Tendenz der Faschisierung – vorbereitende Etappe – Faschismus an der Macht?
Vorbemerkungen für eine Diskussion der antifaschistischen Strategie
Vortrag von Klaus Linder, gehalten bei der Runde „Berliner Freidenker im Gespräch“ am 14. Juni 2022
Der Vortrag kann auch als Video angesehen werden.
I. Zangenangriff
Der Faschismus hat eine hundertjährige Geschichte, deshalb sollten einige Begriffe wieder besehen werden. Da sich mit der Entwicklung des Faschismus auch der Antifaschismus nur schrittweise, über Fehler und Korrekturen entwickelte, und da diesen Lehren das große Cancel Culture unserer Gegner droht, wenn wir sie nicht verbreiten, gehe ich in die Vergangenheit und erlaube mir dabei immer wieder den Schwenk in das Heute.
Zunächst zur Gegenwart. Der deutsche und der ukrainische Faschismus, die abermals in gemeinsamer Kriegsfront gegen Russland stehen, scheinen durch eine Art kommunizierender Röhren verbunden. Sämtliche Hakenkreuze, die in Westdeutschland jahrzehntelang unsichtbar gemacht wurden, um schließlich die Bombardierung Belgrads als antifaschistischen Akt zu verkaufen, scheinen u.a. in den Katakomben von Asowstal in einer Art monströser Fetischparty konzentriert wieder aufgetaucht zu sein. Ihre Träger werden dort durch die russischen Antifaschisten unschädlich gemacht; wo das nicht geschieht, ist mit ihrem Re-Import ins Westreich zu rechnen, mitsamt gespendeter Waffen. Sie werden in einem EU-Schlagerwettbewerb beworben, der in den Jahren zuvor merklich zur Mobilisierung der Schwulenszene „gegen Putin“ unter den Zeichen des libertär-kosmopolitischen EU-Imperialismus instrumentalisiert wurde. Das Vorspiel ließ ahnen, dass unter der kosmopolitischen Maske eines Tages der nackte Chauvinismus hervorkommen würde.
Den Vorbereitern und Aufrichtern des Faschismus in den Staaten und Staatenbündnissen „des Westens“ ist es egal, mit welchen Emblemen ihre Offensive die Gesellschaften durchdringt. Mal können es Hakenkreuze, Totenköpfe und Schwarze Sonnen sein, woanders lieber Einhörner und Regenbögen, am liebsten: alles „bunt“ gemischt. Das Bild des ideologischen Zangenangriffs wird erst vollständig, wenn unter den schwarzen Sonnen die grünen Sonnenblumen stehen. Wer in Deutschland einen anschwellenden Strom der Faschisierung in den letzten Jahren unter dem Dreiklang Klima-Corona-Ukraine gewahrte, sieht seit Februar wie das auch wieder unter altbekannten Zeichen erscheint, als deren sozusagen jugendfreier Platzhalter hier die blau-gelbe Fahne fungiert. Dabei war in der Ukraine seit 2014 alles sichtbar. Aber ein popkulturelles Medien-System sorgt dafür, dass zwischen scheinbar gegensätzlichen Zeichen und Codes mühelos um-codiert und wieder zurück-codiert werden kann. Das geht ganz einfach – durch den Kunstgriff der Ästhetisierung der Politik. Der Nazi-Verbrecher Bandera ist z.B. in der Region Kalusch geboren, sein Vorname war Stepan (Stefan). Also nennt man eine faschistische Staatscombo „Kalusch“, lässt sie ihr Lied „Stefania“ betiteln und sie im Bühnenlicht des European Song Contest, schummrig, aber eindeutig, die Arme zum Hitlergruß für die Nazi-Kämpfer an der NATO-Front erheben. Es ist genau dieser mehrdeutig-eindeutige Nebel der Beleuchtungstechnik, es ist nicht der Hitlergruß für sich genommen, der der heutigen Erscheinungsweise von Faschisierung unter der Regie von NATO und EU ihr präzises Gesicht verleiht. Wir werden diese kulturellen Umcodierungen und das stets kombinierte, sowohl „libertäre“ als auch „traditionell-faschistische“ Auftreten im Auge haben müssen, um nicht dem Eindruck auf den Leim zu gehen, dass die Triebkräfte des Faschismus nur dort auszumachen seien, wo die einschlägigen Tätowierungen wieder auftauchen. Wer als deutscher Antifaschist nur die Hakenkreuze und schwarzen Sonnen dokumentiert, überträgt die Fehler des hiesigen sogenannten „Kampf gegen Rechts“ sogar noch auf die Ukraine, da er damit im Ukro-Faschismus nicht der Erscheinungsweise und dem Wesen des NATO-Faschismus gerecht wird, der die Macht über diesen Faschismus hält und auf andere Länder übertragbar ist, wenn er dort nicht rechtzeitig erkannt wird. Denn der Faschismus ist kein Zeichensystem, er ist ein Herrschaftsverhältnis.
Kurz nach Beginn der militärischen Sonderoperation schrieb ein Journalist: „Die De-Nazifizierung der Ukraine bringt die Re-Nazifizierung Deutschlands“. Da ist Wahres dran. Nur ist auch hier die Wahrnehmung vom Kopf auf die Füße zu stellen: das zentrale Ereignis, der Brennpunkt ihrer Bestrebungen und Triumphe, war für die Re-Nazifizierung Deutschlands die Konterrevolution 1989-90 und die Liquidierung der DDR mitsamt ihrem theoretischen und praktischen Antifaschismus. Wer hierzulande erst die Ukraine bräuchte, um die Renazifizierung Deutschlands zu bemerken, hat sein eigenes nationales Drama nicht verstanden. Aber schlimmer: Gerade „von links“ scheinen viele es selbst anhand der Ukraine und des verordneten blau-gelben Rausches immer noch nicht zu verstehen.
