Demokratie – Medien – Aufklärung

Kein Thema in deutschen Medien: Wichtiges Treffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit

Der Iran ist der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit beigetreten. Das Gipfeltreffen der Organisation spielte in deutschen Medien keine Rolle, weshalb ich hier über die wichtigsten Ergebnisse berichte.

von Anti-Spiegel (d.i. Thomas Röper)

Erstveröffentlichung am 05.07.2023 auf anti-spiegel.ru

Es ist faszinierend, wie die deutschen Medien es fertig bringen, nicht über wichtige Ereignisse der Geopolitik zu berichten, wenn sie nicht in das gewollte Narrativ passen. Das aktuelle Gipfeltreffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit ist ein Beispiel für diesen immer größer werdenden „blinden Fleck“ der deutschen Berichterstattung.

Der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) gehören China, Indien, Kasachstan, Kirgisistan, Pakistan, Russland, Tadschikistan und Usbekistan an. Die SOZ beschäftigt sich mit der sicherheitspolitischen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten sowie Wirtschafts- und Handelsfragen und der Stabilität in der Region. Die SOZ vertritt etwa 40 Prozent der Weltbevölkerung und stellt damit die weltweit größte Regionalorganisation dar. Bei dem Gipfeltreffen am 4. Juli ist auch der Iran der SOZ beigetreten.

Angesichts der Größe und Bedeutung der SOZ sollte man eigentlich meinen, dass deren Gipfeltreffen ein Thema in den deutschen Medien sein müsste. Aber es gab kaum Berichte darüber, weil das Treffen nicht dem Bild entspricht, das die deutschen Medien malen wollen.

Die SOZ haben sich für eine Abkehr vom Dollar im Handel ausgesprochen, sie lehnen das Weltmachtstreben der USA und die Dominanz des Westens ab, sie haben sich gegen vom Westen orchestrierte Putsche, sogenannte Farbrevolutionen, und die vom Westen propagierte „regelbasierte Weltordnung“ ausgesprochen, deren Regeln de facto von den USA festgelegt werden und von ihnen auch jederzeit geändert werden können.

Nun hat die SOZ den Iran, der laut westlichen Medien angeblich international vollkommen isoliert ist, in die Organisation aufgenommen. Auch Weißrussland steht vor der Aufnahme in die SOZ.

Neben den BRICS ist die SOZ eine wichtige Konkurrenzorganisation zu westlichen Formaten wie den G7. Während die G7 international an Bedeutung verlieren, gewinnen die BRICS und die SOZ an Bedeutung und immer mehr Staaten wollen mit ihnen zusammenarbeiten oder ihnen sogar beitreten.

Das zeigt den rasanten Bedeutungsverlust des Westens in der Welt und davon sollen deutsche Leser natürlich nichts erfahren, weshalb die deutschen Medien über die Treffen der SOZ und der BRICS in der Regel kaum oder überhaupt nicht berichten.

Daher habe ich die Zusammenfassung des SOZ-Gipfels übersetzt, die die russische Nachrichtenagentur TASS veröffentlicht hat.

Beginn der Übersetzung:

Abrechnung in nationalen Währungen und eine multipolare Weltordnung: Die Erklärungen der Staats- und Regierungschefs auf dem SOZ-Gipfel

Die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) ist fest entschlossen, eine multipolare Weltordnung auf der Grundlage des Völkerrechts mit einer koordinierenden Rolle der UNO zu schaffen. Das sagte der russische Präsident Wladimir Putin auf dem Gipfel der Organisation.

Er betonte, dass die SOZ in ihren Mitgliedstaaten einen echten Beitrag zu Frieden und Stabilität sowie zu einem nachhaltigen Wirtschaftswachstum leiste. Es sei wichtig, die wirtschaftlichen Beziehungen zu fördern, indem der Anteil der nationalen Währungen an den Zahlungen im Handel zwischen den SOZ-Mitgliedsstaaten erhöht werde, sagte Xi Jinping, der Vorsitzende der Volksrepublik China.

Darüber hinaus unterzeichneten die SOZ-Mitgliedsstaaten die gemeinsame Erklärung von Neu-Delhi, in der dem Iran die Vollmitgliedschaft in der Organisation gewährt wird.

