Rechte, die den Frieden wollen
Wagenknecht und Schwarzer erklärten, jeder sei willkommen, um für den Frieden einzustehen: Auch Rechte. Das dürfe nicht sein, las man daraufhin. Warum eigentlich?
von Roberto J. De Lapuente
Erstveröffentlichung am 27.02.2023 auf neulandrebellen.de
Ein Aufschrei der Empörung ging neulich durch die Gazetten: Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer wurden zum Gespräch mit dem Spiegel geladen. Grund war ihr Manifest für den Frieden, das recht erfolgreich gezeichnet wird. In diesem Gespräch wurden beide gefragt, was denn sei, wenn auch Rechte mit ihnen protestieren würden. Die Antwort kam selbstbewusst: »Jeder ist willkommen, der für Frieden demonstrieren möchte.«
Das saß, prompt wurde davon berichtet. Grenzen die beiden Rädelsführerinnen sich nicht genug von den Rechten ab? Ein prominenter Unterzeichner, Politikwissenschaftler Johannes Varwick nämlich, zog seine Solidarität umgehend zurück. Frieden muss warten, wenn das eigene Image Schaden nehmen könnte. Endlich würden die beiden Frauen darlegen, wes Geistes Kind sie sind: Man betrachtete die Aussage als Symptom ihres Rechtsruckes. Jetzt könnten sie nicht mehr leugnen, auf falschen Wegen zu lustwandeln. Von recht spielten sie Putin in die Karten.
Come as you are: Von Corona lernen
Diese Betrachtungen sind natürlich allzu choreographiert. Alleine diese Fragestellung zielt darauf ab, das Friedensmanifest zu diskreditieren. Denn was hätten die beiden Initiatorinnen auch antworten sollen auf eine Frage, die nur gestellt wurde, um das Anliegen für unmöglich zu erklären? Hätten sie sich zurückziehen, die Friedensbemühungen ad acta legen sollen? Ganz nach dem Motto: Wir suchen uns lieber aus, wer den Frieden möchte und wer nicht? Jede denkbare Antwort war prädestiniert dafür, dass die Initiative sich selbst schädigt. Denn entweder antwortet man wie es die beiden getan haben – und erntet Empörung. Oder aber man lädt Friedenswillige aus, deren Nase einem nicht passt.
Überhaupt ist die Frage unsinnig, Demonstrationen finden auf Straßen statt. Und die sind in diesem Lande noch immer freie Zone. Wer soll denn kontrollieren, wer kommt? Und wenn sich Demonstranten einreihen, was dann? Bedarf es einer Gesinnungskontrolle? Wer führt die aus? Braucht es einen Fragenkatalog? Checkt man das Parteibuch?
Die Corona-Zeit lehrt uns doch eines: Damals gingen Menschen mit verschiedenen politischen Ausrichtungen zusammen auf die Straße. In der Sache des Anliegens war man vereint: Man lehnte sich gegen einen übergriffigen, unangemessen überzogen reagierenden Staat auf. Was der einzelne Teilnehmer über Wirtschaftspolitik zu sagen oder welche Haltung er zur Flüchtlingsfrage einnahm, spielte eine bestenfalls untergeordnete Rolle. Man fokussierte sich auf das Wesentliche, auf das, was zur Stunde von Relevanz war: Denn in dieser Sache war man zum Protest gekommen.
Das alles lief nach dem Motto: Come as you are! Mag sein, dass die Vorstellungen desjenigen, der neben einem lief, nicht die eigenen waren. Vielleicht war er ausländerfeindlich, kann sein. Aber deswegen waren wir nicht da. Es ging gegen Maßnahmen, Seuchenschutzgesetz und Impfzwang. Hätten wir damals erstmal Gesinnungsschnüffelei begangen, wer wäre denn noch gegen diesen Wahnsinn aufgestanden? Aber genau das war ja die Absicht derer, die die Proteste als rechte Veranstaltung deklarierten.
Lieber Rechte, die für Frieden sind, als Linke, die den Krieg wollen
Denn natürlich gab es dort auch jene, die man Rechte nennt – man wollte diesen Umstand zur Zersetzung nutzen. Tat es auch. Es ging um Diskreditierung. Um die Spaltung derer, die widerständig waren, indem man die Gruppen gegenseitig ausspielte. Dabei war schon damals klar, die Straße gehört niemanden – und damit allen. Man musste seinen Nebenmann nicht grundsätzlich gut finden, aber einen gemeinsamen Nenner kann man haben. Und auf den kam es an. Aus meiner persönlichen Warte konnte ich sagen: Mir waren Leute, die ansonsten krude Ansichten pflegten und sich nicht unterbuttern ließen lieber, als jene, deren Ansichten ich gemeinhin teilte, die aber plötzlich einer Impfpflicht das Wort redeten.
Warum sollte das heute, da es um die nicht ganz unwesentliche Frage geht, ob Krieg oder Frieden unsere kontinentale Zukunft bestimmen sollten, so viel anders sein?
Jeden normal denkenden Mensch muss doch ein Rechter – was immer das dann ist, ein AfDler? –, der sich für Frieden ausspricht, lieber sein, als ein Linker oder vermeintlich Progressiver, der die Eskalation eines Krieges für eine gute Idee hält. Es geht bei dieser kruden Debatte ja darum, dem Klischee etwaiger schlechter Menschen grundsätzlich die Kraft abzusprechen, auch etwas Gutes zu wollen. Was im Umkehrschluss bedeutet, dass die, die sich als die Guten sehen, nichts Schlechtes sagen können, auch wenn sie objektiv betrachtet genau das tun.
Wenn es dann Frieden gibt, wenn die Gesellschaft nicht völlig in den Vernichtungswahn verfällt, dann kann man ja mal wieder über Richtungsangaben sprechen. Denn das sind Themen für eine Zeit, in der wir keinen anderen Probleme haben. Und das Wort Problem ist hier absichtlich als Understatement gewählt. Denn klar ist, dass das mehr als ein Problem ist. Und ob mein Nebenmann im Spalier derer, die den Frieden wollen, gendert oder nicht, kritisch die Flüchtlingspolitik beäugt oder nicht: So eine Betrachtung kann man sich nicht leisten, wenn es eventuell bald Bomben regnet.
Roberto J. De Lapuente ist freier Publizist und Mitherausgeber der Internet-Seite „Neulandrebellen“
Bild oben: Friedenssymbol mit Schriftzug „Imagine“ auf der John Lennon Mauer in Prag
Foto: Marko Kafé, CC BY-SA 4.0
Quelle: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=102395390