Zur Notwendigkeit breiter antifaschistischer Bündnisse
Vortrag, gehalten in der Ortsgruppe Berlin-Marzahn des Rotfuchs-Fördervereins am 16. November 2021
von Klaus Linder
Liebe Genossen, liebe Freunde,
Dirk Benicke schlug mir am Telefon als Titel dieses Vortrags den obenstehenden vor.
Ich arbeite gerne an einem „vorgegebenen Thema“ entlang, wo mit jedem der vier Worte ein Problem benannt ist. Ich versuche dies zu tun und streue dabei die eine oder andere These ein.
Wir haben zu prüfen: Was sind Bündnisse? Was ist antifaschistisch? Was ist Breite? Was ist Notwendigkeit?
Zunächst stellt sich die Frage nach dem Subjekt von Bündnissen. Ich sollte sagen: nach den Subjekten. Allerdings ist ein Bündnis der Versuch, in zumindest einer Frage soviel Übereinstimmung zu erreichen, dass nach außen das Bündnis eben als ein Subjekt auftritt.
Eine Bündnisabsicht legt uns Fragen vor:
Mit wem sind Bündnisse zu schließen? Gegen wen und was richtet sich das Bündnis? Das schließt ein: Mit wem sind Bündnisse nicht oder in einem gegebenen Moment nicht zu schließen?
Was also sind die Kriterien, nach denen gemeinsamer Boden oder Abgrenzung definiert werden könnten? Was bedeutet der Wunsch nach „Breite“ für die Entwicklungsfähigkeit oder aber Aushöhlung des Bündnisinhalts?
Der Titel „Notwendigkeit breiter antifaschistischer Bündnisse“ ist voraussetzungslos formuliert, unter Absehung von Raum, Zeit und Umständen. In der Realität ist nichts voraussetzungslos. Wir gehen nicht nur von Begriffsableitungen aus. Wir alle gehen von Erfahrungen aus. Der definitorische Teil ist jedoch nicht beiseite zu schieben: Die Kriterien folgen aus dem Inhalt des Bündnisses.
Ohne wissenschaftliche Theorie des Faschismus kann er verfehlt oder gar mit Antifaschismus verwechselt werden
Der Inhalt klingt unproblematisch, ist aber das zu Verhandelnde: In unserem Fall geht es um antifaschistische Bündnisse.
Es geht gegen: Faschismus,
- sei es in Vorbereitung oder an der Macht;
- sei es auf legalem Wege greifend nach der Macht, aus der parlamentarischen bürgerlichen Demokratie hervorgewachsen oder als Putsch;
- sei es überwiegend von außen gesteuert, wie es bei den zahlreichen US-NATO-Putschen seit 1945 der Fall ist, oder überwiegend durch innenpolitische Vorgänge herbeigeführt;
- sei es mit vorübergehender Massenbasis oder eher ohne.
Aus dem Bündnis auszuschließen wäre demnach wer Faschist ist oder den Faschismus befördert, oder gegebenenfalls wer kein Antifaschist ist. Aber die geschichtlichen Erfahrungen gemahnen zu Vorsicht vor Verallgemeinerungen, wenn diese sowohl die verschiedenen Entwicklungsstufen des Faschismus als auch die der antifaschistischen Bündnisse ignorieren. Eines ist hier grundsätzlich festzuhalten: Der klar bestimmte, verbindlich übergeordnete Inhalt ist die Voraussetzung, ohne die sich die Subjekte des Bündnisses nicht demokratisch auf Augenhöhe begegnen können. In jedem Falle müssen wir in der Lage sein, die hier genannten Sachverhalte klar zu erkennen. Aus verschwommener Sicht und spontanem Aufbegehren entsteht keine Bündnisstrategie.
Auch wenn für viele in dieser Runde eine zuverlässige Theorie des Faschismus zum Grundbestand ihrer politischen Bildung gehört, nämlich die des VII. Weltkongresses der Komintern, ist sie nicht als Allgemeingut vorauszusetzen. Sie wird erstens, vor allem im politischen Westen, auf Widerstände stoßen, insbesondere auch auf sogenannte linke. Zweitens ist sie heute auf Erscheinungen anzuwenden, die an der Oberfläche mit den damaligen nicht identisch sind, sogar als ihr Gegenteil auftreten. Ich nenne nur als Beispiel, dass die Methodik der Faschisierung als eines ihrer ideologischen Schmiermittel heute auch über solche Formeln wie „Bunt statt Braun“, „Wir sind mehr“ und Embleme wie die „Regenbogenfahne“ verfügt. Den vermeintlich liberalen, „bürgernahen“ Verhältnissen einer demokratischen Herrschaftsausübung entsprungen, werden solche Formeln heute unter dem übergreifenden Sog der Faschisierung zur Massenformierung von oben neu montiert. Sie sind aber alles andere als faschistischen Ursprungs.
Solche Wohlfühlformeln, die über alles irgendwie „Linke“ gegossen werden, setzen harmlos an. Darin liegt die Bauernfängerei. Außer einem Willen des vorgeblichen Bündnissubjektes „bunt“ zu sein, wird nichts darüber gesagt, wer oder was denn „braun“ sein soll. Das ist die Demagogie: das zu Definierende wir ausgespart, man definiert nur sich selber in seiner vermeintlich moralisch nicht zu beanstandenden Absicht. Darum verwandeln sich solche Formeln, kampagnenmäßig eingesetzt, sehr schnell in Passierscheine einer Gesinnungspolizei.
