„Trump stoppen“?
Im Gefolge von Killary und ihrem Sponsor Soros demonstrieren?
Schreiben von Klaus Hartmann (Vorsitzender des Deutschen Freidenkerverbands) v. 14. Dezember 2016 an Aktive der Friedensbewegung
Der von Reiner Braun und Wolfgang Gehrcke initiierte Aufruf zu einer Demo in Berlin „Auf den Straßen und Plätzen weltweit: Trump stoppen!“ hat ein unterschiedliches bis kontroverses Echo ausgelöst. Neben Zustimmung gibt es Skepsis bis massive Ablehnung. Weder konnten die Initiatoren die Skeptiker und Gegner überzeugen, noch konnten diese die Absage des Unternehmens bewirken. Für die Gemeinsamkeit der Friedensbewegung ist der Aufruf demnach kein geeigneter Beitrag, die Suche nach den notwendigen gemeinsamen Orientierungen und Aktionen in der näheren Zukunft hat er nicht erleichtert.
In der Pro- und Kontra-Debatte haben sich mehrere „Diskussionsknoten“ gebildet. Das Positivste, das sich dazu sagen lässt, ist der Umstand, dass die Kontrahenten nicht in feindseliges Schweigen verfallen, sondern im Gespräch geblieben sind. Bekanntlich hatte ich persönlich (in einer AG beim Kasseler Friedensratschlag) meine Ablehnung des Projekts kundgetan, und auch der Berliner Landesverband der Freidenker hat auf den „Aufruf aus Berlin“ eine „Antwort aus Berlin“ mit gleichem Tenor veröffentlicht (http://www.berlin.freidenker.org/?p=3143).
Die Tatsache, dass sich die Initiatoren nicht von ihrem Vorhaben abbringen ließen, hat mir die (rhetorische) Frage eingebracht „Läßt sich aus dem schließen, dass Deine Möglichkeiten der Einflussnahme geringer sind als die eines Herrn Soros?“ In die gleiche Kerbe haut eine andere Zuschrift mit der gleichermaßen rhetorischen Frage: „Welches Garn spinnt Reiner Braun?“ Es wird „Empörung“ geäußert, „Geduld und Loyalität seien bald erschöpft“, man glaube nicht mehr an „absichtslosen Unfug“. Dazu möchte ich erwidern: Man sollte nicht jeden mit anderer Meinung entweder für strohdumm oder für ein gekauftes Element halten. Vielleicht sollte man zugestehen, dass die Betreffenden aus ihrer Sicht auch gute Gründe haben mögen, man ist ja nicht gezwungen, sie zu teilen.
Wie es auch geht: Die „Nachdenkseiten“ haben einen Vortragstext von Reiner Braun zu Trumps Außen- und Sicherheitspolitik veröffentlicht (http://www.nachdenkseiten.de/?tag=trump-donald). Zugleich teilte Albrecht Müller mit: „Bei aller Sympathie für euch und eure Arbeit: den Aufruf für die Demonstration am 20. Januar werde ich nicht unterschreiben und ihn werden die Nachdenkseiten auch nicht unterstützen. Man kann doch wirklich mal ein bisschen warten, einfach nur abwarten. Und das Argument beziehungsweise die Frage, ob ihr auch gegen Hillary Clinton demonstriert hättet, ist tatsächlich berechtigt. Vielleicht seid ihr so lieb und denkt einfach alle noch mal nach. Das wäre auch im Interesse der ganzen Bewegung, denn eine gespaltene Unterstützerschaft und eine elend kleine Versammlung bei der Demonstration oder allenfalls Leute von der falschen Seite bringt der Sache und euch nichts.“
Reiner Braun nennt in seinem Beitrag eine Reihe von Gründen. Manche halte ich für abwegig, andere für spekulativ, aber einige auch für bedenkenswert. Zunächst besichtigt er das (bis zum 24.11.) bekannte oder vermutete Personaltableau, das er als „rechtskonservatives, zutiefst reaktionäres Milliardärsnetzwerk“, „mit viel illegaler, völkerrechtswidriger Erfahrung“, „Wall Street-Mafia“ und „die vielleicht kriminellsten der Hillary-Clinton-Truppe“ charakterisiert. Sicher will niemand die Vorgeführten zu Sympathieträgern ernennen, aber die Braun’sche Assoziation des „Systems Trump“ mit Georgi Dimitroffs Faschismusdefinition nenne ich abwegig, die hätte eher aufs „System Clinton“ gepasst.
Auffällig ist das Michael-Flynn-Bashing, bei Braun vorgestellt als Repräsentant des „Kriegs gegen den Terror“, vom Irak-Kriegsverbrecher Powell tituliert als „durchgeknallter Rechter“, in der Clinton-NATO-Presse verdammt wegen „persönlicher und finanzieller Verbindungen zu Russlands Präsident Putin“ (https://act.credoaction.com/sign/trump_cabinet?t=1&akid=20823.4442150.zCz3PC). Verschwiegen wird durchgehend, warum der vormalige Chef des Militärgeheimdienstes beim Pentagon und Obama in Ungnade fiel und entlassen wurde: weil er vor der Förderung der Terroristen des Daesh („IS“) in Syrien durch die Obama-Administration gewarnt und sie öffentlich gemacht hat.
