Die Arbeitsverhältnisse im BlackRock-Kapitalismus
Aus: „FREIDENKER“ Nr. 3-22, September 2022, S. 3-11, 81. Jahrgang
von Werner Rügemer
Praktiken und Ideologien in der digitalisierten neuen Fossil-Wirtschaft
Die Arbeitsverhältnisse im BlackRock-Kapitalismus zeichnen sich durch verschärftes globales ArbeitsUnrecht aus. Diese Globalisierung nutzt noch selektiver als bisher die punktuellen Vorteile möglichst vieler nationaler und regionaler Standorte – hinsichtlich politischer Nähe der Regierungen, Gefälligkeit der Behörden, Steuern, staatlichen Subventionen, Infrastruktur, Bodenschätze, Umwelt- und Sozialstandards und nicht zuletzt der Arbeitsverhältnisse. „Best Cost Country“ heißt das in der international harten Konkurrenz leitende Prinzip.
Westliche Regierungen und die EU fordern zwar, die Abhängigkeit von globalen Lieferketten zu verringern. Aber dies bezieht sich im Wesentlichen nur auf Energie aus dem nun feindlichen Russland und auf Mikroelektronik aus der nun ebenso als besonders feindlich erklärten Volksrepublik China.
Ansonsten verlagern etwa auch die deutschen Autokonzerne für die neue e-Mobilität ihre Zulieferer noch zahlreicher vor allem in verarmte Staaten Osteuropas und auf allen Kontinenten. BlackRock & Co. gehören zu den führenden Aktionären deutscher, US-amerikanischer und anderer westlicher Autokonzerne, auch etwa bei Tesla.
E-Auto von Audi: 12.000 Einzelteile aus 550 globalen Standorten
Die verschärfte Globalisierung wird etwa deutlich an einem der Renommierprojekte der neuen e-Mobilität, dem Elektoauto e-tron von Audi.
Es wird in Brüssel endmontiert. Die 6.000 Einzelteile und je nach Ausführung noch dazu etwa 6.000 Chips werden von 300 Tochter- und Zulieferfirmen aus 550 Standorten in 37 Staaten produziert. Und natürlich haben diese 300 Firmen selbst wieder insgesamt mehrere tausend Zulieferfirmen in diesen und anderen Staaten.
Bevor einige Teile nach Brüssel geschafft werden, müssen sie erstmal zwischen diversen Standorten hin- und hergeschickt werden. So werden etwa für die Scheibenwischer-Motoren die Leistungshalbleiter von Infineon in Regensburg und die Microcontroller in Dresden hergestellt, danach werden sie zum Endfertiger auf die Philippinen geschickt, danach zur Endkontrolle nach Singapur, und von dort schließlich zur Endmontage in die EU-Hauptstadt.
Von Brüssel wird dann der Premium SUV e-tron mit 2,6 Tonnen Gewicht und 408 PS zu den Händlern und weiter zu den gutverdienenden Individual-Verkehrs-Kunden wietergeschickt, auch in die USA und nach China, zum Preis ab 81.000 Euro.[1]
Die neue grün-globale Fossil-Wirtschaft
Die 37 Zuliefer-Staaten liegen rund um den Planeten, China ebenso wie die USA, Taiwan, Südkorea, die Philippinen und Singapur, in Afrika Tunesien und Marokko, in Europa Deutschland, Ungarn, Rumänien und die Ukraine sowie lateinamerikanische Staaten. Mit dem Umstieg auf e-Autos haben wir die Lieferketten noch intensiver „globalisiert“, heißt es bei Audi. Die „drohenden“ Lieferketten-Regulierungen waren dazu auch ein Antrieb.
Die erweiterte Schürfung und Bearbeitung allein der Metalle wie Lithium, Nickel und Kobalt für die Batterien und der seltenen Erden wie Neodym für die Elektromotoren, die Hin- und Hertransporte zwischen den Standorten und die Schlusstransporte per Lkw, Flugzeug, Schiff und Bahn nach Brüssel, der Energieverbrauch der e-Autos selbst sowie Herstellung und Betrieb ihrer eigenen wie externen Infrastruktur (Verarbeitung und Speicherung der Verkehrs-, Fahr- und Nutzungsdaten, Kameras, Infotainment, Lenkung, Klimaanlage, Ladesäulen, Satelliten) produziert ein Vielfaches an C02-Emissionen als dann das schwere-Auto mit seinen 408 PS einspart.