Die TASS hat die wichtigsten Thesen aus den Reden der Staatsoberhäupter zusammengestellt.

Zur Lage in Russland

Putin dankte seinen Kollegen aus den SOZ-Ländern, die die Maßnahmen der russischen Führung „zum Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung, des Lebens und der Sicherheit seiner Bürger“ unterstützt haben. Russland beabsichtigt, die Beziehungen zu den Mitgliedern der Vereinigung weiter zu vertiefen.

Die Russische Föderation entwickelt sich stabil weiter und die Bevölkerung ist konsolidierter denn je. Gegen Moskau wird ein hybrider Krieg geführt, aber „Russland widersteht zuversichtlich dem Druck von außen, den Sanktionen und Provokationen und wird das auch weiterhin tun“.

Über die Rolle der SOZ in der Welt

Vor dem Hintergrund des unkontrollierten Schuldenaufbaus in den Industrieländern, wachsender Armut und einer sich verschlechternden Lebensmittel- und Umweltsicherheit steigt das Risiko einer neuen globalen Wirtschafts- und Finanzkrise. Diese Probleme führen zu einem spürbaren Anstieg des Konfliktpotenzials, so Putin. Es sei wichtig, dass „alle Teilnehmer der Gemeinschaft sich über die Situation in den Bereichen Weltpolitik, Sicherheit, Soziales und Wirtschaft einig sind“.

Die SOZ setzt sich für den Aufbau einer wahrhaft gerechten und multipolaren Weltordnung ein, die auf dem Völkerrecht und der Zusammenarbeit souveräner Staaten in gegenseitigem Respekt beruht, wobei die UNO eine koordinierende Rolle spielt, betonte der russische Präsident. In 20 Jahren sei die SOZ zu einer wichtigen Plattform für die Entwicklung in der eurasischen Region geworden und könne „eine wichtige Stimme für die Reform anderer globaler Institutionen, einschließlich der UNO, werden“, sagte der indische Premierminister Narendra Modi.

Die SOZ-Länder „müssen die gemeinsamen Werte der gesamten Menschheit aufrechterhalten, das UNO-zentrische internationale System und die auf dem Völkerrecht basierende Weltordnung verteidigen und sich Hegemonismus und Machtpolitik widersetzen“, sagte Xi Jinping. Es sei notwendig, sich den Versuchen von außen zu widersetzen, einen neuen kalten Krieg entzünden und eine Blockkonfrontation in der Region zu provozieren, sowie den Versuchen Interventionen von außen und Farbrevolutionen entgegenzutreten. Die Länder müssen sich auch gegen Protektionismus und einseitige Sanktionen aussprechen sowie gegen „Versuche, künstliche Barrieren zu errichten und Verbindungen und Lieferketten zu unterbrechen“.

Kasachstan ruft unterdessen dazu auf, eine geopolitische Spaltung zwischen Ost und West zu verhindern: „Die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit kann und muss der Weltgemeinschaft ihre Vision von einer nachhaltigen Welt anbieten“, sagte der kasachische Präsident Kassym-Jomart Tokajew. So wird Kasachstan die Initiative „Über die weltweite Einheit für einen gerechten Frieden und Harmonie“ vorstellen, in der die Grundsätze für die Stärkung vertrauensbildender Maßnahmen und die Aufrechterhaltung von Stabilität und Sicherheit festgelegt sind.

Zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit

China fordert eine Erhöhung des Anteils der nationalen Währungen an der Handelsabwicklung zwischen den SOZ-Mitgliedsstaaten und die Einrichtung einer SOZ-Entwicklungsbank, sagte der chinesische Vorsitzende.

Im Handel zwischen der Russischen Föderation und China werden bereits zunehmend nationale Währungen für den gegenseitigen Zahlungsverkehr verwendet, so Putin. Mehr als 80 Prozent der Handelsgeschäfte werden in Rubel und Yuan abgewickelt. Und der Anteil des Rubels an den Exportgeschäften mit allen Mitgliedsländern liegt 2022 bei über 40 Prozent. Insgesamt stieg der Handel Russlands mit den Mitgliedern der Gemeinschaft im Jahr 2022 um 37 Prozent und erreichte den Rekordwert von 263 Milliarden Dollar, und von Januar bis April 2023 stieg die Zahl um weitere 35 Prozent.

