Frieden - Antifaschismus - Solidarität

Gedanken zur aktuellen wirtschaftlichen, politischen und militärischen Lage

Anlässlich des 31. Jahrestages der „Herstellung der Einheit Deutschlands“ veranstaltete das Ostdeutsche Kuratorium von Verbänden e.V. am 3. Oktober 2021 eine „Alternative Einheitsfeier“, die unter dem Motto »Nieder mit der imperialistischen Konfrontationspolitik – für eine bessere Zukunft« stand. Von dieser Veranstaltung haben wir schon einen Bericht von Rainer Rupp veröffentlicht, der im Wesentlichen den Wortlaut der Rede von Liane Kilinc enthielt (siehe https://www.freidenker.org/?p=11413 )

Rainer Rupp hat dort aber auch selbst eine Rede gehalten, die als Videoaufzeichnung vorliegt und deren Manuskript wir hiermit veröffentlichen. Das Manuskript und die tatsächlich gehaltene Rede weichen an einigen Stellen voneinander ab.

Die Webredaktion


Video: Konstrukteure AS
Direktlink zum Video auf YouTube: https://youtu.be/o73Kr_Sq_ms

Gedanken zur aktuellen wirtschaftlichen, politischen und militärischen Lage

Rede von Rainer Rupp

„Panta rhei“, das wussten schon die alten Griechen. Als gelernte DDR-Bürger, liebe Genossinnen und Genossen, wisst Ihr, was das bedeutet. Für die Jüngeren unter uns, die das nicht mehr in der Schule gelernt haben, oder womöglich wie ich in der bildungsarmen BRD aufgewachsenen sind, folgt hier die Übersetzung. Panta rhei heißt wörtlich: „Alles fließt“, alles ist unaufhörlich in Bewegung. Die Welt steht nicht still. Dinge, Wesen und Zustände entstehen und vergehen unablässig. „Panta rhei“ ist ein Grundpfeiler der marxistischen Erkenntnistheorie und Bertolt Brecht hat das Thema wunderbar in seinem Lied von der Moldau verarbeitet: „Am Grunde der Moldau da rollen die Steine, … Das Große bleibt groß nicht und klein nicht das Kleine. … Es wechseln die Zeiten, da hilft kein Gewalt“.

Die meisten gesellschaftlichen Veränderungen bahnen sich über viele Jahre, oft über Jahrzehnte an, in unmerklichen Schritten, bis schließlich ein Zustand erreicht ist, wo ein einziger, zusätzlicher Tropfen das Fass zum Überlaufen bringt und die Quantität der vielen Tropfen zu einer neuen Qualität führt und die bestehenden Verhältnisse nachhaltig verändert.

Nach meinen Beobachtungen und Einschätzungen leben wir aktuell in einer Phase, in der eine Reihe von „Fässern“ der westlichen, selbsternannten, „Wertegemeinschaft“ bereits am Überlaufen sind oder kurz davorstehen.

Ob in den USA oder in den Ländern der EU, überall nähert sich die Unzufriedenheit der Bevölkerung gefährlich der Überlaufmarkierung. Die Gründe dafür liegen in einer Reihe von schweren gesellschaftlichen, sozialen, finanzwirtschaftlichen und politischen Deformationen. Diese sind fast alle auf die herrschende Markt-Ideologie des Neoliberalismus zurückzuführen, die inzwischen totalitär alle Lebensbereiche dominiert: von der Wirtschaft über die Bereiche Soziales, Bildung und Gesundheit bis hin zu Kultur und Sport.

Unsere westlichen Wirtschaften sind vollständig „durchfinanzialisiert“, um auf Kosten der kleinen Leute für die Konzerne und Rentiers eine Maximierung des Profits zu erzielen.

Der massenhafte Verkauf von öffentlichem Wohneigentum an private Konzerne, die anschließend die Mieter abzocken und wobei der Staat angeblich „hilflos“ zuschauen muss, ist nur eins von vielen Beispielen, die dieses durch und durch kaputte System charakterisieren.

