Nazi-Brainwashing seit 90 Jahren
Zum 90. Jahrestag der Machtübertragung an Hitler
von Dr. Diether Dehm
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Podcast bereitgestellt von: ViER. Ausgabe 1/23, https://www.vierte.online/
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„Nationaler Sozialist“ produzierte Läusegift
Und dazu hatte er am 30. Januar „die Macht ergriffen“. Herrschende Lügen – Verzeihung: Framing und Narrative – steigen nur im Zusammenspiel aus Schulbuch und Nachrichtensprech (heute auch Wikipedia) nach oben. Aber Hitler ergriff keine Macht. Er bekam sie übertragen. Von Hindenburg. Weil das reaktionärste deutsche Monopolkapital um Thyssen, Flick und Hugenberg am 19. November 1932 ihm den Auftrag – Verzeihung: ihre „Industriellen-Eingabe“ – erteilt hatte. Und zwar mit einem: ‚Aber Dalli, Herr Reichspräsident!‘ Denn 13 Tage zuvor hatten die Faschisten bei der Reichstagswahl über 2 Mio Stimmen verloren, davon – neben Nichtwählern – 700 000 Stimmen an die KPD (die nach ihrer „Programmerklärung zur nationalen und sozialen Befreiung des deutschen Volkes“ endlich nationaldemokatischer auftrat). Der süsse Nazi-Traum der Schwerindustriellen war kurz vorm Zerplatzen. Also mussten Vorbehalte gegen Hitler schnell ausgeräumt werden. Die gab`s dort. Nicht, weil irgendjemand ein besonderer Demokrat gewesen wäre. Sondern weil Krupp & Co noch von Wiedereinsetzung des Kaisers faselten.
Das änderte sich am 4.1.33 mit dem Treffen im Bankhaus Deutz/von Schröder, wo sich Hitler „wirtschaftlich als Liberaler“ outen und so Großbankiers für sich begeistern durfte. Die Zerstörer*innen von Freiheiten – besonders die der zwei unteren Bevölkerungsdrittel – waren stets „wirtschaftlich Liberale“. Solange der Staat ihre markt-liberalen Abenteuer absicherte. Mit Steuermilliarden. Von Kanzlern wie Papen, Brüning, Hitler, Adenauer – bis dato.
Weil dem mächtigen petrochemischen Großkapital, namentlich den „IG Farben“, gerade ihre Hausbank „Danat“ zusammengebrochen war und 1932 ihre Investments in synthetisches Benzin, dessen Liter 30 Pfennige kostete, plötzlich aussichtslos mit Erdölbenzin (zu nur 4 Pfg) konkurrieren musste, war es also zunächst nur eine Gruppe von Kohle-Stahl-Monopolen, die durch Hitler die „Macht ergriff“. Immer gegen die organisierte Arbeiterklasse. Aber eben auch gegen alle anderen geschwächten Kapitalgruppen. Und, ja, trotz ihrer mittelschichtigen Basis und Rhetorik regierten die Nazis mittelstandsfeindlich. „DIE Unternehmer“ also in toto für Hitler verantwortlich zu machen, ist so demagogisch – Verzeihung: geschwurbelt – , wie das deutsche Volk in Kollektivhaft zu nehmen.
Tatsächlich gab es bis 1933 immer Optionen, Hitler, Weltkrieg, Shoa und das Zertrümmern deutscher Nation zu meiden. Vom „Aufhaltsamen Aufstieg des Arturo Ui“ schrieb Brecht darum. Dafür aber hätten die Allermeisten, die später in den Baracken von Buchenwald zusammengepeitscht werden sollten, durch alle soziale Schichten und deren Politiken enorme Kröten schlucken müssen. Womöglich sogar Reichskanzler Kurt von Schleicher. Der dafür mit schärferen Bandagen gegen einzelne Großkonzerne, höheren Reichensteuern und gemeinsamen Manövern mit der Roten Armee gelockt hatte.
Nun, alle die von rechts und links für eine solche „Querfront“ gegen Hitler geworben hatten, starben bald eines unnatürlichen Todes. Erst 1945 wurde Deutschland vom Hitlerfaschismus befreit. Und zwar von einer „Querfront“, die Arbeiterklassen und Klassenfeinde, Mittelschichten, Rassisten und Antirassisten einbezog; von Churchill, Roosevelt bis Stalin befeuert. Die „die Alliierten“ hieß. Ein kolossal breites Bündnis! Wie es bereits Mao mit Tschang im „Koumintang“ gegen die japanischen Besatzer Chinas gelungen war. Antiimperialistische Bündniserfolge hängen nie vom Geschmack der Partner ab, sondern von der Stärke des Hauptfeinds – der damals Nazideutschland hieß und später US-Imperialismus.
Wenn heute ZDF, taz, SPIEGEL bis BILD auf „Querfront“ eindreschen, ist zumeist „Volksfront“ gemeint. Domenico Losurdo schrieb 2016 in seinem Kolonialismus-Buch von einer entstehenden Völkerfront des „globalen Südens“ von Indien, Russland, Iran bis China (nun auch Brasilien usw.) – die aber zunächst mit „rechts und links“ wenig zu tun hat.
Am 30. Januar 1933 hatte sich das imperialistischste Finanzkapital mit ihrem Hitler durchgesetzt. Es durfte von ihm nicht nur Feldzüge gegen die französischen und spanischen Volksfronten, gegen den „Kulturbolschewismus“ (Thyssen), sondern vor allem gegen die Sowjetunion erwarten. Verzeihung: und natürlich „die Befreiung der Ukraine vom Stalinismus“.
