Frieden - Antifaschismus - Solidarität

„Alles ist drin“ – Grüner Menschenrechts-Interventionismus für westliche Vorherrschaft

von Joachim Guilliard

Erstveröffentlichung im Friedensjournal 4/2021, S. 3-5
Hier wiedergegeben: Aktualisierte Fassung vom 13.07.2021 bei Telepolis  [*]

Der Menschenrechtsinterventionismus der Grünen tarnt sich als Kampf für das Gute, dient aber vor allem dem Erhalt der westlichen Vorherrschaft

Parallel zum Parteitag von Bündnis 90/Die Grünen hat vom 11. bis 13. Juni auch der G7-Gipfel im englischen Carbis Bay und wenig später der Nato-Gipfel in Brüssel stattgefunden. Sowohl in Carbis Bay als auch in Brüssel einigten sich die Teilnehmer auf einen aggressiveren Kurs gegen Russland und China. Die Nato stünde, wie es US-Präsident Joe Biden formulierte, im Umgang mit diesen beiden Ländern vor „neuen Herausforderungen“, da beide, „nicht so wie von uns erhofft“ handelten.

Nachdem er die von seinem Vorgänger ausgelösten Irritationen beseitigt hat, will man nun die Kräfte wieder vereinen, um mit allen Mitteln die westliche Vormachtstellung in der Welt zu verteidigen. „Wir sind in einem Wettstreit um den Sieg im 21. Jahrhundert“, so Biden auf dem G7-Treffen, „und der Startschuss ist gefallen.“

Die Grünen machten auf ihrem Parteitag deutlich, dass sie einen solchen Kurs uneingeschränkt unterstützen und dabei als Regierungspartei ein verlässlicher Partner sowohl fürs transatlantisch orientierte deutsche Kapital als auch für die USA wären.

Ihre Gastredner, Ex-Siemens-Chef Joe Kaeser und die frühere US-Außenministerin Madeleine Albright, unterstrichen dies eindrücklich. Der Titel ihres Wahlprogramms zur kommenden Bundestagswahl „Deutschland. Alles ist drin.“ klingt in diesem Kontext geradezu bedrohlich.

Die Grünen sind Meister des doppelten Standards

Dem Zeitgeist entsprechend, den die Grünen wie keine andere deutsche Partei bedienen, sind die Töne im Wahlprogramm moderat. Zentral für die Außenpolitik soll der Vorrang der „Menschenrechte“ sein und die „Stärkung der multilateralen Zusammenarbeit“, vor allem mit den USA.

Ihre „Außen- und Sicherheitspolitik“ ziele „darauf, Konflikte zu verhindern“ und setze daher auf „Vorausschau“ und „nachhaltige Entwicklung“. Auch von „ziviler Krisenprävention“, „Konfliktverhütung“ und „Friedenskonsolidierung“ ist die Rede.

Die Grünen präsentieren sich generell gerne als die Partei, die sich den Einsatz für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte auf ihre Fahnen geschrieben hat, und entfalten dabei einen geradezu missionarischen Eifer. Auffällig ist jedoch, dass ihr Ansatz sehr selektiv ist. In erster Linie geraten nur Länder in ihren Fokus, die nicht zum Kreis der Bündnispartner zählen.

Ein typisches Beispiel waren die sehr unterschiedlichen Reaktionen bezüglich des Vorgehens chinesischer Sicherheitskräfte gegen die Krawalle in Hongkong 2019 und ihrem französischen Pendant gegen gleichzeitige Demonstrationen der „Gelbwesten“.

Obwohl die Proteste in Hongkong, wo u.a. U-Bahn-Stationen in Brand gesteckt worden waren, ungleich gewalttätiger waren, als in Frankreich, führte die chinesische Polizeigewalt zu Parlamentsanträgen und Sanktionsforderungen gegen China, während man Kritik an der kaum weniger heftigen Polizeigewalt in Frankreich vergebens sucht. [1]

Die Rede ist zudem nur von bürgerlichen Rechten. Als Maßstab für Entwicklung eines Landes dient allein die im Westen etablierte liberale, marktwirtschaftliche, bürgerlich-parlamentarische Gesellschaftsordnung, die in der Auseinandersetzung um andere gesellschaftliche Ansätze zum „westlichen Wertesystem“ erhöht wird.

In welchem Maß in den ins Visier genommenen Ländern soziale Menschenrechte gelten, spielt keinerlei Rolle. Was bedeutet es schon, dass China in den letzten Jahrzehnten 800 Millionen Menschen aus extremer Armut befreit hat, Syrien bis 2011 ein entwickeltes Land war, in dem eine Vielfalt von Völkern und Religionen relativ friedlich zusammenlebten, oder die Libyer:innen unter Gaddafi den höchsten Lebensstandard ganz Afrikas genossen.

All dies zählt nicht, wenn sie sich nicht den vom Westen vorgegebenen Gepflogenheiten, Normen und Interessen unterordnen wollen.

„Führerschaft der USA und Europas“

Auch den Grünen, die erklärtermaßen außenpolitisch fest an der Seite der USA stehen, dient die Menschenrechtsrhetorik letztlich wirtschaftlichen und geostrategischen Interessen. Madeleine Albright machte als Gastrednerin unmissverständlich deutlich, um was es den herrschenden transatlantischen Kreisen geht.