Ich möchte ermuntern, aufzuhören, wenn von Faschismus die Rede ist, immer nur auf die Erscheinungen, die Ideologie und die Methoden des Hitlerfaschismus zu starren und darauf zu warten, hinter welcher Straßenecke er genau im selben Kostüm wieder hervorkommen könnte. Das genau kennzeichnet die bürgerliche Faschismustheorie der BRD. Man behauptet, der Faschismus sei eine Ideologie und findet dann Überreste angeblich zeitlos fixierter „Ideologie-Versatzstücke“, die man für faschistische Invarianten erklärt. Auf diese Weise verlegt man den Faschismus in das Bewußtsein beliebig zusammengewürfelter gesellschaftlicher Gruppen oder Individuen. Weil sie unbestimmt und unwissenschaftlich ist und deshalb Popanze errichtet, kann diese Methode im Zuge der Faschisierung selber dazu eingesetzt werden, als Resonanzverstärker für den inneren Feindbildaufbau zu wirken, ob das nun gerade „Coronaleugner“, „Klimaleugner“, „Impfverweigerer“, „Verschwörungsideologen“, angebliche „autoritäre Charaktere“, Befürworter nationaler Souveränität, Russen oder Russenfreunde oder Gegner des NATO-Krieges sind. Um die Sache jederzeit auch gegen Kommunisten, ihre Organisationen und Staaten wenden zu können, hat man als Zwischenboden nach 1945 die sogenannte Totalitarismustheorie eingezogen.
Der bürgerliche „Antifaschismus“ ist subjektiv-idealistisch. Er glaubt, das Sein des Faschismus entspringe aus dem Bewußtsein irgendwelcher Gruppen oder Individuen, deren Denkhaltungen zuvor als die faschistischen definiert werden. Das sind aber weitgehend diejenigen, die seine Opfer sind.
Seit sich die Russische Föderation, dem Hilferuf der Volksrepubliken folgend, zu einer antifaschistischen Operation historischen Maßstabs gegen die neuen Herrenmenschen entschied, fallen im Westen die Masken, die Erscheinungen passen sich dem Wesen an. Über dieses Wesen müssen wir also reden. So sehr der Hitler-Faschismus sich hervortat: Wir müssen Faschismus zunächst als Gattungsbegriff verstehen, um festzustellen, was den Spielarten gemeinsam ist. Auch der deutsche Faschismus des XX. Jahrhunderts ist nur eine Spezies neben anderen. Zweitens: Er war nur eine Etappe einer bemerkenswert konstanten Programmatik der imperialistischen Großbourgeoisie. Und: Wir würden am Ende nichts Brauchbares über Faschisierung und Faschismus in Deutschland und in der Ukraine sagen können, wenn wir dann nicht das gesamte Bild enthüllen, mit der entscheidenden Rolle der USA und der NATO und ihrem Sub-Unternehmen EU.
II. Dimitroff
Ich setze nun da ein, wo die Faschismusanalyse der konsequentesten Antifaschisten klassische Reife erlangte und eine wirksame antifaschistische Strategie formulierte: mit dem VII. Weltkongreß der Kommunistischen Internationale, der im Jahr 1935 in Moskau stattfand.
Der Vortrag von Georgi Dimitroff dort trug den Titel: „Die Offensive des Faschismus und die Aufgaben der Kommunistischen Internationale im Kampf für die Einheit der Arbeiterklasse gegen den Faschismus“.
Zuerst weist Dimitroff daraufhin, dass die KI schon zu Beginn der kapitalistischen Wirtschaftskrise feststellte, „daß faschistische Tendenzen und Keime einer faschistischen Bewegung fast überall zu finden sind.“ (1)
Dann beantwortet er die Frage: „Wozu brauchen sie den Faschismus?“ anhand dreier Punkte.
Erstens: „Die imperialistischen Kreise suchen die ganze Last der Krise auf die Schultern der Werktätigen abzuwälzen. Dazu brauchen sie den Faschismus.“ (2)
Zweitens und drittens: „Sie wollen das Problem der Märkte durch Versklavung der schwachen Völker, durch Steigerung der kolonialen Unterdrückung und durch eine Neuaufteilung der Welt auf dem Wege des Krieges lösen. Dazu brauchen sie den Faschismus.“ (3)
Faschismus bedeutet Krieg.
Diese drei Seiten sollten wir gegenwärtig haben, wenn wir uns heute umschauen, wer die Kräfte sind, die am meisten am Faschismus interessiert, seine Urheber sind. Sie werden folgendes zielstrebig betreiben: Erstens die eigene ungeheure Bereicherung durch radikale Abwälzung der Lasten der verheerenden Wirtschaftskrise auf breiteste Schichten der Werktätigen, d.h.: die gesamte Arbeiterklasse, sowie Bauern, Gewerbetreibende, Mittelschichten, auch kleinere Unternehmer, die durch die weitere Monopolbildung ausgekämmt werden. Zweitens: Ihre außenpolitischen Ziele sind forcierte Unterdrückung, wirtschaftliche und politische Schädigung sowie Ausplünderung schwächerer Länder aller Kontinente – also Kolonialismus im umfassenden Sinne. Und drittens: Der Faschismus ist, im Zuge der imperialistischen Aufteilung der Welt, und zugleich des Niederhaltens der internationalen Gegenkräfte, untrennbar mit der Kriegspolitik und den militärischen Expansionszielen der herrschenden Klasse verbunden, denen die gesamte Volkswirtschaft untergeordnet wird.
Wir müssen also heute nicht lange suchen, um festzustellen, dass diese Kreise bereits in einer Art Syndikat von Parteien, Medien und sogenannten zivilgesellschaftlichen Bewegungen in Deutschland regieren, an den supranationalen Instrumenten und Bündnissen von EU und NATO, G7 und anderen teilhaben und zumal mit den GRÜNEN den direktesten, unterwürfigsten Arm der USA in die deutsche Regierung schoben, der sich durch keinerlei Interessensunterschied zu den transatlantischen kommandierenden Kreisen mehr auszeichnet, keine nationalen Rücksichten in irgendeiner lebenswichtigen Frage achtet, seit langem mit keinem Widerspruch durch eine reale Parteibasis zu rechnen hätte, aber stattdesssen über gut gesteuerte „außerparlamentarische“ Bodentruppen und Influencer verfügt, die zu wichtigen Anlässen in Form von sozialreaktionären Pseudoprotesten auf der Straße, wie etwa sogenannten Klimastreiks zur Ausplünderung der Werktätigen durch sogenannte CO2-Abgaben, in Bewegung gesetzt werden und dafür noch pseudo-antikapitalistischen Applaus ernten. Allerdings erfüllen die Grünen diese Aufgabe im Parteienkonzert bis heute nur als Speerspitze für Faschisierung und Kriegspolitik. Das bedeutet noch nicht, dass die Bourgeoisie die einigende Kraft hätte, sie zu einer Zentralgewalt der Faschisierung auszubauen, zumal die Aussichten auf Erweiterung ihrer an die oberen Mittelschichten gebundenen Massenbasis offenkundig begrenzt sind. Ich gebe damit nicht Entwarnung. Denn eine zentrale Frage wird sein, ob bei der möglichen Vorbereitung des Faschismus unter heutigen Bedingungen der nationalen Massenbasis überhaupt noch die entscheidende Rolle zukommt.
