Die Lügenrede von Scholz auf dem SPD-Parteitag
Bundeskanzler Scholz hat auf dem SPD-Parteitag eine Rede gehalten, die von deutschen Medien insgesamt gut aufgenommen wurde. Dass die Rede eine einzige Sammlung dreister Lügen war, haben sie nicht erwähnt.
von Anti-Spiegel (d.i. Thomas Röper)
Erstveröffentlichung am 10.12.2023 auf anti-spiegel.ru
Wie schon bei seiner Regierungserklärung vor einigen Tagen zum Urteil des Verfassungsgerichtes, dass die Haushaltspolitik der Scholz-Regierung als verfassungswidrig eingestuft und damit die Haushaltskrise ausgelöst hat, hat Scholz auch die Rede beim SPD-Parteitag damit begonnen, dass er und seine Regierung an allen Problemen in Deutschland schuldlos sind. 20 Minuten lang hat er das erzählt, wobei er allerdings fast die gesamten 20 Minuten gelogen hat.
Das schauen wir uns einmal an.
Russland ist an allem schuld!
Als erstes hat Scholz natürlich Russland die Schuld an den deutschen Problemen gegeben und ist wieder auf seine Formulierung der „Zeitenwende“ eingegangen, mit der den 100-Milliarden-Sonderkredit für die Bundeswehr begründet hat. Scholz sagte:
„Eine Zeitenwende deshalb, weil Russland mit diesem Angriff alle Verständigung der letzten Jahrzehnte über Frieden und Sicherheit in Europa aufgekündigt hat und die wichtigste, erkämpft, von sozialdemokratischen Kanzlern bei der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die gesagt haben, es muss doch diese Klarheit geben: Grenzen werden in Europa nicht mehr mit Gewalt verschoben. Genau das hat Putin in Frage gestellt.“
Zunächst einmal stimmt das nicht, weil die ersten Grenzen, die nach dem Krieg in Europa mit Gewalt verschoben wurden, die jugoslawischen Grenzen waren. Übrigens war daran für Deutschland ebenfalls eine SPD-Regierung beteiligt.
Aber auch die Aussage von Scholz über die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE), die heute OSZE heißt, ist unwahr, denn es war der Westen, der gegen die Regeln und gültigen Verträge der OSZE verstoßen hat. Dort wurde nämlich geregelt, dass kein Staat und kein Block in Europa dominant werden darf und dass kein Staat seine Sicherheit auf Kosten der Sicherheit anderer Staaten ausbauen darf. Genau das war aber das Angebot der NATO, die Ukraine in die NATO aufzunehmen, was der Hauptgrund für die Eskalation in der Ukraine im Februar 2022 war.
Hätte die NATO, also auch ganz konkret Kanzler Scholz, damals auf die von Russland im Dezember 2021 vorgeschlagenen gegenseitigen Sicherheitsgarantien reagiert, anstatt sie ohne Verhandlungen abzulehnen, hätte das die Eskalation vom Februar 2022 verhindert. Was Russland damals vorgeschlagen hat, können Sie hier nachlesen.
Scholz trifft daher eine ganz persönliche Schuld, denn da die NATO nur mit Zustimmung aller Mitgliedsstaaten erweitert werden kann, hätte Scholz als deutscher Kanzler verkünden können, dass Deutschland eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine ablehnt. Sogar das hätte vielleicht schon gereicht, um die Eskalation zu verhindern.
Und das wäre klug gewesen, denn erstens hätte es hunderttausende Tote und große Zerstörungen und Leid verhindert, und zweitens ist heute klar, dass die Ukraine kein NATO-Mitglied wird. All die Menschen auf ukrainischer Seite sind umsonst gestorben und Scholz ist einer von denen, an deren Händen das Blut all der Toten klebt.
Welches Land dominiert?
Eine besonders lustige Aussage von Scholz war danach:
„Aber es war für uns immer klar, dass wir nicht in einer Welt leben wollen, in der ein großes Land dominiert und bestimmt, was in einem kleineren Land in seiner Nachbarschaft stattfindet, dass sie bis in die Politik des Landes hinein regieren. Wir wollen, dass kleine Länder sich vor ihren großen Nachbarn nicht fürchten müssen.“
Instinktiv müsste man denken, dass Scholz von den USA gesprochen hat, die im Zuge der Monroe-Doktrin in ihrer Nachbarschaft immer wieder Länder überfallen haben. Oder nehmen wir den Irak, Syrien, Libyen und so weiter, die von den USA überfallen wurden. Oder den von den USA finanzierten und orchestrierten Maidan, mit dem die USA nicht nur „bis in die Politik des Landes hinein regiert“, sondern sogar einen Putsch organisiert haben. Und man kann sich an all die anderen Farbrevolutionen der letzten Jahrzehnte erinnern.
