Arbeit & Soziales

Die Arbeitsverhältnisse im BlackRock-Kapitalismus

Aus: „FREIDENKER“ Nr. 3-22, September 2022, S. 3-11, 81. Jahrgang

von Werner Rügemer

 

Praktiken und Ideologien in der digitalisierten neuen Fossil-Wirtschaft

Die Arbeitsverhältnisse im BlackRock-Kapi­talismus zeichnen sich durch verschärftes globales ArbeitsUnrecht aus. Diese Globali­sierung nutzt noch selektiver als bisher die punktuellen Vorteile möglichst vieler nati­onaler und regionaler Standorte – hinsichtlich politischer Nähe der Regierungen, Gefällig­keit der Behörden, Steuern, staatlichen Subventionen, Infrastruktur, Bodenschätze, Umwelt- und Sozialstandards und nicht zuletzt der Arbeitsverhältnisse. „Best Cost Country“ heißt das in der international harten Konkurrenz leitende Prinzip.

Westliche Regierungen und die EU fordern zwar, die Abhängigkeit von globalen Liefer­ketten zu verringern. Aber dies bezieht sich im Wesentlichen nur auf Energie aus dem nun feindlichen Russland und auf Mikroelek­tronik aus der nun ebenso als besonders feindlich erklärten Volksrepublik China.

Ansonsten verlagern etwa auch die deut­schen Autokonzerne für die neue e-Mobilität ihre Zulieferer noch zahlreicher vor allem in verarmte Staaten Osteuropas und auf allen Kontinenten. BlackRock & Co. gehören zu den führenden Aktionären deutscher, US-amerikanischer und anderer westlicher Auto­konzerne, auch etwa bei Tesla.

E-Auto von Audi: 12.000 Einzelteile aus 550 globalen Standorten

Die verschärfte Globalisierung wird etwa deutlich an einem der Renommierprojekte der neuen e-Mobilität, dem Elektoauto e-tron von Audi.

Es wird in Brüssel endmontiert. Die 6.000 Einzelteile und je nach Ausführung noch dazu etwa 6.000 Chips werden von 300 Toch­ter- und Zulieferfirmen aus 550 Standorten in 37 Staaten produziert. Und natürlich haben diese 300 Firmen selbst wieder insgesamt mehrere tausend Zulieferfirmen in diesen und anderen Staaten.

Bevor einige Teile nach Brüssel geschafft werden, müssen sie erstmal zwischen diversen Standorten hin- und hergeschickt werden. So werden etwa für die Scheibenwischer-Moto­ren die Leistungshalbleiter von Infineon in Regensburg und die Microcontroller in Dresden hergestellt, danach werden sie zum Endfertiger auf die Philippinen geschickt, da­nach zur Endkontrolle nach Singapur, und von dort schließlich zur Endmontage in die EU-Hauptstadt.

Von Brüssel wird dann der Premium SUV e-tron mit 2,6 Tonnen Gewicht und 408 PS zu den Händlern und weiter zu den gutver­dienenden Individual-Verkehrs-Kunden wie­tergeschickt, auch in die USA und nach China, zum Preis ab 81.000 Euro.[1]

Die neue grün-globale Fossil-Wirtschaft

Die 37 Zuliefer-Staaten liegen rund um den Planeten, China ebenso wie die USA, Tai­wan, Südkorea, die Philippinen und Singa­pur, in Afrika Tunesien und Marokko, in Europa Deutschland, Ungarn, Rumänien und die Ukraine sowie lateinamerikanische Staa­ten. Mit dem Umstieg auf e-Autos haben wir die Lieferketten noch intensiver „globali­siert“, heißt es bei Audi. Die „drohenden“ Lieferketten-Regulierungen waren dazu auch ein Antrieb.

Die erweiterte Schürfung und Bearbeitung allein der Metalle wie Lithium, Nickel und Kobalt für die Batterien und der seltenen Erden wie Neodym für die Elektromotoren, die Hin- und Hertransporte zwischen den Standorten und die Schlusstransporte per Lkw, Flugzeug, Schiff und Bahn nach Brüssel, der Energieverbrauch der e-Autos selbst sowie Herstellung und Betrieb ihrer eigenen wie externen Infrastruktur (Verar­beitung und Speicherung der Verkehrs-, Fahr- und Nutzungsdaten, Kameras, Infotainment, Lenkung, Klimaanlage, Ladesäulen, Satelliten) produziert ein Vielfaches an C02-Emissionen als dann das schwere-Auto mit seinen 408 PS einspart.