Nun gibt es einen vierten Punkt bei Dimitroff, der für die antifaschistische Volksfrontstrategie bedeutsam ist: Die Bourgeoisie greift zum Faschismus aus dem Unvermögen, weiter mit den Methoden des Parlamentarismus und der bürgerlichen Demokratie zu herrschen und die Arbeiterklasse niederzuhalten. Sie ist genötigt, zur Kriegspolitik zu greifen, da sie auf dem Boden einer friedlichen Außenpolitik keinen Ausweg aus ihrer Lage mehr findet.
Der Faschismus ist also nicht nur ein Ausdruck von Stärke der Bourgeoisie – was Dimitroff sagen ließ: „Er ist eine grausame, aber keine feste Macht“ – , aber er ist die äußerste Konsequenz des dem Imperialismus innewohnenden Drangs nach Gewalt, und das meint auch die Ausschaltung der bürgerlichen Demokratie. Deshalb ist für eine antifaschistische Aktionseinheit die damalige Orientierung von Wilhelm Pieck grundlegend: „Solange wir nicht die bürgerliche Demokratie durch die proletarische Demokratie, durch die Diktatur des Proletariats ersetzen können, ist das Proletariat an jedem Fetzen bürgerlicher Demokratie interessiert (…)“. (4)
Im selben Geiste Piecks, und dem der KPD, sagte 1949 Max Reimann vor dem Parlamentarischen Rat, im historischen Moment der Beschließung des von den Westmächten aufgedrungenen und nicht vom Volke verabschiedeten Grundgesetzes: „Die Gesetzgeber aber werden im Verlauf ihrer volksfeindlichen Politik ihr eigenes Gesetz brechen. Wir Kommunisten aber werden die im Grundgesetz verankerten wenigen demokratischen Rechte gegen die Verfasser des Grundgesetzes verteidigen.“ (5)
Das sagte Reimann in Begründung der Ablehnung dieses Grundgesetzes des westdeutschen Separatstaates für die KPD. Er sagte: Wir werden die wenigen demokratischen Rechte verteidigen. Er sagte nicht, wie oft behauptet wird: Wir werden dieses Grundgesetz verteidigen. Das wäre auch heute keine richtige Losung für die antifaschistische Aktionseinheit, sondern würde sie opportunistisch behindern. Was aber hingegen die Verteidigung von „jedem Fetzen bürgerlicher Demokratie“ und der im GG „verankerten wenigen demokratischen Rechte“ betrifft: so liegt hier ein Kern antifaschistischer Strategie vor. Marxisten in Deutschland werden sich z.B. fragen lassen müssen, wie sie es mit der Verteidigung dieser wenigen demokratischen Rechte etwa angesichts einer vorbereitenden reaktionären Maßnahme wie dem „3. Infektionsschutzgesetz“ gehalten haben, bis hin zur Terrorisierung der Werktätigen durch die sogenannte Impfpflicht und -nötigung.
Nun könnte man einwenden: Was du beschreibst – machen das nicht die Kapitalisten sowieso? Brauchen wir da den Spezialbegriff „Faschismus“?
Antwort: Ja, wir brauchen ihn. Die Tendenz des Imperialismus zur reaktionären Umgestaltung bis Vernichtung aller demokratischen Institutionen ist ein Prozeß, der im Faschismus in eine neue Regierungsform umschlägt; es ist kein bloßer Regierungswechsel, sondern ein Wechsel der Staatsform der Klassenherrschaft der Bourgeoisie. Das ist der Faschismus an der Macht.
Uns fehlt also noch eine Definition, die die spezifische Differenz des Faschismus enthält. Es ist die damals ebenfalls von Dimitroff vorgetragene:
„Der Faschismus an der Macht, Genossen, ist … die offene terroristische Diktatur der reaktionärsten, am meisten chauvinistischen, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals.“ (6)
Dem ist aber gleich Dimitroffs Ausführung an die Seite zu stellen, „daß vor der Errichtung der faschistischen Diktatur die bürgerlichen Regierungen in der Regel verschiedene Etappen durchlaufen und eine Reihe reaktionärer Maßnahmen durchführen, die den Machtantritt des Faschismus vorbereiten und unmittelbar fördern. Wer in diesen Vorbereitungsetappen nicht gegen die reaktionären Maßnahmen der Bourgeoisie und gegen den anwachsenden Faschismus kämpft, der ist nicht imstande, den Sieg des Faschismus zu verhindern, der fördert ihn vielmehr.“ (7)
Es sind also drei Dinge zusammenzudenken und gleichzeitig sauber zu unterscheiden. Das sind: Die Tendenz der Faschisierung, die unmittelbaren Vorbereitungsetappen vor der Errichtung der faschistischen Diktatur und der Faschismus an der Macht.
Vergessen wir also nie: Auch der Faschismus ist nur in Übergangsformen, Zwischenschritten möglich, bei denen kein Kettenglied ausgelassen werden kann. Unsere Aufgabe ist es, dem Faschismus bereits die Kettenglieder aus der Hand zu schlagen.
Dimitroffs Faschismusdefinition bedarf heute einiger Worterklärungen.
Erstens spricht er von der offenen Diktatur; also im Gegensatz zur verdeckten Diktatur, mit der dieselbe Bourgeoisie in der vorfaschistischen, parlamentarisch-demokratischen, Phase ihre Macht bereits ausübt.
Zweitens spricht er nicht von der Diktatur der Bourgeoisie oder der Kapitalisten schlechthin, sondern von der der Finanzbourgeoisie. Dieser Begriff geht auf Lenins Imperialismustheorie zurück. Er besagt in Kürze, dass der Kapitalismus der freien Konkurrenz zum Imperialismus übergegangen ist. Dessen Grundlage ist das aus Konzentration und Zentralisation von Produktionsmitteln und Kapital hervorgegangene Monopol. Dieser Vorgang führt, sobald das Monopol der Kern der Ökonomik wurde, zu Veränderungen im Klassengefüge. Aufseiten der Kapitalisten durch Herausbildung der Finanzbourgeoisie. Sie entsteht aus der Verschmelzung des Bankkapitals mit dem Industriekapital – zum Finanzkapital. Das ist keine harmonische Vereinigung, denn die ökonomische Grundlage ihres widerstreitenden Verhältnisses ist die Aufspaltung des der Arbeiterklasse abgepressten Mehrwerts in Unternehmergewinn und den Zins für die Banken.