Die Definition des Neoliberalismus ist mit Absicht derart komplex, dass sie ein Laie nicht versteht. Auf den Punkt gebracht bedeutet Neoliberalismus eine besonders brutale Form des ungezügelten Kapitalismus, in dem jeder und alles seinen Preis, und nichts mehr einen Wert hat. So werden selbst profitable Unternehmen von Finanzakrobaten übernommen, um sie direkt im Anschluss zu zerschlagen. Vorher werden natürlich die Patente und Immobilien der Firma zusammen mit den übrigen Restwerten versilbert. Denn mit dem so erzielten Verkaufserlös der Firma kann dann an der Börse gezockt und in der Regel weitaus bequemer viel höhere Gewinne erzielt werden als in der realen Produktion, in der man sich auch noch mit lästigen Arbeitern und Angestellten herumquälen muss. Was aus den arbeitslos gewordenen Arbeitern anschließend wird, kümmert die Herren „Investoren“ nicht.

Allerdings ist dieses neoliberale Wirtschaftssystem inzwischen so kaputt, dass es von den USA, über Europa bis Japan nur noch durch immer höhere Finanzspritzen der Zentralbanken vor dem Kollaps bewahrt wird. Denn nach der großen Finanz-, Wirtschafts- und Staatsschuldenkrise von 2008 – 2011 hat sich die westliche Politik nicht imstande gezeigt, die grundlegenden Ursachen der Krise zu korrigieren, geschweige denn zu beseitigen.

Hier möchte ich an Tucholskys Spruch erinnern: »Sie dachten, sie seien an der Macht, dabei stellten sie nur die Regierung.« Aber für wen stellen unsere selbst ernannten Eliten sie heute die Regierung?

Heute sind es schon lange nicht mehr die Bosse der Stahl- oder Pharmakonzerne, die hinter den Kulissen die eigentliche politische Macht in den Händen halten, es sind auch nicht die Vorstände der Digital-Unternehmen und Sozial-Medien. Vielmehr sind es die Bosse und Anteilseigner der Finanzkonzerne, denn die haben überall, in jedem anderen Konzern ihre Finger und bestimmen dort maßgeblich die Marschrichtung nicht nur der Unternehmenspolitik, sondern auch der Politik unseres Landes.

Erschwerend für die Situation unseres Landes kommt hinzu, dass das deutsche, aber auch das ganze europäische Banken- und Finanzsystem existentiell vom Wohlwollen der USA und deren Zentralbank abhängt. Da also die Banken von allen Industriebranchen den größten Einfluss auf die nationale Politik haben, die Banken selbst aber an der Nabelschnur der USA hängen, erklärt sich von selbst, warum eine unabhängige, deutsche oder europäische Außenpolitik im herrschenden System schlicht unmöglich ist, wenn sie nicht den Interessen Washingtons entspricht.

Das erklärt ebenfalls, warum die Politik in Berlin so gut wie jeden antirussischen Wink aus Washington befolgt, auch wenn z.B. durch Wirtschaftssanktionen die Existenz vieler unserer nach Russland exportierenden Firmen und davon abhängigen Arbeitsplätze gefährdet werden. Das sind in unserem herrschenden, ganz auf die USA abgerichteten Geld- und Finanzsystem zu vernachlässigenden Größen.

Berlin und die anderen Europäer werden weiter Vasallen Washingtons bleiben, solange die Banken so viel politische Macht haben, die nur durch eine Verstaatlichung gebrochen werden könnte.

Die Macht der Finanzkonzerne auf die Politik erklärt auch, warum die laschen und teils ganz fehlenden Finanzkontrollen und Vorschriften, die zur schweren Krise von 2008 geführt hatten, seither nicht korrigiert worden sind. Folglich haben sich in den letzten zehn Jahren immer größere Probleme angehäuft, die einen vervielfacht schlimmeren Zusammenbruch des westlichen Wirtschafts- und Finanzsystems unumgänglich machen. Um diesen Moment des Einsturzes des immer höheren Kartenhauses zu verhindern, haben die Zentralbanken, vor allem die US-Fed von Jahr zu Jahr das Finanzsystem mit größeren Summen frisch gedruckten Geldes überschwemmt.

Zuletzt hat Anfang 2020 die Entdeckung der „Corona-Pandemie“ der Politik neue Spielräume eröffnet und ihr erlaubt, den Tag der Abrechnung weiter nach hinten zu verschieben. So konnte auch in Deutschland die Regierung den nimmersatten Konzernen und Geldhäusern noch größere Geldsummen zu Nullzinsen, oder sogar zu Negativzinsen in den Rachen schmeißen, ohne sich dafür groß rechtfertigen zu müssen.

So kommt das wundersame Ergebnis zustande, dass die Reichen und Superreichen ausgerechnet während der angeblichen „Pandemie“ noch sehr viel reicher geworden sind, während zugleich der gesellschaftlichen Mittelschicht der Boden unter den Füßen weggezogen wurde und die Armen noch ärmer geworden sind.