Aber das hat Scholz natürlich nicht gemeint, er würde die USA nie kritisieren.
Und überhaupt ist es doch der US-geführte Westen, der allen Ländern vorschreiben will, welche „Werte“ sie zu lieben haben und welche Politik sie machen sollen. Es sind nicht Russland oder China, die von den Ländern in aller Welt eine bestimmte Politik verlangen.
Zynische Lügen über Ernährungssicherheit
Besonders zynisch war folgende Aussage von Scholz:
„Ja, überall sind die Preise gestiegen für Energie, überall sind die Preise gestiegen für Nahrungsmittel. Und während wir hier zu kämpfen haben mit den Konsequenzen gestiegener Preise, müssen manche Länder um die Ernährungssicherheit ihrer eigenen Bevölkerung und um die Frage kämpfen, ob sie sich die Energie, die sie brauchen, überhaupt noch leisten können. Das ist auch eine Konsequenz des russischen Imperialismus die, wir hier beschreiben müssen. Wir haben Ihnen geholfen und wir werden das weiter tun, dass sie diese schwere Zeit durchstehen können. Wir haben dafür gesorgt und gekämpft, dass es Möglichkeiten, gibt Getreideexporte aus Russland und der Ukraine in diese Welt kommen zu lassen.“
Das exakte Gegenteil ist der Fall, denn es sind die Sanktionen vor allem der EU, die die Exporte von Getreide aus Russland behindern. Dabei geht es um das sogenannte Getreideabkommen, mit dem der Export von ukrainischem und russischem Getreide und russischen Düngemitteln ermöglicht werden sollte.
Nachdem das Abkommen im Sommer abgeschlossen war, erwies es sich schnell als Farce, denn es gingen nur etwa drei Prozent des ukrainischen Getreides an vom Hunger bedrohte Länder, während der größte Teil in die EU gegangen ist, wie man auf der entsprechenden Seite der UNO erfahren kann. Das Abkommen sollte auch den problemlosen Export von russischem Getreide und Düngemitteln ermöglichen, der durch die westlichen Sanktionen gegen russische Banken, Versicherungen und Logistikunternehmen behindert wird. Die UNO fordert seitdem die Aufhebung der Sanktionen, die den Export von russischem Getreide und Düngemitteln behindern, was der Westen – und auch Scholz ganz persönlich – aber ablehnt.
Scholz hat also sehr zynisch gelogen, wenn er behauptet, seine Regierung habe „dafür gesorgt und gekämpft, dass es Möglichkeiten, gibt Getreideexporte aus Russland und der Ukraine in diese Welt kommen zu lassen“, denn zumindest bei den russischen Exporten, deren Mengen die ukrainische weit übertreffen und die daher für die weltweite Ernährungssicherheit sehr wichtig sind, hat Scholz das Gegenteil getan: Er hat russische Getreideexporte verhindert.
Und dass Russland aufgrund dieser vom Westen geschaffenen Probleme viele zehntausend Tonnen seines Getreides kostenlos an die bedürftigsten Länder vor allem in Afrika liefert, während die EU aus ihren vollen Getreidesilos keine kostenlosen Lieferungen nach Afrika schickt und sogar russische Düngemittel in ihren Häfen blockiert, die Russland ebenfalls umsonst an notleidende Länder Afrikas abgeben will, hat Scholz nicht erwähnt.
„Russland hat die Energieversorgung Europas eingestellt“
Auch beim Thema Energie hat Scholz gelogen, denn er hat gesagt:
„Russland, ja Russland, hat die Energieversorgung Europas eingestellt. Mancher von der AfD und mancher von den Leuten, die immer alles querdenken, hat es ja immer noch anders in der Erzählung, aber es war der russische Präsident, der die Gaslieferung durch die heile Pipeline gestoppt hat. Die Versorgung Deutschlands ist damit in Frage gestellt worden. 50 Milliarden Kubikmeter Gas, die da durchkommen können, sind nicht mehr verfügbar, Insgesamt sind in Europa 120 Milliarden Kubikmeter Gas nicht mehr da, die vorher aus Russland geliefert worden sind. Das hat Konsequenzen für Preise.“
Das sind verdammt viele Lügen in sehr wenigen Sätzen. Schauen wir uns das also einmal chronologisch an.
Erstens: Die Regierung Scholz hat der betriebsbereiten und mit Gas befüllten Pipelines von Nord Stream 2 am 22. Februar 2022, also noch vor Beginn der russischen Militäroperation, die Genehmigung verweigert. Das geschah übrigens auf Initiative von Scholz persönlich. Putin hatte damit nichts zu tun.