Das Monopol bringt auch nicht die Konkurrenz unter den Kapitalien zum Absterben. Es steigert sie, nach innen und nach außen unter den international agierenden und expandierenden Monopol-Gruppen.
Das nur als Beispiele, damit nicht der falsche Eindruck entsteht, das Monopol würde eine Art innere Harmonisierung erzeugen und die nationalen und internationalen Gegensätze und Klassenauseinandersetzungen nach und nach dämpfen. Im Gegenteil, es schärft sie aufs äußerste.
Dies ist nötig in Erinnerung zu rufen. Das Gesetz der ungleichzeitigen Entwicklung kapitalistischer Länder, die Neuaufteilung der Welt unter den Haupt-Imperialisten und die alles durchdringende Konkurrenz bewirken, dass Konzentration und Zentralisierung nicht zu einem gleichförmig in eins verschmolzenen ökonomischen Super-Welt-Monopol führen können. Damit wird es aber auch nicht zu einem politischen Super-Überbau in Form einer zentralen kapitalistischen „Weltregierung“ oder gar eines „Weltfaschismus“ kommen können. Ich füge das hier ein, weil spätestens seit Corona zuweilen das Gegenteil behauptet wird. Besonders absurd werden solche „Theorien“, wenn dann noch behauptet wird, diese „Weltregierung“ würde von den üblichen Verdächtigen des US-Finanzkapitals gemeinsam mit der Führung der Volksrepublik China ausgeübt, sozusagen von Dr. Fu Mandschu und Dr. Mabuse in finsterer Personal-Einheit, mit einem irgendwo um die Weltgesundheitsorganisation lokalisierten Willens- und Entscheidungszentrum, in dem sich „die Eliten“ den ganzen Rest der Menschheit unterwerfen. Seit dem Sanktionen-Krieg gegen Russland und China und deren demokratischer Gegenreaktion zusammen mit anderen Ländern sind solche Weltregierungs-Fantasien offenkundig schlechte Science Fiction.
Schießen wir also nicht übers Ziel hinaus, indem wir einen fiktiven weltfaschistischen Überstaat an die Wand malen. Lassen wir uns aber auch nicht dahingehend desorientieren, die antifaschistische Strategie könne hier und heute auf die Verballhornung der Losung gegründet werden „Der Hauptfeind steht im eigenen Land“. Bleiben wir bei dem, was die internationalen Kräfteverhältnisse nahelegen, wenn wir die Faschisierung an der Wurzel bekämpfen wollen. Es wird heute, so meine These, in Europa keine Errichtung irgendeines Faschismus geben ohne kontrollierende Vorbereitung und operative Intervention durch die NATO und jene, die sie kommandieren – und schon gar nicht gegen deren zustimmende Entscheidung. Sie haben sich ja gerade sogar Nordstream durch „Biden“ und seine Handpuppen verbieten lassen! Denn ein solcher Faschismus hätte heute, wie in der Ukraine, als Stoßtrupp zur Rettung des vereinigten Imperialismus unter der schwankenden Hegemonie der USA zu dienen – erst recht in einem Land, das von strategischen US- und NATO-Basen samt Atombomben nur so strotzt wie Deutschland. Auch die zu begrüßenden Desintegrationstendenzen der EU werden das für sich genommen nicht ändern, sondern, solange nicht eine wirkliche Befreiung von der EU stattfindet, eher forcieren, da die Hauptklammer, die sie noch zusammenhält, der politische, wirtschaftliche und militärische NATO-Krieg gegen Russland und China ist. Und seitdem die USA durch das Sanktionen-Kamikaze die EU noch tiefer und auswegloser sich untergeordnet haben, gilt das mehr noch als zuvor. Nur – ich bitte nicht mißverstanden zu werden: Diese NATO-Dominanz macht hier den Faschismus nicht unwahrscheinlicher, sondern sie macht ihn eben wahrscheinlicher. Darum meine ich, daß „Der Hauptfeind steht im eigenen Land“ eine opportunistische Behinderung der antifaschistischen Strategie wäre.
Zurück zu unserer Faschismus-Definition. Dort hörten wir, dass es sich nicht einmal um die Finanzbourgeoisie als solche, sondern um ihre reaktionärsten Kreise handele. Das sind die Teile der Finanzoligarchie, die aufgrund ihrer internationalen und nationalen Lage am meisten auf Krieg, auf die totale Unterordnung nicht nur einzelner Industrie- oder Agrarzweige, Rohstoffe, Länder, die vollständige und blutige Niederhaltung der Arbeiterklasse und tendenziell zu versklavender ganzer Bevölkerungen angewiesen sind. Sie sind auf die Errichtung des politischen über dem ökonomischen Monopol zur Erzielung von Extraprofiten gnadenlos angewiesen. Dazu bedürfen sie, obwohl sie nur die ökonomische Gesetzmäßigkeit durchsetzen, die sie hervorbrachte, eines dauernden Einsatzes außerökonomischer Gewalt und natürlich auch der Absprachen untereinander, im Volksmund Verschwörungen genannt. Offenkundig handelt es sich bei dieser am meisten reaktionären Finanzoligarchie um eine zahlenmäßig recht überschaubare Truppe. Sie können deshalb den Faschismus weder an die Macht bringen noch daran halten, wenn sie nicht Klassenbündnisse bilden. Und es müssen auch solche Schichten verführt und bestochen werden, deren Klasseninteresse dem ihrigen objektiv entgegengesetzt ist.
III. Faschistische Ideologie
Damit kommen wir zur Frage der faschistischen Ideologie. Dass der Faschismus eine Herrschaftsform, aber keine Ideologie ist, klingt paradox. Es scheint doch sein hervorstechendes Merkmal zu sein, dass er auf pausenlose Beschallung mit Ideologie, Demagogie, psychologischer Kriegsführung, Psy-Op angewiesen ist, und zwar zunehmend vereinheitlicht – oder, wie die Nazis gesagt hätten: „gleichgeschaltet“. Was bewirkt das?