Als Ersetzung organisierter Klassensolidarität und -einheit durch sogenannte „Vielfalt“, an die unentwegt leer appelliert wird, eignen sich solche Losungen im gewerkschaftlichen Bereich zur Spaltung der Werktätigen. Dazu kommt die unbedingte Apologie der EU, die den konsequenten Verzicht auf internationale Klassensolidarität bedeutet, durch rechte Gewerkschaftsführungen und auch Friedensbewegte. Das alles wird – und das gehört zu unserem Thema – etikettiert als „Kampf gegen Rechts“. Wer durch solche Augenwischerei schon gefügiger wurde, wird am Ende schwerlich zum gewerkschaftlichen Einheits-Kampf gegen die arbeiterfeindliche Generaloffensive aufrufen, wie sie heute in der Spaltung von „Geimpften“ und „Ungeimpften“, den drohenden aberwitzigen 3G-Regeln für den öffentlichen Nahverkehr und Ausgehverboten für „Ungeimpfte“ vorliegt. Diese Maßnahmen bedeuten eine neue Form der Aussperrung und Freiheitsbeschränkung für die Arbeiterklasse und sind Teil der gesteigerten gegenwärtigen Faschisierung, mitsamt dem Mißbrauch des Wortes „Solidarität“. Es entstehen neue Formen der Stigmatisierung für Noch-Arbeitende, die für Erwebslose in anderer Weise übrigens schon „vor Corona“ galten.
Antifaschistische Bündnisse haben Widerstand zu leisten gegen jede Form der Klassenspaltung. Sie können das nicht ausblenden und sich auf die Lebenslüge zurückziehen „bunt“ und „vielfältig“ zu sein. Den heute vorwaltenden indirekten Methoden durch sogenannte Identitätenpolitik haben sie deshalb entgegenzutreten. Die Eigenschaft, Mittel zur Klassenspaltung von oben zu sein, teilt diese mit dem „traditionellen“ Rassismus. Die Hauptfunktion des Faschismus und seiner Vorformen besteht in der gewaltsamen Unterdrückung, Spaltung und Niederhaltung der Arbeiterklasse, der Arbeiterbewegung und ihrer Organisationen. Sowohl Massenbetrug als auch Gewaltanwendung (Terror) werden hierzu eingesetzt, sowohl unmittelbar vor als auch nach der Aufrichtung des Faschismus. Kann die Klassenspaltung nicht in jedem Ansatz überwunden werden, wird die Methode der Faschisierung, die Entwaffnung des Proletariats und Neutralisierung ihrer Organisationen, befeuert. Wer „Wehret den Anfängen!“ ruft, muss hier ansetzen. Zugleich werden die schwankenden Mittelschichten, die von sich aus keine dauerhaft führende Rolle in demokratisch-antifaschistischen Bündnissen einnehmen können, unter dem Eindruck der Gespaltenheit der Arbeiterklasse wiederum dem Sog der gegnerischen Klasse, und damit der Faschisierung ausgeliefert.
Der Gegner wird uns nicht in die bequeme Lage versetzen, die heutige Faschisierung anhand äußerer Ähnlichkeiten mit dem damaligen Hitlerfaschismus sofort zu erkennen. Schon der Nazifaschismus war ein Virtuose der Verkleidung: Er nannte sich sozialistisch und er nannte sich national – er war weder das eine noch das andere. Aber eine Camouflage konnte sich dieser damalige Faschismus noch nicht anlegen: Er konnte sich selber nicht anti-faschistisch nennen. Das ist heute aber der Fall.
Dies ist meine erste These:
Es ist ein dominierendes Merkmal der heutigen Faschisierung in Deutschland, dass sie unter der Maske des Antifaschismus auftritt. Ein Markstein dieser perversen Entwicklung war die Um-Deklarierung der Bombardierung Serbiens/Jugoslawiens durch den grünen Außenminister Fischer als antifaschistischer Akt, „wegen Auschwitz“. Das erleben wir heute innenpolitisch in hundertfachen Fortsetzungen und Perfektionierungen.
Erst die Anwendung der Theorie zeigt die Wesensgleichheit der Sache auch unter neuer, auch „antifaschistischer“ Verkleidung. Der einzige Weg das offenzulegen ist, den stets gleichen Klasseninhalt des Faschismus aufzuweisen. Auch wenn ich heute auf die Referate von Dimitroff und Togliatti des VII. Weltkongresses der Komintern nicht näher eingehe, so haben wir all dem unser Wissen entgegenzusetzen: Der Faschismus an der Macht ist die offene terroristische Diktatur der reaktionärsten, am meisten am Krieg interessierten, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals. Aber der Faschismus hat vorbereitende Etappen – wenn wir ihn da nicht bekämpfen, können wir den Faschismus nicht bekämpfen. Die Klasse, die des Faschismus bedarf, ist die Monopolbourgeoisie. Von ihr erhält er seine Kampfziele: gegen die Arbeiterklasse, zur Neuaufteilung der Welt, zur Vorbereitung und Führung des imperialistischen Krieges.
Faschismus ist keine Ideologie
Der Weg zur Erkenntnis der Faschisierung führt nicht über das Aufweisen einer gemeinsamen Ideologie zwischen „damals“ und „heute“, denn Faschismus ist keine Ideologie, obwohl er die gesamte Gesellschaft durchweg mit ideologisch-demagogischen Waffen bearbeitet. Er ist eine bürgerliche Herrschaftsform, eine Regierungsform, die es zu verhindern gilt. Er ist die Herrschaftsform, die unter gegebenen Kräfteverhältnissen bestrebt ist, über dem ökonomischen Monopol das politische Monopol der Finanzbourgeoisie zu errichten – ob diese uns nun mehr unter dem Aspekt der Macht der Banken- oder der Industriemonopole erscheint und ungeachtet der Klassenbündnisse, die sie dazu schließen muss. Darum ist Faschismustheorie Imperialismustheorie.
