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Von Corona bis Krieg: Warum das Narrativ nicht bricht

Die ganzen vergangenen Jahre in Deutschland wirken wie ein gigantisches psychologisches Experiment, bei dem ausgetestet wird, bis zu welchem Punkt sich Menschen ein X für ein U vormachen lassen. Versuche der Aufklärung stoßen dabei an sehr feste Grenzen.

Von Dagmar Henn

Erstveröffentlichung am 15.03.2023 auf RT DE

Wie gelingt es, eine friedliche Bevölkerung in Kriegsstimmung zu versetzen? Ein Gefühl derart unmittelbarer Bedrohung aufzubauen, dass sie bereit sind, massivste Widersprüche zu übersehen, den eigenen Verlust an Lebensstandard und -qualität hinzunehmen und jeden als Feind zu sehen, der von der offiziellen Linie abweicht?

Das ist gar nicht so einfach. Weil im Grunde ein permanenter emotionaler Ausnahmezustand benötigt wird, der im Regelfall nur dann eintritt, wenn die Gefahr bereits sehr nahe ist. Nein, ich rede jetzt nicht vom ukrainischen Bürgerkrieg. Da war spätestens nach Odessa, eigentlich aber bereits nach Maidan/Antimaidan für den russischsprachigen Teil der Bevölkerung die persönliche Bedrohung bereits gesetzt; sie war zu sehen, zu hören, zu riechen. Aber wie ist das in Deutschland? Über tausend Kilometer entfernt? Wie gelingt es dort, dieses Gefühl der Bedrohung aufzubauen, ohne irgendwelche Ereignisse, die es begründen?

Auch wenn Kriege in der menschlichen Geschichte keinen seltenen Ereignisse sind, über die gesamte Zeitspanne gesehen sind Phasen, in denen andere als Feinde gesehen werden, doch die Ausnahme. Gegner, ja, das ist im politischen Leben Alltag. Aber mit politischen Gegnern kann man sich streiten und in der Regel hinterher dennoch gemeinsam ein Bier trinken, auch wenn man seine Überzeugungen sehr ernst nimmt.

Es wurde zwar viel Arbeit darein investiert – insbesondere bei jenen, die sich als progressiv sehen –, die Vorstellung zu etablieren, man bringe die Gesellschaft voran, indem man mit einer unterschiedlich langen Liste von Menschen die Kommunikation verweigert. Aber es gab immer noch Bereiche wie Familien oder Vereine, in denen aus politischen Differenzen keine Feindschaft wurde.

Auseinandersetzungen, die weit entfernt sind, betrachtet man normalerweise nüchtern, mit Abstand. Entweder man interessiert sich gar nicht dafür, oder man versucht, herauszufinden, was die eine oder andere Seite bewegt. Und wenn man sich überhaupt dazu entscheidet, eine Position einzunehmen, ist sie in der Regel von rationalen Kriterien bestimmt. Es macht schließlich wenig Sinn, Energie auf Dinge zu verwenden, die man nicht beeinflussen kann. Wie ist es also gelungen, zumindest einen Teil der Bevölkerung dazu zu bringen, sich von einem weit entfernten Land bedroht zu fühlen? Wie ist es möglich, den käuflichen Erwerb von Brennstoffen vom einen Verkäufer als „Abhängigkeit“ zu erzählen und vom anderen als „Befreiung“, wenn ersterer aller Erfahrung nach nicht nur günstiger, sondern auch zuverlässiger ist?

Die Vernunft muss vom Gefühl überlagert, geradezu überrollt werden. Das kann man täglich in den Medien finden, wenn man auf Emotionalisierungen achtet. Aber das allein ist bei Weitem nicht genug. Schließlich ist die Erzählung, die übernommen werden soll, nicht wirklich gut konstruiert. Im Gegenteil, sie gleitet oft ins Lächerliche ab, wie gerade bei Nord Stream zu beobachten.

Klar gibt es Mechanismen, die helfen, Widersprüche zu übersehen. Das ist das Stichwort „kognitive Dissonanz“ – dass Informationen, die das vorhandene Weltbild erschüttern könnten, so lange wie möglich ausgeblendet werden.

Das Weltbild ist dabei nur die vergrößerte Ausgabe von „ich bin in meiner Umgebung sicher“. Letzteres ist aber zentral für das menschliche Wohlbefinden, weil unsere Gattung haarloser Affen im Verlauf ihrer Geschichte mindestens ebenso sehr Beute war wie Jäger. Die Spanne dessen, was verdrängt werden kann, ist dabei sehr groß.