Warum die Beispiele immer in der Vergangenheit suchen. Man fragt sich heutigentags, z.B.: Braucht das die Faschisierung wirklich, dass heute selbst Kindergartenkinder mit gelb-blauen Fahnen im Carrée marschieren müssen – „gegen Putin, Putin ist doof!“? Ja, die Faschisierung braucht das, denn sie wäre nicht Faschisierung, wenn sie eine unberührte Grenze gelten ließe, an der sie negiert werden kann. Zunächst mal ist die Infantilisierung des Politischen, die sich bereits mit „Fridays for Future“ weit bis ans Grundschulalter herangearbeitet hatte, grundsätzlich von Vorteil für die ideologische Faschisierung. Zugleich wird z.B. mit gelb-blauen Kita-Kinder-Prozessionen dem Betrachter vorgetäuscht, es gebe das, was es in Deutschland derzeit in Wirklichkeit trotz allem NICHT gibt: nämlich eine vereinigte antirussische „Volksgemeinschaft“. Der Haupteffekt der Propaganda wäre dann der, glauben zu machen, ihre Inhalte würden zusammenfallen mit dem, was in den Köpfen der Bevölkerungsmehrheit geschieht, als wäre deren Bewußtsein ein direktes Abbild der Propaganda. Das verleiht der Propaganda eine vermeintliche Klassenautorität, die sie in Wirklichkeit nicht hat. Wer an die Identität von Propaganda und tatsächlichem Massenbewusstsein glaubt, sitzt bereits der Faschisierung auf. Eine antifaschistische Strategie muß sich dem entgegenstellen. Darum ist z.B. auch die Annahme, man selber erweise sich als aufgewacht und der Rest der Bevölkerung als Schlafschafe, tödlich für die Bildung der antifaschistischen Einheitsfront, auch wenn diejenigen, die das so sehen, die Faschisierung selber im Ansatz durchaus richtig registrieren mögen.
Ich möchte hierzu eine Beobachtung des Künstlers Pier Paolo Pasolini anführen. Er schrieb im Jahr 1975:
„… Etwas, was selbst der faschistische Faschismus nicht erreicht hatte, denn damals war das äußere Verhalten völlig vom Bewußtsein getrennt. Vergeblich versuchte der ‚totalitäre‘ Herrschaftsapparat immer und immer wieder, seine Verhaltensmaximen bei den Leuten durchzusetzen – ihr Bewußtsein blieb von all dem unberührt. Die faschistischen ‚Modelle‘ waren nichts als Masken, die man aufsetzte und wieder abnahm. Als der faschistische Faschismus dann zusammengebrochen war, wurde alles wieder wie zuvor. Das hat sich auch in Portugal gezeigt: nach vierzig Jahren Faschismus hat das portugiesische Volk den 1. Mai gefeiert, als sei es das letzte Mal ein Jahr zuvor gewesen.“ (8)
Auch wenn wir die Bemerkung Pasolinis über die Unberührtheit des Bewußtseins nicht in Absolutheit teilen müssen: Hier ist ein Punkt benannt, den die antifaschistische Strategie erfordert zur Kenntnis zu nehmen und auszunutzen gegen jede Form der Spaltung: Das Bewusstsein und Verhalten der Unterdrückten und Gegängelten erweist sich als nicht identisch mit dem, was sie durch die Propaganda und deren Sprache über sich ergehen lassen müssen, selbst, wenn das jahrelang so geht; und sie dürfen auf keinen Fall anders angesprochen werden. Anders gesagt: Die Propaganda täuscht vor, als ob diejenigen, die sie andauernd zum bloßen Objekt macht, ihre Subjekte wären. Der Pseudo-Antifaschismus springt genau darauf an und wird damit zur Verlängerung der Propaganda. Aber, mit Pasolini: Sobald bei einer Gelegenheit die Masken fallen – und das ist im Lauterbach-Land sowohl wörtlich als auch bildlich aufzufassen -, kommt das zum Vorschein, was über Generationen hinweg eine Klasse verbindet und sozusagen ihre Infrastruktur und Lebensweise ausmacht. Antifaschistische Strategie muss ständig suchen, wo Breschen für diese „Infrastruktur“ zu schlagen sind. Antifaschismus ist eine soziale Praxis und nicht nur ein Bekenntnis.
Formierte Straßen-Performances wie die reaktionären Kinderumzüge sind dagegen eine Machtdemonstration, denn mancher Bürger ahnt, dass da, wo so etwas einmal unbeanstandet durchgeht, und ja beispielsweise eine Vielzahl von Familienangehörigen, Erziehern, Lehrern, Zuschauern, Zeugen zustimmend einbezogen sein muß, – dass da statt bloßen Schmierentheaters im gegebenen Moment auch Zwang und Terror greifen könnte. Die faschistischen Ideologien – auch nun der extreme, jede Realität verlassen habende Chauvinismus des „WIR werden Russland ruinieren“ – sind so brüchig und uneinheitlich, dass sie auf Wechselwirkung mit terroristischen Methoden durch den autoritären Maßnahmenstaat angewiesen sind. Es ist nicht so, dass der Massenbetrug nur in die Demokratie und der Terror nur in den Faschismus gehört. Terror greift schon in der Vorbereitungsetappe und nach dem Machtantritt des offenen Terrors muss der Massenbetrug gesteigert werden – siehe Reichstagsbrand. Denn selbstverständlich kann die Ideologie gestrickt sein wie sie will: Es bleibt ein Imperium der Lügen.
Der Grund ist einfach und folgt aus dem Klassencharakter des Faschismus: Der Inhalt der faschistischen Ideologie ist Massenbetrug, und dazu nimmt sie alles, was sich anbietet, inklusive halbwahrer Kerne und Pseudo-Antikapitalismus, um diejenigen, deren Interessen der Faschismus widerspricht, einzubinden.
Das ist in der Sprache marxistisch-leninistischer Dialektik: der unaufhebbare Widerspruch von Klasseninhalt und Massenbasis des Faschismus.
Es wurde vielfach beschrieben: Die Ideologien des Faschismus sind ein zusammengewürfeltes Gemisch chauvinistischer, sozialdarwinistischer, herren-rassistischer, irrationaler, mystizistischer und sozialdemagogischer „Theorien“.
Dazu zählt übrigens auch der Neo-Malthusianismus seit dem XX. Jahrhundert, also die unwissenschaftliche „Bevölkerungslehre“, wonach das Bevölkerungswachstum nach ewigen Naturgesetzen vor sich gehe, und die Menschheit unweigerlich schneller wachse als die Produktion von Nahrungs- und Produktionsmitteln, was erwiesenermaßen Unsinn ist und heute, schon verzweifelt penetrant, als Rechtfertigung für die Produktivkraftzerstörung durch die Finanzbourgeoisie vorgeschoben wird. Das führt auch die Eugenik im Schlepptau. Vieles davon ist uns seit Beginn der 1970er Jahre vom Club of Rome mit seiner ‚Studie‘ „Die Grenzen des Wachstums“ wieder aufgetischt worden und erfährt seine Fortführung in „Green New Deal“ oder „Great Reset“. Die Gründung der Grünen wäre ohne das nicht denkbar gewesen.