BlackRock hat schon 2017 die neuen Gewinne aus der e-Mobilität erkundet, eine flexible Suche nach neuen Zulieferern befürwortet und den erhöhten Bedarf an Lithium und Kobalt konstatiert: BlackRock ist mit Vanguard der größte Aktionär im größten Bergwerkskonzern BHP Billiton.[2]
E-Autos: noch mehr fossiler Energieverbrauch
E-Autos sind „rollende Computer“. Allein die Digitalisierung der elektrisch betriebenen Fahrgeräte und die Digitalisierung ihres Herstellungs- und Liefersystems erfordert riesige neue Systeme der Datenübertragung, Datenverwertung und Speicherung. Dazu wird noch mehr Energie verbraucht als bisher. US-Regierung und EU-Kommission fördern deshalb neue Atomkraftwerke. Öl- und Gas-Konzerne erschließen in Südamerika und Afrika neue Bohrfelder. Für Lithium, Nickel, Kobalt und seltene Erden werden neue Bergwerke ebenfalls in armen Staaten gebaut, etwa im Kongo. Das Recycling der Batterien ist ungelöst, genauso wie die Endlagerung der Strahlenreste aus den Atomkraftwerken.
Der Fokus auf die CO2-Emission beim schließlich endproduzierten e-Auto verdrängt nicht nur die CO2-Emissionen bei den Vorstufen der Herstellung und beim Betrieb, sondern auch die sonstigen zusätzlichen Umweltschäden sowie die volkswirtschaftliche Unterentwicklung der Staaten und Regionen in den Produktions- und Lieferketten.
Die umweltfreundliche, nachhaltige e-Mobilität – zu der ja noch mit ähnlichen Praktiken e-LkWs, e-Scooter, e-Bikes, zivile und militärische e-Drohnen hinzukommen – erweist sich als fake-Ideologie. Sie überzuckert eine neue, noch schädlichere, noch asozialere Fossil-Wirtschaft.
Auch Kinderarbeit im Kongo
Zu dieser neuen Fossil-Wirtschaft gehören auch die Arbeitsverhältnisse. Auch sie unterliegen dem verschärften „Best Cost Country“-Prinzip.
Die festangestellten Endmontierer in Brüssel stehen an der Spitze der Arbeitseinkommen, darunter dann die Leiharbeiter im selben Werk, darunter dann die Leiharbeiter bei Infineon in Deutschland, dann die qualifizierten Niedriglöhner in den von der EU verarmten Standorten Ungarn und Rumänien, unterhalb von ihnen dann zum Beispiel die Foxconn-Beschäftigten in Taiwan, dann die in Tunesien und Marokko, dann die ukrainischen, philippinischen und moldawischen Lkw-Fahrer, die ihre unterschriebenen Arbeitsverträge mit der Spedition in Litauen nicht verstehen können und monatelang in ihren Fahrerhäusern leben und schlafen.
Und am Ende die Kinder bei der Kobalt-Schürfung im Kongo.
Das thematisieren weder die Nachhaltigkeitsprediger wie BlackRocks Chef Laurence Fink. Und auch ihre Top-Manager in den Konzernen und ihre Nachhaltigkeits-Investmentprofis und grüne Umwelt- und Wirtschaftsminister und auch die besserverdienenden Käufer thematisieren diese Arbeitsverhältnisse nicht. Auch die Lieferketten-Regulierung der EU und das Lieferketten-Gesetz in Deutschland lassen die Arbeitsverhältnisse im globalen e-tron-Netz praktisch unberührt.
BlackRock & Co: Keine menschenrechtlichen Arbeitsrechte
Der neue Wertekanon der westlichen Regierungen, Unternehmen und Investoren heißt ESG – Environment/Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung. Mit diesen Werten und Kriterien soll die Wirtschaft vor allem umweltfreundlich und nachhaltig umgestaltet werden.