Aufgrund dieses Klassencharakters hat der Faschismus allerdings doch einige sehr wenige ideologische Konstanten. Dazu gehört immer der Antikommunismus, den wir heute im Exzess von „Regierungs-“ und „Oppositions“-Seite erleben, obwohl die deutsche Arbeiterklasse, ihre Organisationen, ihre Kommunistische Partei und ihr liquidierter Staat, die DDR, ungeheure Niederlagen zu verkraften hatten. Der faschistische Imperialismus hat verstanden, dass hier nach wie vor sein erbittertster Gegner niederzuhalten ist. Die antikommunistische Ideologie des Faschismus erscheint heute vornehmlich in der Form der sogenannten Totalitarismustheorie, was den Kräften der Faschisierung gestattet, sich auf die vermeintlich antifaschistische Seite zu stellen, eben unter dem Tarnwort „antitotalitär“. Zugleich gelingt es ihnen mit diesem Tarnwort, die bürgerlich-demokratischen Schichten einzufangen, auch da, wo sie opponieren. Die antikommunistische Totalitarismusideologie ist dem deutschen Imperialismus unverzichtbar, weil eines seiner Hauptanliegen die Revision der Ergebnisse der Kapitulation von 1945 ist, die ihm die Sowjetunion verursachte. Dieser Geschichtsrevisionismus muss aber heute behauptet werden unter der Hegemonie der USA über die imperialistische Welt, die ebenfalls ein Ergebnis der beiden Weltkriege ist. Der deutsche Imperialismus kann seine innersten Ziele nur vermöge der widerstrebenden Unterordnung unter USA und NATO ins Auge fassen.
Die Totalitarismusideologie eignet sich insbesondere für die Legitimation der gegenwärtigen Kriegsziele, nämlich gegen die VR China und die Russische Föderation. Beider Länder Stärkung schwächt die faschistische Gefahr in Deutschland.
Klärung theoretischer Grundlagen steht nicht im Widerspruch zur Praxis, sondern ermöglicht sie
Wir befinden uns heute, betreffs antifaschistischer Bündnisse, wieder in einer Frühphase, wo unsere Praxis die Grundfragen, um die es geht, erneut zu entwickeln hat. Zugleich steht uns eine ungeheure historische Erfahrung zur Verfügung, die wir um jeden Preis wieder aktivieren müssen. Um in Bündnissen nicht schon über den Begriff des Faschismus und seiner Triebkräfte in einen Irrgarten zu gelangen, also um unsere Gegner nicht zu verfehlen, ist das unerläßlich.
Meine zweite These:
Es ist nicht zwangsläufig ein Merkmal für aktive Bündnispraxis, wenn man sich ohne solche innere Klärungsprozesse einem Bündnis, einer Aktion, einer Kundgebung anschließt. Es ist unrichtig, davon auszugehen, dass diejenigen, die auf inhaltlicher Klärung zuerst bestehen, deshalb „keine Praxis“ hätten oder gar die Schuldigen für ausbleibende „Breite“ wären.
Wir werden Fälle finden, wo die begründete Nichtteilnahme an einem vermeintlichen antifaschistischen Bündnis sich als notwendige Vorbedingung antifaschistischer Praxis erweist. Und wir finden etliche Fälle, es ist geradezu die Regel, wo die unsachgemäße Verknüpfung und Addition von diversen ungeklärten Inhalten und Forderungen die Bündnisse nicht verbreitert sondern spaltet und zersplittert. Multiplikation von Themenkatalogen führt nicht zur quantitativen Verbreiterung, sondern zur qualitativen Schrumpfung und Zerlegung von Bündnissen. Anstatt „Massenverankerung“ herbeizuführen, tauscht sie lediglich die ursprüngliche Basis durch neue Zielgruppen aus. Das kommt im Endergebnis einem Wechsel der Klassengrundlage gleich, wenn dem nicht gegengesteuert wird.
Unser Bündniszweck, die Verhinderung des Faschismus, setzt also, zumindest bei einem Teil der Beteiligten, Bewusstsein und Orientierung voraus, was Faschismus ist, wo die Kräfte zu suchen sind, die ihn vorantreiben und mit welchen Instrumenten sie arbeiten.
Das genügt als Definition des gemeinsamen Bodens, aus dem das Bündnis ins Leben gerufen wird. Aber ein antifaschistisches Bündnis muss ja gerade darauf hinarbeiten, dass der drohende oder der schon aufgerichtete Faschismus von immer mehr Menschen, eben von breiten Massen, als solcher erkannt wird in seinem zutiefst gegen ihre Interessen und ganze Lebenshaltung gerichteten Wesen. Nur so sind diejenigen, die ihn vorantreiben, die von ihm profitieren, zu entlarven, unter welcher Maske auch immer. Ohne das kann die faschistische Herrschaftsform weder verhindert noch zu Fall gebracht werden. Nur aus einem festen Kern ist die eigentliche Bündnis-Arbeit, nämlich die Schwankenden, Unentschlossenen zu gewinnen, zu leisten.
Die Erfahrungen der vom Faschismus bedrohten Massen sind mit Idealismus nicht anzusprechen
Hieraus folgt das umgekehrte Gebot als meine dritte These:
In den antifaschistischen Bündnisforderungen, gerade wenn sie noch nicht hinreichend geklärt oder sobald sie mit sachfremden Themen verquickt wurden, dürfen auf keinen Fall Inhalte erscheinen, die ein Teil der Volksmassen bereits als Agenda und Politik der Herrschenden erfahren und teilweise durchschaut hat.