Andererseits ist nur ein Bruchteil der zu einer kolossalen Blase aufgeblähten Geldvermögen in den Händen der Reichen in reale Werte wie Immobilien, Wertpapiere, Edelmetalle und Kunstwerke investiert. Der Rest des Geldes ist heiße Luft, die verzweifelt nach lukrativen Anlagemöglichkeiten sucht, weshalb trotz allgemein herrschender Krisenstimmung z.B. an den Aktienbörsen seit Jahren ein Rekordhöchststand auf den nächsten folgt. Zugleich wird immer mehr „heiße Luft“ benötigt, um das System weiter zu tragen. Aktuell wird z.B. das US-Finanzsystem von der US-Zentralbank immer noch mit monatlich 120 Milliarden Dollar Finanzspritzen zu quasi Null-Zinsen über Wasser gehalten.

So werden die Krücken, auf denen das System ruht, immer höher und wackliger und ein unvorhergesehener Schock kann alles zum Einsturz bringen. Auch die westlichen Eliten in Wirtschaft und Politik wissen, dass das unausweichlich in einer Katastrophe enden wird. Auf dem US-Finanzportal „Zerohedge“ beschrieb vor einem Jahr ein Insider der Finanzindustrie selbstkritisch die Lage.

Demnach wissen alle Hedgefonds-Manager, dass sie auf dem Musikdeck der Titanic tanzen. Sie kennen das Schicksal des Schiffes. Aber solange die Musik spielt, machen sie großes Geld. Das müssen sie machen, denn wenn sie Vorsicht walten lassen und abseitsstehen, machen nur die anderen die großen Gewinne und sie selbst werden vom System bestraft. Da jedoch alle die wachsende Gefahr kennen, versucht jeder möglichst nahe am Ausgang zu tanzen, um beim geringsten Zeichen des Zusammenstoßes mit dem Eisberg als Erster in einem Rettungsboot zu sitzen.

In unserer neoliberal dominierten Gesellschaft, in der soziale Verantwortung ein Fremdwort geworden ist, herrscht aktuell stärker denn je eine „nach-mir-die-Sintflut-Mentalität“: so-lange ich meine Schäfchen im Trockenen habe, ist mir alles egal. Aber je länger das Ende, bzw. die Säuberung des Finanzsystems hinausgezögert wird, desto katastrophaler wird der Zusammenbruch sein.

Auch sollte jeder Politiker wissen, dass man den Wohlstand eines Landes nicht mit der Gelddruckmaschine herbeidrucken kann, auch wenn man das auf dem Papier mit angeblichen Wachstumszahlen den Leuten vorgaukeln kann. Das Gegenteil von Wohlstand ist die Folge dieser Politik. Konsequent versuchen daher die Finanz- und Politeliten den Tag der Abrechnung mit immer neuen Tricks und Täuschungsmanöver hinauszuschieben, z.B. aktuell mit dem angekündigten „Grünen Deal“, um von den eigentlichen Problemen unserer Gesellschaft abzulenken.

Derzeit ist nirgendwo eine politische oder gesellschaftliche Kraft in Sicht, die auch nur annähernd stark genug wäre, um den kommenden Zusammenbruch zu verhindern. Wie üblich in solchen Fällen, wird das Gros der einfachen Leute am stärksten getroffen werden, während die selbsternannten Eliten bereits in Ihren „Rettungsbooten“, bzw. in ihren Privatflugzeugen auf dem Weg nach Neuseeland sitzen, wo in den letzten Jahren immer mehr Superreiche ihre palastartigen Festungen gebaut haben. Denn Neuseeland gilt im Fall von weltweiten, schweren sozialen Unruhen als der sicherste Ort.

Zusammenfassend wäre zu diesem Kapitel zu sagen, dass sich die sozial- und finanzpolitischen Probleme stark zugespitzt haben und das Fass nicht mehr viele Tropfen braucht, um überzulaufen.

In der Geo-Politik ist dagegen das neoliberale Fass der US-geführten, „regelbasierten internationalen Ordnung“ unter dem Eindruck der Ereignisse in Afghanistan bereits übergelaufen, mit absehbaren Folgen für das US-geführte Imperium.