Aber schon das wichtigste Kriterium der „Umwelt“ spielt – siehe den Produktionsprozess des Audi e-tron – so gut wie keine Rolle, außer am allerletzten Punkt einer langen Kette, nämlich dem CO2-Ausstoß der fertigen e-Autos.
Und die „gute Unternehmensführung“ besteht im Best Cost Country-Prinzip. Und das „Soziale“ ist so diffus und unverbindlich, dass etwa der Mindestlohn von 1,21 Euro in der Ukraine und von 0,65 Euro in Tunesien als ESG-vereinbar gelten: Hier bauen so „renommierte“ Autozulieferer wie Leoni, Valeo und Delphi ihre Filialen aus. Und die Kinderarbeit im Kongo ist in der Praxis ebenfalls ESG-verträglich.
Nirgendwo finden bei den ESG-Propheten wie dem Blackrock-Chef Fink die Arbeitsrechte der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte auch nur eine Erwähnung. Auch die etwa 190 Konventionen werden nirgendwo einbezogen, die von der zuständigen Internationalen Arbeitsorganisation ILO beschlossen wurden, so etwa das Recht auf unabhängige Vertretung der abhängig Beschäftigten, auf Streik, auf kollektive Tarifverträge, auf gleichen Lohn für Mann und Frau, auf auskömmliches und die Familie ernährendes Arbeitseinkommen, auf Versicherung für Arbeitslosigkeit, Krankheit und Rente, auf bezahlten Urlaub, auf besonderen Schutz von Migranten und etwa das Verbot der Zwangs- und Kinderarbeit.
BlackRock & Co.: Resetting the Future of Work
Dagegen haben BlackRock & Co. ihre eigenen Werte und Regeln entwickelt. Sie bilden die Alternative zu den menschenrechtlichen Arbeitsrechten der UNO, der ILO und auch der jeweiligen nationalen Arbeitsgesetze.
Die jüngste, anspruchsvollste Ausformulierung dieser Alternative veröffentlichten im Jahre 2020 das World Economic Forum (WEF) und die US-Unternehmensberatung Mercer. Titel: Resetting the Future of Work Agenda. Disruption and Renewal in a Post-COVID World.[3]
BlackRock-Chef Fink ist Leitungsmitglied des Weltwirtschaftsforums und hier der exponierte Prophet des nachhaltigen Investierens. Gleichzeitig gehört BlackRock mit dem verschwisterten Investor Vanguard zu den führenden Aktionären des Mitverfassers, der Unternehmensberatung Mercer.
Der Neustart der Arbeitsverhältnisse soll damit Teil des Neustarts des Kapitalismus überhaupt sein, hin zu einer sozial verantwortlichen, nachhaltigen und umweltfreundlichen Gesellschaft, so heißt es. Die Arbeit soll einfacher, arbeitsteiliger und agiler werden unter intensivem Einsatz der Digitalisierung. Die Beschäftigten sollen sich dabei körperlich, geistig, sozial und finanziell besser fühlen, so heißt es.
Das klingt vielleicht nach guter Absicht. Aber disruption ist das Zauberwort: Brechung der bisherigen Regeln, also vor allem der UN, der ILO und auch der bisher noch geltenden nationalen Arbeitsgesetze, so niedrig ihre Standards inzwischen auch gedrückt worden sind, in den USA und auch inzwischen mithilfe der EU. Und die Corona-Pandemie-Politik soll dazu als Einstieg dienen.
Statt unabhängiger Gewerkschaften, gewählten Vertretern in Unternehmen, Betriebs- und Personalräten und dergleichen übernehmen nun HR-leaders die Organisierung der Beschäftigten. HR-leaders: das sind die Leiter und führenden Manager der Human Relations-Vorstandsabteilungen in den Konzernen. Aus 200 solchen senior HR-leaders hat das WEF eine Arbeitsgruppe zusammengestellt. Diese neuen Arbeitsführer sollen als „Beschleuniger“ (Accelerators) den Neustart der Arbeitszukunft voranbringen.
Zu den vorbildlichen Unternehmen, die in der Pandemie solche Ziele schon verwirklicht haben, zählen WEF/Mercer den größten Luxuskonzern LVMH, den Ölkonzern Saudi Aramco, die Deutsche Post DHL, die Schweizer Großbank UBS, IKEA, Coca Cola, Unilever – überall gehören BlackRock & Co zu den führenden Aktionären. Als vorbildlich werden auch genannt die Vermittler von Leih- und gig-Arbeit wie Adecco, Workday und Upwork.