Vielen Bündnissen, auch Friedensbündnissen, scheint heute nicht bewusst zu sein, wie sehr sie sich durch eine Art Sippenhaftung oder „Kontaktschuld“ mit der Agenda und Sprache der Herrschenden in den Augen breiter Schichten, auf die es ankäme, diskreditieren. Das ist zum Beispiel immer der Fall, wenn die Verfechter der sozialreaktionären, kolonialistischen CO2- und Energie-Bepreisungen in ihren Veranstaltungen aufzutreten die Gelegenheit erhalten und damit den Bündnisinhalt von der herrschenden „Klimarettungs“-Propaganda ununterscheidbar machen. Den volksfeindlichen Charakter solcher Propheten kann inzwischen jeder an seinem Geldbeutel überprüfen. Es ist ein unverzeihlicher Fehler, Massen, die bei solchen Zweckentfremdungen den Bündnissen fernbleiben, weil sie ihre naheliegendsten Klasseninteressen mißachtet sehen, als gleichgültig gegenüber der „guten“ Sache oder als passiv oder zurückgeblieben einzuschätzen. Es ist ein tödlicher Fehler, Volksschichten, die aus solchen Gründen dem Bündnis nicht folgen, im Umkehrschluß als „dem Faschismus zugetan“ zu disqualifizieren. Zu bekämpfen durch antifaschistische Bündnisse sind nicht die Gedanken der Ausgebeuteten, sondern die Handlungen der Ausbeuter. Die vielleicht gutgemeinte, aber idealistische Losung „Faschismus raus aus den Köpfen!“ ist nicht in der Lage, den notwendigen Zusammenhang zur Monopoloffensive herzustellen. Die „Köpfe“, die da vorab unter „Faschismus-Verdacht“ gestellt werden, sind die der Angehörigen von Klassen und Schichten, die sowieso schon grundsätzlich und täglich vor den Kopf gestoßen werden. Um ein Beispiel aus der unmittelbaren Gegenwart zu geben: Ein angebliches „antifaschistisches Bündnis“, das sich gegen „Klimaleugner“ oder „Coronaleugner“ oder gar gegen „Ungeimpfte“ „positioniert“, ist dem Untergang geweiht. Zu Recht. Breite Teile der Bevölkerung erkennen in solcher Denunziation bereits den verschärften Klassenkampf von oben und somit die Faschisierung,.
„Breite“ ist also nur zu erreichen, wenn der Begriff, den wir haben, mit den Erfahrungen der Massen übereinstimmt, wenn er einen Zusammenhang der Lebenswirklichkeit berücksichtigt und erkennbar macht. Leider haben wir uns dabei ganzer Orgeln von Demagogie zu erwehren. Die SPD ging in der Weimarer Republik mit der Losung in den Wahlkampf: „Wer Hindenburg wählt, schlägt den Faschismus“. Die KPD ging mit der Losung in den Wahlkampf: „Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler, wer Hitler wählt, wählt Krieg“.
Beides war leider noch nicht gänzlich durch die Erfahrung der Massen überprüfbar, die gewiß in ihrer großen Mehrheit den Krieg auf keinen Fall wollten, auch wenn sie SPD oder Hindenburg wählten. 1945 hingegen war klar, wer dem Volk die Wahrheit sagte und wer es kolossal fehlorientierte und somit Steigbügelhalter des Faschismus werden konnte. Die KPD tat gut daran, ihre Losung, die Losung der materialistischen geschichtlichen Wahrheit, in Erinnerung zu rufen. Aus gereifter Erkenntnis erwuchs die Einheitsfront der Arbeiterklasse, die Vereinigung von SPD und KPD zur SED und der Aufbau der antifaschistisch-demokratischen Ordnung in der DDR.
Mit unserer Fähigkeit, Klasseninhalte und ihre Wirkungen zu erkennen und mit den vielfältigen Erfahrungen der Massen rechtzeitig in Übereinstimmung zu bringen, steht und fällt die Möglichkeit breiter antifaschistischer Bündnisse.
Faschismus ist keine „Mentalität“ und keine Mittelschichtsbewegung
Ohne objektive Erkenntnis des Wesens des Faschismus kommt kein breites, es kommt streng genommen überhaupt kein antifaschistisches Bündnis zustande. Mit objektiver Erkenntnis meine ich, dass Faschismus keine Angelegenheit des bloßen „falschen“ subjektiven Bewußtseins, der Meinungen, der Einstellungen diverser gesellschaftlicher Akteure ist. Tatsächlich sind die meisten gesellschaftlichen Akteure nicht im Besitz einer wissenschaftlichen Weltanschauung und somit Irrationalismus, Mystifizierungen der Verhältnisse zugänglich. Jeder Idealismus ist im Kern irrational, da der „Primat des Bewusstseins vor dem Sein“ nun einmal keine rationale Auffassung ist. Aber es gibt keinen „Irrationalismus an sich“, der damit schon faschistisch wäre. Das muss bei allen auch „grenzwertigen“ Vorstellungen, denen wir begegnen, immer bedacht sein. Erst die Macht, den Irrationalismus für Ausbeutung, imperialistischen Krieg, Kolonialismus und Unterdrückung zu organisieren, entscheidet. Wer glaubt, der Faschismus komme zustande und setze sich zusammen aus den „Mentalitäten“ und Charaktereigenschaften gewisser Gruppen – sei es „der Mittelschichten“ oder Kleinbürger, sei es „der Deutschen“ oder des „deutschen Michel“, sei es „der diktatursozialisierten Ostdeutschen“ oder „der bildungsfernen Schichten“ oder „der Covidioten“ oder „der unerweckten Schlafschafe“ -, der kann den Faschismus nicht bekämpfen, sondern betreibt die gut verschleierte Sache derer, die seine Hintermänner sind. Wer solche Soziologie oder Massen-Psychologie für Faschismusanalyse hält, sei daran erinnert, dass selbst Heinrich Manns Roman „Der Untertan“ keine individualpsychologische Charakterstudie ist, sondern eine gesamtgesellschaftliche Klassenstudie des jungen deutschen Imperialismus anhand der Figur eines mittelständischen Unternehmers mit seinen vielfachen Abhängigkeiten zwischen Großbourgeoisie und Proletariat, mitsamt preußischem Militarismus. Erst durch die Klassenkräfteverhältnisse werden auch solche Kriechereien und das perverse Intrigantentum verständlich. „Untertänigkeit“ sogenannter „autoritärer Charaktere“ ist aber keine Triebkraft der Entwicklung zum Faschismus und auch keine Konstante eines angeblichen deutschen oder gesellschaftlichen Mehrheits-Charakters.
