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Bundestagsabgeordnete blickt von „ganz unten“

Rezension von Diether Dehm zu Żaklin Nastić: „Aus die Maus – Der Blick von unten auf die da oben“

Was macht DAS mit uns?“ ist ein blöder Neusprech. Als ob „DAS“ ein höheres Wesen sei, nichts Menschgemachtes!

Vom Auflehnen einer Abgeordneten gegen „DAS“ Bundestag erzählt dieses Buch ziemlich authentisch, oft auch „proletarisch“. Weshalb der Titel „Aus die Maus“ durchaus Menschgemachtes verspricht; besonders im Untertitel: „Der Blick von unten auf die da oben“.

Als polnische Migrantin mit Arbeiter­herkunft ist Nastić nun in der zweiten Legislatur. Aber so „ganz unten“ blieb sie in „DAS“ Bundestag – beim besten Willen – auch nicht. (Bei mir jedenfalls hatten subkutane Anpassungs-Mechanismen gegrif­fen, die ich erst begriff mit kritischen Ge­nossen – von außerhalb des Parlaments.)

Das Buch macht Bundestagsinterna ein­sehbarer, vornehmlich für solche Außen­stehende, denen das Plenum immer so leer erscheint und die es darum in toto verurteilen. Was für demokratiefeindlichen Populismus anfällig macht. Besonders gegenüber medial verbellten Sitz-Vernachlässigungen von Unliebsamen – wie Sahra Wagenknecht.

Auch die Nastić fehlte am 27.4.2023 bei der namentlichen Abstimmung über den Eva­kuierungs-Einsatz der Bundeswehr im Sudan. Die Fraktion hatte sich zuvor … „verständigt“ auf: bloß keine Gegenstimme. MdB Nastić hatte intern noch für ein Nein votiert, was in Parteiprogramm und Tradition der Links­fraktion auch so vorgesehen war.

Oft macht das Buch solcherlei komische Verstrickungen des parlamentarischen Innen­lebens transparenter. Was ja auch dringend geboten ist. Gerade jetzt, wo eine neue Sahra-Partei wie ein weißer Nebel-Elefant in der Wähler-Luft hängt. Wie wäre künftig kriti­scher umzugehen mit Fraktionszwang und ähnlichen parlamentaristischen Einschleifun­

gen von oben. Oder mit Mainstream-Medien und Lobbyisten? Und: wie kann dagegen der „Blick von unten auf die da oben“ bewahrt und geschärft bleiben? Um nicht noch einmal so zu enden wie die 2005 mit enormer Euphorie gestartete Linkspartei?

Dazu liefert das Büchlein einiges. Wenn auch manchmal, wo es spannend wird, vielleicht zu viel Geschichtslektionen. Nicht so bei den Serben, die von deutschen Eliten unter Kaiser-, Hakenkreuz und Regenbogen-Flagge seit jeher in den Dreck gebombt wurden. Da wirkt der Blick der Autorin „von unten“ am wärmsten und menschlichsten. Sicher auch, weil „der Vater meiner Kinder Serbe ist“.

Żaklin Nastić hat mehrfach den Nahen Osten unter wenig privilegierten Reiseum­ständen besucht und kann manchen Deutsch-Medien-Sprech über die „Schurken“staaten Iran, Irak, Syrien und Afghanistan mit eigenerworbenen Beobachtungen widerlegen. Mit ihrem jüdischen Hintergrund (von dem sie erst als erwachsene Frau erfuhr) bereiste sie auch „Palästinenser-Gebiete“. Und hält mit Kritik am Terror israelischer Siedler und deren Regimes nicht hinterm Berg.

Zwar wäre die Geschichte des 1965 hingemetzelten indonesischen Antiimperialis­mus auch googlebar, aber nach der Lektüre ihres Buchs gelingt das Weiterlesen im Netz zielorientierter. Auch zum Pan-Islamismus der Uiguren, der Lieblingschinesen von ARD und ZDF. Die Autorin liefert Gegen-Infos, die hilfreich sind und sonst – wenn überhaupt – bestenfalls auf den hinteren Rängen bei Google und Wikipedia landen.

Gewürzt wird das Ganze mit Anfragen und Zwischenrufen einer Abgeordneten, die aus dem talentlosen Mittelmaß jener Glücks-Ritter und -Ritterinnen ragt, welche den Bundestag ansonsten befallen und auch DIE LINKE seit Jahren beschlichen haben. Durch ihre Anfrage konnte die Öffentlichkeit erfahren, dass Deutschland – immerhin nach Einschätzung des Wissenschaftlichen Dien­stes des Bundestags – durch das Training ukrainischer Milizen an deutschen Waffen selbst zur Kriegspartei geworden war.

„Einfühlen ist inzwischen vielen meiner Mitstreiter abhanden gekommen“, schreibt die Autorin. Aber mit Einfühlung geizt sie selber. Zum Beispiel: mit Details zum inner­parteilichen Kampf in der karrierezer­fressenen Hamburger Linkspartei um ihren eigenen Aufstieg als medial mehrfach de­nunzierte „WagenknechtIn“. Dazu wäre die eine oder andere Zeile Eigenerleben anschau­lich gewesen. Zumal der Umschlag damit wirbt, über „Schönfärberei und Tatsachen­verdrehungen selbst in den eigenen Reihen“ aufzuklären. Aber konkret wie, warum und wer sich so zur Manipulation manipulieren lässt, dazu schweigt der Dichterin Höflichkeit zuweilen. „Was macht DAS mit uns?“ „Sowas hat Name und Hausnummer!“ schreibt Brecht. Im Buch steht da zu oft: „man“. Alleine auf Seite 30 kommt „man“ dreimal. Am Ende „überzeugte man mich“ zu kandidieren. Worauf die Autorin dann „frei von Ehrgeiz“ bald darauf „nach Berlin musste…“. Kein gutes Gefühl beim Aufstieg „von ganz unten“? Stattdessen wird ihr neues MdB-Mandat in aller Demut dargestellt als „nur ein neues persönliches Problem“. Null Freude, sich von unten gegen die Wagenknecht-Basher von „ganz oben“ durchgesetzt zu haben. Der Titel des lehrreichen Buches verspricht zwar nicht zuviel – nur was leicht andres.

Żaklin Nastić, Aus die Maus – Der Blick von unten auf die da oben; Verlag Das Neue Berlin, 191 Seiten; 16.- €

Żaklin Nastić ist Mitglied des Deutschen Bundestages für Die Linke und Mitglied des Deutschen Freidenker-Verbandes

Dr. Diether Dehm ist Mitglied des Deutschen Freidenker-Verbandes und seines Beirats


Bild oben: Collage von Ralf Lux unter Verwendung des Buchcovers