Weltweite Kritik an der BlackRock-Lügerei
BlackRock hat am 22. Mai 2022 mit den Frauenbeauftragten der UN ein Memorandum of Understanding über die gemeinsame Förderung des geschlechtergerechten Investierens unterschrieben.[4]
Die Geschlechtergerechtigkeit bei Black Rock bezieht sich real aber nur auf die Führungsebenen, in den Investmentabteilungen von BlackRock selbst, in den Führungen der investierten Unternehmen. Alle anderen Dimensionen, die durch Investments betroffen werden, und auch die globalen Arbeitsverhältnisse der unteren Ebenen, werden vollständig ausgeblendet.
Das kritisieren in einem Aufruf an die UN 354 feministische, Umwelt-, Friedens- und Arbeitsrechts-Initiativen und 244 prominente Frauen aus allen Kontinenten. Sie bezeichnen BlackRock als „moralisch korrupt“, denn dessen grüngewaschenes Investment in Waldzerstörung, Öl, Kohle, Rüstung, Schusswaffen gehe weiter.
Zudem verarmen BlackRock Krisenstaaten wie Zambia durch spekulative Anleihen, akzeptieren Kinderarbeit in Lieferketten und haben schließlich auch alle Aktionärsanträge auf Schließung des gender pay gap, also gegen die Unterbezahlung von Frauen in den Belegschaften, abgelehnt.[5]
USA an der Spitze des globalen ArbeitsUnrechts
Die USA stehen unter den 185 ILO-Mitgliedsstaaten mit Saudi-Arabien und noch vor Katar weltweit einsam an der Spitze bei der Nicht-Anerkennung der ILO-Konventionen.
Von den acht Kern-Konventionen haben die USA sechs nicht ratifiziert: die Gewerkschaftsrechte, gleicher Lohn bei gleicher Arbeit für Mann und Frau, Mindestalter für den Eintritt in ein Arbeitsverhältnis, Diskriminierung in der Arbeitswelt wegen Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Religion, politischer Meinung, nationaler und sozialer Herkunft.
Von den 189 weiteren Konventionen haben die USA lediglich neun ratifiziert. Zu den nicht-ratifizierten Normen gehören z.B. Kündigungsschutz, Recht auf Schutz am Arbeitsplatz vor chemischen und Strahlen-Gefahren, Recht auf geregelte Arbeitszeiten, auf Pausen und bezahlten Urlaub, Recht auf Versicherung gegen Krankheit, Arbeitslosigkeit, Rente, Rechte der Behinderten.[6]
Für annektierte US-„Überseegebiete“ wie American Samoa und Guam gilt keine einzige ILO-Norm; für die Nördlichen Marianen, Puerto Rico und die US Virgin Islands gelten nur zwei bzw. vier Normen, die sich zudem nur auf die Schifffahrt beziehen.
Organisiertes working poor
Der gesetzliche Mindestlohn liegt seit 2009 unverändert bei 7,25 US-Dollar – mit Ausnahmen bis herunter auf 2,13 US-Dollar, wenn etwa Trinkgeld zu erwarten ist. Er ist nach Kaufkraft der niedrigste im westlichen Kapitalismus.
So wurde working poor seit Beginn der 1980er Jahre in den USA zur Lage einer schrittweise anwachsenden Zahl der abhängig Beschäftigten: Arbeit haben und trotzdem arm sein. Viele überleben nur durch staatliche Lebensmittelgutscheine und private Suppenküchen. Und US-Konzerne und ihre Aktionäre waren und sind auch die Vorreiter des globalisierten working poor.[7]
working poor bedeutet übrigens auch working sick – krank durch Arbeit. Und es bedeutet auch Renten-Armut, arm im Alter und natürlich auch schon vorher in der Arbeitslosigkeit und in der unfreiwilligen Teilzeitarbeit.