Natürlich gibt es dazu auch die andere Seite, die beständigen, mal mehr, mal weniger subtilen Drohungen, dass Abweichler sanktioniert werden. Unschwer zu beobachten, dass diese Drohungen beständig schärfer werden; die kognitive Dissonanz genügt also nicht.

Aber sie genügt auch deshalb nicht, weil sie die Welt nicht in Freund und Feind teilt. Dafür fehlt die konkrete, persönlich empfundene Bedrohung. Die irgendwie ins Spiel gebracht werden muss, um den emotionalen Ausnahmezustand zu erreichen.

Dazu muss man noch eines sagen: Gefühle sind verschiebbar. Sie lassen sich von einem Objekt auf ein anderes verlagern. Das war einer der Motoren von Pegida im Jahr 2015: Der wirkliche Übergriff, die wirkliche „Überfremdung“ hatte ein Vierteljahrhundert davor stattgefunden, mit der Annexion der DDR, und setzt sich – das zeigen die Statistiken über die Besetzung von Führungspositionen deutlich – bis heute fort. Wenn man weiß, wie traumatisch diese Annexion war, dass viele nicht nur ihre Arbeit, sondern auch ihr Eigentum verloren, zu Gunsten irgendwelcher westlicher Alteigentümer aus ihren Häusern vertrieben wurden, dann wird klar, dass da etwas irgendwie an die Oberfläche kommen musste. Und wenn man betrachtet, mit welcher Sorgfalt jeder Bezug auf die DDR verteufelt wurde, klärt sich auch, warum diese Reaktion nur auf ein Ersatzobjekt bezogen sichtbar werden konnte.

Dieses erlebte, konkrete Trauma, das man so gern Wiedervereinigung nennt, spielt übrigens eine große Rolle, warum Kriegspropaganda wie Coronahysterie im Osten nicht so gut funktionierten wie im Westen. Die beiden Punkte sind eng miteinander verknüpft. Man könnte sagen: Ohne das eine wäre das andere in diesem Maße gar nicht möglich.

Das heißt nicht notwendigerweise, dass das geplant wurde, auch wenn das angesichts der längst bestätigten langfristigen westlichen Vorbereitungen in der Ukraine denkbar ist. Es ist dennoch möglich, dass schlicht opportunistisch Möglichkeiten genutzt wurden. Mit Corona ist jedenfalls eines gelungen: einem beträchtlichen Teil der Bevölkerung das Gefühl einer unmittelbaren, existentiellen Bedrohung zu vermitteln, das von einem anderen Teil der Bevölkerung ausgeht. Von den Coronaleugnern, den Maskenverweigerern, den Ungeimpften.

Voraussetzung dafür, dieses Gefühl der Feindschaft zu erzeugen, war ein konsequenter Angriff auf die gewohnte Umgebung. Das Sicherheitsgefühl im Alltag hat viel mit Vertrautheit zu tun; die Maßnahmen brachten alle vertrauten Abläufe durcheinander. Das ist nicht nur anstrengend, weil alles, was sonst als Routine abgearbeitet wird, jedes einzelne Mal einer Planung bedurfte; die dadurch ausgelöste Erschöpfung macht auch eine rationale Verarbeitung des Erlebten schwieriger. Kontaktentzug, der im Grunde für alle stattfand, verschärfte das Ganze noch, weil auch die gemeinsame Reflexion entfiel.

Und dann kommt die Wirkung von Ritualen hinzu. Der Maskenzwang war ein Ritual, das letztlich zu nichts anderem diente, als stetig immer wieder eine Botschaft von Gefahr zu senden. So etwas funktioniert, weil das menschliche Gehirn Imagination besitzt, und die Trennung zwischen Simulation und Wirklichkeit nicht vollkommen ist; man hat beispielsweise herausgefunden, dass rein imaginiertes körperliches Training einen realen Trainingseffekt hat, wenn auch nicht so stark wie tatsächliches Training. Übertragen auf den Maskenzwang heißt das: Wenn man sich im Alltag über einen längeren Zeitraum auch nur so verhält, als hätte man Angst, dann kann das bei vielen tatsächliche Angst auslösen oder vorhandene verstärken.

Wenn man betrachtet, wer für die so gesetzten Reize besonders empfänglich war, dann waren das weit überwiegend Personen, die in gesicherten Verhältnissen lebten bzw. noch leben, bei denen keine anderen Sorgen diese Botschaften verdrängen konnten, und bei denen die Erfahrung im Umgang mit traumatischen Situationen begrenzt war. Die zwei Bevölkerungsgruppen, die Ostdeutschen und die Migranten, die nachweislich weniger beeinflussbar waren, haben beide mindestens ein Trauma bereits hinter sich (Migration ist eine traumatische Erfahrung, das ist psychologisch erforscht, aber wenig bekannt).