Gewiß können Teile der Mittelschichten für die Faschisierung eingefangen werden. Als eine Speerspitze der Faschisierung und Kampfreserve der Monopolbourgeoisie wirken in diese gegenwärtig die Lieblinge der deutschen Staatsmedien: die grüne Partei mitsamt außerparlamentarischen Vorfeldformationen wie „Fridays for Future“ und ihrer scheinbar in alle Lebensverhältnisse eingreifenden Ideologie. Aber das Beispiel zeigt auch, dass trotz aufwendigster apokalyptischer Dauerpropaganda von einer echten Massenbasis nicht die Rede sein kann, auch nicht von einer eigenständigen Klassenmacht der „oberen Mittelschichten“. Man nehme den Grünen und ihrem „zivilgesellschaftlichen“ Anhang die schützende Hand des Biden-Regimes und der NATO und sie werden irrelevant.
Auch aus einem anderen Grunde ist die „sozialpsychologische“ Theorie für den Antifaschismus unergiebig. Denn bei den soziologischen Typenlehren geht es um die mögliche Massenbasis eines Faschismus, die sich insbesondere in einer Übergangsperiode, in der unmittelbaren Vorbereitung der Errichtung der faschistischen Diktatur als Schwungkraft auswirken kann – vor allem, wenn sie auf legalem Wege erreicht werden muss, vor der Etablierung des nackten Terrors. Die Massenbasis ist aber nicht identisch mit dem Klassencharakter des Faschismus, sie stehen im Widerspruch zueinander. Sie kann auf keinen Fall als seine bedeutendste, gar entscheidende Triebkraft unterstellt werden und auch nicht als rationale Erklärung seines Wesens. Auf heutige Verhältnisse, gerade auch in Deutschland, übertragen, ist aber das Dogma der inländisch-“völkischen“ Massenbasis als entscheidender Geburtshelfer des Faschismus, als seine „Reserveoption“ wie es gerne heißt, grundsätzlich in seiner Absolutheit in Frage zu stellen. (Nebenbemerkung: Dies ist übrigens einer der Gründe, warum ich heute nicht auf die Partei AfD eingehen werde. Das wäre ein eigener Vortrag. Zu zeigen wäre, mit welchen Methoden die AfD heute, während die allgemeine Faschisierung an Fahrt aufnimmt, die kosmetische Rolle einer parlamentarischen Oppositionspartei darzustellen hat, nachdem die Linkspartei sie nicht ausübt. Aus demselben Grund werde ich, wenn ich von „der Linken“ rede, nicht speziell die Partei behandeln , die diesen Gattungsnamen als Eigenbezeichnug verwendet.)
Zur Massenbasis meine vierte These:
Es ist wichtig festzuhalten, dass die Möglichkeiten des Faschismus, per nationaler Massenbasis an die Macht zu kommen, nach den internationalen imperialistischen Kräfteverhältnissen einzuschätzen sind. Der hier und heute in Deutschland vorangetriebene Faschismus ist NATO-Faschismus.
Entscheidend ist hier für uns das Kräfteverhältnis des US-amerikanischen zum deutschen Imperialismus. Schon Kurt Gossweiler machte darauf aufmerksam, dass nach 1945 der Faschismus in Europa kaum von den faschistischen Parteien mit breiter Massenbasis, sondern in der Form des US-NATO-gesteuerten Putsches von außen zu erwarten ist, natürlich unter Rückgriff auf die „inländische“ Bourgeoisie. Die Möglichkeit der Faschisierung von außen ist also stärker ins Auge zu fassen als es, aufgrund schematischer Gleichsetzungen „mit 1933“, meistens geschieht. Jede Möglichkeit, einen Keil in die „transatlantischen“ Bourgeoisien oder ihre Gruppen zu treiben, muss deshalb von antifaschistischen Bündnissen genutzt werden.
Es geht um das Verhältnis der Imperialismen. Es geht nicht um die Wiederauferstehung des Mythos einer „übernationalen Weltregierung“ oder eines zentralen „Weltfaschismus’“. Ein über die ungleichmäßige Entwicklung kapitalistischer Länder hinweg verschmolzenes weltweites Super-Monopol mitsamt Super-Überbau ist literarische science fiction. Es geht auch nicht um die irreführende Ansicht, dass der deutsche Imperialismus bereits quasi kollabieren würde. Der hier gegenwärtig zu erwartende weitere Ausbau der Faschisierung kann aber ohne USA-NATO nicht vonstatten gehen. Eine Volksbewegung „NATO raus aus Deutschland – Deutschland raus aus der NATO“, mit entsprechender Stärkung der zentrifugalen Tendenzen gegen die EU, wäre eine entscheidende Schwächung der akuten faschisierenden Kräfte. Das kann kein antifaschistisches Bündnis ausklammern, wenn es „breit“ werden will.
Die weltweiten Widersprüche bewegen sich nicht nur zwischen den widerstreitend-alliierten Imperialisten, sondern zunehmend aus ihrem Gegensatz zu den erstarkenden anti-imperialistischen Allianzen. Sie bewegen sich augenblicklich in hohem Tempo. Was z.B. in der Ukraine noch gelang, der NATO-initiierte Faschisten-Putsch per Maidan (mit Hilfeleistung der EU), die „bunte Revolution“, gelang in Belarus schon nicht mehr. Es ist alles daran zu setzen, dass es in Deutschland ebenfalls nicht gelingt. Dazu ist es dringlich, den unzähligen Spaltungen, die durch unsinnige antidemokratische Verordnungen, autoritäre, antisoziale Maßnahmen unter Vorwänden wie „Gesundheits- und Klimaschutz“, den Entzug von demokratischen Rechten der Werktätigen und allseitige Diffamierung und Hetze über die deutsche Bevölkerung verhängt werden, eindeutig entgegenzuwirken.