BlackRock hat schon 2017 die neuen Gewinne aus der e-Mobilität erkundet, eine flexible Suche nach neuen Zulieferern befürwortet und den erhöhten Bedarf an Lithium und Kobalt konstatiert: BlackRock ist mit Vanguard der größte Aktionär im größten Bergwerkskonzern BHP Billiton.[2]

E-Autos: noch mehr fossiler Energieverbrauch

E-Autos sind „rollende Computer“. Allein die Digitalisierung der elektrisch betriebenen Fahrgeräte und die Digitalisierung ihres Herstellungs- und Liefersystems erfordert rie­sige neue Systeme der Datenübertragung, Datenverwertung und Speicherung. Dazu wird noch mehr Energie verbraucht als bisher. US-Regierung und EU-Kommission fördern deshalb neue Atomkraftwerke. Öl- und Gas-Konzerne erschließen in Südamerika und Afrika neue Bohrfelder. Für Lithium, Nickel, Kobalt und seltene Erden werden neue Bergwerke ebenfalls in armen Staaten gebaut, etwa im Kongo. Das Recycling der Batterien ist ungelöst, genauso wie die Endlagerung der Strahlenreste aus den Atomkraftwerken.

Der Fokus auf die CO2-Emission beim schließlich endproduzierten e-Auto verdrängt nicht nur die CO2-Emissionen bei den Vorstufen der Herstellung und beim Betrieb, sondern auch die sonstigen zusätzlichen Umweltschäden sowie die volkswirtschaftliche Unterentwicklung der Staaten und Regionen in den Produktions- und Lieferketten.

Die umweltfreundliche, nachhaltige e-Mobilität – zu der ja noch mit ähnlichen Praktiken e-LkWs, e-Scooter, e-Bikes, zivile und militärische e-Drohnen hinzukommen – erweist sich als fake-Ideologie. Sie überzuckert eine neue, noch schädlichere, noch asozialere Fossil-Wirtschaft.

Auch Kinderarbeit im Kongo

Zu dieser neuen Fossil-Wirtschaft gehören auch die Arbeitsverhältnisse. Auch sie unter­liegen dem verschärften „Best Cost Country“-Prinzip.

Die festangestellten Endmontierer in Brüs­sel stehen an der Spitze der Arbeitsein­kommen, darunter dann die Leiharbeiter im selben Werk, darunter dann die Leiharbeiter bei Infineon in Deutschland, dann die quali­fizierten Niedriglöhner in den von der EU ver­armten Standorten Ungarn und Rumänien, unterhalb von ihnen dann zum Beispiel die Foxconn-Beschäftigten in Taiwan, dann die in Tunesien und Marokko, dann die ukrai­nischen, philippinischen und moldawischen Lkw-Fahrer, die ihre unterschriebenen Ar­beitsverträge mit der Spedition in Litauen nicht verstehen können und monatelang in ihren Fahrerhäusern leben und schlafen.

Und am Ende die Kinder bei der Kobalt-Schürfung im Kongo.

Das thematisieren weder die Nachhaltig­keitsprediger wie BlackRocks Chef Laurence Fink. Und auch ihre Top-Manager in den Konzernen und ihre Nachhaltigkeits-Invest­mentprofis und grüne Umwelt- und Wirt­schaftsminister und auch die besser­verdienenden Käufer thematisieren diese Ar­beitsverhältnisse nicht. Auch die Lieferketten-Regulierung der EU und das Lieferketten-Gesetz in Deutschland lassen die Arbeitsver­hältnisse im globalen e-tron-Netz praktisch unberührt.

BlackRock & Co: Keine menschenrechtlichen Arbeitsrechte

Der neue Wertekanon der westlichen Re­gierungen, Unternehmen und Investoren heißt ESG – Environment/Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung. Mit diesen Werten und Kriterien soll die Wirtschaft vor allem umweltfreundlich und nachhaltig umgestaltet werden.

