Journalistisches Versagen zum Jahrestag
Der Nord-Stream-Anschlag in den GEZ-Medien
Vor einem Jahr wurde der für Deutschland folgenschwere Anschlag auf die Pipeline Nord Stream ausgeführt. Zum Jahrestag wirft der öffentlich-rechtliche Rundfunk Nebelkerzen, unterschlägt Informationen und zeigt, dass er sein Geld nicht wert ist. Er ist Armuts- und Abhängigkeitszeugnis.
Von Gert Ewen Ungar
Erstveröffentlichung am 27.09.2023 auf RT DE
Am 26. September jährte sich der Anschlag auf die Ostsee-Pipeline Nord Stream zum ersten Mal. Damit jährte sich auch das umfassende journalistische Versagen deutscher Medien zum Thema. Der 26. September ist nicht nur der Jahrestag des Anschlags auf das wichtigste deutsche Energieinfrastrukturprojekt, sondern gleichzeitig auch der Gedenktag, der daran erinnert, wie uneigenständig und vom Ausland ferngesteuert die großen deutschen Medien berichten.
Spiegel, Welt, Süddeutsche und Co. sind dabei privatwirtschaftlich organisiert. Im Prinzip dürfen sie schreiben, was sie wollen. Wenn es den Lesern nicht passt, werden sie den veröffentlichten Unsinn einfach nicht mehr kaufen. Der Markt regelt es dann. Die sinkenden Auflagen sind die Abstimmung mit den Füßen über die journalistischen Zumutungen, welche die großen Medienkonzerne den Deutschen täglich vorsetzen.
Etwas anders sieht es bei den Öffentlich-Rechtlichen aus. Denen kann man nicht so einfach das Abo kündigen ‒ die journalistische Anforderung, die sich daraus an das Angebot ergibt, ist daher eine andere. Wenn man es schon bezahlen muss, sollte es wenigstens Qualität haben. Die Berichterstattung zum Jahrestag des Terroranschlags auf Nord Stream führte den Beitragszahlern jedoch wieder einmal vor Augen: Von journalistischer Qualität fehlt beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk jede Spur. Er brilliert mit transatlantischer Hörigkeit.
Die Tagesschau wartete auf ihrer Seite mit satten sieben Beiträgen zum Thema auf, darunter einer in englischer Sprache. Die Beitragszahler dürfen jetzt auch noch die Kosten für die propagandistische Berieselung des Auslands tragen. Drei von den sieben Beiträgen behaupten, den Sachstand wiederzugeben.
„Was wir wissen, und was nicht“, ist ein Beitrag überschrieben, „Wohin führen die Spuren“ ein zweiter und „Sabotage am Meeresgrund: Ein Jahr nach den Nord-Stream-Anschlägen“ ein dritter. Da vermutet man umfassende Informationen, bekommt aber nur Nebelkerzen, Mutmaßungen und Verschleierung. Wichtige Fakten werden den Zuschauern zudem vorenthalten.
In allen sieben Beiträgen zum Jahrestag des Anschlags kommt der Name „Seymour Hersh“ genau nullmal vor. Die Offenlegungen des Pulitzer-Preisträgers zum Thema werden von den öffentlich-rechtlichen Medien komplett ignoriert. Hersh behauptet unter Bezugnahme auf eine ihm bekannte Quelle im Weißen Haus, US-Präsident Joe Biden habe persönlich den Auftrag zum Anschlag gegeben. Er sei von den USA gemeinsam mit Norwegen durchgeführt worden.
Zum Jahrestag der Sprengung teilte Hersh unter Berufung auf einen CIA-Mitarbeiter mit, Bundeskanzler Scholz sei in die Pläne zur Sprengung eingeweiht gewesen. Auch davon natürlich kein Wort. Mit Hersh müssen sich deutsche Medien nicht weiter auseinandersetzen, dafür haben sie selbst gesorgt. Sie haben ihn, nachdem er seine Recherchen zu Nord Stream veröffentlicht hatte, mit einer Schmutzkampagne überzogen und zum dementen Greis abgestempelt.
Der Name Hersh wird auf tagesschau.de zum letzten Mal am 23. Februar in einem Faktenfinder von keinem Geringeren als dem Faktenfaker Pascal Siggelkow erwähnt, der in Hershs Bericht Unstimmigkeiten gefunden haben will. Eine war übrigens, dass Hersh behaupten würde, es sei Pflanzensprengstoff zum Einsatz gekommen. Siggelkow ließ sich von einem Experten versichern, es gäbe gar keinen Sprengstoff auf Pflanzenbasis. Da war er entlarvt, der Pulitzer-Preisträger! Alles Schwachsinn, was der Alte äußert.
Später räumte die Tagesschau dann ein, es handele sich um einen Übersetzungsfehler. Siggelkow hatte das englische Wort „plant“ mit Pflanze übersetzt, es bedeutet im Kontext aber „platzieren“. Kann ja mal passieren. Des groben Patzers ungeachtet wird Hersh seitdem öffentlich-rechtlich ignoriert.