Die Impfpropaganda wirkte dann gleich doppelt – zum einen, weil die an sich völlig unpersönliche Bedrohung durch einen unsichtbaren Krankheitserreger auf einmal auf eine Personengruppe übertragen wurde, was diese Personen zu Feinden machte; und dann, weil eine Aufhebung des traumatisierenden Zustands politisch an den Impferfolg geknüpft wurde, diese Personen also noch zusätzliches Leid zufügten, was die moralische Schwelle, sie anzugreifen, deutlich absenkte. Das war in der entsprechenden Kommunikation in den sozialen Netzwerken klar zu sehen: Die verunsicherten, verängstigten Bürger wollten Rache für ihr Leid, und diese Rache richtete sich nicht gegen diejenigen, die die Maßnahmen verhängt hatten, sondern gegen diejenigen, die vermeintlich deren Aufhebung verhinderten.

Wie gesagt, für die psychischen (und hormonellen) Mechanismen ist es unerheblich, ob eine Gefahr real ist oder nicht. Da zählt, ob sie als real empfunden wird. Im Ergebnis ist es gelungen, einen Teil der Bevölkerung in einen Zustand zu versetzen, in dem die Welt in Freunde und Feinde geteilt wird. Weil solche Emotionen auf andere Objekte übertragbar sind und Corona ohne Atempause in den Kriegszustand überging, war es dann nicht mehr schwierig, auf einen Feind einzuschwören, auch wenn dem jede rationale Grundlage fehlte.

Nun zerfällt das Corona-Narrativ mittlerweile Stück für Stück. Müsste sich damit nicht auch die Feindseligkeit auflösen? Wenn der Erreger gar nicht derart gefährlich war, die Maßnahmen nachweislich unsinnig und die in Deutschland applizierte Impfung in vielen Fällen sogar schädlich? Wären dann nicht wieder die Voraussetzungen zu einer Rückkehr zur Normalität gegeben, ohne die Scheuklappen, die selbst eine Monstrosität wie Nord Stream wegblenden?

Das wird leider nicht so einfach funktionieren. Denn welche Konsequenz hat es denn für den Gläubigen, den eifrigen Verfechter des Impfzwangs, wenn er die wirkliche Geschichte annähme? Bis hin zu dem Punkt, dass die Verabreichung experimenteller Substanzen mit dauerhaften Folgen eigentlich ein Verbrechen darstellt?

Dann muss sich derjenige, der das Spiel mitgespielt hat, als Komplizen bei diesem Verbrechen sehen. An diesem Punkt tritt allerdings ein anderer Mechanismus in Kraft, der aus der deutschen Geschichte gut bekannt ist. Die Beteiligung der Wehrmacht wie der Polizei an den Verbrechen des Hitlerfaschismus war kein Versehen, sie war ein entscheidender stabilisierender Faktor, weil die Angst vor einer Strafe für diese Verbrechen ins Bündnis mit den wirklichen Verbrechern zwang. Noch weit wirkungsvoller und dauerhafter, als das alle Unterdrückungsmaßnahmen bewirken konnten. Anhand der Entwicklung der BRD nach 1945 kann man sehen, wie dauerhaft diese Verbindung sein kann.

Das ist sowohl für Aufklärung über das Corona- als auch über das Ukraine-Narrativ ein Problem. Denn unabhängig von der Übertragung vom Ersten aufs Zweite reden wir bei Letzterem um ein Bündnis mit echten Nazis, die sich wie echte Nazis benehmen, und auf der globalen Skala um einen Kampf zur Erhaltung einer Struktur kolonialer Ausbeutung; also um eine weitere Beteiligung an einem Verbrechen. Das ließe sich auflösen, aber nur durch konkrete Erfahrung; die konkrete Erfahrung ist aber in der Breite gar nicht möglich, solange das andere Narrativ und vor allem dessen Schöpfer die Macht innehaben.

Es ist die Furcht vor den Konsequenzen, die noch weit stärker als die kognitive Dissonanz dazu führt, am offiziellen Narrativ festzuhalten und im Gegenteil, sobald es brüchig wird, es nur desto eifriger zu vertreten. Eine Auflösung erfordert Stärke ausgerechnet vom dämonisierten Gegenüber, das sehr scharf zwischen den wirklichen Tätern und den Hineingezogenen trennen und diesen – so schwierig das auch klingt – vergeben können muss. Bis dahin erreicht jeder Versuch der Aufklärung nur jene, die ohnehin bereits zweifeln.

Dagmar Henn ist Mitglied des Deutschen Freidenker-Verbandes


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