Aber schon das wichtigste Kriterium der „Umwelt“ spielt – siehe den Produktionspro­zess des Audi e-tron – so gut wie keine Rolle, außer am allerletzten Punkt einer langen Kette, nämlich dem CO2-Ausstoß der fertigen e-Autos.

Und die „gute Unternehmensführung“ besteht im Best Cost Country-Prinzip. Und das „Soziale“ ist so diffus und unverbindlich, dass etwa der Mindestlohn von 1,21 Euro in der Ukraine und von 0,65 Euro in Tunesien als ESG-vereinbar gelten: Hier bauen so „renommierte“ Autozulieferer wie Leoni, Valeo und Delphi ihre Filialen aus. Und die Kinderarbeit im Kongo ist in der Praxis ebenfalls ESG-verträglich.

Nirgendwo finden bei den ESG-Propheten wie dem Blackrock-Chef Fink die Arbeitsrechte der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte auch nur eine Erwähnung. Auch die etwa 190 Konventionen werden nirgendwo einbezogen, die von der zu­ständigen Internationalen Arbeitsorga­ni­sation ILO beschlossen wurden, so etwa das Recht auf unabhängige Vertretung der abhängig Beschäftigten, auf Streik, auf kollek­tive Tarifverträge, auf gleichen Lohn für Mann und Frau, auf auskömmliches und die Familie ernährendes Arbeitseinkommen, auf Versicherung für Arbeitslosigkeit, Krankheit und Rente, auf bezahlten Urlaub, auf be­sonderen Schutz von Migranten und etwa das Verbot der Zwangs- und Kinderarbeit.

BlackRock & Co.: Resetting the Future of Work

Dagegen haben BlackRock & Co. ihre eige­nen Werte und Regeln entwickelt. Sie bilden die Alternative zu den menschenrechtlichen Arbeitsrechten der UNO, der ILO und auch der jeweiligen nationalen Arbeitsgesetze.

Die jüngste, anspruchsvollste Ausformulie­rung dieser Alternative veröffentlichten im Jahre 2020 das World Economic Forum (WEF) und die US-Unternehmensberatung Mercer. Titel: Resetting the Future of Work Agenda. Disruption and Renewal in a Post-COVID World.[3]

BlackRock-Chef Fink ist Leitungsmitglied des Weltwirtschaftsforums und hier der expo­nierte Prophet des nachhaltigen Investierens. Gleichzeitig gehört BlackRock mit dem ver­schwisterten Investor Vanguard zu den füh­renden Aktionären des Mitverfassers, der Unternehmensberatung Mercer.

Der Neustart der Arbeitsverhältnisse soll damit Teil des Neustarts des Kapitalismus überhaupt sein, hin zu einer sozial verant­wortlichen, nachhaltigen und umweltfreund­lichen Gesellschaft, so heißt es. Die Arbeit soll einfacher, arbeitsteiliger und agiler werden unter intensivem Einsatz der Digitalisierung. Die Beschäftigten sollen sich dabei körperlich, geistig, sozial und finanziell besser fühlen, so heißt es.

Das klingt vielleicht nach guter Absicht. Aber disruption ist das Zauberwort: Brechung der bisherigen Regeln, also vor allem der UN, der ILO und auch der bisher noch geltenden nationalen Arbeitsgesetze, so niedrig ihre Standards inzwischen auch gedrückt worden sind, in den USA und auch inzwischen mit­hilfe der EU. Und die Corona-Pandemie-Poli­tik soll dazu als Einstieg dienen.

Statt unabhängiger Gewerkschaften, ge­wählten Vertretern in Unternehmen, Betriebs- und Personalräten und dergleichen überneh­men nun HR-leaders die Organisierung der Beschäftigten. HR-leaders: das sind die Leiter und führenden Manager der Human Rela­tions-Vorstandsabteilungen in den Konzer­nen. Aus 200 solchen senior HR-leaders hat das WEF eine Arbeitsgruppe zusammenge­stellt. Diese neuen Arbeitsführer sollen als „Beschleuniger“ (Accelerators) den Neustart der Arbeitszukunft voranbringen.

Zu den vorbildlichen Unternehmen, die in der Pandemie solche Ziele schon verwirklicht haben, zählen WEF/Mercer den größten Luxuskonzern LVMH, den Ölkonzern Saudi Aramco, die Deutsche Post DHL, die Schwei­zer Großbank UBS, IKEA, Coca Cola, Uni­lever – überall gehören BlackRock & Co zu den führenden Aktionären. Als vorbildlich werden auch genannt die Vermittler von Leih- und gig-Arbeit wie Adecco, Workday und Upwork.