Dass die USA schon einmal ein deutsch-russisches Pipeline-Projekt sabotiert haben, erwähnt der GEZ-finanzierte Faktenchecker Siggelkow natürlich nicht. Sahra Wagenknecht macht in ihrer aktuellen Ausgabe des Videopodcasts „Bessere Zeiten“ darauf aufmerksam, dass die USA bereits 1982 den Bau einer Gaspipeline durch das Einschleusen fehlerhafter Software zu unterbinden versuchten. Die Pipeline explodierte, die Fertigstellung verzögerte sich.
Ein Name, der in all den Berichten ebenfalls nicht auftaucht, ist der Name Nebensja. Wassili Nebensja ist der ständige Botschafter Russlands bei den UN. Am 26. September hielt er eine Rede im UN-Sicherheitsrat zur Sprengung von Nord Stream. Er forderte Aufklärung und warf den Ländern des Westens vor, die Ermittlungen zu verschleppen und die Täter zu decken. Man werde die Täter vor Gericht bringen, verspricht Nebensja und vertritt damit die Interessen Deutschlands und der Bürger Deutschlands deutlich besser als die Bundesregierung.
Fakt ist: Nicht nur Deutschland wurde mit dem Anschlag geschädigt, sondern auch Russland. Russland hatte Milliarden investiert, der russische Konzern Gazprom war umfangreich investiert und maßgeblich am Projekt beteiligt. Von den Ermittlungen ist Russland dennoch ausgeschlossen. In den deutschen Medien hält man das anscheinend für völlig normal.
Eigentlich wäre eine UN-Sicherheitsratssitzung zum Thema Nord Stream eine Meldung wert. Aber die deutschen Medien suggerieren ihren Zuschauern, bei der Sprengung von Nord Stream handele es sich um eine Angelegenheit, die vor allem Deutschland betrifft. Da berichtet man lieber nicht über das höchste Gremium der Vereinten Nationen, wenn das Thema offiziell behandelt wird, denn es könnte die germanozentrische Sicht irritieren, die man dem Zuschauer aufzwingt. Seriöser Journalismus ist das natürlich nicht.
Das russische Fernsehen hat ausführlich zum Jahrestag des Anschlags berichtet und natürlich auch über die Sitzung des Sicherheitsrats. Berichtet wurde auch über die Stellungnahme des russischen Botschafters in Deutschland, Sergei Netschajew, der sagt, dass die Anfragen der russischen Seite entweder verschleppt oder nur der Form halber beantwortet werden, tatsächliche Aufklärung und Zusammenarbeit gebe es aber nicht. Auch von seiner Stellungnahme erfahren die deutschen Gebührenzahler nichts.
Wer glaubt, beim ZDF sähe es vielleicht etwas besser aus, der wird enttäuscht. Angehängt an einen Beitrag mit dem Titel „Die Angst der Balten vor der Kriegsmüdigkeit“, in dem das ZDF viel Verständnis für das Bedrohungsgefühl der baltischen Staaten äußert, weshalb Deutschland jetzt Taurus-Marschflugkörper liefern müsse, ist ein weiterer Beitrag mit der Überschrift „Zahl des Tages“. Dort liest man folgenden kurzen Absatz:
„Über 1.200 Kilometer verlaufen die Doppelstränge der Pipelines Nord Stream 1 und 2. Nord Stream 1 lieferte seit 2011 einen großen Anteil an dem Gas, das von Russland nach Deutschland importiert wurde. Heute vor einem Jahr wurden die Leitungen nahe der dänischen Insel Bornholm gesprengt. Seitdem machen sich westliche Länder und Russland gegenseitig Vorwürfe. Die Hintergründe sind bisher nicht geklärt.“
Das war’s. Mehr hat das ZDF zum Anschlag auf Nord Stream nicht zu sagen.
Es ist eine journalistische Schandleistung, die der öffentlich-rechtliche Rundfunk am Jahrestag des Anschlags auf Nord Stream produziert hat. Die Beiträge sind auch Indiz dafür, wie unfrei deutscher Journalismus ist. Ganz einfache Sachverhalte werden nicht genannt, weil sie nicht genannt werden dürfen. Der deutsche Journalismus ist abhängig und in seiner Berichterstattung eingeschränkt. Das Projekt öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist gescheitert.
All die deutsche Fakerei und Desinformation ändert jedoch wenig an der Wahrnehmung der Vorgänge außerhalb der deutschen Medienblase. Auch wenn es in Deutschland suggeriert wird: Die Geschichte Hershs ist keineswegs tot.
Tot ist dagegen das Ansehen Deutschlands. Nach über einem Jahr hat Deutschland keinerlei Ergebnis für den folgenschweren Anschlag vorzuweisen, der Deutschlands Geschäftsmodell zerstört hat. Ein kompletter Gesichtsverlust. Natürlich weiß man in der Welt, wer es war. Die Nebelkerzen der deutschen Berichterstattung ändern nichts daran, wo all die Indizien hindeuten: in die USA.
Gert-Ewen Ungar studierte Philosophie und Germanistik und schreibt regelmäßig für die Neulandrebellen
Bild oben: Kukuschka, übernommen von anti-spiegel.ru