Wie Putin betonte, befürwortet Russland die Intensivierung der Zusammenarbeit in den Bereichen Investitionen, Banken und Finanzen, Industrie, Energie, Verkehr und anderen Sektoren.

Für die SOZ-Länder sei es auch wichtig, die Arbeit an der Energiebilanz sowie an der Energiewende und der Dekarbonisierung der Wirtschaft zu koordinieren, sagte Tokajew. Er schlug vor, dass sich die SOZ-Länder bis zum nächsten Gipfel in Astana im Jahr 2024 auf eine Energiestrategie einigen sollten.

Tokajew betonte, dass bis jetzt noch kein einziges großes Wirtschaftsprojekt unter dem Dach der SOZ umgesetzt worden sei, da es keinen Mechanismus zur finanziellen Unterstützung der Projektaktivitäten gebe, weshalb es sich lohne, die Möglichkeit der Schaffung eines gemeinsamen Investitionsfonds zu prüfen.

Zu den Herausforderungen in der Region

Die Lage in Afghanistan, das im Fokus der SOZ steht, bleibt weiterhin angespannt, stellte Putin fest. Es sei nach wie vor wichtig, den Terrorismus, Extremismus und religiösen Radikalismus zu bekämpfen und den Drogenhandel und andere Formen des Schmuggels zu unterbinden.

Es sei notwendig, den Terrorismus hart und entschlossen zu bekämpfen und die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung seiner Finanzierung zu verstärken. Die Situation in Afghanistan beeinträchtige die Sicherheit aller SOZ-Staaten, sagte Modi. „Das afghanische Territorium darf nicht zur Destabilisierung der Nachbarn benutzt werden“, sagte er.

Zur SOZ-Erweiterung

Der Beitritt Irans zur SOZ würde dem Hafenprojekt „Chabahar“ Auftrieb geben – Transportkorridore würden die Länder einander näher bringen, betonte Modi. Auch andere Länder zeigen Interesse an einem Beitritt zur SOZ, sagte er. Es sei jedoch wichtig, sich auf die Interessen und Erwartungen der zentralasiatischen Länder zu konzentrieren. Putin zufolge ist es auch wichtig, den Iran bei der effektiven Integration in die laufende, vielschichtige Arbeit der SOZ zu unterstützen.

Darüber hinaus wurde am Dienstag ein Memorandum über die Verpflichtung von Weißrussland zum Beitritt zur Union unterzeichnet. Damit wird das Verfahren für den vollwertigen Beitritt der Republik zur SOZ eingeleitet. Weißrussland ist als Beobachter zum Gipfeltreffen eingeladen worden.

Die Erklärung von Neu-Delhi

In der Erklärung von Neu-Delhi, die im Anschluss an die Sitzung des Rates der Staatschefs der SOZ unterzeichnet wurde, bekräftigt die Organisation, dass sie sich nicht gegen andere Länder richtet und für eine umfassende Zusammenarbeit offen ist. Sie tritt für die Achtung des Rechts der Nationen ein, ihren Entwicklungsweg unabhängig und demokratisch zu wählen. Die Mitgliedsstaaten treten auch für die strikte Einhaltung des Atomwaffensperrvertrags ein. Darüber hinaus nannten sie die Nahrungsmittel- und Energiesicherheit als Prioritäten und erklärten, dass eine Einmischung in die Angelegenheiten der Länder unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung inakzeptabel sei.

Ende der Übersetzung

Thomas Röper, geboren 1971, lebt seit über 15 Jahren in Russland. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.


Bild oben: Am 4. Juli 2023 fand im Anschluss an die Sitzung des Rates der Staatsoberhäupter der SOZ eine feierliche Zeremonie zum Hissen der Staatsflagge der Islamischen Republik Iran vor dem SOZ-Sekretariat in Peking statt. An der Zeremonie nahmen die Leiter der diplomatischen Vertretungen der SOZ-Mitglieds- und Beobachterstaaten, in China akkreditierte SOZ-Dialogpartner sowie Vertreter des chinesischen Außenministeriums teil.
Quelle: http://eng.sectsco.org/