Häufig bedient sich faschistische Ideologie auch bei Elementen der Sozialdemokratie, vor allem ihren diversen Konzepten der Klassenzusammenarbeit. In dem Zusammenhang sollten wir auch die korporativen oder ständischen Ideologien beachten, die der Zersplitterung der Gesamtarbeiterklasse dienen und damit deren Entwaffnung im Sinne der Faschisierung befördern. Das läuft seit längerem gerne verschleiert durch die Einstiegsdroge harmlos klingender Propagandaworte wie „bunt“, oder „Vielfalt“, oder „divers“. Eindeutig liegt diese Spaltungsmethode vor, wenn unter einer Generaloffensive gegen die Arbeiterklassse als ganze dann nur Pflegepersonal und Kassierer in Supermärkten ihre symbolischen Sonderapplause erhalten. Man wird übrigens niemals erleben, dass bei solchen Applaus-Veranstaltungen die sorgfältig aus dem Blick genommene Produktionssphäre erscheint.
Weiterhin möchte ich als immer wieder eingesetztes Spaltungs-Element faschistischer Ideologie eines erwähnen, das, wie der Pseudo-Antikapitalismus, gerne als ihr absolutes Gegenteil auftritt. Dieses Element erhielt starke Aufwertung, seit die sogenannte neoliberale Ideologie anfangs der 1970er Jahre das Zepter in der imperialistischen Welt übernahm. Damit ist die absolute Zersplitterung aller Gesellschaft und sozialen Infrastruktur in vermeintliche Individuen und vermeintliche Identitäten gemeint, und die Züchtung solcher Vereinzelung als Kultur-, Sozial- und Lebensgefühl ganzer Generationen. Eine bessere Knetmasse kann sich der Faschismus nicht wünschen. Sowohl der Begriff als auch die Wahrnehmung von Klassenzusammenhang, Klasseninteresse, Klassenbewußtsein, aber auch geschichtlichem Zusammenhang sollen damit unterbunden werden und vor allem natürlich jede entsprechende gesellschaftliche Praxis. Als Kernsatz dieser Ideologie, gerne bis zur Hymne gesteigert, kann gelten die leere Tautologie: „I am what I am.“ Die zusammenfassende Formel dieser so Faschismus-tauglichen Ideologie lieferte Margaret Thatcher gleich zu Beginn der neoliberalen Krisen-Offensive: „There is no such thing as society.“ („Sowas wie Gesellschaft gibt es nicht.“).
Aber der Anspruch dieser Äußerung auf Originalität darf in Frage gestellt werden. Ich erinnere an die folgende Deklaration von Benito Mussolini aus dem Jahre 1919, wo er ein wenig den Ton der futuristischen Manifeste aufgreifend verkündete:
„Genug ihr roten und schwarzen Theologen aller Kirchen, mit euren abstrakten und falschen Vorstellungen eines Paradieses, das nie kommen wird!
Genug ihr Politiker aller Schulen, mit euren kläglichen ‚Akademien‘!
Genug, ihr lächerlichen Erretter der Menschheit, die auf eure ‚Entdeckungen‘ pfeift, die ihr unfehlbar das Glück bringen werden!
Laßt den Weg frei für die Elementarkräfte des Individuums; denn es gibt keine andere menschliche Realität als das Individuum!“ (9)
Natürlich kann eine so irrationale, elitäre Beschwörung des Individuums wie die durch Mussolini, sobald man eine Gemeinwohldemagogie nach dem Nazi-Spruch „Gemeinnutz geht vor Eigennutz“ einführt, jederzeit umgemünzt werden in den Versuch, eine „über allen Parteien stehende“, „unteilbare“„Volksgemeinschaft“ aus der Retorte zu erzeugen. Diese verschleiert die Klassenwirklichkeit ja genauso wie der Kult des abstrakten Individuums, es sind zwei Seiten derselben Medaille. Und plötzlich hüpfen dann, vom Lernen befreit, lauter „elementare Individuen“, zum Wohlgefallen der Kusinen Reemtsma, im absoluten Gleichtakt zur Losung des Irrationalismus: „We don’t have time! Follow the science!“. Wobei allerdings das Hüpfen von den antirussischen Rassisten des Kiewer Maidan übernommen wurde.
Soweit Mussolini. Wer heute sich ein wenig durch Traktate der Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen des Kriegsimperialismus liest, die die Faschisierung mit dem Firnis „zivilgesellschaftlicher“ Ertüchtigung versehen, heißen sie nun Heinrich Böll Stiftung, Antonio Amadeu Stiftung oder Zentrum Liberale Moderne, der wird dem Inhalt des Mussolini-Zitats auf Schritt und Tritt begegnen. Nur wird er auch auf das stoßen, was ich eingangs „Umcodierung“ nannte. Denn dort wird jede Beziehung des mythischen Individuums auf einen Gruppen- oder Kollektivbegriff – und letztlich sind damit immer objektive Realitäten wie Klasse, Volk, Nation gemeint – als „rechtsaffin, völkisch, autoritär“ usw. qualifiziert und zur Denunziation freigegeben. Ein ur-faschistoider Irrationalismus, den wir soeben aus dem Munde Mussolinis vernahmen, wird hier als höchstes Kriterium für Antifaschismus in Anspruch genommen.
Das erzeugte längst ein gesellschaftliches Klima, für das „Inquisition“ oder „McCarthyismus“ nur noch Behelfsausdrücke sind. Es ist das, was Pier Paolo Pasolini schon 1974 weitblickend nannte: „Der Faschismus der Antifaschisten“.
Das heißt aber, und es ist, seitdem Fischer, Albright und Konsorten Jugoslawien angeblich „wegen Auschwitz“ bombardieren ließen, heute tausendfach zu belegen und muß als Tatsache für jede antifaschistische Strategie und Bündnispolitik akzeptiert werden: Die immer offenere Durchsetzung der Ziele von Faschisierung und Faschismus und Kriegspolitik erscheint seit Jahren unter der Maske des Antifaschismus. Und es wäre durchgängig noch so, wenn nicht der entschlossene Widerstand des Volkes des Donbass und der Russischen Föderation den Imperialismus, als „kollektiven Westen“, gezwungen hätte, die Maske fallen zu lassen und seine wahre Fratze wieder zu zeigen, da er anders seine einbrechende Hegemonie nicht mehr verteidigen kann. Jeder aufrichtige Demokrat, Friedensbewegte, Sozialist, Kommunist, der sich heute fragt: Wie konnte es soweit kommen?, kann dem schmerzlichen Eingeständnis nicht aus dem Weg gehen, dass vielleicht auch er seit über dreißig Jahren weitgehend eine völlig verfehlte antiproletarische Bündnispolitik stützte. Antifaschistische Strategie bedeutet auch: Die fällige Korrektur endlich konsequent zu durchzuführen.
