Frieden - Antifaschismus - SolidaritätZentrale Veranstaltungen

Schluss mit Aufrüstung, Kriegshetze und Verelendung

100 Jahre Antifaschistisches Riesengebirgstreffen am Fuße der Schneekoppe

von Peter Betscher

Im September 1922 trafen sich in Malá Úpa im Riesengebirge erstmals tschechische und deutsche Kommunisten um gemeinsam über den Kampf gegen kapitalistische Ausbeutung und die aufziehende faschistische Gefahr zu beraten. Daraus entwickelte sich eine Tradition, die mit der Okkupation Tschechiens durch Nazideutschland unterbrochen wurde. Beim letzten Treffen im März 1933 wurden vielen deutschen Genossen zur Flucht vor dem Faschismus verholfen. 1972 wurden die Treffen wiederbelebt. Am 24. September 1972 wurde ein Denkmal zur Erinnerung an die Riesengebirgstreffen mit Hinweisen zu den einzelnen Kundgebungsorten errichtet. Dieses Denkmal wurde 1994 nach der „samtenen Revolution“ abgerissen. Anfangs waren es ausgesprochene Jugendtreffen, aber nach der Wende sank die Teilnehmerzahl und es kamen mehr ältere Menschen. Dabei sind die Anliegen des Treffens aktueller den je: Bemühung zur Vermeidung von Kriegen, Streben nach sozialer Gerechtigkeit, internationale Solidarität und Kampf gegen Faschismus.

Dieses Jahr versammelten sich [am 03.09.2022 – Anm. der Webredaktion] ungefähr 150 Menschen aus Polen, Tschechien und Deutschland in Horni Mala Upa. Bei der Kundgebung sprachen Vertreter der Kommunistischen Partei Böhmens und Mährens (KSCM), des Revolutionären Freundschaftsbundes, der Friedensglockengesellschaft, der Partei die Linke Berlin-Lichtenberg und des Deutschen Freidenker-Verbandes. Die Redner verurteilten die aggressive Politik der NATO gegen Russland und forderten Verhandlungen, die die Sicherheitsinteressen sowohl Russlands als auch der Ukraine garantierten. Sie forderten von ihren Regierungen ein Ende der verhängnisvollen Sanktionspolitik gegen Russland und die Inbetrieb-nahme von Nord Stream 2, um die verheerenden Folgen der Sanktionen für die eigene Bevölkerung zu verhindern.

In Tschechien ist die Inflation inzwischen auf 18 % gestiegen. Am Kundgebungstag in Malá Úpa fand gleichzeitig eine Großdemonstration mit 70.000 Teilnehmern in Prag statt, um gegen die Sanktionspolitik der EU und die damit verbundenen rasant steigenden Lebenshaltungskosten zu demonstrieren. Der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala sagte über die Demonstration, diese sei von »prorussischen Personen mit Nähe zu extremistischen Positionen« organisiert worden, deren Interessen denen der tschechischen Republik zuwiderliefen.» (1) „Die große Demonstration, an der sowohl rechte als auch linke Gruppen teilnahmen, forderte den Austritt Tschechiens aus der Nato, die Einstellung der Waffenlieferungen an die Ukraine und die Wiederaufnahme des Handels mit Russland, um die Gaspreise zu senken. Die Kommunisten erklärten, dass es für die Linke wichtig sei, trotz der Vielzahl der mobilisierenden politischen Kräfte, von denen viele gegen die Linke seien, unter ihren eigenen Bannern und mit ihren eigenen Vorschlägen zu demonstrieren, um „der Regierung Einhalt zu gebieten“ und deutlich zu machen, dass die Linke auf der Seite der Menschen stehe, die unter der derzeitigen Krise leiden.“ (2)

Der Vorsitzende des Revolutionären Freundschaftsbundes Albrecht Geißler führte in seiner Rede in Malá Úpa aus:

„(…) Es ist offensichtlich, dass die Lasten imperialer militärischer und wirtschaftlicher und medialer Kriegsführung in unseren Ländern auf das Volk abgewälzt werden sollen. Es soll die hohen Preise für Energie, Wohnen und den menschlichen Grundbedarf unausweichlich bezahlen! Inflation, Energiekrise und gestörte Lieferketten, sind heute hauptsächlich der unmenschlichen Sanktions- und Kriegspolitik des Westens gegen Russland und China geschuldet. In der BRD werden nun 100 Milliarden zusätzlich zum bisherigen Rüstungsetat für moderne Waffen bereitgestellt. Dagegen werden in der BRD friedliebende Menschen, Antifaschisten, Kommunisten und Sozialisten ab sofort gegen Krieg und die Abwälzung der Kriegs- und Krisenlasten auf das Volk protestieren!

Der Übergang von der kalten Konfrontation zum Krieg durch USA und NATO wurde mit Hilfe von US- abhängigen Staaten und national-faschistischen Elementen der Ukraine vollzogen. Das ukrainische Regime wird von den USA und NATO-Staaten weiter mit Kriegsgerät versorgt, um mit einem möglichst langen Krieg Russland zu schwächen. An die vielen Opfer auf beiden Seiten denkt man nicht! Der Krieg ist wiederum ein Konjunkturprogramm für den militärisch-industriellen Komplex der USA und Westeuropa.