Weltweite Kritik an der BlackRock-Lügerei

BlackRock hat am 22. Mai 2022 mit den Frau­enbeauftragten der UN ein Memorandum of Understanding über die gemeinsame Förde­rung des geschlechtergerechten Investierens unterschrieben.[4]

Die Geschlechtergerechtigkeit bei Black Rock bezieht sich real aber nur auf die Füh­rungsebenen, in den Investmentabtei­lungen von BlackRock selbst, in den Führungen der investierten Unternehmen. Alle anderen Di­mensionen, die durch Investments betroffen werden, und auch die globalen Arbeitsver­hältnisse der unteren Ebenen, werden voll­ständig ausgeblendet.

Das kritisieren in einem Aufruf an die UN 354 feministische, Umwelt-, Friedens- und Arbeitsrechts-Initiativen und 244 prominente Frauen aus allen Kontinenten. Sie bezeichnen BlackRock als „moralisch korrupt“, denn dessen grüngewaschenes Investment in Waldzerstörung, Öl, Kohle, Rüstung, Schuss­waffen gehe weiter.

Zudem verarmen BlackRock Krisenstaaten wie Zambia durch spekulative Anleihen, akzeptieren Kinderarbeit in Lieferketten und haben schließlich auch alle Aktionärsanträge auf Schließung des gender pay gap, also gegen die Unterbezahlung von Frauen in den Belegschaften, abgelehnt.[5]

USA an der Spitze des globalen ArbeitsUnrechts

Die USA stehen unter den 185 ILO-Mitgliedsstaaten mit Saudi-Arabien und noch vor Katar weltweit einsam an der Spitze bei der Nicht-Anerkennung der ILO-Konven­tionen.

Von den acht Kern-Konventionen haben die USA sechs nicht ratifiziert: die Gewerk­schaftsrechte, gleicher Lohn bei gleicher Arbeit für Mann und Frau, Min­destalter für den Eintritt in ein Arbeitsverhältnis, Dis­kriminierung in der Arbeitswelt wegen Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Reli­gion, politischer Meinung, nationaler und sozialer Herkunft.

Von den 189 weiteren Konventionen haben die USA lediglich neun ratifiziert. Zu den nicht-ratifizierten Normen gehören z.B. Kündigungsschutz, Recht auf Schutz am Ar­beitsplatz vor chemischen und Strahlen-Gefahren, Recht auf geregelte Arbeitszeiten, auf Pausen und bezahlten Urlaub, Recht auf Versicherung gegen Krankheit, Arbeitslosig­keit, Rente, Rechte der Behinderten.[6]

Für annektierte US-„Überseegebiete“ wie American Samoa und Guam gilt keine ein­zige ILO-Norm; für die Nördlichen Maria­nen, Puerto Rico und die US Virgin Islands gelten nur zwei bzw. vier Normen, die sich zudem nur auf die Schifffahrt beziehen.

Organisiertes working poor

Der gesetzliche Mindestlohn liegt seit 2009 unverändert bei 7,25 US-Dollar – mit Aus­nahmen bis herunter auf 2,13 US-Dollar, wenn etwa Trinkgeld zu erwarten ist. Er ist nach Kaufkraft der niedrigste im westlichen Kapitalismus.

So wurde working poor seit Beginn der 1980er Jahre in den USA zur Lage einer schrittweise anwachsenden Zahl der abhängig Beschäftigten: Arbeit haben und trotzdem arm sein. Viele überleben nur durch staatliche Lebensmittelgutscheine und private Suppen­küchen. Und US-Konzerne und ihre Aktio­näre waren und sind auch die Vorreiter des globalisierten working poor.[7]

working poor bedeutet übrigens auch working sick – krank durch Arbeit. Und es bedeutet auch Renten-Armut, arm im Alter und natürlich auch schon vorher in der Ar­beitslosigkeit und in der unfreiwilligen Teil­zeitarbeit.