Das hatte Hermann-Josef Abs (Deutsche Bank) vor NS-Wirtschaftsführern mehrfach, vor allem im Oktober 1940, unter solch strengvertraulichen Titeln wie „Aktive Kapitalpolitik“ oder „Saldo Clearing“, nüchtern vorgerechnet (Reinhard Opitz „Europastrategien des Kapitals“, S. 794-803, 859; Pahl-Rugenstein 1994): sämtlich aufgelaufene Staats-Schulden für die Aufrüstungsorgien zweier Weltkriege seien mit einem einzigen Feldzug zu annullieren. (Ahnte der schlaue Kalkulierer Abs damals schon, dass sein Bankhaus sogar nach einem gescheiterten Überfall auf die Sowjetunion bald wieder in feinem Zwirn aus dem Schneider kommen, solange nur Volksfront und neutrales Deutschland verhindert würden?) Dazu mein Dokumentar-Stück „Abs“, das im Frankfurter Saal der Auschwitz-Prozesse (November 2021) von Freiem Schauspiel-Ensemble, Hannes Jaennicke, Peter Sodann und Michael Letz mit Musik des Komponisten Jossi Mar Chaim (Tel Aviv) uraufgeführt wurde: Abs – Ein Theaterstück von Diether Dehm
Die Sowjetunion hat sich von ihren 27 Millionen Toten, vom Abschlachten, Brandschatzen und Totgerüstetwerden nie mehr richtig erholt. Aber die Deutsche Bank hat mit Zwangsarbeit und Judengold, mit ihrem Bau-Kredit für Auschwitz ihr Kapital vermehrt. Sogar mit Gas-Verkäufen. Nebenbei: wer heute, scheinbar naiv wie „unsere“ Mediensprecher*innen, von „dem Nationalsozialismus“ spricht, könnte genauso gut das Zyklon B als „Läusegift“ anpreisen – die Lügen wiederkäuend von Faschisten, die sich „Nationalsozialisten“ nannten. Oder deren „IG-Farben“ und „Deutschen Gesellschaft für Schädlingsbekämpfung“, wo HJ Abs auch die Aufsichtsräte beherrschte. Die ja nur „Läusegift“ vermarktet hatten.
„Hitler war eine nationale Schande“ notierte Willy Brandt. Selbst mit Namensnennungen, die nicht in Nürnberg saßen, sondern die, wie Abs für Adenauer, kurz darauf bereits mit Wiederbewaffnung, DM und Währungsreform Deutschland spalten und 1952 bei der Londoner Schuldenkonferenz Griechenland, Polen und andere Opfer um jede Wiedergutmachung prellen durften.
Sicher hat Götz Aly auch die kleineren NS-Trittbrettfahrer bei Zwangsarbeit und „Arisierung“ notiert. Aber diese hätten Hitler nie an die Macht brüllen können, wären dahinter nicht die coolen big Players gewesen. Die hatten errechnet, wieviele Renditen aus der Eroberung Russlands in Gas, Öl und billigstem Arbeitermaterial, im Pressen von Reallöhnen auf Krisenniveau durch Zerschlagung von organisiertem Arbeiterwiderstand, herauszuholen waren. Was heute sorgsam weggeschwiegen wird. Von denen, die uns Sozialisten genüsslich das Lügenwort „die Nationalsozialisten“ unter die Nase reiben. Und die ihrem Finanzkapital bis heute russische Schätze unter den braunen Nagel reißen wollen. Jedoch: die „National-Sozialistische Arbeiterpartei“ war nichts als ein Feind deutscher Nation, des Sozialismus und der Arbeiter.
Der Faschismus konzentrierte weltweit an der Macht, was Thomas Mann die „Grundtorheit der Epoche“ nannte: den Antikommunismus. Das ist, was von jeder organisierten Unverschämtheit und Schamlosigkeit Werktätiger angetriggert wird – um sie niederzumetzeln. Und dieser antiproletarische Terrorismus bleibt Wesensmerkmal des Faschismus: Von Mussolini über Pinochet bis zum IS.
Grünliche Schreibagenten haben dagegen den Faschismusbegriff entkernt. Was übrig blieb, ist zwar eine nichtendenwollende Aufzählung. Die reicht von „homophob, frauenfeindlich, ziganophob, xenophob, antisemitisch, toxisch-zis-weiss-männlich, transphob“ bis zu „Putin-Verstehern, Klimaleugnern, Impfpflicht- und Gender-Gegnern“. Aber das kapitalkonotierte Wesen von Antikommunismus und notorischer Gewerkschaftsfeindlichkeit schweigen sie tot. Wie dessen proletarische Opfer. Sie müssten ja sonst eingestehen, in welcher Querfront sie Essentials derer propagieren, die vor 90 Jahren Hitler an die Macht finanziert hatten. Und deren undemokratische Welt immer nur dort in Unordnung geriet, wo Arbeiterklasse und bürgerliche Bündnispartner im Volksbündnis mehr wirtschaftliche Demokratie wagen wollen.
Dr. Diether Dehm ist Mitglied des Deutschen Freidenker-Verbandes und seines Beirats
Bild oben: „Ergriffen“ hat nicht Hitler die Macht, sondern Reichspräsident von Hindenburg seine Hand, um ihm die besagte Macht zu übertragen. Da von dem schicksalhaften Moment offenbar kein Foto existiert, nehmen wir hier ein aussagekräftiges Symbolbild, knapp zwei Monate später: Reichspräsident von Hindenburg und Reichskanzler Adolf Hitler am Tage von Potsdam (21. März 1933)
Foto: Theo Eisenhart, ADN-Zentralbild, jetzt Bundesarchiv, Bild 183-S38324, CC BY-SA 3.0 de
Quelle: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5369386