Die Lebenserwartung der abhängig Beschäftigten in den USA sinkt – im Gegensatz zur steigenden Lebenserwartung der wenigen Besserverdiener und Superreichen. Inzwischen grassiert auch in der weißen Arbeiterklasse der USA die „Epidemie des Todes“, mit Verzweiflung, frühem Sterben, Suiziden und tödlichem Drogenkonsum, so der Nobelpreisträger Angus Deaton.[8]
Größte kasernierte Niedriglöhnerei: Foxconn aus Taiwan
Ein aufschlussreiches Beispiel für diese Praxis ist Foxconn. Rechtlich in Taiwan und an der Börse in Hongkong unter dem Namen Hon Hai Precision Industry Coporation registiert, ist Foxconn der weltweit größte Organisator kasernierter Niedrigstlöhnerei in der Mikroelektronik.
Foxconn wurde 1974 in Taiwan gegründet, unter dem US-gestützten Diktator Tschiang kaishek. Bis 1987 herrschte Kriegsrecht auf der Insel, Gewerkschaften waren verboten. Gerade weil die USA in den 1970er Jahren diplomatisch von Tschiang abrückten und die Volksrepublik China anerkannten, förderten sie Taiwan militärisch, wirtschaftlich und technisch besonders intensiv.
Erst 1997 durfte der gewerkschaftliche Dachverband TCTU gegründet werden, erst 2000 wurde er staatlich anerkannt. Der Einfluss blieb bis heute gering. Foxconn rühmt sich auch im Jahre 2022 öffentlich, im eigenen Unternehmen keine Gewerkschaft zu haben. Die direkt in der Foxconn-Zentrale etwa 50.000 Beschäftigten unterhalten ohne gewerkschaftliche Vertretung direkte Beziehungenzu ihren HR-leaders. Diese umsorgen die privilegierten Beschäftigten mit gut geführten Kantinen und Kursen für Fitness und Gewichtsabnahme.[9]
Foxconn-Hauptkunden: Silicon Valley mit Apple, Microsoft & Co.
Foxconn organisiert seit den 1980er Jahren für Apple, Microsoft, Intel und andere Silicon Valley-Unternehmen und inzwischen für tausende westliche Unternehmen die konkurrenzlos billigsten Vorproduktionen: Die Niedriglöhner in Taiwan wurden in den ersten Jahrzehnten in Heimen zusammengefasst, mussten täglich drei bis vier Überstunden ohne Bezahlung leisten, bekamen keinen bezahlten Urlaub. Es wurde und wird fast ausschließlich für den Export produziert.
Dazu holte und holt Foxconn vor allem aus Vietnam, dann auch aus Indonesien und den Philippinen jährlich zusätzlich mehrere hunderttausend Arbeitsmigranten: Sie müssen alle drei Jahre einen neuen Antrag stellen, sich auch gesundheitlich überprüfen lassen und dürfen insgesamt höchstens 12 Jahre in Taiwan arbeiten: Spätestens dann müssen sie raus, dürfen im Alter nicht Taiwan zur Last fallen. Weil sie zudem meist bei Vermittlern hoch verschuldet sind, sind sie willig, billig, unterwürfig, fleißig. Gegenwärtig unterliegen so 700.000 Arbeitsmigrant/inn/en in Taiwan dieser Form der Zwangsarbeit. Sie machen die niedrigsten jobs, die 3D-jobs: dirty, dangerous, difficult.[10]
Während der Corona-Pandemie unterlagen sie ungleich härteren Einschränkungen als die einheimischen Beschäftigten.[11] Dies ist zugleich eine moderne Form des Rassismus.[12] Wie WEF/Mercer verkünden: Covid-19 als beschleunigter Einstieg in die neue Arbeits-Zukunft.
So wurde Foxconn zum größten Unternehmen Taiwans. Und die Taiwan Semiconductor Manufacturing Corp. TSMC wurde mithilfe von Foxconn zum heute weltweit größten Hersteller von Halbleitern.
Foxconn: Skandal um Selbstmorde in China
Foxconn exportierte die extreme Ausbeutungs- und Niedrigstlohnpraxis dann auch nach Japan und Südkorea, vor allem in die Volksrepublik China: Dort hatte Foxconn bis zu einer Million Niedrigstlöhner unter Vertrag, meist junge Frauen, und zog ihnen für die Kasernierung und Verpflegung einen großen Teil des Lohnes ab.
