Absurdistan: Die Weltklimakonferenz COP28 in der Ölhauptstadt Dubai unter der Leitung eines Öl-Managers
von Dr. Helmut Selinger
Verfasst am 22.12.2023
Hinweis: Die wissenschaftliche Frage der menschengemachten Erderwärmung wird im Deutschen Freidenker-Verband nicht als entschieden betrachtet und offen diskutiert. Die hierzu geäußerte Position des Autors gibt nicht notwendig die Meinung des Gesamtverbands wieder. Entscheidend ist für uns als Freidenker die Enthüllung, dass mit dem schönen Wort „Klimaschutz“ der Widerstand gegen reaktionärste politische Maßnahmen gebrochen werden soll und ein irrationales Angstklima in der Gesellschaft erzeugt wird. |
Die diesjährige Weltklimakonferenz COP28 ging am 13. Dezember 2023 in Dubai zu Ende. Allein die Tatsache, dass eine Konferenz, deren Ziel es ist, den menschengemachten globalen Klimawandel zu bekämpfen, in einem Ölstaat stattfindet, dessen ganzer Reichtum auf der Förderung und dem Verkauf von Rohöl gegründet ist, und dessen exorbitanter CO2-Ausstoß pro Kopf über 20t CO2/a beträgt, lies schon im vorhinein das Schlimmste befürchten.
Der Verlauf und das “Ergebnis“ der riesigen Veranstaltung, mit ca. 70.000 Teilnehmern, darunter mehrere Tausend Öl-, Gas- und Kohle-Lobbyisten mit dem direkten Auftrag, weiter fossile Geschäfte einzufädeln, lassen eigentlich nur noch traurige Wut oder bitteren Sarkasmus zu.
Dies auch in dem Bewusstsein, wie dramatisch sich die Klimasituation entwickelt. So fasst der aktuellste UNEP-Bericht[1] zur Erderwärmung zusammen, dass sich mit den derzeitigen nationalen Klimaschutz-Zusagen aller Staaten (NDC´s [2]) die Erde bis 2100 voraussichtlich um bis zu 2,9ºC über das vorindustrielle Niveau erwärmt.
Angesichts dieser Situation fällt es sehr schwer, meine bis heute vertretene grundsätzliche Verteidigung des UN-Klimaprozesses auf der Grundlage der vor 31 Jahren in Rio vereinbarten UN-Klima-Rahmenkonvention zum damals mit großer Sorge wissenschaftlich neu erkannten anthropogenen Klimawandel weiterhin aufrechtzuerhalten. Ich verteidige diesen UN-Klimaprozesses trotzdem noch, weil die Weltlage so ist, wie sie ist, und wir nichts Besseres haben.
So wie sich diese internationale UN-Klimapolitik jedoch darstellt, ist sie ein Symbol für den globalen Kapitalismus. Trotz eindeutiger wissenschaftlicher Nachweise werden nun schon seit 30 Jahren wirklich konsequente Emissionsminderungs-Maßnahmen verzögert und ausgesessen. Seit 1990 steigen die THG[3]-Emissionen kontinuierlich an, auch heute noch. Und vor allem die reichen Staaten kommen in keiner Weise ihren Verpflichtungen, man kann auch sagen Klima-Schulden, nach, die sich aus den unzweifelhaften, überdimensionierten Emissionen aus fossilen Brennstoffen in der Vergangenheit und auch heute immer noch ergeben[4].
Finanzierungsfragen
Das Thema Finanzierung war auch bei dieser Konferenz in verschiedenen Formen wieder ein wichtiger Tagesordnungspunkt. So wurde immerhin gleich zu Beginn der Konferenz der seit vielen Jahren geforderte „Loss and Damage Fund“ für konkret eingetretene Klimaschäden eingerichtet.
Deutschland und USA belobigten sich selbst für ihre Zusagen von einigen 100 Mill.$, was sich allerdings sehr bescheidenen ausnimmt – angesichts von geschätzten und wohl zu erwartenden Schäden i.H. von mehreren 100 Mrd $/Jahr in Zukunft. Konkrete Regeln, wie dieser Fonds regelmäßig finanziert werden soll, stehen ebenso aus, wie die umfängliche Einhaltung des Versprechens der reichen kapitalistischen Länder von 2009 (! COP15 Kopenhagen), ab 2020 jährlich 100 Mrd.$ für Klima-Maßnahmen im globalen Süden aufzubringen. Auch ein Fonds zur Finanzierung von Adaptations-Maßnahmen wurde ohne greifbares Ergebnis diskutiert.
Peinlich vermieden wurde generell die Erwähnung und Diskussion eines regelbasierten Mechanismus, wie aus der historischen Klimaschuld von jedem Klimaschuldner-Staat (in erster Linie USA, Russland, Japan, Deutschland) ein konkreter Finanzbeitrag in angemessener Höhe für den globalen Süden abgeleitet und verbindlich festgelegt werden kann[5].
