Karl Lauterbach: Lügen für die Meinungsfreiheit
Nachdem der Rechtsanwalt Markus Haintz gegen den deutschen Gesundheitsminister geklagt hatte, weil der die Corona-Impfung als „nebenwirkungsfrei“ bezeichnet hatte, musste Hainz eine Niederlage kassieren. Lauterbachs Behauptung (präziser formuliert: seine Lüge) sei durch die Meinungsfreiheit gedeckt.
von Tom J. Wellbrock
Erstveröffentlichung am 11.11.2022 auf RT DE
Die Meinungsfreiheit ist in Gefahr, ganz ohne Zweifel. An allen Ecken und Enden werden unerwünschte Meinungen diffamiert und in Schubladen gesteckt; wer seine Ansicht in die Welt hinausträgt, muss mit massiven Angriffen rechnen, die bis zum Rufmord und zur Zerstörung der eigenen Existenz reichen. Doch gibt es auch Meinungen, die per Gesetz gedeckt sind. Zum Beispiel jene von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).
Der Mainstream jubelt: Auch ein Politiker hat das Recht auf freie Meinungsäußerung! Nachdem der Rechtsanwalt Markus Haintz gegen den deutschen Gesundheitsminister geklagt hatte, weil dieser die Corona-Impfung als „nebenwirkungsfrei“ bezeichnet hatte, musste Hainz eine Niederlage kassieren. Lauterbachs Behauptung (oder vielmehr: seine Lüge) sei durch die Meinungsfreiheit gedeckt.
Das ist wirklich interessant.
Hass ist keine Meinung?
Im Jahr 2017 kam ein Buch heraus, das die Grünen-Politikerin Renate Künast geschrieben hatte. Es trägt den Titel „Hass ist keine Meinung“ und disqualifizierte sich bereits mit diesem Titel. Zum einen, weil Hass in erster Linie ein Gefühl ist. Zum anderen aber auch deshalb, weil durch den Entzug des Gefühls als Meinung eben deren Freiheit verletzt wird.
Ist Liebe ein Gefühl? Diese rhetorische Frage wird wohl niemand verneinen. Doch wer sie bejaht, muss auch der Emotion Hass ihre Berechtigung zugestehen. Wer einen anderen Menschen hasst, macht sich ebenso wenig angreifbar wie jemand, der einen anderen Menschen liebt. Insofern ist die Aussage „Hass ist keine Meinung“ nicht nur blödsinnig, sondern auch gefährlich.
Denn ein Gefühl ist eben eine sehr persönliche Sache. Ob ich jemanden mag oder nicht mag, liebe oder hasse, entscheide ich in erster Linie selbst. Wenn nun aber die Meinungsfreiheit derart eingeschränkt wird, dass die Äußerung eines Gefühls justiziabel ist, wird es schlicht wahnsinnig. Das schließt nicht aus, aus anderen Gründen, die gesetzlich definiert wurden, bestraft zu werden, etwa, wenn ich jemanden beleidige oder gar bedrohe.
Doch selbst Renate Künast musste sich letztlich dem Grundgesetz unterwerfen, als sie versucht hatte, Beschimpfungen gegen sich per Richterspruch sanktionieren zu lassen. Die erste Instanz schmetterte Künasts Klage ab, die zweite entschied, dass die Beleidigungen gegen Künast als „Schmähkritik“ einzuordnen sei. Doch was hat das alles mit Karl Lauterbach zu tun?
Lüge ist keine Meinung!
Meinungen entstehen aus Emotionen heraus. Daher sind Maßstäbe wie „richtig“ oder „falsch“, „erlaubt“ oder „verboten“ unsinnig. Wie die Richter allerdings auf die Idee kommen, Lauterbachs Behauptung, die Corona-Impfung sei „nebenwirkungsfrei“, als Meinung einzuordnen, ist nicht nur grenzwertig, sondern absurd.
Sollen wir nicht alle unbedingt und immer auf „die Wissenschaft“ hören? Nun konnten wir in den letzten Jahren dank unserer Corona-Erfahrung wiederholt feststellen, dass ein Grundprinzip der Wissenschaft eben auch der Irrtum ist. Die meisten der Wissenschaftler, mit denen wir es in der öffentlichen Wahrnehmung zu tun hatten, wollten uns zwar immer wieder weismachen, dass sie sich nicht täuschen und die Wahrheit und die Weisheit mit Löffeln gefressen haben. Das hängt allerdings in erster Linie mit der damit kombinierten Propaganda zusammen, die sie verkörperten und noch immer verkörpern. Niemand, der bei Verstand ist, könnte zu dem Schluss kommen, dass die regierungsnahen Wissenschaftler die Corona-Episode ohne Irrtümer überstanden hätten. Im Gegenteil.