Ab Anfang der 2000er Jahre streikten in China vor allem die Beschäftigten von Foxconn-Betrieben. Suizide von Foxconn-Beschäftigten wurden kurzzeitig zum internationalen „Skandal“. Apple-Chef Steve Jobs bezeichnete die Arbeitsverhältnisse bei Foxconn aber weiter als „sehr gut“.[13]
Aber der chinesische Staat verbesserte die Arbeitsbedingungen und hob die Löhne nachhaltig an – seitdem passt sich Foxconn zeitverzögert an, wandert schrittweise in „freundlichere“ Nachbarstaaten wie Thailand, Malaysia, Indien und Vietnam ab. Mit angepassteren Praktiken betreibt Foxconn mittlerweile auch Niederlassungen in den EU-Niedriglohnstaaten Tschechien und der Slowakei.
Mit neuen Aufträgen in Saudi-Arabien, Indonesien, Thailand und in Ohio/USA forciert Foxconn seine Zulieferaufträge für e-Autos.[14]
BlackRock, Vanguard als Großaktionäre von Foxconn
Apple, Microsoft & Co protestierten gegen die staatlichen Verbesserungen in China.
Aber sie sind seit 40 Jahre die wichtigsten Dauer-Auftraggeber für Foxconn und sind das auch heute noch. Weitere aktuelle und ehemalige Großkunden von Foxconn u.a.: Amazon, Dell, Google, Hewlett Packard, Intel, Motorola, Nintendo, Sony, Toshiba, Samsung.
2021 bekannte Foxconn sich zum modischen ESG-Nachhaltigkeitskanon. Auch die Aktionäre BlackRock und Vanguard bestanden darauf. BlackRock und Vanguard sind die dritt- und viertgrößten Aktionäre von Foxconn. Der ach so sozial auftretende norwegische Staatsfond Norges ist fünftgrößter Aktionär.[15] Für BlackRock & Co. ist also primitivste Ausbeutung mit ESG und Nachhaltigkeit vereinbar.
So gehörten und gehören die ESG- und LGBT-Propheten von BlackRock&Co. und ihre Kapitalgeber zu den jahrzehntelangen Mehrfach- und Dauer-Gewinnern dieser menschenrechtswidrigen Ausbeutungspraktiken. Auch so entstanden die wertvollsten Unternehmen des westlichen, US-geführten Kapitalismus.
BlackRock in Tesla: Gewerkschaftshass, Arbeitsunfälle, Kinderarbeit
BlackRock ist zweitgrößter Aktionär des e-Auto-Konzerns Tesla, nach Vanguard und vor State Street und Capital,[16] mit denen BlackRock über Beteiligungen auch noch verbunden ist.
Die Gründungsfabrik im kalifornischen Fremont demonstriert seit 2010 mit jetzt 22.000 Beschäftigten die Tesla-Praktiken.
Der prinzipielle Gewerkschaftshasser hält Belegschaftsvertretungen und Gewerkschaften mit allen Mitteln fern. Alle Versuche, eine gewählte Vertretung einzurichten, bestrafte Tesla mit der Entlassung der Aktivisten.
In den Arbeitsverträgen verlangt Tesla, dass die Beschäftigten im Konfliktfall nicht vor ein öffentliches Gericht gehen. Deshalb gibt es nur Gerichtsverfahren, wenn Ex-Mitarbeiter klagen. Tesla verletzt in der Regel die gesetzlichen Kündigungsfristen.
Tesla hat 14 Leiharbeitsfirmen unter Vertrag: Die Zahl der Leiharbeiter ist wesentlich höher als in der sonstigen regionalen Industrie.
Die Löhne sind so niedrig, dass so manche Beschäftigte in ihren Autos auf Parkplätzen wohnen und schlafen.
Die körperlich stressigsten Arbeitsplätze werden vorrangig mit schwarzen Arbeitern besetzt.