Aus diesen Gründen ist die einseitige Fixierung auf eine unterstellte „nationale homogene Massenbasis“ fahrlässig für ein antifaschistisches Bündnis. Es ist deshalb auch wieder zu erlernen, was Kommunisten einst geläufig war: die Fähigkeit zwischen Konservativen, Nationalkonservativen, Patrioten und Faschisten zu unterscheiden. Fehlt diese Fähigkeit zu differenzieren, wird alles zur „unterschiedslos faschistischen Masse“ und die strategische Aussicht des Bündnisses auf Isolierung des Gegners wird konterkariert.
„Kampf gegen Rechts“ als Bündnisbreite?
Daran schließt sich meine fünfte These:
Der heute in der imperialistischen BRD als solcher bezeichnete „Kampf gegen Rechts“ ist eine idealistische Form soziologischer und psychologischer Bewusstseins- und Sprachanalyse, die mit Erkenntnis und Bekämpfung der Quellen und Triebkräfte des Faschismus nichts zu tun hat. Er ist bürgerliche Ideologie wie alle Versuche, das gesellschaftliche Sein aus dem Bewußtsein zu „erklären“ und zu „verändern“. Inzwischen ist er auf das Niveau bloßer Sprachverbote herabgesunken. Der sogenannte „verordnete Antifaschismus“ der DDR hingegen basiert auf einer materialistischen Theorie des Faschismus und seiner historischen Rolle in der Epoche des Imperialismus.
Dieses Erbe ist wieder zur Grundlage antifaschistischer Bündnisse zu machen. Das ist umso entscheidender, als die besser organisierten Volksverhetzer und Weltbeherrscher in spe von heute ohne Hitlergrüße und Stiefel und ohne die alten Formeln der Herrenrassen-Ideologie auftreten. Sie verbergen ihre Weltherrschaftspläne unter einer kosmopolitischen Ideologie und „planetarisch“ universalen Weltrettungs-Phrasen, mal als „Werte-“ mal als „Regel“-basiert. Ohne materialistische Theorie, mit rein idealistisch-moralischen Mitteln, sind wir verloren, wenn wir die Wesensgleichheit der neuen mit den alten Faschisten und Kriegstreibern herausarbeiten wollen.
Die Verknüpfung von Faschismus und Kriegspolitik, wie sie ebenfalls auf dem VII.Weltkongreß der KI geleistet wurde, ist unauflöslich, ebenso die Verknüpfung von Antifaschismus und konsequentestem Kampf dem imperialistischen Kriege. Die Kriegspolitik richtet sich heute – noch und wieder – in erster Linie gegen die Russische Föderation und die Volksrepublik China. Nur die ihrerseits imperialistische Totalitarismustheorie will uns glauben machen, dass es Faschismus auch außerhalb imperialistischer Herrschaft gäbe. Darum haben ihre Losungen in antifaschistischen Bündnissen nichts zu suchen, insbesondere, da diese Losungen sich nun gegen das „autoritäre“ Russland und das „totalitäre“ China und ihre als „Machthaber“ verunglimpften Verbündeten richten.
Das bedeutet allgemein: Ein Bündnis bildet sich immer unzweideutig diesseits des Bodens des Gegners. Es darf die geistigen Waffen des Gegners nicht verwenden, die immer die innere Schwächung und Entwaffnung der von Imperialismus und Faschismus Angegriffenen zum Ziel haben. Ob und wieweit ein als breit gewünschtes Bündnis sich auf dem ideologischen Terrain des Gegners bewegt und gar seine Agenda betreibt, ist in der Praxis eine schwierige Unterscheidung. Wo die Unterscheidung aber nicht ständig getroffen wird, werden Bündnisse nicht notwendig sein, häufig überflüssig und schädlich. Die Notwendigkeit eines Bündnisses und das Versprechen auf Breite können dann in Widerspruch zueinander geraten.
Pseudo-Antifaschismus ist eine Super-Ideologie zur Legitimation des deutschen Imperialismus geworden
Ich erwähnte Joseph Fischers perfide „antifaschistische“ Begründung des Angriffskriegs gegen Jugoslawien. Das ist allerdings kein für außenpolitische Expansionszwecke bemühter einmaliger Sonderfall. Im Gegenteil.
Meine sechste These:
Der staatliche und mediale Pseudo-Antifaschismus, in der sogenannten Zivilgesellschaft als „Kampf gegen Rechts“, ist zur übergreifenden Legitimationsideologie des deutschen Imperialismus geworden, die alle innenpolitischen Bereiche höchst irrational durchdringt.
Grundsätzlich braucht die brutale Klassenherrschaft einer verschwindenden Minderheit eine angeblich über den Klassen stehende „Gemeinwohl-Ideologie“, die „höchste Werte“ behauptet, wo immer souveräne demokratische Entscheidungsprozesse sabotiert werden sollen. Sie steht im Dienste einer Formierung der Gesellschaft, die in der Tat die nazistische „Volksgemeinschaft“ wieder auflegt. Es sind solche „höchsten Werte“, nach denen der autoritäre, dezisionistische Maßnahmenstaat seine Exekutivgewalt demagogisch begründet, etwa nach dem Muster des Nazi-Spruches „Gemeinnutz geht vor Eigennutz“.
