Meinungsmache in der Praxis
Wollen die Deutschen wirklich härtere Corona-Maßnahmen?
Springers „Welt“ präsentiert Ergebnisse der aktuellen Deutschlandtrend-Umfrage. Dabei schreckt das Blatt vor Demagogie nicht zurück, um breite gesellschaftliche Zustimmung zu einer deutlichen Verschärfung der Corona- und Klimaschutzmaßnahmen zu suggerieren.
von Christian Harde
Erstveröffentlichung am 06.11.2021 auf RT DE
Politik und Mainstream überschlagen sich seit Tagen mit neuen Horrormeldungen über steigende Inzidenzen und volle Krankenhäuser. In dieser Lage kann und will die Welt nicht zurückstehen und heizt mit einer tendenziösen Interpretation einer fragwürdigen Meinungsumfrage die Panik-Kommunikation weiter an. Eine Verschärfung der Maßnahmen sei dringend geboten. Es geht um den aktuellen Deutschlandtrend von Infratest dimap, der im Auftrag von Welt und ARD-Tagesthemen erstellt wurde. Bemerkenswert erscheint darüber hinaus am Konzept dieser Umfrage, dass ohne ersichtlichen Grund eine Verbindung zum Klimaschutz hergestellt wird.
Hatte es in letzter Zeit im Hause Springer zumindest hin und wieder kritische Töne zu den Corona-Maßnahmen gegeben, so ist man beim Flaggschiff des Verlages nun wieder ganz auf Linie: Die Prämissen der herrschenden Politik werden nicht (mehr) in Frage gestellt.
Der Welt-Artikel beginnt damit, dass die von der Regierung behauptete Verschärfung der Corona-Lage als eine Tatsache hingestellt wird. Gleich zu Anfang überschlägt sich das Springer-Blatt in Demagogie:
„Angesichts rasant steigender Infektionszahlen schwindet bei den Deutschen die Nachsicht gegenüber Ungeimpften.“
Impfungen seien keine „bloße Privatsache“. 57 Prozent „der Bürger“ – eigentlich nur der Umfrageteilnehmer – seien angeblich für eine Verschärfung der Corona-Maßnahmen durch eine allgemeine Impfpflicht für alle ab 18 Jahren.
Ein scheinbar eingängiges Bild liefert die Zuordnung der Antworten nach parteipolitischen Vorlieben: Der gesellschaftliche Mainstream (CDU/CSU, SPD, Grüne) macht 80 Prozent aus und scheint den Regierungskurs bedenkenlos stützen. Doch auch Anhänger der Linken (59 Prozent) und der FDP (70 Prozent) stünden mit deutlicher Mehrheit hinter der Regierungspolitik. Angeblich machten mit lediglich 31 Prozent Zustimmung zur Impfpflicht nur die Sympathisanten der AfD eine Ausnahme. Skepsis, gar Ablehnung der Corona-Regierungspolitik sind, wenn man der Welt glauben mag, also nur im Umfeld der AfD zu finden – ein seit Beginn der Anti-Corona-Proteste bekannter demagogischer Trick zur Diffamierung oppositioneller, maßnahmenkritischer Meinungen.
Interessant ist ein Stimmungsumschwung im Vergleich zum Oktober 2021, der von den Demoskopen behauptet wird: Angeblich hält nur noch eine relative Mehrheit der Befragten die Corona-Maßnahmen für „angemessen“. Dieser Wert sei um 14 Prozentpunkte gesunken, während weitere 16 Prozent der Befragten nun schärfere Schritte einforderten und jetzt ein knappes Drittel (29 Prozent) der Befragten ausmachen. Immerhin noch 23 Prozent meinen, dass die Corona-Maßnahmen zu weit gingen – ihre Zahl nahm der Umfrage zufolge um zwei Prozent ab.
Ausgeblendete Fragen
Da es sich bei der Impfpflicht und den damit zusammenhängenden Fragen um weitreichende staatliche Eingriffe in die individuelle Autonomie handelt, wäre es wünschenswert gewesen, auch die methodischen Grundlagen der Umfrage zu diskutieren. Denn mit Verweis auf solche demoskopisch erzeugten, pseudo-objektiven Daten werden politisch wie ethisch höchst fragwürdige, folgenreiche Maßnahmen begründet.
So wäre beispielsweise zu fragen, wie manche Antwort ausfiele, wenn man selbst von den eingeforderten Maßnahmen betroffen wäre. Es ist leicht, etwas von anderen zu verlangen, wovon man selbst nicht betroffen ist. Insofern dürfte manche Fragestellung der Umfrage bestimmte Klischees und Projektionen aktivieren, die dann bei der Beantwortung eine Rolle spielen, und zwar ungeachtet der Tatsache, dass sich viele Angehörige der medizinischen und Pflegeberufe, aber auch viele Lehrer bereits gegen COVID-19 haben impfen lassen.
Interessant ist auch, welche Fragen gar nicht mehr diskutiert werden. Die Voraussetzungen der Corona-Maßnahmen bleiben der Erörterung entzogen und gelten sozusagen als gesetzt. Ein Beispiel dafür ist die Verwirrung, die mit dem Begriff „Angebot“ gestiftet wird. Normalerweise kann man ein Angebot ablehnen, ohne dadurch Nachteile zu erleiden, nur beim sogenannten „Impfangebot“ ist dies nicht der Fall. Denn wer die experimentelle Spritze ablehnt, muss nicht nur soziale Nachteile in Kauf nehmen, sondern hat jetzt massive, ja existenzielle Einschnitte zu gewärtigen.