Zweitens: Es waren die Sanktionen westlicher Länder, die im Sommer 2022 die vertragsgemäße Wartung der Turbinen von Nord Stream 1 verhindert haben, was zuerst zu einer Reduzierung und dann zu einer Einstellung des Gasflusses durch die Pipelines von Nord Stream 1 führte. Russland hat danach angeboten, stattdessen Nord Stream 2 in Betrieb zu nehmen, denn deren Turbinen sind aus russischer Produktion, mit der Pipeline hätte es die Probleme, die es mit der Wartung von Nord Stream 1 gegeben hat, nicht gegeben. Aber wer war dagegen? Richtig: Bundeskanzler Scholz, der Russland vorwirft, es hätte die „Energieversorgung Europas eingestellt“.
Drittens: Danach wurden die Nord Streams gesprengt. Es gibt zwei Theorien, wer die Täter sind. Die erste basiert auf den Recherchen von Seymour Hersh, der die Täterschaft bei den USA in Zusammenarbeit mit Norwegen sieht. Der zweiten Theorie zufolge, die die westlichen Medien verbreiten, haben sechs ukrainische Aktivisten die Pipelines von einem kleinen Segelboot aus gesprengt. Egal, wie man es dreht und wendet, Russland war es nicht, sondern als Täter kommen nur Länder in Betracht, die Scholz aus irgendwelchen Gründen nicht kritisiert. Der Ukraine hat er sogar schon weit über 20 Milliarden Euro geschenkt. Aber auf seinem Parteitag behauptet Scholz, Russland habe die „Energieversorgung Europas eingestellt“.
Viertens: Russland hat die Energieversorgung Europas übrigens ganz und gar nicht eingestellt, denn es fließt noch immer russisches Gas durch die ukrainische Pipeline nach Österreich und es fließt russisches Gas durch Turkish Stream nach Südosteuropa bis nach Ungarn. Außerdem wurde die EU zum größten Abnehmer von russischem Flüssiggas, von dem über Belgien übrigens sehr viel in Deutschland ankommt.
Die Aussage von Scholz, Russland habe die „Energieversorgung Europas eingestellt“, war gleich aus ganz vielen Gründen eine dreiste Lüge. Aber das wissen seine Parteigenossen wahrscheinlich nicht. Ob sie Scholz wohl auch so fröhlich applaudiert hätten, wenn sie gewusst hätten, wie dreist ihr Kanzler ihnen ins Gesicht lügt?
Kein Geld für die Deutschen und noch mehr Lügen
Der Rest der Rede von Scholz war nicht besser, als seine Lügen vom Beginn der Rede. Er versprach, keine Sozialleistungen zu senken, obwohl er das schon getan hat, indem er wegen der von ihm verursachten Haushaltskrise die Subventionen für die gestiegenen Energiepreise bereits zum 1. Januar abgeschafft hat. Und das wird nicht der einzige soziale Einschnitt bleiben, denn es ist kein Geld da.
Nur für eines ist Geld da: Für die Ukraine will Scholz weiterhin zahlen, wie er auch in seiner Rede wieder betont hat. Für die Deutschen ist kein Geld da, für die Ukraine schon. Er war in seiner Rede auch sehr stolz darauf, den vielen ukrainischen Flüchtlingen mit Milliarden geholfen zu haben. Darüber, wie er den Deutschen geholfen hat, hat er in seiner Rede wenig gesagt – und das Wenige, was er gesagt hat, war sogar auch noch gelogen, wie der Focus aufgezeigt hat.
Danach hat Scholz im zweiten Teil seiner Rede ausführlich über den Klimawandel und die angeblich so toll laufende grüne Energiewende fabuliert, die Deutschland gerade ruiniert.
Dass Scholz mit Zustimmungswerten von unter 20 Prozent der unbeliebteste Kanzler der deutschen Geschichte ist, hat er ignoriert. Dass fast 80 Prozent der Deutschen ein Ende seiner Regierung fordern, die sie genauso schlecht finden, wie den Kanzler selbst, scheint ihn auch nicht zu stören. Nur 17 Prozent der Deutschen bewerten laut „Politbarometer“ die Arbeit der Regierung positiv, nur noch 14 Prozent wollen die SPD wählen. So schlecht standen ein Kanzler und eine Kanzlerpartei noch nie da. Aber Scholz ist bekannt dafür, die Realitäten zu ignorieren.
Wie Scholz die Haushaltskrise in den Griff bekommen will, darüber hat er folgerichtig kein Wort verloren, denn er kann offenbar nur zwei Dinge wirklich gut: Lügen und die Realitäten ignorieren.
Thomas Röper, geboren 1971, lebt seit über 15 Jahren in Russland. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Bild oben: Collage von Ralf Lux unter Verwendung von:
Olaf Scholz: Foto: Joschi71, CC BY-SA 4.0, Quelle: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=136102033
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