Dabei geht es weniger um die Tatsache, dass Kabul gefallen ist. Das war zu erwarten. Es geht auch nicht darum, wie schnell Kabul gefallen ist. Auch dafür hatte es hinreichend ernste Warnungen gegeben, die jedoch ignoriert wurden. Es geht vielmehr darum, unter welchen erbärmlichen Umständen die einzige Supermacht und „unverzichtbare Nation“ USA zusammen mit ihren großspurigen NATO-Vasallen in einer chaotisch organisierten Flucht und mit der Nase im Dreck, die afghanische Hauptstadt verlassen haben, unter schäbiger Zurücklassung von Hunderten von eigenen Bürgern und Tausenden von treuen Ortskräften.

Es war die Art und Weise, wie die USA und ihre NATO-Verbündeten Afghanistan verlassen haben, die den Glitzervorhang der westlichen Wertegemeinschaft weggeblasen hat und der ganzen Welt den Blick auf die eiternde Fäulnis der darunter liegenden „regelbasierten, internationalen Ordnung“ freigegeben hat. Ein kurzer Rückblick ins Jahr 1989 macht dies deutlich.

1989 war das Jahr, in dem die Sowjetunion ihren Rückzug aus Afghanistan beendet hatte. Damals lag die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken bereits im Sterben. Dennoch gelang es ihr immer noch, den Rückzug auf geordnete Weise zu vollenden. Zuletzt überquerte eine symbolische, lange Kolonne russischer Schützenpanzer die Brücke von Afghanistan nach Usbekistan. Generaloberst Gromow, der russische Oberkommandeur der Militärexpedition, verließ als Allerletzter mit seinem Schützenpanzer Afghanistan und verkündete dann den versammelten Journalisten, dass kein einziger russischer Soldat zurückgeblieben ist.

Auch ohne russisches Militär und trotz US-Hilfe für ihre Gegner hielt sich die kommunistische Nadschibullah-Regierung in Kabul noch 3 Jahre und überdauerte sogar, wenn auch nicht lange die Auflösung der Sowjetunion.

Zurück in die Gegenwart.

Tatsächlich ist der Prestige- und Vertrauensverlust, den die USA und die NATO in den letzten Tagen wegen des Debakels in Kabul zu verzeichnen haben, enorm. Noch schlimmer fällt das desaströse Management des Abzugs und die zu Tage getretene Inkompetenz der militärischen und politischen Führungskräfte der NATO-Länder in die Waagschale, angefangen von Außenminister Heiko Maas und Verteidigungsministerin AKK über Premierminister Boris Johnson bis hin zu US-Präsident Biden und seine Minister Antony Blinken (Außenpolitik) und Lloyd Austin (Verteidigung).

Besonders blamabel ist: während sich die Tragödie in Kabul bereits abzeichnete, hatten sich Pentagon-Chef Lloyd Austin und sein höchster Offizier, der Chef der Vereinigten Stabschefs der vier US-Waffengattungen, General Jack Milley, anderen Problemen zugewandt. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt der Unterstützung der auch im US-Militär stark polarisierenden, so genannten „Woke-Diskussion“. Dabei geht es um neue Regeln und Verhaltensvorschriften für Soldaten der US-Streitkräfte, die sich selbst als „LGBTQIA+ Menschen“ zu erkennen geben. LGBTQIA sind die englischen Anfangsbuchstaben für Lesbisch, Schwul, Bisexuell, Trans*, Queer, Inter* und Asexuell. Das Plus-Zeichen am Ende steht für die etwa vier dutzend angeblicher Gender, die z.B. vor etwa einem Jahr von der grünen Tageszeitung TAZ identifiziert und aufgelistet worden waren.

Die Biden-Regierung und die Spitzen des Pentagon stehen unter starkem Druck der eigenen Demokratischen Partei, mit neuen Gesetzen zu garantieren, dass die unter dem Begriff LGBTQIA+ zusammengefassten, sexuellen Minderheiten nicht vom Militärberuf ausgeschlossen werden und in allen Angelegenheiten gleichberechtigt sind. Dazu gehören auch banale, aber teure Forderungen wie z.B. die der Transsexuellen nach eigenen Toiletten in den militärischen Einrichtungen, was eine heftige Kontroverse nicht nur im US-Militär, sondern auch in der US-Bevölkerung ausgelöst hat. Die LGBTQIA+ Debatte, die das zivile Amerika bereits auseinanderdividiert hat, entfaltet nun seine zersetzende Kraft auch im US-Militär.