Die Lebenserwartung der abhängig Be­schäftigten in den USA sinkt – im Gegensatz zur steigenden Lebenserwartung der wenigen Besserverdiener und Superreichen. Inzwi­schen grassiert auch in der weißen Arbei­terklasse der USA die „Epidemie des Todes“, mit Verzweiflung, frühem Sterben, Suiziden und tödlichem Drogenkonsum, so der Nobel­preisträger Angus Deaton.[8]

Größte kasernierte Niedriglöhnerei: Foxconn aus Taiwan

Ein aufschlussreiches Beispiel für diese Praxis ist Foxconn. Rechtlich in Taiwan und an der Börse in Hongkong unter dem Namen Hon Hai Precision Industry Coporation registiert, ist Foxconn der weltweit größte Organisator kasernierter Niedrigstlöhnerei in der Mikro­elektronik.

Foxconn wurde 1974 in Taiwan gegründet, unter dem US-gestützten Diktator Tschiang kaishek. Bis 1987 herrschte Kriegsrecht auf der Insel, Gewerkschaften waren verboten. Gerade weil die USA in den 1970er Jahren diplomatisch von Tschiang abrückten und die Volksrepublik China anerkannten, förderten sie Taiwan militärisch, wirtschaftlich und technisch besonders intensiv.

Erst 1997 durfte der gewerkschaftliche Dachverband TCTU gegründet werden, erst 2000 wurde er staatlich anerkannt. Der Ein­fluss blieb bis heute gering. Foxconn rühmt sich auch im Jahre 2022 öffentlich, im eigenen Unternehmen keine Gewerkschaft zu haben. Die direkt in der Foxconn-Zentrale etwa 50.000 Beschäftigten unterhalten ohne ge­werkschaftliche Vertretung direkte Beziehungenzu ihren HR-leaders. Diese umsorgen die privilegierten Beschäftigten mit gut ge­führten Kantinen und Kursen für Fitness und Gewichtsabnahme.[9]

Foxconn-Hauptkunden: Silicon Valley mit Apple, Microsoft & Co.

Foxconn organisiert seit den 1980er Jahren für Apple, Microsoft, Intel und andere Silicon Valley-Unternehmen und inzwischen für tau­sende westliche Unternehmen die konkur­renzlos billigsten Vorproduktionen: Die Nie­driglöhner in Taiwan wurden in den ersten Jahrzehnten in Heimen zusammengefasst, mussten täglich drei bis vier Überstunden ohne Bezahlung leisten, bekamen keinen be­zahlten Urlaub. Es wurde und wird fast aus­schließlich für den Export produziert.

Dazu holte und holt Foxconn vor allem aus Vietnam, dann auch aus Indonesien und den Philippinen jährlich zusätzlich mehrere hun­derttausend Arbeitsmigranten: Sie müssen alle drei Jahre einen neuen Antrag stellen, sich auch gesundheitlich überprüfen lassen und dürfen insgesamt höchstens 12 Jahre in Taiwan arbeiten: Spätestens dann müssen sie raus, dürfen im Alter nicht Taiwan zur Last fallen. Weil sie zudem meist bei Vermittlern hoch verschuldet sind, sind sie willig, billig, unterwürfig, fleißig. Gegenwärtig unterliegen so 700.000 Arbeitsmigrant/inn/en in Taiwan dieser Form der Zwangsarbeit. Sie machen die niedrigsten jobs, die 3D-jobs: dirty, dan­gerous, difficult.[10]

Während der Corona-Pandemie unterlagen sie ungleich härteren Einschränkungen als die einheimischen Beschäftigten.[11] Dies ist zu­gleich eine moderne Form des Rassismus.[12] Wie WEF/Mercer verkünden: Covid-19 als beschleunigter Einstieg in die neue Arbeits-Zukunft.

So wurde Foxconn zum größten Unter­nehmen Taiwans. Und die Taiwan Semi­conductor Manufacturing Corp. TSMC wurde mithilfe von Foxconn zum heute weltweit größten Hersteller von Halbleitern.

Foxconn: Skandal um Selbstmorde in China

Foxconn exportierte die extreme Ausbeu­tungs- und Niedrigstlohnpraxis dann auch nach Japan und Südkorea, vor allem in die Volksrepublik China: Dort hatte Foxconn bis zu einer Million Niedrigstlöhner unter Ver­trag, meist junge Frauen, und zog ihnen für die Kasernierung und Verpflegung einen großen Teil des Lohnes ab.

