An Selensky und der Ukraine war in der UNO kaum jemand interessiert
Die UNO-Vollversammlung hat gezeigt, dass die Welt vom Thema Ukraine nichts mehr hören will. Das musste nun sogar der Spiegel eingestehen.
von Anti-Spiegel (d.i. Thomas Röper)
Erstveröffentlichung am 21.09.2023 auf anti-spiegel.ru
Die UNO-Vollversammlung hat einmal mehr gezeigt, dass die Welt sowohl von dem Ukraine-Theater, das der Westen veranstaltet, die Nase voll hat, als auch, dass Deutschland unter der heutigen Bundesregierung international zu einem Zwerg geworden ist, dem niemand mehr zuhört.
Beides hat Gründe: Die Staaten der Welt wissen, dass der Westen den Ukraine-Konflikt mit seinen Bemühungen, die Ukraine in die NATO zu holen, selbst provoziert hat. Und sie wissen auch, dass es der Westen ist, der mit seinen Russland-Sanktionen der Weltwirtschaft schadet und die Lebensmittel international verknappt und verteuert hat. Und die Staaten der Welt sehen auch, dass Deutschland unter der Scholz-Regierung endgültig zu einer Kolonie der USA geworden ist, die nur Befehle ausführt und sich nicht einmal beschwert, wenn ihre „Verbündeten“ (egal, ob die USA oder die Ukraine) die Nord Streams, also ihre wichtigste Energieinfrastruktur, sprengen.
Die Reden von Scholz und Selensky fanden kein Interesse
Entsprechend gering war das Interesse an der Rede, die Olaf Scholz in der UNO-Vollversammlung gehalten hat, denn der Saal war fast leer, als Scholz ans Rednerpult trat, wie man hier an einem Bild sehen kann, dass während der Rede von Scholz gezeigt wurde.
Was Deutschland zu sagen hat, interessiert in der internationalen Politik niemanden mehr, denn wie man sehen kann, haben viele Länder nicht einmal einen Praktikanten in den Saal geschickt, um Scholz anstandshalber zuzuhören. Stattdessen waren ihre Bänke komplett leer. Das musste sogar der Spiegel einräumen, der in seinem Artikel über die inhaltslose Rede von Scholz, in der er nur die üblichen Parolen runterleierte, schrieb:
„Zu später Stunde am Dienstagabend waren die Reihen in der Vollversammlung während des Scholz-Auftritts nur spärlich besetzt.“
Übrigens sah es bei Selenskys Rede nicht viel besser aus, auch daran war das Interesse nur gering.
Nur um zu zeigen, dass die leeren Sitze tatsächlich Desinteresse bedeuten, zeige ich auch, wie voll der Saal ist, wenn der Staatschef eines Landes redet, dessen Aussagen international Bedeutung haben, denn so sah es während der Rede von Joe Biden aus.
Man kann also objektiv festhalten, dass weder die Rede von Scholz, noch die Rede von Selensky international auf Interesse gestoßen sind. Letzteres zeigt, wie massiv die deutschen Medien ihre Leser desinformieren, wenn sie weiterhin berichten, dass die Ukraine international das wichtigste Thema wäre. Das ist sie nicht, so sehr der Westen das auch zu erreichen versucht, wie beispielsweise der G20-Gipfel gerade erst gezeigt hat.
Der Spiegel wird stellenweise ehrlich
Über Selenskys Auftritt hat der Spiegel unter der Überschrift „Auftritt bei der Uno-Vollversammlung – Selenskyjs schwerer Stand“ einen langen Artikel geschrieben, in dem man überraschenderweise mal ein wenig Wahrheit über die Lage der Ukraine finden konnte. In dem langen Artikel hat der Spiegel in seinem üblichen Stil mit allen möglichen unwichtigen Details abgelenkt, wie zum Beispiel:
„Dazu hat sich der abgewohnte Uno-Campus so hübsch herausgeputzt wie lange nicht mehr. Der Rasen ist manikürt, die Rosen sind gestutzt, um die japanischen Kirschen ist frisch geharkt, in Zelten locken Lachsschnittchen. Drinnen auf den Fluren Gesprächsfetzen.“
Aber an einigen Stellen ist der Spiegel auch ungewohnt ehrlich:
„Selenskyj weiß das, deshalb ist er hier. »Er will skeptische Länder überzeugen«, sagt einer seiner Berater. Und davon gibt es offenbar immer mehr. Die stockende Gegenoffensive, die ewigen Forderungen nach mehr Waffen, verirrte Raketen, der Eindruck, die Ukraine sei nicht dankbar genug für die erhaltene Hilfe: Wer will, kann viele Gründe finden für »Skepsis«; es ist Selenskyjs Bürde, die Lethargie und das Desinteresse aufzubrechen. Zu verhindern, dass die Ukraine-Koalition bröselt, was viele laut dementieren, doch leise bestätigen.“
Das sind ziemlich neue und seltene Töne beim Spiegel, der in seinen Artikeln sonst immer den Eindruck erweckt, die ukrainische Gegenoffensive stehe unmittelbar vor dem siegreichen Durchbruch. Nun plötzlich erfahren wir im Spiegel immerhin, dass die Gegenoffensive „stockt“.