Im übrigen ist die faschistische Ideologie vor allem eins: ein Chamäleon.
Ihr wirklich fester und konstanter Kern ist, außer dem durchgängigen Antihumanismus, ein ins Extreme gesteigerter Antikommunismus, der nach Bedarf auch als „Totalitarismustheorie“ erscheint, wo immer nicht genau gezeigt werden darf, auf welcher Seite man wirklich mit allen Konsequenzen steht.
IV. Der Aufstieg des Faschismus folgt keiner Zwangsläufigkeit
Es geht also dem Monopolkapital mit seiner Demagogie darum, eine Massenbasis zu organisieren. Das ist wohl auch ein Grund, warum sich bei der Faschismusfrage alle Augen der Weimarer Republik zuwenden, denn hier war diese Problematik, aus Gründen des Klassenkräfteverhältnisses, besonders akut. Nach dem Kapp-Lüttwitz-Putsch, der 1920 von der Arbeiterklasse abgeschmettert wurde, konnte die Finanzbourgeoisie ihre Diktatur nur auf „legalem“, „verfassungsmäßigem“ Wege an die Macht bringen. Dazu brauchte sie eine, sei es auch labile, Massenbasis, und entsprechend raffiniert aufgefädelte Massenorganisationen. Die Absicht war, diese tief in die Arbeiterschaft zu senken. Darum die Experimente mit einer „nationalen Arbeiterpartei“. Das mißlang im Prinzip. Es verfing hauptsächlich, blieb sozusagen hängen, bei breiteren Teilen des Kleinbürgertums und wenigen der rückständigsten Schichten des Proletariats. Hätten sie die wahre Natur des Faschismus begriffen, wären sie ihm nicht gefolgt. Deshalb ist der Faschismus an jedem Punkt seiner Entwicklung durchaus zu verhindern, gerade sein Bedarf nach einer Massenbasis macht ihn verwundbar. Am Klasseninhalt des Faschismus ändert die Massenbasis nichts. Er ist nicht die Macht des Kleinbürgertums oder Lumpenproletariats über das Finanzkapital, sondern die Macht des Finanzkapitals selbst.
Der Weg zur Machtübertragung mittels Massenorganisation verläuft auch nicht so, als hätte die Bourgeoisie von Anfang an ihr Rennpferd fertig gesattelt im Stall, das auf gerader Strecke losläuft, alle Hindernisse überspringt, bis der Pokal geholt ist. An jeder entscheidenden Wendung steht einerseits die Abwehrfähigkeit der Arbeiterklasse und demokratischen Schichten, andererseits irgendein neuer Kuhhandel unter den reaktionärsten Akteuren. Es gab und gibt auf dem reaktionären Laufsteg ein Getümmel an Aspiranten und gravierende Uneinigkeiten unter den Gruppen der Bourgeoisie selber. Auf weniger verschlungenen Wegen ist auch der blutige, anfangs ach so liberal-libertäre Clown Zelensky nicht zum Präsidenten seines faschistischen Un-Staates geworden. Und aus denselben Gründen wurden schon auf dem „Euro-Maidan“ die Verhältnisse für die USA und ihre Marionette Jazenjuk ein für alle mal gegen die BRD und EU mit ihrer Marionette Klitschko entschieden – „Fuck the EU“. Das Ergebnis ist bekannt: „Frieren gegen Putin“.
Für eine antifaschistische Strategie ist es äußerst wichtig zu erkennen, wo die Kräfte herangereift sind, die die reaktionärsten Kreise für Faschismus und Krieg ausbauen und einsetzen könnten. Diese Gedanken machte sich 1992 auch der kommunistische Dichter Peter Hacks. Die Frage stand nach der Konterrevolution: „Was könnte die Organisation sein, die die Faschisierung in die nächste Etappe oder zum Ziel trägt?“. Hacks‘ Antwort fiel so aus:
„Alle kapitalistischen Parteien sind ein Federbett und ein Hintergrund und ein Nährboden, aber sie sind nicht geeignet, die Organisation hervorzubringen. Sondern dafür braucht man zunächst eine Splittergruppe, die sich entschließt, dieses Geschäft zu übernehmen. Ich nehme an, in Deutschland werden es die GRÜNEN und dieses sogenannte Bündnis 90 sein. Also, es werden nicht die Nazis von Herrn Frey und es werden nicht die Nazis von Herrn Schönhuber sein, sondern es werden die sein. (…) was ich versuche zu sagen, gucken Sie, auch Herr Hitler war natürlich ein Wurmfortsatz der Deutschnationalen und der Harzburger Front. Aber seine Partei wurde die Nazipartei, und die ganzen Leute blieben im Hintergrund und abserviert und wurden im Horst-Wessel-Lied noch als Reaktion angepöbelt. Also die sind der Schoß, aber der Schoß ist nicht die Sache. Und die Sache muß irgendwo aus einer Keimzelle keimen. (…) das ist ein Gesetz: Wer einmal geschlagen ist, kann nicht unter dem selben Namen wiederkommen. Der braucht eine neue Maske. (…) Deswegen glaub ich auch, das eben in Deutschland nicht die beiden Nazi-Parteien die Keimzelle werden, sondern jemand, auf den man nicht kommt. Und diese weinenden Kleinbürgerorganisationen, die gegen alles sind, was ist mit Recht, und überhaupt nicht wissen, wofür sie sind, die eignen sich. Es ist ein bißchen Prophezeiung drin. Wir werden es sehen.“ (10)
Hacks prohezeite 1992 ziemlich gut.
Eine letzte Bemerkung zur Zielstrebigkeit der Durchsetzung des Faschismus.
Beim italienischen Faschismus ging die „Experimentierphase“ weit über seine Gründung hinaus.