Unter der sogenannten Corona-Krise hat das antidemokratische bundesdeutsche Maßnahmen-Regime ja eher die Passe-Partout-Begründung „Gesundheitsschutz“ für sich entdeckt. Das war die Formel, unter der die herrschende Klasse den heiß begehrten Ausnahmezustand, die Aufhebungsmöglichkeit demokratischer und Grundrechte, in die Klauen bekam, aus denen sie ihn nun freiwillig nicht mehr entlässt. Unter ihr wurden die unzähligen Schützengräben widersinniger Maßnahmen gezogen, die die Gesellschaft spalten und in falschen Gegensätzlichkeiten ohne Zukunftsperspektiven zersplittern.
Gleichwohl ist es eher, über Corona hinaus, das nahezu sinnentleerte Universalmantra „Klimarettung“, das in imperialistischer Anwendung sowohl die expansionistischen außenpolitischen Interessen als auch die hemmungslose Ausplünderung der Bevölkerung nach innen am deutlichsten unter sich fasst und am weitreichendsten mit den Strategien der reaktionärsten westlichen Kreise zur Neuaufteilung der Welt koordiniert.
Aber es springt ins Auge, dass jede Abweichung von, jede Kritik an diesen Glaubenssätzen und Dogmen, ob sie nun in den Themenbereich Corona oder Klima fällt, mit der „antifaschistischen“
Pseudo-Wissenschaft als oberster Instanz, noch über den Naturwissenschaften, mundtot und gesellschaftsunfähig gemacht wird. Gewiss wird im morschen imperialistischen Gesellschaftszustand Naturwissenschaft in hohem Maße irrationalisiert, aber eine irrationalisierte Gesellschaftswissenschaft, als bürgerlicher „Antifaschismus“ und „Antitotalitarismus“ eben, steht noch darüber und behält das letzte Wort. Es gibt wohl keine abweichende, noch so moderate kritische Einschätzung zu den großen Gleichschaltungsthemen mehr, die nicht in irgendeiner Weise als „Nazi“, „rechtsoffen“ usw. diffamiert wird. „Verschwörungstheoretisch“ hat natürlich denselben Stellenwert. Die erwähnten Sprachverbote gehen so weit, dass schon das Wort „Finanzkapital“ als „antisemitisch“ auf den Index kam.
In der EU-deutschen Impfkampagne, die ja den durchschaubaren Untergrund hat: erstens staatsmonopolistische Produktions- und Distributionshilfe für Pfizer / Biontech zu leisten und zweitens eine geopolitische Offensive durch Nichtzulassung chinesischer, russischer, kubanischer und anderer Impfstoffe zu fahren -“Impfimperialismus“ eben -, in dieser als Treibstoff der Faschisierung so geeigneten Kampagne ist nun der Umschlag von „Antifaschismus“ in faschistoide Methodik besonders kenntlich. Die allgemeine mediale Hetze hat Formen und Ausmaße erreicht, die tatsächlich an das historische Original des „Dritten Reiches“ und des „Stürmer“ erinnern. Nicht nur, dass eine Rhetorik einriß, die die „Impfverweigerer“ als Schädlinge am gesunden Volkskörper stigmatisiert; es werden ihnen auch täglich neue systematisch aufgestockte Einschränkungen ihrer Lebens- und Bewegungsmöglichkeiten angedroht – wie ein Mitglied des Berliner „Krisenrates“ twitterte: „Die Luft für Ungeimpfte muß dünner werden.“ Und sie werden kurz darauf auch „umgesetzt“… Die Aussage des Ärzte-Standesfunktionärs Montgomery gegen die „Tyrannei der Ungeimpften“ dürfte bereits den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllen. Im Sinne der vom Faschismus bekannten Spaltung und Verdrehung wirkt hier, dass eine Meinung, die alle mediale „Konsens“-Macht hinter sich hat, präsentiert wird als die Stimme einer „unterdrückten wehrlosen Minderheit“. Zugleich wird das, fast beiläufig, zur Abschaffung der hart erkämpften Lohnfortzahlung im Krankheitsfall benutzt, und demnächst zur weiteren Aussperrung aus dem Erwerbsleben. Für den Gleichschritt, in den die Faschisierung nun verfällt, spricht, dass es offenbar öffentliche Pflicht ist, durch alle institutionellen Abteilungen solche Androhungen zu wiederholen und dabei dem fantasievollen Ausdenken immer neuer „Maßnahmen“ gegen die Feindgruppe freies Spiel zu gewähren. Es ist, wie der Nazi-Jurist Carl Schmitt forderte, Staatspolitik auf der alleinigen Grundlage des Freund-Feind-Verhältnisses. In der Außenpolitik ergibt sich dasselbe Bild.
Sicher wäre es höchste Zeit, hier nach antifaschistischen Bündnissen zu rufen. Aber dazu wäre erst eine Situation restlos zu durchschauen und zu beseitigen, in der der Pseudo-Antifaschismus zum linken Politik-Ersatz schlechthin geworden ist. Er wird zum Inbegriff für das Debakel einer Linken, die, indem sie nur noch auf die angebotenen Pappkameraden und Popanze einschlägt, in entscheidenden Momenten die Herrschaft und ihre Regierungen stabilisiert.
Für uns muss die Schlussfolgerung lauten: Wenn der falsche, umgedrehte Antifaschismus als Legitimationsideologie imperialistischer Herrschaft ins Wanken kommt und eine „Linke“, die das mitmachte, endgültig diskreditiert, dann müssen wir eine klare Trennungslinie zu solchen Manövern und ihrem Personal ziehen. Es braucht eine unmißverständliche Abgrenzung von diesem Schein-Antifaschismus, ehe wir an breite Bündnisse überhaupt denken können. Deren Ziel kann nur sein, endlich wieder den richtigen Antifaschismus von links, als eine der Grundfragen der Strategie und Taktik des revolutionären Klassenkampfs, in sein Recht zu setzen.
