persönlich, und tatsächlich sogar weitgehend alleine, eine gewaltige Niederlage zugefügt und den deutschen Nazismus vor den Augen der Welt entlarvt hat. Hier geht es um Standhaftigkeit, Mut und Ausdauer, und die beste theoretische Analyse kann keine Früchte tragen, wenn sie nicht davon begleitet wird.

Ja, ich rede vom Reichstagsbrandprozess. Heute wird seine Geschichte in Deutschland wieder verzerrt, es wird sogar in Schulen behauptet, die Kommunisten hätten den Reichstag angezündet. Aber die Wahrheit sieht anders aus, und sie ist untrennbar mit dem Namen Dimitroffs verknüpft.

Als der Reichstag in der Nacht des 27. Februar 1933 brannte, war das die Einleitung einer zuvor unbekannten Welle des Terrors. Es wurde behauptet, das sei das Signal für einen kommunistischen Aufstand gewesen, und in den folgenden Tagen fanden unzählige Verhaftungen und Morde statt, vor allem an Kommunisten, aber auch an Sozialdemokraten, und kurz darauf ließen sich die Hitlerfaschisten unbegrenzte Befugnisse erteilen, die sie bis zu ihrer Niederlage 1945 halten sollten – übrigens mit den Stimmen vieler bürgerlicher Abgeordneter. Die Listen für die Verhaftungen wurden übrigens, das belegen Dokumente der Polizei, bereits in den Wochen vor dem Brand erstellt.

Georgi Dimitroff, der damals als Flüchtling in Berlin lebte, wurde am 9. März 1933 verhaftet und von den Nazis als ideales Objekt für einen Schauprozess auserkoren, der die Behauptung der kommunistischen Verschwörung belegen sollte. Es wurde alles getan, um die Angeklagten an einer Verteidigung zu hindern. Dimitroff gelang es nicht nur, sich in der Haft ausreichend Deutsch beizubringen, um seine Verteidigung selbst zu übernehmen, nachdem er den gestellten Verteidigern nicht vertrauen konnte, er studierte auch das deutsche Recht. Er wusste, dass diese Anklage nicht nur ihm und den übrigen Angeklagten als Personen galt. Es war nicht nur sein Leben in Gefahr, sondern das vieler tausender anderer Gefangener.

Zu Beginn wurde der Prozess, von dem sich die Hitlerregierung so viel erwartete, sogar im Rundfunk übertragen und über Lautsprecher auf die Straßen übertragen. Aber Dimitroff gelang das Unerwartete. Er stellte Hermann Göring, damals preußischer Ministerpräsident, während der Verhandlung derart bloß, dass Lautsprecher und Rundfunkübertragungen bald verschwanden. Was aber nicht verschwand, war die internationale Aufmerksamkeit, für die die Nazis selbst geworben hatten. Über diesen Prozess wurde in der ganzen Welt berichtet.

Dadurch wurde der wirkliche Charakter des Regimes, das in Berlin an der Macht war, enthüllt; seine Falschheit, seine Missachtung jeden Rechts, sein Terror.

In seinem Schlusswort sagte Dimitroff: „Ich pflege die Dinge beim rechten Namen zu nennen. Ich bin kein Rechtsanwalt, der hier seinen Mandanten pflichtgemäß verteidigt. Ich verteidige meine eigene Person als angeklagter Kommunist. Ich verteidige meine eigene kommunistische, revolutionäre Ehre. Ich verteidige meine Ideen, meine kommunistische Gesinnung. Ich verteidige den Sinn und Inhalt meines Lebens.“

Er musste freigesprochen werden. Im Februar 1934 wurde er dann in die Sowjetunion abgeschoben, nachdem ihm die sowjetische Staatsbürgerschaft verliehen worden war. Während seiner Haft hatte er keine Ahnung von den Demonstrationen, die weltweit seine Freilassung forderten; auch wenn er nie wirklich alleine war, musste er all den Mut, das Wissen, die Kühnheit, die Standhaftigkeit, die er für diesen Sieg benötigte, selbst aufbringen.

Georgi Dimitroff steht also gleich auf mehrfache Weise für das, was nötig ist, um den Faschismus zu bezwingen.

Er steht für die Zuversicht, er steht für die Einsicht, und er steht für den neuen Anfang nach dem Sieg.

Er und Menschen wie er sind die Vorbilder, die wir brauchen, um in den heutigen Schlachten nicht nur zu überstehen, sondern zu siegen.

Liane Kilinc ist Vorsitzende des Vereins „Friedensbrücke-Kriegsopferhilfe e.V.“ und Mitglied des Deutschen Freidenker-Verbandes


Bild oben: Georgi Dimitroff, Portrait von 1925
Foto: unbekannt, Public Domain
Quelle: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=71821742