Bei einer solchen Prioritätensetzung der militärischen und politischen Führung in Washington, und dem zeitgleichen Offenbarungseid der einstigen Supermacht in Afghanistan, ist es kein Wunder, dass man sich jetzt nicht nur in internationalen Medien die Frage stellt wie diese:

„Was bedeutet Afghanistan für die US-Verbündeten in Ostasien?“ (1). Die Japan Times gab darauf die Antwort (2): „Das globale Schlachtfeld hat sich verschoben und die Demokratien der Welt sollten und können sich nicht mehr darauf verlassen, dass Amerika ihre Sicherheit garantiert“. Das gilt offensichtlich auch mit Blick gen Osteuropa, speziell für die Ukraine. Das macht z.B. der Titel eines Artikels auf der Seite des internationalen Finanzportals „Zero Hedge“ deutlich, wo es hieß: „Wird die Ukraine nach dem Rückzug der USA aus Afghanistan vor dem gleichen Problem stehen?“ (3)

Seit alters her heißt es: „Vertrauen aufzubauen dauert Jahre. Aber in Minuten kann das Vertrauen verloren gehen.“

Nach dem weltweit sichtbaren US-Desaster in Afghanistan ist vor allem im Kreis der US-Vasallen und Verbündeten das Vertrauen in die Glaubwürdigkeit der US-Sicherheitsgarantieren verloren gegangen. Unter den politischen und militärischen Eliten dieser Länder werden mit der Zeit die Zweifel in die Verlässlichkeit Washingtons weiterwachsen. Zwecks Erhalts ihrer Machtpositionen in ihren eigenen Ländern werden sie sich mit dem Aufbau guter Beziehungen zu China und Russland absichern, so wie man das seit einigen Jahren bei dem treuen US-Verbündeten Saudi-Arabien beobachten kann.

Diese Entwicklung wird durch eine Reihe von Faktoren zusätzlich verstärkt, die in Richtung eines weiteren Niedergangs der wirtschaftlichen, militärischen und somit politischen Macht der USA weisen:

  • Die zunehmende, immer unerbittlicher werdende Polarisierung der US-Bevölkerung und auch der politischen Kaste entlang ethnischer, sozialer, identitärer und politischer Trennlinien deutet in Richtung wachsender Instabilität, sowohl in der Innen- als auch in der Außenpolitik.
  • Ähnlich wie nach dem desaströsen Abzug aus Vietnam im April 1975 wird es den Falken in Washington schwerfallen, das amerikanische Volk für neue Kriegsabenteuer zu begeistern. Nach dem Fall von Saigon hat es 15 Jahre gedauert, bevor die Kriegstreiber in Washington im Jahr 1990 wieder einen größeren Krieg führen konnten, damals gegen Irak.
  • Zugleich besteht für Washington die Gefahr, dass sich auch seine Verbündeten in Europa zunehmend dem aufstrebendem, von China und Russland geschützten, euro-asiatischen Wirtschaftsraum zuwenden. Eine solche Umorientierung liegt nahe, angesichts der eingangs bereits besprochenen wirtschaftlichen und sozialen Probleme des dahinsiechenden, neoliberalen Systems des Westens.
  • Und zu guter Letzt wird bei allen US-Vasallen und Verbündete die Erkenntnis immer stärker einsickern, dass trotz des gigantischen US-Militärapparats die Vereinigten Staaten gegenüber Russland ihre militärische Überlegenheit bereits verloren haben und dabei sind, diese auch gegenüber China zu verlieren.

In allen offiziellen US-Simulationen eines nicht-nuklearen Krieges gegen Russland in Osteuropa haben in den letzten Jahren die Amerikaner selbst unter günstigsten Annahmen für die eigene Seite nach kurzer Zeit schon eine vernichtende Niederlage erlitten. Und das war noch bevor man den Paradigmenwechsel der aktuellen russischen Revolution in militär-technischen Angelegenheiten in die US-Kriegssimulationen hätte einrechnen können.

Auf Grund bahnbrechender und atemberaubender technologischer Durchbrüche russischer Wissenschaftler und Forscher, haben die Streitkräfte der Russischen Föderation inzwischen eine ganze Bandbreite von einsatzbereiten, neuen Waffen in ihre Kampfformationen eingeführt. Diese Waffen, die sich in Bezug auf russische Taktik und Strategie ideal ergänzen, wurden in den letzten Jahren vielfach unter realen Bedingungen erfolgreich getestet. Weitere Waffensystem stehen kurz vor der Vollendung.