Ab Anfang der 2000er Jahre streikten in China vor allem die Beschäftigten von Foxconn-Betrieben. Suizide von Foxconn-Beschäftigten wurden kurzzeitig zum internationalen „Skandal“. Apple-Chef Steve Jobs bezeichnete die Arbeitsverhältnisse bei Foxconn aber weiter als „sehr gut“.[13]

Aber der chinesische Staat verbesserte die Arbeitsbedingungen und hob die Löhne nach­haltig an – seitdem passt sich Foxconn zeitver­zögert an, wandert schrittweise in „freundli­chere“ Nachbarstaaten wie Thailand, Malay­sia, Indien und Vietnam ab. Mit angepass­teren Praktiken betreibt Foxconn mittlerweile auch Niederlassungen in den EU-Niedrig­lohnstaaten Tschechien und der Slowakei.

Mit neuen Aufträgen in Saudi-Arabien, In­donesien, Thailand und in Ohio/USA forciert Foxconn seine Zulieferaufträge für e-Autos.[14]

BlackRock, Vanguard als Großaktionäre von Foxconn

Apple, Microsoft & Co protestierten gegen die staatlichen Verbesserungen in China.

Aber sie sind seit 40 Jahre die wichtigsten Dauer-Auftraggeber für Foxconn und sind das auch heute noch. Weitere aktuelle und ehemalige Großkunden von Foxconn u.a.: Amazon, Dell, Google, Hewlett Packard, Intel, Motorola, Nintendo, Sony, Toshiba, Samsung.

2021 bekannte Foxconn sich zum modi­schen ESG-Nachhaltigkeitskanon. Auch die Aktionäre BlackRock und Vanguard bestan­den darauf. BlackRock und Vanguard sind die dritt- und viertgrößten Aktionäre von Fox­conn. Der ach so sozial auftretende norwe­gische Staatsfond Norges ist fünftgrößter Aktionär.[15] Für BlackRock & Co. ist also pri­mitivste Ausbeutung mit ESG und Nach­haltigkeit vereinbar.

So gehörten und gehören die ESG- und LGBT-Propheten von BlackRock&Co. und ihre Kapitalgeber zu den jahrzehntelangen Mehrfach- und Dauer-Gewinnern dieser men­schenrechtswidrigen Ausbeutungspraktiken. Auch so entstanden die wertvollsten Unter­nehmen des westlichen, US-geführten Kapita­lismus.

BlackRock in Tesla: Gewerkschaftshass, Arbeitsunfälle, Kinderarbeit

BlackRock ist zweitgrößter Aktionär des e-Auto-Konzerns Tesla, nach Vanguard und vor State Street und Capital,[16] mit denen BlackRock über Beteiligungen auch noch verbunden ist.

Die Gründungsfabrik im kalifornischen Fremont demonstriert seit 2010 mit jetzt 22.000 Beschäftigten die Tesla-Praktiken.

Der prinzipielle Gewerkschaftshasser hält Belegschaftsvertretungen und Gewerk­schaften mit allen Mitteln fern. Alle Versuche, eine gewählte Vertretung ein­zurichten, bestrafte Tesla mit der Ent­lassung der Aktivisten.

In den Arbeitsverträgen verlangt Tesla, dass die Beschäftigten im Konfliktfall nicht vor ein öffentliches Gericht gehen. Deshalb gibt es nur Gerichtsverfahren, wenn Ex-Mitarbeiter klagen. Tesla ver­letzt in der Regel die gesetzlichen Kündi­gungsfristen.

Tesla hat 14 Leiharbeitsfirmen unter Ver­trag: Die Zahl der Leiharbeiter ist wesent­lich höher als in der sonstigen regionalen Industrie.

Die Löhne sind so niedrig, dass so man­che Beschäftigte in ihren Autos auf Park­plätzen wohnen und schlafen.

Die körperlich stressigsten Arbeitsplätze werden vorrangig mit schwarzen Arbei­tern besetzt.