Abschlussdokument “First global stocktake“
Am Ende der Konferenz wurde das Abschlussdokument “First global stocktake“[6] verabschiedet. Das 21 seitige Dokument soll also nun, wie der Titel schon sagt, nach 28 Klimakonferenzen, eine “erste Bestandsaufnahme der globalen Klimapolitik“ im Rahmen der UN-Rahmenkonvention (UNFCCC)[7] von 1992 sein.
Um dieses Dokument zu lesen, muss man sich seitenlang durch Passagen mit zwar z.T. wichtigen, aber im Laufe der 28 COP Konferenzen schon oft wiederholten eher allgemeinen Aussagen quälen. Wichtig und z.T. neu sind folgende Aussagen:
- Es wird die Sorge ausgedrückt, dass 2023 das wärmste Jahr seit Messaufzeichnung ist
- Das 1,5ºC-Ziel von Paris erfordert starke, schnelle und dauerhafte THG-Reduktionen
- um 43% bis 2030 im Vergleich zu 2019
- um 60% bis 2035 im Vergleich zu 2019
- Netto Null CO2-Emissionen bis 2050
- Die jeweils national bestimmten Verpflichtungen (“NDC“) sollen sich orientieren an
- einer Verdreifachung der globalen Erneuerbaren Energie-Kapazität bis 2030 und
- einer Verdoppelung der Energie-Effizienz bis 2030
- Der Bedarf an finanziellen Mitteln für die Entwicklungsländer, um ihre NDC´s zu erfüllen, wird für die Periode bis 2030 auf ca. 5,9 Bill.$ geschätzt
- Der Bedarf an finanziellen Mitteln der Entwicklungsländer wird bis 2030
- für Adaptationsmaßnahmen auf bis zu 387 Mrd.$/a und
- für Investitionsmaßnahmen in erneuerbare Energien auf ca. 4,3 Bill.$/a geschätzt.
- Es soll ein Übergang (“transition“) weg von fossilen Brennstoffen in Energiesystemen
Dieser letzte Punkt fand viel Erwähnung in der Mainstream-Presse und Öffentlichkeit, es wurde häufig erörtert, dass jetzt im Abschlussdokument kein definitiver Ausstieg (“exit“) aus fossilen Energieträgern, und zwar allgemein und nicht nur im Energiesystem, formuliert wurde, sondern nur ein Übergang (“transition“). Dies sei der vielfachen Lobbyarbeit und dem Einfluss der Ölländer geschuldet. Immerhin sei es aber gelungen, die fossilen Brennstoffe überhaupt zum ersten Mal in einem Dokument im Rahmen der Rio-Konvention zu erwähnen. Dies sei der Diplomatie von USA und auch Deutschland zu verdanken….
Dabei hat die Rio-Konvention schon vor 31 Jahren, deutlich im Artikel 2, das Endziel proklamiert, “die Stabilisierung der Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre auf einem Niveau zu erreichen, auf dem eine gefährliche anthropogene Störung des Klimasystems verhindert wird“. Dabei war jedem, der sich seit dem 1.IPCC[8]-Bericht von 1990 mit dem anthropogenen Klimawandel befaßt hat, klar, dass dies am Ende nur durch einen Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen Kohle, Öl und Gas erreicht werden kann.
Kapitalismus – Dominanz der fossilen Brennstoffe zu 80%
Dass heute aber trotzdem noch die fossilen Brennstoffe das globale Energiesystem dominieren, hat nicht nur etwas mit den Ölförderländern zu tun, sondern damit, dass die Welt von dem Produktions- und Gesellschaftssystem beherrscht wird, das prinzipiell auf die kapitalistische Profit- und Wachstumslogik ausgerichtet ist. In dieser kapitalistischen Logik spielen die fossilen Brennstoffe wie eh und je immer noch eine Hauptrolle. Weltweit beruhen immer noch 80% des Primärenergieverbrauchs auf fossilen Brennstoffen9[9] mit den entsprechend hohen klimaschädlichen Treibhausgas-Emissionen. Die Subventionen in fossile Rohstoffe betrugen in 2022 weltweit skandalöse 5,7 Bio$[10] (in Deutschland 70 Mrd $). Insofern muss es als pure Heuchelei bezeichnet werden, wenn von manchen Staats-Repräsentanten (auch A. Baerbock und “Klimasonderbotschafter der USA“ J. Kerry) so getan wurde, als sei man düpiert über die schnörkellose Öl-Lobbypolitik vieler Ölstaaten.
Auch diese Klimakonferenz zeigt wieder, dass eine prinzipielle Neuausrichtung der internationalen Klimapolitik[11] und der jährlichen Klimakonferenzen notwendig ist.
Aus all den langjährigen Erfahren muss die weltweite Umwelt- und Klimabewegung m.E. aber auch den Schluss ziehen, dass das kapitalistische System generell nicht vereinbar ist mit einer umwelt- und klimafreundlichen Zukunft. Auch eine green new deal – Politik und ein Klima-Keynesianismus lässt den Kapitalismus unangetastet, d.h. auch dieser Weg ist nicht vereinbar mit einer umwelt- und klimafreundlichen Zukunft. Deshalb müssen kapitalismusüberwindende Strategien von unten entwickelt werden.