Diese russischen Waffen bestehen z.B. aus einer ganzen Palette von Hyperschallraketen mit unterschiedlichen Techniken, von denen einige, wie die neue Interkontinentalrakete Avangard Geschwindigkeiten von 20 Tausend Stundenkilometer erreichen. Diese neuen Waffen sind einzigartig auf der Welt. Auch die USA haben nichts dergleichen und liegen um Generationen in der Entwicklung zurück. Gegen diese Waffen gibt es keine Verteidigung und es wird auch auf unabsehbare Zeit keine geben, denn diese Waffen sind nicht nur unglaublich schnell. Sie haben auch noch eine andere einzigartige Fähigkeit: sie bewegen sich nicht starr auf einer berechenbaren ballistischen Kurve. Vielmehr können sie blitzschnell die Höhe ändern oder seitlich ausweichen, was die gegnerische Raketenabwehr vor unlösbare Aufgaben stellt.

Zusätzlich sind Russlands neue Raketen extrem treffgenau und sie sind auch gegen elektronische Störmanöver gesichert. Eine Salve von Kinzhal-Raketen, die z.B. im Schwarzen Meer abgeschossen wird, könnte in wenigen Minuten im östlichen Mittelmehr eine ganze US-Flugzeugträger-Angriffsgruppe mit einem Dutzend großer Schiffe versenken. Das ist auch deshalb möglich, weil die Raketen in der Endphase miteinander kommunizieren und sich abstimmen, damit nicht alle Raketen dasselbe Schiff treffen, sondern möglichst viele Ziele zerstört werden.

Mit der Kalibr, eine andere, billige russische Rakete können sowohl See- als auch tief verbunkerte Landziele zerstört werden. Bei der Kalibr handelt es sich um einen Marschflugkörper mit einer Reichweite von 1500 km, der von U-Booten und sogar von kleinen Flussschiffen abgefeuert werden kann.

Über Feindesland fliegt die Kalibr-Rakete unter Radarhöhe mit Unterschallgeschwindigkeit, wobei sie dem Terrain folgt und ständig Kursänderungen vornimmt. In der Nähe ihres Ziels beschleunigt die Rakete auf mehrfache Überschallgeschwindigkeit, wobei sie – im Gegensatz zur üblichen linearen Flugbahn anderer Marschflugkörper – defensive Hochgeschwindigkeitsmanöver mit sehr großem Winkel durchführen kann. Mit anderen Worten, die Rakete ist mit keiner aktuell oder in absehbarer Zeit vorhandenen Technik abzuwehren.

Diese neue Art russischer Raketen haben die traditionell als gegeben angenommene US/NATO – Luftüberlegenheit irrelevant gemacht. Denn damit sind die Kommando-, Kontroll- und Kommunikationszentren der US/NATO wie z.B. die US-Basis Ramstein in Rheinland-Pfalz oder das US-Atomwaffenlager am Flughafen Büchel in der Eifel völlig schutzlos. Gleiches gilt für die NATO-Logistikzentren, Hafenanlagen und Brücken, über die der NATO-Nachschub gegen Russland laufen würde.

Auch die Schiffskonvois, die militärischen Nachschub aus den USA über den Atlantik bringen sollen, sind vor den neuen russischen Raketen nicht zu verteidigen. Die speziell für den Schutz solcher Geleitzüge entwickelten 68 US-Zerstörer der Arleigh Burke Klasse sind durch die neuen russischen Hyperschall-Raketen plötzlich veraltet. Zwar sind die Zerstörer mit hochmodernen Zielerfassungssystemen und Batterien von Anti-Raketen ausgerüstet, um ballistische Raketen oder tief und linear fliegende Anti-Schiff- Marschflugkörper abzuschießen, aber gegen die neuen russischen Raketen, die sich im Zick-Zack-Kurs und mit mehrfacher Schallgeschwindigkeit auf ihr Ziel stürzen, können sie nichts ausrichten.

Zugleich wird das Operationsfeld der US/NATO-Luftwaffen in Richtung Osten auf Grund der Indienststellung bahnbrechender Entwicklungen in der russischen Flugabwehrtechnik sowie modernster Abfangjäger extrem eingeengt. Im Ernstfall müssten die arroganten US/NATO-Strategen ihren Irrglauben von der unangefochtenen eigenen Luftüberlegenheit schnell revidieren. Über Syrien z.B. haben die israelischen und US/NATO-Piloten größten Respekt vor dem alten russischen Flugabwehrsysteme vom Typ S300 und wagen sich nicht in dessen Feuerbereich. Inzwischen sind in Russland aber schon in großer Zahl S400-Flugabwehrsysteme in die Streitkräfte eingeführt worden. Das S400 System ist seinem Vorgänger S300 um einen technologischen Quantensprung überlegen.