Das Werk Fremont hat die höchste Zahl an Arbeitsunfällen in der US-Autoindustrie.[17]
Tesla setzt auf Roboterisierung der Autoproduktion, holt aber gleichzeitig mit Arbeitshetze und 12-Stunden-Schichten an 6 Tagen pro Woche das Letzte aus den lebendigen Körpern heraus, auch in Kenntnis der Gesundheitsschäden wie Bandscheibenhernie und abgetrennten Fingern.[18]
Tesla in Deutschland etwas netter
2017 kaufte Tesla den Produktionsmaschinen-Hersteller Grohmann Automation GmbH im Eifelort Prüm, in Rheinland-Pfalz. Als die 680 Beschäftigten wieder wie bisher einen Tarifvertrag forderten, lehnte Chef Elon Musk strikt ab. Die eigentlich brave deutsche Gewerkschaft IG Metall bezeichnete er als „unvereinbar mit unserer Mission“.
Plötzlich hingen auf dem Werksgelände Unterschriftslisten aus: Der jetzige Betriebsrat muss abgelöst werden! Solche Union Busting-Methoden der noch einfacheren Art sind in den USA üblich. Ergebnis: Es gab eine Gehaltserhöhung um 30 Prozent, aber keinen Tarifvertrag. Für den Bau von automatisierten Produktionsanlagen braucht Musk diese qualifizierten Beschäftigten. Er kaufte sie mit dieser völlig ungewöhnlich hohen Lohnerhöhung – aber ihre unabhängige, selbstbewußte Selbstorganisation ist für ihn gefährlich.[19]
Wenn es sein muss: Vordergründige Zugeständnisse
Die disruption und die Gesetzesverstöße werden von Tesla & Co hochgradig opportunistisch gehandhabt. Wo es geht, werden wie in Kalifornien möglichst alle bisherigen Regulierungen verletzt. Wo es dann doch opportun erscheint, nicht alle zu verletzen, sind auch Kompromisse möglich. Die können dann so vordergründig wie möglich sein.
So ließ die Geschäftsführung in der deutschen Tesla-Fabrik Grünheide zwar einen Betriebsrat wählen. Aber die Wahl fand
statt, als die Mehrheit der geplanten 12.000 Beschäftigten noch gar nicht im Betrieb war. Es waren erst 2.500 da. Und gegen das geltende Betriebsverfassungs-Gesetz bildeten Führungskräfte die „Betriebsratsliste“ Gigavoice. Bei der Wahlversammlung wurden die wenigen schon Angestellten mit freien Getränken, Snacks und Musik angelockt.[20]
Aber die Tesla-Großaktionäre BlackRock, Vanguard, State Street, Capital lehnten bei der Hauptversammlung 2022 alle arbeitsrechtlichen Anträge ab, auf Empfehlung des Vorstands: Zur Zulassung einer Gewerkschaft, zur Kinderarbeit in der Lieferkette, zum Bericht über rassistische Diskriminierung und zur sexuellen Belästigung.[21]
Je weiter entfernt von den Metropolen, schon innerhalb der EU und Europas beginnend, etwa in Polen, Nordmazedonien, Litauen und der Ukraine und dann in Mexiko, Brasilien, Tunesien, Vietnam, Südkorea, Taiwan und die Philippinen – die Grade der Ausbeutung nehmen zu.
Ebenso können und müssen die Arbeitsverhältnisse etwa an den Fracking-Bohrlöchern in den USA, auf den großen Kreuzfahrtschiffen, in den global verteilten Callcentern des größten Callcenter-Betreibers Teleperformance, bei den Taxidiensten wie Uber, bei Starbucks, bei Lockheed und Rheinmetall, Exxon, Facebook, Bayer, Monsanto und aber auch in den beteiligten staatlichen Großkonzernen wie Deutsche Post usw. öffentlich aufgeschlüsselt werden, die heute aus tausenden von Tochter- und Beteiligungsunternehmen bestehen – und wo überall BlackRock & Co zu den führenden Aktionären gehören.
Demokratischer, menschenrechtlicher Neustart
In der westlichen Menschenrechts-Litanei fehlen seit den 1970er Jahren immer die Sozial- und Arbeitsrechte der Universellen Menschenrechtspakte der UNO.
Und ebenfalls fehlen die arbeitsrechtlichen Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO. Sie müssen auch in den Gewerkschaften und anderen demokratischen Kreisen des Westens ganz neu aus der Verdrängung herausgeholt werden.