Auch wenn die meisten Genannten ausgesprochene Umsympathen sind, muss man zum „Personal“ doch noch etwas anderes bedenken: Sollte es Trump ernst gemeint haben mit der Absicht, das „Establishment“ anzugreifen und umzukrempeln, von weltweitem Interventionismus auf „America great again“ umzustellen, kann er das nur bei Einbindung vieler Rechter der eigenen Partei, und mit Insidern des Systems, nicht mit einer Truppe von Lehrern, Sozialarbeitern und Betschwestern. „Wer wen“ einbindet und letztlich auf welchen Kurs bringt, das ist nicht absehbar, darüber werden die verschiedenen Fraktionen noch länger Kämpfe austragen. Und ob Trump überhaupt die Absicht hat, seine Ankündigungen wahr zu machen – Verständigung mit Russland, keine Interventionskriege mehr -, muss man ebenfalls abwarten. Im Zweifelsfall gilt immer noch der Müntefering-Klassiker: „Es ist unfair, Politiker an ihren Wahlversprechen zu messen.“
Dass Trump -entgegen seiner Ankündigung- an der US-Interventionspolitik festhalten will, dass eine verstärkte Konfrontationspolitik mit Russland kommt – dies sind die besonders merkwürdigen, bestenfalls aus der Luft gegriffenen Teile der Braun’schen Argumentation. Wetten auf irgendeine Wahrscheinlichkeit sollte man nicht abschließen, aber Feststellungen der Marke „isso“ sind zumindest sehr gewagt und jedenfalls verfrüht. Warum überschlagen sich denn die NATO-Militaristen, um Trump wieder auf einen Aggressionskurs festzulegen, warum feiern sie Merkel als neue „Führerin der freien Welt“, warum warnen Kommentatoren (nach der Nominierung von Rex Tillerson als Außenminister) vor einem „Separatfrieden mit Putin“? Was auch heißt, dass sie uns bereits im Krieg mit Russland wähnen!
Es gibt allerdings sowohl im Aufruf wie im Vortrag Argumente, die ich teile: Die konfrontativen Aussagen gegenüber Cuba und China sowie zu Israel/Palästina verheißen nichts Gutes. Auch sie tragen den Keim für verschärfte Auseinandersetzungen bis hin zum Krieg in sich. Die Politik der Aufrüstung, wenngleich unter dem abgängigen Friedensnobelpreisträger forciert, wird aller Voraussicht nach nicht beendet. Insofern besteht kein Anlass, aufgrund einiger hoffnungsvoller Aussagen mit der Wachsamkeit nachzulassen. Ich hatte kürzlich gesagt: „Der Charakter des US-Imperialismus ändert sich nicht grundsätzlich, wenn andere Schauspieler auf die Rampe geschoben werden“. Ich will ergänzen: Der Drang des Imperialismus zum Krieg ist systembedingt. Der Einfluss von Persönlichkeiten, von „Politik“ als Ausdruck verschiedener Kapitalfraktionen mit unterschiedlichen Interessen, kann einen Unterschied in der akuten Friedensbedrohung bedeuten. Aber Hoffnungen auf neue friedliche Zeiten wegen eines neuen US-Präsidenten sind gleichermaßen verfehlt, sie ähneln den Illusionen über die „Friedensdividende“ 1990 oder beim Amtsantritt des Friedennobelpreisträgers Obama.
Weder werden die Atomwaffen in Büchel durch Silvesterböller ersetzt noch wird Ramstein zu einer neuen Filiale von Disneyland umgerüstet. Die NATO wird sich weder „auflösen“ noch in einen Club von Friedensengeln verwandeln. Und deshalb müssen wir uns die Frage stellen: Wollen wir im Ernst der Forderung „Deutschland raus aus der NATO – NATO raus aus Deutschland“ abschwören, oder sie „niedriger hängen“? Mit Sicherheit nicht. Und deshalb müssen wir, so sehr uns tagespolitische Fragen aktuell gefangen nehmen, über den Tag hinaus denken. Der Imperialismus, der US- wie der deutsche/EU-Imperialismus bleiben im Fokus. Und dies bedeutet auch, dass wir Kontroversen wie über das passende Begängnis von Trumps Amtseinführung entsprechend einordnen.
Zutreffend weist Reiner Braun auf den „Vorwand der Politik von Trump für die weitere Verstärkung deutscher und europäischer Militarisierung“ hin – dann muss man aber gegen die demonstrieren, die diesen Vorwand schaffen und nutzen, die Transatlantiker im Hysteriemodus: Gegen die verschärfte Aufrüstung der Bundeswehr, gegen eine EU-Armee, gegen deutsche Kampfdrohnen und Träume von eigenen Atomwaffen, dagegen kann man, muss man demonstrieren, meinetwegen auch am 20. Januar 2017, und danach unablässig. Von Trump jedoch ist an diesem Tag und danach zu fordern, dass seinen Ankündigungen friedenspolitische Taten folgen müssen. Dabei sind wir wieder alle gemeinsam gefordert.
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