Die Gefahr des Unterganges der menschlichen Zivilisation auf der Erde in einem atomaren Weltkrieg kann nur durch das Engagement großer Kreise der Bevölkerung gebannt werden! (…)“

Heike Cienskowski vom Deutschen Freidenker-Verband ging als letzte Rednerin auf die Spezial-operation der Russischen Föderation ein:

„(…) Wer hat seit dem Ende des zweiten Weltkrieges immer wieder Kriege geführt? Wer hat die zwei einzigen Atombomben ohne zwingendes Erfordernis abgeworfen – die japanische Kapitulation lag beim Abwurf der ersten unterschriftsreif vor und bei der Zweiten war dies bereits unterschrieben? Wer hat uranabgereicherte Munition z.B. im Irak- und in Jugoslawien angewendet? Wer hat Chemiewaffen-Entlaubungsmittel – in Vietnam versprüht, in dessen Folge heute noch kranke Kinder geboren werden? Wer hat z.B. Krieg in Korea, Vietnam, Irak, Syrien , Jugoslawien geführt ? Waren das nicht die USA und die von den USA geführten NATO -Länder ? Haben diese Länder das Recht, die Russische Föderation unter Führung Wladimir Wladimirowitsch Putins anzuklagen? Wenn Regierungen sich nicht dem Diktat der USA beugten erfolgten in diesen Ländern “ Blumenrevolutionen“ oder “ Farbenrevolutionen“. Ich denke dabei an Afrika. Wir wissen alle, dass Präsidenten oder Politiker, die den USA nicht hörig waren getötet wurden oder unter mysteriöse Weise ums leben kamen- ich denke dabei an Patrice Lumumba, Dr. Salvador Allende, an Muanmar al-Gadaffi, an Slobodan Milošević! Wir wissen , dass die Spezialoperation in der Ukraine provoziert wurde. Wir wissen auch, dass der Präsident der Russischen Föderation, Wladimir Wladimirowitsch Putin immer wieder auf die Situation im Donbass aufmerksam gemacht und Gespräche zur Lösung dieses Problems angeboten hat. Wir fordern Verhandlungen mit der Russischen Föderation auf Augenhöhe! Lasst uns gemeinsam für Gerechtigkeit kämpfen!“

Aus Altersgründen nahm nur ein Teil der Kundgebungsteilnehmer an der traditionellen Besteigung der Schneekoppe (Sněžka ) teil. Die roten Fahnen stießen auf wesentlich mehr Wohlwollen und Interesse als die letzten Jahre, wobei allerdings auch einige Unmutsbekundungen nicht ausblieben.

Am Abend versammelte man sich in Voletiny, einem Vorort von Trutnov, zum Freundschaftstreffen  mit einem gemeinsamen Abendessen, Diskussion und Musik. Anja Mewes von der Friedens-glockengesellschaft übergab dem Organisator des Treffens, Jaroslav Ondrácek, eine Spende der deutschen Genossen.

Am Sonntag [den 04.09.2022 – Anm. der Webredaktion] fand der traditionelle Abschluss des Treffens an der Gedenktafel in dem kleinen Ort Kralovec an der tschechisch-polnischen Grenze statt. Hier wird dem 6. Proletarische Grenztreffen deutscher und tschechoslowakischer Kommunisten mit mehreren tausend Teilnehmern am 15. Mai 1927 gedacht. Hier sprachen u. a. auf einem als Bühne aufgestellten Plattenwagen Ernst Thälmann und Karl Kreibich. Nachdem Blumen an der Gedenktafel angebracht waren, erzählte Gerd Hommel vom Revolutionären Freundschaftsbund die Geschichte des damaligen Treffens. Anschließend beendete Dr. Matthias Werner, der Vorsitzende des OKV (Ostdeutsches Kuratorium von Verbänden e.V.) mit seiner Rede die Kundgebung.

In seinem hundertsten Jahr ist das Antifaschistische Riesengebirgstreffen aktuell wie zu seinen Anfangszeiten. Die Kriegsgefahr wird von westlichen Politikern befeuert, indem immer mehr Waffenlieferungen für die Ukraine gefordert werden. Die Rüstungshaushalte platzen aus allen Nähten, während durch die völkerrechtswidrigen unilaterale Sanktionspolitik große Teile der europäischen Bevölkerung in die Armut getrieben werden. Das völkerrechtliche Gebot Konflikte durch Verhandlungen zu lösen, wird gar nicht mehr in Erwägung gezogen. Unsere Regierungen müssen zur Abkehr von dieser verhängnisvollen Politik gezwungen werden. Die Tschechen haben in Prag am 05.09.2022 bereits einen Anfang gemacht.

Anmerkungen

(1) https://www.spiegel.de/ausland/tschechien-70-000-menschen-demonstrieren-gegen-ukraine-politik-der-regierung-a-2733ce95-b9ab-44c9-af12-acd6c39e1048
(2) https://morningstaronline.co.uk/article/w/70000-rally-prague-demand-action-soaring-cost-of-living

Peter Betscher, Darmstadt, ist Mitglied der Deutschen Sektion des Internationalen Komitees Slobodan Milošević (ICSM), Vorstandsmitglied des Bundesverbandes Arbeiterfotografie und Mitglied des Landesvorstandes des Deutschen Freidenker-Verbandes Hessen.

Heike Cienskowski ist Vorsitzende des Landesverbandes Thüringen des Deutschen Freidenker-Verbandes


Bildergalerie

Alle Bilder: Andreas Cienskowski

Weitere Bilder von der Veranstaltung findet ihr bei der NhRZ: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=28267


Bild oben: Heike Cienskowski während ihrer Rede 
Foto: Andreas Cienskowski