Das Werk Fremont hat die höchste Zahl an Arbeitsunfällen in der US-Autoindustrie.[17]

Tesla setzt auf Roboterisierung der Auto­produktion, holt aber gleichzeitig mit Ar­beitshetze und 12-Stunden-Schichten an 6 Tagen pro Woche das Letzte aus den le­bendigen Körpern heraus, auch in Kennt­nis der Gesundheitsschäden wie Band­scheibenhernie und abgetrennten Fin­gern.[18]

Tesla in Deutschland etwas netter

2017 kaufte Tesla den Produktionsma­schinen-Hersteller Grohmann Automation GmbH im Eifelort Prüm, in Rheinland-Pfalz. Als die 680 Beschäftigten wieder wie bisher einen Tarifvertrag forderten, lehnte Chef Elon Musk strikt ab. Die eigentlich brave deutsche Gewerkschaft IG Metall bezeichnete er als „unvereinbar mit unserer Mission“.

Plötzlich hingen auf dem Werksgelände Unterschriftslisten aus: Der jetzige Betriebsrat muss abgelöst werden! Solche Union Busting-Methoden der noch einfacheren Art sind in den USA üblich. Ergebnis: Es gab eine Gehaltserhöhung um 30 Prozent, aber keinen Tarifvertrag. Für den Bau von automati­sierten Produktionsanlagen braucht Musk diese qualifizierten Beschäftigten. Er kaufte sie mit dieser völlig ungewöhnlich hohen Lohnerhöhung – aber ihre unabhängige, selbstbewußte Selbstorganisation ist für ihn gefährlich.[19]

Wenn es sein muss: Vordergründige Zugeständnisse

Die disruption und die Gesetzesverstöße wer­den von Tesla & Co hochgradig opportu­nistisch gehandhabt. Wo es geht, werden wie in Kalifornien möglichst alle bisherigen Regulierungen verletzt. Wo es dann doch opportun erscheint, nicht alle zu verletzen, sind auch Kompromisse möglich. Die können dann so vordergründig wie möglich sein.

So ließ die Geschäftsführung in der deutschen Tesla-Fabrik Grünheide zwar einen Betriebs­rat wählen. Aber die Wahl fand

statt, als die Mehrheit der geplanten 12.000 Beschäftigten noch gar nicht im Betrieb war. Es waren erst 2.500 da. Und gegen das geltende Betriebs­verfassungs-Gesetz bildeten Führungskräfte die „Betriebsratsliste“ Giga­voice. Bei der Wahlversammlung wurden die wenigen schon Angestellten mit freien Ge­tränken, Snacks und Musik angelockt.[20]

Aber die Tesla-Großaktionäre BlackRock, Vanguard, State Street, Capital lehnten bei der Hauptversammlung 2022 alle arbeits­rechtlichen Anträge ab, auf Empfehlung des Vorstands: Zur Zulassung einer Gewerk­schaft, zur Kinderarbeit in der Lieferkette, zum Bericht über rassistische Diskrimi­nierung und zur sexuellen Belästigung.[21]

Je weiter entfernt von den Metropolen, schon innerhalb der EU und Europas be­ginnend, etwa in Polen, Nordmazedonien, Litauen und der Ukraine und dann in Mexi­ko, Brasilien, Tunesien, Vietnam, Südkorea, Taiwan und die Philippinen – die Grade der Ausbeutung nehmen zu.

Ebenso können und müssen die Arbeits­verhältnisse etwa an den Fracking-Bohr­löchern in den USA, auf den großen Kreuz­fahrtschiffen, in den global verteilten Call­centern des größten Callcenter-Betreibers Teleperformance, bei den Taxidiensten wie Uber, bei Starbucks, bei Lockheed und Rhein­metall, Exxon, Facebook, Bayer, Monsanto und aber auch in den beteiligten staatlichen Großkonzernen wie Deutsche Post usw. öffentlich aufgeschlüsselt werden, die heute aus tausenden von Tochter- und Beteili­gungsunternehmen bestehen – und wo überall BlackRock & Co zu den führenden Aktionären gehören.

Demokratischer, menschenrechtlicher Neustart

In der westlichen Menschenrechts-Litanei fehlen seit den 1970er Jahren immer die Sozial- und Arbeitsrechte der Universellen Menschenrechtspakte der UNO.

Und ebenfalls fehlen die arbeitsrechtlichen Konventionen der Internationalen Arbeitsor­ganisation ILO. Sie müssen auch in den Gewerkschaften und anderen demokratischen Kreisen des Westens ganz neu aus der Verdrängung herausgeholt werden.

