Ehrung und Gedenken zum Tag der Befreiung
von Liane Kilinc
Erstveröffentlichung am 09.05.2023 auf okv-rv.de
Heute nach Deutschland zu blicken macht keine Freude.
Denn wie im letzten Jahr wurde dafür gesorgt, dass am Treptower Ehrenmal in Berlin nicht gefeiert werden darf. Sowjetische und russische Fahnen, auch das Georgsband, alles wurde verboten. Und es ist noch schlimmer als im vergangenen Jahr – ukrainische Fahnen sind erlaubt, auch im Treptower Park.
Die Unterstützung des Kiewer Regimes ist wichtiger als die Wahrnehmung der historischen Wahrheit. Der Spiegel hat zum gestrigen Datum erklärt, Deutschland wäre nicht vom Hitlerfaschismus befreit worden, da so viele Deutsche dafür gewesen seien. Daran sieht man, dass das Problem des Faschismus nicht mehr verstanden wird.
Wenn morgen das Regime in Kiew fällt und die Erziehung zum Hass beendet wird, dann mag es wohl sein, dass Jugendliche, die mit der Bandera-Ideologie aufgewachsen sind, sich nicht befreit fühlen werden. Aber sie würden dennoch befreit, weil ihnen die Möglichkeit verschafft würde, als Mensch unter Menschen zu leben und sie vor der Gefahr bewahrt würden im Namen eines Wahns zu Verbrechern zu werden.
Ja, im Mai 1945 mögen das noch viele nicht verstanden haben. Aber wenn man sich Aufnahmen ansieht, aus meiner Heimat DDR, von den ersten Treffen der Freien Deutschen Jugend, wenn man den Enthusiasmus sieht, mit dem diese jungen Menschen, die dazu erzogen worden waren, alle anderen Völker zu verachten, die Weltjugendfestspiele besuchten und die Freundschaft der Völker feierten, dann sieht man, dass viele es bald darauf begriffen haben.
Diese Begeisterung über die neue Welt des Friedens sollten wir uns heute in Erinnerung rufen, wenn wir diesen Tag des Sieges begehen. Denn darum ging es schließlich: in einer Welt des Friedens zu leben, was erst möglich war, als der Faschismus niedergerungen war. Denn auch wir wollen eine Welt dies Friedens, nur der alte Gegner hat sich verhüllt, er trägt NATO- und EU-blau und ukrainisches Gelb.
Vor vielen Jahren kam der Spruch auf „Wer nicht feiert, hat verloren“. Es ist bitter zu sehen, wie sehr die damaligen Verlierer heute wieder auftrumpfen. Wenn sie könnten, würden sie die sowjetischen Denkmäler in Deutschland genauso niederreißen wie in Polen, im Baltikum und in der Ukraine. Sie zu schänden genügt ihnen nicht. Sie nutzen den Krieg in der Ukraine, um offen ihre Zuneigung zu Faschisten zu zeigen und alles, was an ihre Niederlage erinnert, aus der Öffentlichkeit zu verbannen. Aber es wird nichts nützen. So, wie es nichts nützen wird, alle Informationen zu verbieten, die nicht mit der NATO übereinstimmen.
Der 9. Mai 1945 war der Tag, der es ins Gedächtnis der Welt einschrieb: die Menschheit bewegt sich nach vorn. Es mag Hindernisse geben, entsetzliche Rückfälle, aber sie bewegt sich nach vorn. Heute tut sie es, in dem Dutzende Länder nicht länger den Geboten eines Hegemons folgen, sondern sich als Gleiche miteinander verbünden. Es ist eine neue Befreiung und wenn viele Menschen in Deutschland oder gar in der Ukraine das heute nicht begreifen, ändert das nichts daran.
Der Sieg über den Nazifaschismus, den wir heute feiern, sagt es uns klar und deutlich: gleich wie furchterregend die Bestie ist, die die Plünderer des Planeten ins Feld schicken, sie kann und sie wird bezwungen werden, heute wie damals. Denn die Zukunft der Menschheit liegt in einer Welt der Brüderlichkeit und des Friedens, wie sie damals zu erahnen war, an jenem 9. Mai 1945, als die Völker ihren Sieg begingen.
Liane Kilinc, Moskau 09.05.2023
Liane Kilinc ist Vorsitzende des Vereins „Friedensbrücke-Kriegsopferhilfe e.V.“ und Mitglied des Deutschen Freidenker-Verbandes
Bild oben: Liane Kilinc in Moskau [Ausschnitt]
Foto: Privat