Auch die Frage, inwieweit die Corona-Impfung tatsächlich gegen das Virus immunisiert, wird nicht gestellt. Aktuell sehen wir, wie wenig den Versprechungen der Politik, aber auch der Impfstoffentwickler zu trauen ist, da ja der dauerhafte Schutz – spätestens nach der zweiten Injektion – anders als versprochen ganz offensichtlich nicht gegeben ist. Ebenso wenig wird erörtert, ob und gegebenenfalls in welchen Fällen eine Impfung überhaupt medizinisch sinnvoll ist.
Die Nebenwirkungen der Impfungen werden von der Welt nicht thematisiert, sondern wie üblich aus der Debatte ausgeblendet. Dabei sind nicht nur die im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang stehenden Folgen der verharmlosend „Piks“ genannten Injektionen erschreckend oft schwer, bisweilen sogar tödlich. Bestimmte mögliche Langzeitfolgen der experimentellen, nur bedingt zugelassenen Impfstoffe werden von kritischen Experten benannt, doch liegt es in der Logik der Sache, dass diese langfristigen Nebenwirkungen der neuen Präparate zum jetzigen Zeitpunkt noch gar nicht bekannt sein können, da sie Studien über mindestens fünf, wenn nicht zehn Jahre voraussetzen.
Von der „COVID-19-Pandemie“ zum „Klimaschutz“
Perfide ist der Dreh, den die Welt der Motivationslage der Umfrageteilnehmer zuzuschreiben sucht: Angeblich geht es den Befragten weniger um sich selbst, sondern – dem seit Beginn der Corona-Krise pervertierten Sprachgebrauch von „Solidarität“ folgend – um den Schutz Älterer, die schwer erkranken könnten, oder um die Vermeidung einer Überlastung des Gesundheitssystems. Diese Floskeln sind nach fast zwei Maßnahme-Jahren so eingeschliffen, dass sie für Befrager und Befragte als selbstverständlich gelten und nicht mehr in Frage gestellt werden.
Über den Appell an die Solidarität wird die Brücke zum nächsten Aufregerthema geschlagen, dem „Klimaschutz“. Die Verbindung beider Krisen wird spätestens seit dem Sommer 2021 intensiv von offizieller Seite vorbereitet: die Corona-Krise als Eingewöhnung und Vorstufe rigider klimapolitischer Maßnahmen.
Seit dem nicht nur massenmedial – um das Wort hier einmal zu gebrauchen – „geboosterten“ Aufstieg der Jugendbewegung „Fridays for Future“ im Jahr 2019 erreicht das Klima-Panik-Niveau ständig neue Höhen, wie aktuell die UN-Klimakonferenz in Glasgow und die Berichterstattung von dort zeigen. Angeblich meinen 83 Prozent der von Infratest dimap Befragten, dass der „Handlungsbedarf beim Klimaschutz“ „sehr groß“ oder zumindest „groß“ sei. Und 67 Prozent der Befragten sind der Ansicht, die Regierung müsse mehr auf diesem Feld tun. 23 Prozent wünschen sich dagegen keine Veränderung in ihrem eigenen Leben.
Auffällig ist bei den von den Demoskopen ermittelten Zahlen die Parallelität der Zustimmungswerte beim Corona- wie Klima-Thema: Jeweils um die 80 Prozent stimmen der Regierung und den ihr angeschlossenen Medien zu, wohingegen ein knappes Viertel der Befragten – oder der Gesellschaft? – die jeweiligen Maßnahmen ablehnt.
Allerdings seien 57 Prozent der Meinung, sie hätten ihren Lebensstil bereits hinreichend geändert, weshalb sie zumindest klimapolitisch keine größeren Anpassungen mehr leisten müssten.
Die Welt rätselt, wie es zu solch einer „Reserve gegenüber einer entschiedenen Klimaschutz-Politik“ kommen kann. Ob mit Befriedigung oder Bekümmerung, jedenfalls vermeldet das Springer-Blatt die gegenwärtig sinkenden Zustimmungswerte des grünen Spitzenpersonals – und sieht eine Verbindung zur angekündigten schärferen Klimapolitik. Robert Habeck habe nur noch einen Zufriedenheitswert von 42 Prozent erhalten, während Annalena Baerbock gerade einmal auf einen Zustimmungswert von 30 Prozent kommt. Angesichts der gleichen Ausrichtung vieler Aspekte der Corona- und Klimamaßnahmen ist die Irritation im Hause Springer über sinkende Zustimmung zur herrschenden Politik verständlich.
Es hat den Anschein, als habe man bei der Welt den Schuss gehört, der kürzlich bei der Bild losgegangen ist. Der Rauswurf des Chefredakteurs des Schwesterblatts, offensichtlich auch eine Reaktion auf dessen regierungs- und mainstreamkritische Corona-Berichterstattung und -Kommentierung, scheint seine Wirkung nicht verfehlt zu haben. Das Vorzeigeblatt des Springer-Konzerns ist wieder auf Linie bei der Hysterisierung und Infantilisierung der gesellschaftlichen Debatte, ob es nun um Corona oder das Weltklima geht.
Die Art und Weise, wie die Welt den aktuellen Deutschlandtrend präsentiert („Framing“), kann als mustergültiges Beispiel für Meinungsmache und das Funktionieren der politisch-medialen Konsensmaschine gelten.
Christian Harde arbeitet mit dem Deutschen Freidenker-Verband im Rahmen der Kampagne „Kein Aufmarschgebiet gegen Russland!“ zusammen
Link zur Erstveröffentlichung: https://de.rt.com/meinung/126732-meinungsmache-in-der-praxis-wollen-die-deutschen-haertere-corona-massnahmen/
Beitragsbild oben: pixabay.com / geralt / Pixabay License