Notwendigkeit
Nachdem nun einiges über die Fallstricke der Breite, der Bündnisse, des Antifaschismus anklang, einige Bemerkungen über die Notwendigkeit antifaschistischer Bündnisse.
Zunächst können wir eine Notwendigkeit, den Faschismus unter allen Umständen zu bekämpfen, aus unserer Identität, unserem Lebensziel als Linke, Sozialisten, Kommunisten fast fraglos voraussetzen. Wir wollen seine materiellen Urheber vernichten und wir wollen darüber wachen, dass er niemals mehr den Keim einer künstlichen Massenbasis in der Gesellschaft aufzüchte. Wir haben eines der kräftigsten Argumente überhaupt: Die Politik derer, die am meisten interessiert sind die Faschisierung voranzutreiben, bedeutet Krieg. Die tägliche Mobilisierung gegen China und Russland zeigt, wie nahe sie diesem Ziel schon sind. Wir reden also nicht von Dingen, die sich nur im Dunkeln hinter der Erscheinungsoberfläche zutragen würden.
Wir sind dem Schwur von Buchenwald verpflichtet. „Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg“ heißt es da. Als Bekenntnis ist dieser Schwur ewig wahr. Als Etappenbestimmung des tatsächlichen Grades der Faschisierung und Kriegspolitik ist der Schwur jedoch nicht zu verstehen. „Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg“ wurde längst von der Wirklichkeit überholt, und zwar mit eminenter Beteiligung der Urheber von Buchenwald – der deutschen Bourgeoisie und ihrer Regierungen. Denken wir an Jugoslawien, denken wir an die Ukraine… Aber die Liste ist zu lang, um hier fortgesetzt zu werden.
Den anderen Aspekt der Notwendigkeit entnehmen wir nicht nur aus unseren Antrieben, sondern aus der umgebenden Wirklichkeit, aus der infamen imperialistischen Tagespolitik. Hier geschehen nun heute ohne Unterbrechung Dinge, die uns antifaschistische Aktionen als dringend notwendig erscheinen lassen..
Rechtsruck
Notwendigkeit herrschte auch vor dem Ausnahmezustand, aber nicht so akut wie jetzt. Die Notwendigkeit antifaschistischer Aktionen wurde da regelmäßig mit dem Wort „Rechtsruck“ begründet.
Dazu möchte ich meine letzte These vortragen:
Der einzige Rechtsruck in der deutschen Nation seit 1945, auf den dieser Begriff in vollem Umfang zutrifft, war die Konterrevolution und die Liquidierung der DDR 1989/90. Dieser Rechtsruck war übrigens katastrophal auch für die westdeutsche Arbeiterklasse und Mittelschichten, was sich erst heute in voller Wucht auswirkt. Seit jenem Rechtsruck gibt es keine Frage des antifaschistischen Kampfes um Demokratie, die uns nicht auf die aus den Potsdamer Beschlüssen geborene innere Verfasstheit der DDR zurückführen muss, bevor sie im antifaschistischen, demokratischen und antimilitaristischen Sinne für ganz Deutschland künftig gelöst werden kann. Diese Lösung zu formulieren und zu erkämpfen ist Inhalt eines antifaschistischen Bündnisses. Die Ausklammerung des Sozialismus aus dieser Zielsetzung ist nicht möglich.
Es gab und gibt natürlich eine permanente Rechtsentwicklung in der BRD, das ständige Weiterfressen der Konterrevolution, die immer irrationalere Diktatur der Reaktion auf ganzer Linie, ohne die die Monopolbourgeoisie ihre Macht nicht halten könnte. Aber eben das ist ja die beständige Tendenz der Faschisierung, die durch jenen tatsächlichen Rechtsruck 1989/90 auf eine neue Stufe gehoben wurde. Sie erhielt damals Spielräume, die erst heute wieder auf internationalem Boden zunehmend in die Schranken gewiesen werden.
Die Weltlage macht also einerseits notwendig, dass unser Antifaschismus auf dem Boden des proletarischen Internationalismus steht.
Die Unterordnung des deutschen Imperialismus unter den US-amerikanischen, der Umstand, dass er seine Expansionsgelüste nur über den Hebel der NATO-Mitgliedschaft und die EU verwirklichen kann, die Präsenz US-amerikanischer Truppen und Kriegsbasen und der NATO auf deutschem Boden UND die gleichzeitig fortgeführte Kolonisierung der Bürger der DDR durch den Westteil machen es andererseits notwendig, dass unser Antifaschismus alle Aspekte der nationalen Frage(n) wieder auf die Tagesordnung setzt.
In diesem Sinne haben wir jetzt, in einer weit vorgeschrittenen Vorbereitungsetappe des Faschismus, auch alle verbliebenen linken Kräfte einer unnachgiebigen Prüfung zu unterziehen. „Linke“ Duldung der fortgesetzten Konterrevolution in allen Bereichen darf nicht länger durch ein „antifaschistisches“ Mäntelchen kaschiert werden. Es gilt in der Bündnisarbeit die Regel: Wo wir nicht sind, ist die Konterrevolution. Entsprechend müssen wir uns verhalten.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Klaus Linder ist Vorsitzender des Landesverbandes Berlin des Deutschen Freidenker-Verbandes
Bild: Collage von Ralf Lux unter Verwendung von:
Klaus Linder während seines Vortrages „Die Leere der Frankfurter Schule“ am 28.04.2018 in Hannover anlässlich der Konferenz „Individuum und Gesellschaft – Menschenbild und Persönlichkeitstheorie im Marxismus“ des Deutschen Freidenker-Verbandes
Screenshot aus einem Video der Arbeiterfotografie: https://www.youtube.com/watch?v=rQppbDRGOUA – © Arbeiterfotografie.com
Kopf der Zeitschrift „Rotfuchs“
Gemeinfrei, Quelle: https://de.wikipedia.org/w/index.php?curid=4925938