Der Faschismus selber schuf nun im Nachhinein den Mythos als sei sein aufhaltsamer Aufstieg zur Macht, in Italien etwa seit dem Marsch auf Rom 1920, „einem genau auskalkulierten, von vornherein festgelegten Plan hinsichtlich der diktatorischen Herrschaftsform (…) vorgegangen.“ Palmiro Togliatti bemerkte dazu: „… geht man von dieser Konzeption aus, akzeptiert man unweigerlich Prämissen der faschistischen Ideologie, d.h. in der einen oder anderen Weise befindet man sich schon unter dem direkten oder indirekten Einfluß des Faschismus. In der Tat sind es die Faschisten, die versuchen, glaubhaft zu machen, daß alle ihre Aktionen sich auf der Grundlage von ausgearbeiteten Plänen vollzogen haben.“ (11)
Das sollten wir verallgemeinern: Wir dürfen nicht auf den Mythos der reaktionärsten Kreise hereinfallen, dass das was sie tun und in den nächsten Jahren zu tun vorhaben, einem ausgereiften, vorbestimmten Plan entspringe, den sie die Allmacht hätten, auszuführen, als sei ihnen „planetarische“ Alleinherrschaft eigen. Der Grundwiderspruch dieser Bourgeoisie ist der von Produktionsverhältnissen und Produktivkräften. Um die kapitalistischen Produktionsverhältnisse zu retten, sind sie genötigt, die Entwicklung vergesellschafteter Produktivkräfte zu behindern, wo sie nur können. Ihre den Interessen der Monopole unterworfenen Staaten können nicht einmal mehr eine innenpolitische Krise wie „Corona“ planend meistern. Ihre Eigentumsverhältnisse stehen ihren großangekündigten „globalen“, technokratisch-futurologischen Weltherrschafts- und Transformations-Entwürfen im Wege, selbst wenn sie von hunderten Think-Tanks und „Global Conferences“ ausgearbeitet wurden. Wer ihnen diese steuernde Durchsetzungskraft noch abnimmt, verhält sich so, als hätte er seine mächtigen Verbündeten und die Gegenkräfte in der Welt und im eigenen Land, die solche Pläne durchkreuzen, noch gar nicht wahrgenommen. Weniges ist schädlicher für eine antifaschistische Strategie, als der Bourgeoisie ihre Behauptung von steuernder Planungs- und handlungsleitender Prognosefähigkeit abzukaufen, anstatt ihre enormen inneren Widersprüche zu begreifen. Das gilt auch angesichts des Geschwurbels, man verzeihe mir den Ausdruck, des Herrn Klaus Schwab.
Das einzige „globale“ zukunftsweisende Konzept der letzten Jahrzehnte, das immer deutlicher weltgeschichtliche Konturen und Wirkungsmacht annimmt, ist entgegengesetzten Klassenursprungs. Es ist die zuerst von Jewgeni Primakow in den 1990er Jahren konzipierte „multipolare Welt“. Die Kommunistische Partei der Russischen Föderation hat erkannt, dass hier ein Kettenglied für den internationalen und nationalen Klassenkampf liegt, und zugleich die vorderste Front des Antifaschismus. Mit dem Antrag auf Anerkennung der Lugansker und Donezker Volksrepubliken, dem die Regierung der Russischen Föderation stattgab, hat sie das Kettenglied im gebotenen Moment ergriffen. Was soll das anderes gewesen sein, wenn nicht angewandte Volksfrontstrategie?
V. Schluss
Fragtet ihr mich nun: Wie sieht es denn nun hier aus? Wo stehen wir in Deutschland – Allgemeine faschistische Tendenz, vorbereitende Etappe, Faschismus an der Macht?
Dann würde ich sagen: Ich tippe auf Nr.2. Wir befinden uns schon in einer Etappe der Vorbereitung der möglichen Aufrichtung eines Faschismus. ABER: Dieser kann verhindert werden.
Wenn ihr jetzt noch fragtet: Von wo kommt er?
Dann habe ich meine Meinung bereits angedeutet. Ich antworte abschließend mit einem Zitat von Kurt Gossweiler aus dem Jahre 1974:
„Gegenwärtig geht die Hauptgefahr für die demokratischen Rechte der Massen und für den bürgerlichen Parlamentarismus in den imperialistischen Hauptländern nicht von den dort vorhandenen faschistischen Organisationen aus, sondern von den Hauptparteien der imperialistischen Bourgeoisie (…), von den reaktionären Regierungen und den imperialistischen Militärkoalitionen, insbesondere der NATO. Das Beispiel Griechenlands hat demonstriert, daß beim Ausbleiben einer faschistischen Massenbasis die NATO an deren Stelle treten kann, um zu helfen, in einem als strategisch wichtig angesehenen Lande eine faschistische Diktatur gegen das Volk in den Sattel zu heben.“ (12)
Klaus Linder ist Vorsitzender des Landesverbandes Berlin des Deutschen Freidenker-Verbandes und Mitglied des geschäftsführenden Verbandsvorstandes
Quellen:
- Georgi Dimitroff, Die Offensive des Faschismus und die Aufgaben der Kommunistischen Internationale im Kampf für die Einheit der Arbeiterklasse gegen den Faschismus, in: Wilhelm Pieck, Georgi Dimitroff, Palmiro Togliatti: Die Offensive des Faschismus und die Aufgaben der Kommunisten im Kampf für die Volksfront gegen Krieg und Faschismus, Berlin 1957, S.85
- ebd., S. 85
- ebd., S. 85f.
- Wilhelm Pieck, Über die Tätigkeit des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale, in: Wilhelm Pieck, Georgi Dimitroff, Palmiro Togliatti: Die Offensive des Faschismus und die Aufgaben der Kommunisten im Kampf für die Volksfront gegen Krieg und Faschismus, Berlin 1957, S. 36
- Max Reimann, Ludwig Landwehr, Willi Mohn, Otto Niebergall, KPD-Verbot. Ursachen und Folgen, Frankfurt am Main 1971, S. 15
- Dimitroff a.a.O., S. 88
- ebd., S. 89
- Pier Paolo Pasolini, Freibeuterschriften, Berlin 1979, S. 70
- Benito Mussolini, Alte Bräuche, 12. Dezember 1919, zitiert nach: Opera omnia di Benito Mussolini. Bd. XIV, Firenze 1954, S. 194
- Peter Hacks, Marxistische Hinsichten, Berlin 2018, S. 302ff.
- Palmiro Togliatti, Lektionen über den Faschismus, Frankfurt am Main 1973, S. 19f.
- Kurt Gossweiler, Aufsätze zum Faschismus, Berlin 1986, S. 340
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Bild oben: Dimitroff mit (gekürztem) Zitat: „Der Faschismus ist die offene terroristische Diktatur der am meisten reaktionärsten, am meisten chauvinistischen, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals.“
Grafik: Worker, gemeinfrei
Quelle: https://openclipart.org/detail/213762/georgi-dimitrovs-definition-of-fascism