Und auch, dass der Spiegel „verirrte Raketen“ erwähnt, ist vielsagend. Davon hört man im Spiegel sonst nie etwas, aber es ist das Eingeständnis der Spiegel-Redaktion, dass sie sehr wohl weiß, das die Ukraine immer wieder auf ihre eigenen Zivilisten schießt, oder dass ukrainische Raketen Schäden in ukrainischen Wohngebieten anrichten, die der Spiegel normalerweise immer als gezielten russischen Beschuss bezeichnet.
Und die Formulierung, „dass die Ukraine-Koalition bröselt, was viele laut dementieren, doch leise bestätigen“, ist neu im Spiegel. Dass die „Ukraine-Koalition bröselt“, behaupten noch nicht einmal die bösen russischen Medien. Aber wenn sogar der Spiegel es so formuliert, dürfte es um die „Ukraine-Koalition“ schlimmer stehen, als gedacht.
Die Ehrlichkeit des Spiegel währt nicht lange
Natürlich nahmen diese ehrlichen Momente in dem Spiegel-Artikel nicht viel Raum ein und auf den oben zitierten Absatz folgte sofort:
„Zwar stehen die Uno-Mitglieder natürlich immer noch mehrheitlich hinter Kiew, sagen das auch laut, kleiden ihre Solidarität in feurige Rhetorik. Als Selenskyj und seine Delegation ins Plenum treten, werden sie begrüßt wie lange verschollene Freunde, mit Umarmungen und Küssen. Sie setzen sich an einen Tisch mit den Amerikanern, außerhalb der alphabetischen Platzordnung, fünfte Reihe links.“
Dass „die Uno-Mitglieder natürlich immer noch mehrheitlich hinter Kiew“ stehen“, entspringt der Fantasie der Spiegel-Redakteure, wie der G20-Gipfel gezeigt hat, wo der globale Süden das Thema Ukraine nicht einmal besprechen wollte, von einer Verurteilung Russlands oder sonst einem Signal dafür, dass sie mehrheitlich „hinter Kiew stehen“ war nichts zu sehen, im Gegenteil.
Gleiches gilt für die lateinamerikanischen karibischen Länder, die in der CELAC vereint sind. Beim CELAC-EU-Gipfel war es gerade erst das gleiche: Über die Ukraine wollten die Länder nicht sprechen und die EU musste Selensky, den sie schon zu dem Gipfel eingeladen hatte, auf Druck der CELAC wieder ausladen.
Und als wäre das noch nicht genug, haben die „G-77 plus China“, von denen in Deutschland kaum jemand je gehört hat, obwohl in der Vereinigung 134 Staaten mit einer Gesamtbevölkerung von über sechs Milliarden Menschen vereint sind, gerade erst die westliche Politik der Sanktionen und des Drucks verurteilt. Sie haben im Gegenteil die Aufhebung einseitiger Sanktionen gefordert und den Westen heftig kritisiert.
Position der Stärke?
Der zitierte Absatz enthält noch einen Hinweis darauf, dass der Westen und sein Projekt Ukraine im Rest der Welt nicht gut ankommen. Dass sich die Ukrainer „außerhalb der alphabetischen Platzordnung“ an den Tisch der Amerikaner gesetzt haben, ist ein diplomatischer Affront, denn die Regeln der UNO sind klar und in der Welt der Diplomaten wichtig. Die USA und Selensky haben mit dieser Geste ein weiteres Mal gezeigt, was ihnen internationale Regeln und auch die UNO wert sind.
Nach der alphabetischen Sitzordnung der UNO hätte die ukrainische Delegation übrigens neben der russischen sitzen müssen. Dass die ukrainische Delegation nicht die Größe hat, sich stolz und selbstbewusst neben die Russen zu setzen, sondern dass sie stattdessen, wie ein beleidigtes Kind im Kindergarten, unbedingt auf Papas Schoß wollten, hat die ganze Welt natürlich auch gesehen.
Das infantile Gehabe, dass Selensky, Scholz und andere Vertreter des Westens an den Tag legen, zeigt vor allem eines: Die Legende, der Westen würde „aus einer Position der Stärke heraus“ handeln, ist zu Ende.
Thomas Röper, geboren 1971, lebt seit über 15 Jahren in Russland. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Bild: Der ukrainische Präsident Selenski bei seiner Rede vor der UN-Vollversammlung am 19.09.2023
Foto: UN Photo credit