Zudem muss über das eingewöhnte gewerk­schaftliche Ritual hinaus die menschen­rechtswidrig handelnde Gegenseite, also BlackRock & Co, überhaupt erstmal öffent­lich thematisiert werden; muss aus der me­dial, wissenschaftlich und politisch organi­sierten Unbekanntheit herausgeholt, ins auf­klärerische Licht der breiten Öffentlichkeit herausgezerrt werden.

Und dies in internationaler, globaler, ko­operativer Vernetzung. Das heimelige, brave, wirkungslose Mit-Herumsitzen etwa der Gewerkschaften im Umkreis der Europä­ischen Kommission in Brüssel ist an sein Ende gekommen.

In Alternative dazu gibt es zahlreiche Ansätze für neues analytisches, strategisches klassenkämpferisches Vorgehen, in den USA selbst und weltweit. Jüngere Generationen entwickeln neue Organisations- und Kampf­methoden. Auch Klima und Umwelt spielen für die Arbeitsverhältnisse eine zentrale Rolle, jenseits der ESG-Fakes von BlackRock & Co. Auch die Frage der Enteignung steht an.

Dr. Werner Rügemer, Köln, ist Philosoph und Publizist. Er ist Sprecher des Beirats des Deutschen Freidenker-Verbandes und Mitglied des Verbandsvorstandes.

Quellen

[1] Alle Wege führen nach China, Der Spiegel 32/2022, S. 58-62

[2] Rendite mit der Autorevolution, Handelsblatt 17.5.2017

[3] World Economic Forum in collaboration with Mercer: Resetting the Future of Work Agenda: Disruption and Renewal in a Post-COVID World. White Paper, October 2020

[4] BlackRock and UN Women to Promote Gender Lens Inveting, https://www.blackrock.com/corporate/newsroom/press-releases/ May 25,2022

[5] Feminists Demand End of UN Women’s Partnership with BlackRock, Inc., awid.org/news-and-analysis/femininists-demand-end-un-womens-partnership-blackrock-inc

[6] www.ILO.org, see conventions and ratifying status of the ILO member states

[7] Werner Rügemer / Elmar Wigand: Die Fertigmacher. Die Bekämpfung von Gewerkschaften und Betriebsräten als professionelle Dienstleistung. Köln 2014

[8] Anne Case/Angus Deaton: Tod aus Verzweiflung. Der Untergang der amerikanischen Arbeiterklasse und das Ende des amerikanischen Traums. Kulmbach 2020

[9] Hon Hai Precision Industry Co., LTD.: Annual Report 2021, Abschnitt „Labor Conditions“

[10] Peter Bengtsen: Moderne Zwangarbeit in Taiwan, Le Monde Diplomatique August 2022

[11] Coronavirus / Taiwan announces one-year extension for migrant worker permits, https://focustaiwan.tw.business/202205310023, Taipei, May 31 2022

[12] Nick Aspinwall: Taiwan Under Fire for Racist Policies Toward Southeast Asian Workers, The Diplomat June 19, 2021

[13] Foxconn in Wikipedia

[14] Hon Hai Precision Industry Co., LTD.: Annual Report 2021

[15] marketscreener.com/quote, abgerufen 21.8.2022

[16] money.cnn/com/quote, abgerufen 21.8.2022

[17] David Brown/Eric Luin: Behind Tesla’s rise, part 2, wses.org/en/articles, 24 May, 2021;

[18] Julia Carrie Wong: Tesla factory workers revail pain, injury and stress, The Guardian 18 May 2017; siehe auch das Tesla-Dossier: Tesla bietet in Fremont/Kalifornien die Arbeitsbedingungen der Zukunft, labournet.de/internationales/USA 4.7.2022

[19] Der Spiegel 48/2017, S. 68

[20] Gigawahl im Tesla-Land, Der Spiegel 9/ 2022, S. 65

[21] Akash Sriram: Tesla Shareholders broadly follow board recommendations at annual meeting, https://reuters.com/business/autos-transportation/tesla-stock-proposal-headline-annual-meeting-texas-2022-08-04/


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Bild: BlackRock Firmenzentrale in Midtown Manhattan, New York City
Foto: Americasroof, CC BY-SA 3.0 (Ausschnitt)
Quelle: https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=11328699