Systemsturz –> „Degrowth Kommunismus“
Ein neuer innovativer strategischer Ansatz wurde von dem japanischen Marxisten Kohei Saito[12] unter dem Motto „Degrowth Kommunismus“ in seinem neuen Buch „Systemsturz – Der Sieg der Natur über den Kapitalismus“ vorgeschlagen. Dieser Strategieansatz gründet auf der soliden marxistischen Analyse des Kapitalismus, erweitert diese aber durch neu entdeckte Aspekte aus der späten
Lebensphase von Marx im Hinblick auch auf die Ausbeutung und Zerstörung der Natur durch den Kapitalismus. Dadurch wird die spannende Perspektive einer Verbindung der ökologisch und soziologisch begründeten Degrowth-Strategie mit einem neuen Verständnis eines zukünftigen Kommunismus eröffnet.
Eine starke internationale/globale Bewegung zur Überwindung des Kapitalismus von unten sollte und kann sich nicht nur aus der Umweltbewegung ergeben. Sie sollte sich vielmehr mit einer sozialen und humanistischen d.h. mit einer neuen internationalistischen Bewegung über alle Kontinente und Kulturen hinweg verbinden, – aus progressiven abhängig Beschäftigten, natürlich Frauen wie Männern, besonders auch aus der Jugend, Gewerkschaftern, Arbeitern, Bauern, Wissenschaftlern, Eltern, Lehrern, Friedensbewegten, Migranten und Indigenen usw. Wenn sich die weltweiten Krisen verschärfen und verbinden, insbesondere auch die zunehmenden Naturkatastrophen in verschiedenen Regionen in Verbindung mit dem anthropogenen Klimawandel, dann steht ein derartiger wirklich weltumspannender Klassenkampf auf der Tagesordnung. Die Klimakrise hat nämlich auch viel mit dem übermäßigen Reichtum zu tun, so hat das reichste Prozent der Weltbevölkerung lt. einer neuen Oxfam-Studie[13] 2019 so viele THG verursacht wie die ärmeren 2/3 der Weltbevölkerung d.h. fünf Milliarden Menschen. Deren obszöne und sinnlose Spielereien mit Privatjets, schweren SUVs, vielfach Wohnsitz-Villen und Luxusjachten könnten sofort verboten oder zumindest drastisch besteuert werden. Wenn progressive Bewegungen einen relevanten Einfluss bei zukünftigen Klimakonferenzen in der guten Tradition der UN – Klima-Rahmenkonvention von Rio erhielten, dann könnten auch mehr „vernünftige“ und konsequente Ergebnisse erzielt werden.
Dr. Helmut Selinger ist Mitglied des Ortsvorstandes München des Deutschen Freidenker-Verbandes
Quellen
[1] https://www.unep.org/resources/emissions-gap-report-2023
[2] NDC = Nationally Determind Contribution
[3] THG = Treibhausgas
[4] ISW-Report 129 „30 Jahre in Etappen in die Klimakatastrophe“ www.isw-muenchen.de u.a. S.11-17 H. Selinger: „Neuausrichtung der Klimaverhandlungen – Berechnungsmodell konkreter Klimaschulden“
[5] s.o. ISW-Report 129, S.11-17 „Neuausrichtung der Klimaverhandlungen … “ und https://isw-muenchen.de/online-publikationen/texte-artikel/4304-3verlauf-von-glasgow-konferenz-zeigt-voellig-andereart-klimakonferenz-noetig-fuer-bewaeltigung-der-klimakrise
[6] https://unfccc.int/documents/636608
[7] https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/internationale-eu-klimapolitik/klimarahmenkonvention-dervereinten-nationen-unfccc
[8] IPCC = Weltklimarat 1. Report 1990: https://www.ipcc.ch/site/assets/uploads/2018/03/ipcc_far_wg_I_full_report.pdf
[9] Der globale Verbrauch an Primärenergie belief sich im Jahr 2022 auf rund 604 Exajoule = 14 430 Mio t Öläquivalent davon 80% fossile Brennstoffe lt. Bundeszentrale für politische Bildung
[10] https://de.statista.com/infografik/31006/volumen-der-weltweiten-subventionen-fuer-fossile-brennstoffe/
[11] https://isw-muenchen.de/online-publikationen/texte-artikel/4970-69klimagipfel-cop27-in-sharm-el-sheikh-internationaleklimapolitik-braucht-prinzipielle-neuausrichtung
[12] Kohei Saito „Systemsturz – Der Sieg der Natur über den Kapitalismus“ DTV 2023
[13] https://www.oxfam.org/en/research/climate-equality-planet-99
Bild oben: pixabay.com / eyeonicimages / Inhaltslizenz