Gleiches gilt für die S500, die derzeit getestet und evaluiert wird. All diese Verbesserungen werden ergänzt durch modernste Methoden der elektronischen Abwehr, die den Gegner auf dem Schlachtfeld elektronisch „blind“ machen. Im Ernstfall werden damit Russlands Grenzen und zu schützende, kritische Objekte für westliche Kampfpiloten zur Todeszone.

Mit dieser militärtechnischen Revolution, die inzwischen in die russische Militärdoktrin und operationelle Taktik eingegangen ist, ist es Russland gelungen, auf militärischem Gebiet das zu tun, was seinerzeit Walter Ulbricht im ökonomischen Bereich vergeblich gefordert hatte:

„Überholen, statt einzuholen“.

Den Weg dahin hatte der russische Verteidigungsminister Schoigu das vor einiger Zeit so beschrieben: „Wie brauchen keine Flugzeugträger, sondern etwas, mit dem man Flugzeugträger versenkt“ (4).

Bedenkt man, dass Waffen wie Kinzhal und Kalibr, einen 13 Milliarden Dollar teuren US-Flugzeugträger der Nimitz-Klasse versenken können, die selbst aber nur einen winzigen Bruchteil davon kosten, dann kann man zurecht von einer militärtechnischen Revolution sprechen. Diese Raketen sind getestet und jederzeit einsatzbereit und bereits in ausreichender Zahl vorhanden. Im Fall der Kinzhal kann die Reichweite mit Hilfe des Überschall-Trägerflugzeuges MiG 31 bis tief in den Nordatlantik erweitert werden.

„Diese Rakete wird im Flug ausgeklinkt und steigt dann auf eine Höhe von 18 bis 20 Kilometern. Dabei soll sie zehnfache Überschallgeschwindigkeit erreichen und würde ihr Ziel binnen weniger Minuten treffen. Das überfordert die heutige Raketenabwehr aller Nato-Staaten“, sorgte sich jüngst die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) (5).

Das wirft nicht nur die Kampfstrategien der US-Kriegsmarine vollkommen über den Haufen. In deren Zentrum hatten immer die Flugzeugträger-Angriffsgruppen als schwimmende Luftwaffenbasen gestanden. Jeder Träger der Nimitz-Klasse führt z.B. 80 Kampfflugzeuge mit, davon sind 52 Kampfbomber. Aber nun kann eine Salve von einem Dutzend billiger Kinzhal-Raketen mit einem Schlag alle großen Schiffe der Angriffsgruppe vernichten oder zumindest kampfunfähig machen.

Auch im US-Armee-Kommando Europa, ebenso wie bei den verbündeten NATO-Armeen hat man inzwischen begriffen, dass Präsident Wladimir Putins Warnung in seiner Rede vom 28. März 2018, nämlich Russland nicht weiter in die Enge zu treiben, sonst sei man gezwungen, revolutionär neue Waffensysteme in die Streitkräfte einzuführen, kein Bluff war.

Die neuen russischen Waffen haben auch eine Wirkung auf die Kampfstrategie der US-Armee, die ebenso wie ihre NATO-Verbündeten im Ernstfall immer davon ausgegangen waren, dass ihre Kommando-, Kontroll- und Kommunikationszentren gut gegen Luft- und Raketenangriffe geschützt und der Nachschub aus den USA und die Verbindungswege in Europa gesichert waren. Die Erkenntnis, dass all diese Ziele gegen die billigen, russischen Raketen nicht zu verteidigen sind, muss für die Generäle ein Schock gewesen sein.

Laut der bereits oben erwähnter FAZ hatte sich Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, am Mittwoch, dem 12.Februar 2020, anlässlich des Treffens der NATO-Verteidigungsminister im Brüsseler Hauptquartier „sehr besorgt über die neuen russischen Raketensysteme“ gezeigt. Vor allem sorgte sich laut FAZ NATO-Chef Stoltenberg wegen der neuen Hyperschallwaffen, „wie die Allianz angesichts dieser Bedrohungen eine glaubwürdige Verteidigung“ aufrechterhalten könne, so die FAZ.