Die Behauptung, die Corona-Impfung sei „nebenwirkungsfrei“, ist jedoch nicht nur keine Meinung, sondern auch kein Irrtum. Sie ist schlicht eine Lüge, von der Lauterbach wusste, wissen musste. Damit ist die Lüge perfekt. Denn wenn er davon wusste, dass es Nebenwirkungen gibt, hat er die Menschen bezüglich der Verträglichkeit der Impfung belogen. Wenn er nicht wusste, dass Nebenwirkungen auftreten, hat er hinsichtlich seiner fachlichen Kompetenz gelogen. So oder so – unterm Strich bleibt jeweils eine Lüge.
Angenommen, ein Unternehmen entwickelt ein Medikament, das gegen Kopfschmerzen helfen soll. Und angenommen, es stellt sich heraus, dass dieses Medikament nicht funktioniert. Die Kopfschmerzen bleiben, werden womöglich sogar nach Einnahme des Medikaments schlimmer. Kann das Unternehmen dann behaupten, das Mittel wirke? Fällt das unter die Meinungsfreiheit? Wohl kaum!
Verantwortungslos in Verantwortung
Dass Karl Lauterbach unser Gesundheitsminister ist, ist schon schlimm genug. In seinem Amt ist er jedoch verpflichtet, die Menschen über medizinische Möglichkeiten, aber auch Gefahren aufzuklären. Das hat er im Falle der Corona-Impfung von Beginn an nicht getan. Wenn er fachlich überfordert ist, muss er sich wissenschaftlichen Rat holen; tut er das nicht, unterlässt er diese Handlung vorsätzlich. Und wenn er vorsätzlich Menschen in Gefahr bringt, gehört er raus aus dem Amt und rein in den Gerichtssaal.
Vernünftigerweise kann und muss man davon ausgehen, dass Lauterbach die Möglichkeiten gehabt hätte, eine medizinisch korrekte Einordnung der Impfung vorzunehmen. Ob mit oder ohne fachliche Hilfe, ist für die Bürger irrelevant. Für sie zählt allein, seriös und ohne Eigeninteressen durch den Gesundheitsminister informiert zu werden. Darauf haben die Menschen schlicht und einfach ein Recht!
Der für die Bevölkerung die Verantwortung tragende Minister hat also nicht in deren Sinne, sondern verantwortungslos gehandelt – nicht nur bei seiner Aussage über die angeblich „nebenwirkungsfreie“ Impfung, sondern auch in vielen anderen Fragen. Erwiderungen von Fachleuten wurden ignoriert oder als unzutreffend abqualifiziert, Irrtümer wurden nicht erkannt und benannt, sondern als bloße Fehleinschätzungen eingeordnet.
Wenn man vermutet, dass Lauterbach zum Zwecke des eigenen Vorteils gehandelt hat, ist das eine Meinung. Wenn man ihn dafür verabscheut, ist das ebenfalls eine Meinung. Wenn Lauterbach aber die Lüge verbreitet, die Corona-Impfung sei frei von Nebenwirkungen, kann das keine Meinung sein. Er sagte ja noch nicht einmal, dass die Impfung seiner Meinung nach keine Nebenwirkungen habe. Er sprach von vermeintlichen Fakten, die er weder belegen konnte noch guten Gewissens hätte kommunizieren dürfen.
Die Justiz außer Rand und Band
Zu Ende gedacht kann im Falle Lauterbach nur Vorsatz vorliegen, in welcher Ausprägung auch immer. Damit hätten die Richter die Lüge Lauterbachs als Vorsatz erkennen und in ihrer Rechtsprechung entsprechend behandeln müssen. Die Frage wäre also nicht gewesen, ob der Gesundheitsminister bestraft werden muss, sondern welches das angemessene Strafmaß für sein Handeln ist.
Durch den Trick, Lauterbachs Lüge als freie Meinungsäußerung umzuinterpretieren, hat die Justiz den einzig gangbaren Weg gewählt, den Politiker gänzlich straffrei aus der Sache herauskommen zu lassen.
Das zeigt, dass die Unabhängigkeit der Gerichte an einer weiteren Flanke ausgehebelt wurde. Denn eine wissentlich getätigte medizinische Falschaussage der Meinungsfreiheit zuzuordnen, ist fernab von allem, was eine unabhängige Justiz auszeichnen würde. Vom gesunden Menschenverstand ganz zu schweigen.
Tom J. Wellbrock ist Texter und Sprecher. Gemeinsam mit Jens Berger betrieb er den Blog Spiegelfechter. Aktuell betreibt er mit Roberto J. De Lapuente den Blog Neulandrebellen.de und führt dort u.a. die Interviews.
Wir danken dem Autor für die Genehmigung zur Veröffentlichung dieses Beitrages.
Bild oben: Karl Lauterbach in der WDR-Sendung „Maischberger“ am 10.04.2019
Foto: © Superbass / CC BY-SA 4.0
Quelle: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=77925071