Eine sozialistische Persönlichkeit
Vor 130 Jahren wurde Otto Grotewohl geboren
von Prof. Dr. Anton Latzo
Erstveröffentlichung in der UZ vom 08.03.2024
Otto Grotewohls Leben und Wirken, sein Erbe in wenigen Sätzen zu würdigen, ist fast unmöglich. Er war im wahrsten Sinne des Wortes eine sozialistische Persönlichkeit – ein überzeugter und überzeugender Gestalter und Vertreter der Deutschen Demokratischen Republik, ihrer Leistungen beim Aufbau einer neuen Gesellschaft und ihrer Politik des Friedens.
Gereift im antifaschistischen Kampf, war er einer der Vorkämpfer für die Einheit der deutschen Arbeiterklasse nach der Befreiung vom Faschismus. In der zweiten Hälfte der 1940er Jahre hat er an führender Stelle in der SPD mit Kurt Schumacher und dessen Anhängern, die schon damals die Interessen der USA über die Interessen des deutschen Volkes stellten, die Auseinandersetzung um die Einheit der Nation geführt.
Der Zentralausschuss der SPD, der sich am 17. Juni 1945 in Berlin gebildet hatte und dessen Vorsitzender Grotewohl war, forderte – in Übereinstimmung mit der Erklärung der KPD – die „völlige Beseitigung aller Reste der faschistischen Gewaltherrschaft“ und Maßnahmen zur demokratischen Umgestaltung Deutschlands. Er erklärte ferner, dass er den Kampf um die Neugestaltung auf dem Boden der organisatorischen Einheit der deutschen Arbeiterklasse führen wolle und darin eine moralische Wiedergutmachung politischer Fehler der Vergangenheit sehe.
Schumacher sah die Kraft der demokratischen Erneuerung Deutschlands nicht in der Aktionseinheit der Arbeiterparteien und in der antifaschistisch-demokratischen Front, sondern in einer reformierten, durch die Preisgabe der marxistischen Traditionen geistig neu orientierten Sozialdemokratie, die als Regierungspartei geeignet sein sollte. Dafür formierte er das „Büro Schumacher“ als Alternative zum Zentralausschuss. Das bedeutete letztlich die Aufspaltung der SPD nach Besatzungszonen.
In der Folge kam es am 20. und 21. Dezember 1945 zur ersten Sechziger-Konferenz, einer Beratung von je 30 Vertretern der SPD und der KPD. Unmittelbar nach dem Treffen schrieb Grotewohl: „Wir stehen vor einer neuen Epoche der deutschen Arbeiterbewegung. Der 21. Dezember 1945 wird einmal in die Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung als der Tag eingehen, an dem sechzig Vertreter der beiden Arbeiterparteien in kameradschaftlicher Einmütigkeit und voller Einstimmigkeit den Grundstein zum Aufbau der einheitlichen deutschen Arbeiterpartei legten.“
Als Vorsitzender des Verfassungsausschusses des Deutschen Volksrats, in dem Mitglieder aller damals aktiven demokratischen Parteien vertreten waren, leistete Grotewohl einen entscheidenden Beitrag zur Ausarbeitung der ersten Verfassung der DDR.
In seiner Tätigkeit als Vorsitzender der SED und Ministerpräsident der DDR prägte er entscheidend die Entwicklung der neuen sozialistischen Gesellschaft und der Innen- und Außenpolitik des Staates. Er ging davon aus, dass im Mittelpunkt der gesamten Tätigkeit von Partei und Regierung der Mensch stehe und damit die ständig bessere Befriedigung seiner materiellen und geistig-kulturellen Lebensbedürfnisse.
Grotewohl war ein zutiefst geschichtsbewusster Arbeiterführer, dem das Studium der Klassiker des Marxismus-Leninismus ebenso Grundanliegen war wie die Kulturpolitik oder die Gewerkschafts- und Jugendpolitik. Er äußerte, dass ein Arbeiter ohne Geschichtsbewusstsein kein klassenbewusster Arbeiter sein könne. Er kämpfte in der Überzeugung, dass die geeinte Arbeiterpartei Voraussetzung für die Einheit der Klasse und für die friedliche Gestaltung der Zukunft ist.
Prof. Dr. Anton Latzo ist Historiker und Mitglied des Beirats des Deutschen Freidenker-Verbandes
Otto Grotewohl, geboren am 11. März 1894, war ab 1918 Mitglied der USPD und von 1925 bis 1933 für die SPD im Reichstag. Er beteiligte sich aktiv am antifaschistischen Kampf und wurde von den Nazis verhaftet.
Am 17. Juni 1945 unterzeichnete er in Berlin gemeinsam mit Gustav Dahrendorf und anderen den Gründungsaufruf der SPD nach der Niederlage des deutschen Faschismus. Grotewohl wurde Vorsitzender des Zentralausschusses der SPD in der Sowjetischen Besatzungszone und führender Befürworter einer Vereinigung von KPD und SPD.
1948 wurde er Vorsitzender des Verfassungsausschusses des Deutschen Volksrats, aus dem später die Volkskammer der DDR hervorging. Mit der Gründung der DDR am 7. Oktober 1949 wurde er zu ihrem Ministerpräsidenten gewählt. Diese Funktion übte er bis zu seiner schweren Erkrankung im Jahr 1960 aus. Er starb vier Jahre später.
Bild oben: Otto Grotewohl, Aufnahme vorm 30.10.1950
Foto: Bundesarchiv, Bild 183-19204-3150 / CC-BY-SA 3.0
Quelle: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5341452