Anlässlich der Streitkräfte-Messe 2021 in Moskau sagte Präsident Putin am 23. August 2021, dass Russland die technologische Vorherrschaft in einer Reihe von Bereichen der Militärtechnologie erreicht habe. „Viele dieser Waffen haben anderswo auf der Welt keine Analoga in Bezug auf ihre taktischen und technischen Eigenschaften…. Und nach dem, was wir sehen, kann man fest sagen: Sie (der Westen) werden sie für eine lange Zeit nicht haben.“ (6)

Die beste Verteidigung der NATO wären gute Beziehungen zu Moskau statt Vorrücken bis an die russischen Grenzen. Aber statt auf die von Moskau den USA und dem Westen immer wieder neu gemachten Gesprächsangebote zur Erhaltung und eventueller Verbesserung der Rüstungskontrollverträge einzugehen, haben im Westen die politischen Eliten die Beziehungen zu Moskau mit immer neuen Provokationen und Sanktionen tiefgefroren.

Als im April 2021 die Ukraine mit stillschweigender Zustimmung der USA ihr Militär mobilisierte, um die Ostukraine und die Ukraine zurückzuerobern, hatte Putin in einer Erklärung betont, dass die neuen Waffen ein Schwerpunkt für die russischen Streitkräfte und eine wichtige Abschreckung im Umgang mit potenziell unfreundlichen Staaten seien. Wörtlich fügte hinzu: „Wir haben Geduld, Selbstvertrauen und die Rechtschaffenheit ist auf unserer Seite. … Ich hoffe, dass niemand daran denken wird, rote Linien in seinen Beziehungen zu Russland zu überschreiten. Wo diese Linien verlaufen, das bestimmen wir.“

Dann warnte er die Abenteurer mit den Worten: „Diejenigen, die Provokationen planen, werden ihre Taten auf eine Weise bereuen, wie sie lange Zeit nichts mehr bereut haben“.

Zum Abschluss wollen wir uns fragen: „Was lehrt uns das?“

Die gute Nachricht ist, dass Russland aber auch China gegen einen militärischen Angriff der USA oder der Nordatlantischen Terrororganisation NATO heute weitaus besser geschützt sind als noch vor fünf Jahren. Zu den guten Nachrichten gehört auch, dass der Niedergang des Neoliberalismus und der „regelbasierten internationalen Ordnung“ der westlichen Unwertegemeinschaft nicht mehr aufgehalten werden kann.

Die schlechte Nachricht ist, dass es keinen Lichtblick für unser Land gibt. Egal auf welche Politikbereiche man in Deutschland oder in der EU oder ganz allgemein im Wertewesten blickt, überall zeigt sich erschreckende Dummheit gepaart mit der unausstehlichen Arroganz von Menschen, die sich selbst als moralisch höherstehend begreifen.

Auch scheint dem im Westen herrschenden System eine Gesetzmäßigkeit innezuwohnen, wonach je nach Job nur die Skrupellosesten oder dümmsten Ja-Sager in Führungspositionen gehievt werden.

Zudem sind die meisten unserer Politiker nicht nur inkompetent, sie sind spektakulär inkompetent. Das wird durch einen kurzen Blick auf die aktuelle Ministerriege bestätigt. Erschwerend kommt hinzu, dass die große Mehrheit der Abgeordneten korrupt und eng verfilzt mit Lobbys ist, was ihnen zusätzliche Gelder einbringt. Dem Volk zu dienen, ist wahrhaft ein lukratives Geschäft. Daher eine kleine Warnung zum Schluss:

Wer glaubt, dass die Volksvertreter das Volk vertreten, der glaubt auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten.

Rainer Rupp ist Mitglied des Beirats des Deutschen Freidenker-Verbandes

 

Quellen

(1) https://www.geopoliticalmonitor.com/what-does-afghanistan-mean-for-us-allies-in-east-asia/
(2) https://www.japantimes.co.jp/opinion/2021/08/25/commen-tary/world-commentary/will-london-washington-listen/
(3) https://www.zerohedge.com/geopolitical/will-ukraine-face-same-abandonment-after-us-exit-afghanistan
(4) https://www.rt.com/russia/469353-russia-weapons-aircraft-car-riers/
(5) https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/nato-besorgt-ueber-russische-hyperschallwaffen-16630557.html
(6) https://www.rt.com/russia/532842-russia-expand-navy-nu-clear-subs/?utm_referrer=https%3A%2F%2Fzen.yan-dex.com&utm_campaign=dbr


Bild: Rainer Rupp während seiner Rede am 3. Oktober 2021 in Neuenhagen
Screenshot aus dem Video von Konstrukteure AS