Zudem muss über das eingewöhnte gewerkschaftliche Ritual hinaus die menschenrechtswidrig handelnde Gegenseite, also BlackRock & Co, überhaupt erstmal öffentlich thematisiert werden; muss aus der medial, wissenschaftlich und politisch organisierten Unbekanntheit herausgeholt, ins aufklärerische Licht der breiten Öffentlichkeit herausgezerrt werden.
Und dies in internationaler, globaler, kooperativer Vernetzung. Das heimelige, brave, wirkungslose Mit-Herumsitzen etwa der Gewerkschaften im Umkreis der Europäischen Kommission in Brüssel ist an sein Ende gekommen.
In Alternative dazu gibt es zahlreiche Ansätze für neues analytisches, strategisches klassenkämpferisches Vorgehen, in den USA selbst und weltweit. Jüngere Generationen entwickeln neue Organisations- und Kampfmethoden. Auch Klima und Umwelt spielen für die Arbeitsverhältnisse eine zentrale Rolle, jenseits der ESG-Fakes von BlackRock & Co. Auch die Frage der Enteignung steht an.
Dr. Werner Rügemer, Köln, ist Philosoph und Publizist. Er ist Sprecher des Beirats des Deutschen Freidenker-Verbandes und Mitglied des Verbandsvorstandes.
Quellen
[1] Alle Wege führen nach China, Der Spiegel 32/2022, S. 58-62
[2] Rendite mit der Autorevolution, Handelsblatt 17.5.2017
[3] World Economic Forum in collaboration with Mercer: Resetting the Future of Work Agenda: Disruption and Renewal in a Post-COVID World. White Paper, October 2020
[4] BlackRock and UN Women to Promote Gender Lens Inveting, https://www.blackrock.com/corporate/newsroom/press-releases/ May 25,2022
[5] Feminists Demand End of UN Women’s Partnership with BlackRock, Inc., awid.org/news-and-analysis/femininists-demand-end-un-womens-partnership-blackrock-inc
[6] www.ILO.org, see conventions and ratifying status of the ILO member states
[7] Werner Rügemer / Elmar Wigand: Die Fertigmacher. Die Bekämpfung von Gewerkschaften und Betriebsräten als professionelle Dienstleistung. Köln 2014
[8] Anne Case/Angus Deaton: Tod aus Verzweiflung. Der Untergang der amerikanischen Arbeiterklasse und das Ende des amerikanischen Traums. Kulmbach 2020
[9] Hon Hai Precision Industry Co., LTD.: Annual Report 2021, Abschnitt „Labor Conditions“
[10] Peter Bengtsen: Moderne Zwangarbeit in Taiwan, Le Monde Diplomatique August 2022
[11] Coronavirus / Taiwan announces one-year extension for migrant worker permits, https://focustaiwan.tw.business/202205310023, Taipei, May 31 2022
[12] Nick Aspinwall: Taiwan Under Fire for Racist Policies Toward Southeast Asian Workers, The Diplomat June 19, 2021
[13] Foxconn in Wikipedia
[14] Hon Hai Precision Industry Co., LTD.: Annual Report 2021
[15] marketscreener.com/quote, abgerufen 21.8.2022
[16] money.cnn/com/quote, abgerufen 21.8.2022
[17] David Brown/Eric Luin: Behind Tesla’s rise, part 2, wses.org/en/articles, 24 May, 2021;
[18] Julia Carrie Wong: Tesla factory workers revail pain, injury and stress, The Guardian 18 May 2017; siehe auch das Tesla-Dossier: Tesla bietet in Fremont/Kalifornien die Arbeitsbedingungen der Zukunft, labournet.de/internationales/USA 4.7.2022
[19] Der Spiegel 48/2017, S. 68
[20] Gigawahl im Tesla-Land, Der Spiegel 9/ 2022, S. 65
[21] Akash Sriram: Tesla Shareholders broadly follow board recommendations at annual meeting, https://reuters.com/business/autos-transportation/tesla-stock-proposal-headline-annual-meeting-texas-2022-08-04/
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Bild: BlackRock Firmenzentrale in Midtown Manhattan, New York City
Foto: Americasroof, CC BY-SA 3.0 (Ausschnitt)
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