Als Erstes müsste die Führerschaft der USA und Europas einschließlich Deutschlands wiederhergestellt werden. [2] Denn „keine andere Gruppe von Nationen“ habe „sowohl die historische Identifikation mit der Freiheit als auch die geografische Reichweite, um demokratische Institutionen in jeder Region zu inspirieren und zu stärken.“

Damit spielte die „Grande Dame“ der US-Außenpolitik offensichtlich auf die Möglichkeiten der USA und der EU-Staaten an, direkt oder indirekt via regierungsnahen NGOs, verbündete Kräfte in gegnerischen Ländern aufzubauen und mit ihnen unliebsame Regierungen unter Druck zu setzen oder gar durch „bunte Revolutionen“ zu stürzen.

Der wiederherzustellenden Hegemonie stehen natürlich alle Länder, die sich der Führerschaft nicht unterordnen wollen, direkt im Wege und müssen als Gegner behandelt werden, vorneweg die potentesten Störenfriede, Russland und China.

Gegen den Aufstieg Chinas

Unschwer lässt sich daher hinter der aggressiven Haltung der Grünen gegenüber China die Sorge vor den enormen Erfolgen und dem wachsenden Einfluss des Riesenlands zu erkennen. So warnt Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock vor dessen großem Investitionsprojekt der „Neuen Seidenstraße“. Vor allem von der Art seiner Wirtschaftspolitik gehe eine Gefahr aus.

Die Volksrepublik würde versuchen Abhängigkeiten bei anderen Ländern zu schaffen, etwa durch Investitionen in Infrastruktur. Das soll natürlich weiterhin dem Westen vorbehalten bleiben.

Unermüdlich nimmt sie daher zusammen mit Co-Parteichef Robert Habeck und anderen führenden Politiker der Partei die auf Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen gerichtete Chinapolitik der Bundesregierung unter Beschuss. Die führenden Grünen sind auch strikt gegen das EU-China-Investitionsabkommen. Besonders aggressiv agiert auf EU-Ebene der grüne EU-Abgeordnete Reinhard Bütikofer.

Gemeinsam mit antichinesischen Hardlinern aus den USA, wie dem neokonservativen Senator Marco Rubio, spielte er eine führende Rolle bei der Gründung der Inter-Parliamentary Alliance on China (IPAC), einem gegen China gerichteten Bündnis transatlantischer Parlamentarier aus mittlerweile 16 Staaten.

Bütikofer und die grüne Bundestagsabgeordnete Margarete Bause fungieren als Ko-Vorsitzende, dieser ansonsten überwiegend aus rechten und liberalen Abgeordneten gebildeten Pressure Group für schärfere Sanktionen. Erklärtes Ziel der IPAC ist es, eine „koordinierte Antwort“ auf den Aufstieg Chinas zu fördern.

Parallel dazu haben führende Grüne auch ein Netzwerk gegen Russland aufgebaut. Federführend sind hier die ehemalige grüne Bundestagsabgeordnete Marie-Luise Beck und ihr Ehemann, der frühere Bürgermeister von Bremen, Ralf Fücks, einer der vielen Ex-Maoisten unter den prominenten Grünen.

Die beiden gründeten zu diesem Zweck die Denkfabrik „Zentrum Liberale Moderne“, das sich u.a. für härtere Zwangsmaßnahmen gegen Russland einsetzt und die Opposition in Russland und Weißrussland direkt unterstützt.

Washingtons Hoffnungsträger

Indem die Grünen sich dafür stark machen, nationale wirtschaftliche Interessen dem Kampf gegen Russland und den Aufstieg Chinas unterzuordnen, beflügelt ihr Höhenflug in Washington die Hoffnungen für die Zeit nach Merkel. Sie seien eine „pragmatische Partei mit einem entschlossenen Ansatz in der Außenpolitik“, welche „der deutschen Mitgliedschaft in der Nato und einer starken transatlantischen Allianz verpflichtet“ sei, lobte sie jüngst die New York Times.

Mit der Vehemenz, wie sie Russland und China wegen Demokratie und Menschenrechte angreifen, seien sie weniger eine „vegetarische Fraktion der Christdemokraten“, wie einige meinen, als ein Pendant der Neocons in den USA.

Da die Grünen mehr auf multinationale Ansätze, UNO etc. setzen, stimmen ihre Positionen jedoch eher mit denen der Falken in der Demokratischen Partei, wie die ehemalige Außenministerin Hillary Clinton, und ihrem Menschenrechtsimperialismus überein. [3]

Speerspitze im neuen „Kalten Krieg“

Als die Partei gegründet wurde, engagierten sich die deutschen Grünen für ein Ende des Kalten Krieges und verdammten die Feindbilder, mit denen Deutschlands frühere Feinde bedacht wurden. Heute zählen sie zu denen, die am vehementesten Feindbilder pflegen, gegen Russland und andere Staaten.

Sie befeuern die aggressive Politik gegen gegnerische Länder und Regierungen, indem sie die Narrative der dortigen prowestlichen Oppositionellen stützen und selbst krudeste Verschwörungstheorien, wie die, eines angeblich von Moskau angeordneten Giftanschlags auf Nawalny, offensiv verbreiten.

„Sie haben es zu einer wahren Meisterschaft gebracht, die Moral für sich zu reklamieren“, so der Bundestagsabgeordnete Alexander Neu (Die Linke), „um einen Regime-Change in Moskau und Minsk nach Kiewer Vorbild herbeizuführen.“

Die linke innerparteiliche Kritikerin der Grünen, Antje Vollmer, beklagt, „viele Führungskräfte in Politik und Medien“ in „den liberalen Demokratien westlichen Zuschnitts“ würden „in einer eigenen Blase, mit eigenen Wertmaßstäben“ leben und innereuropäische Konflikte, „ob mit Griechenland und Italien, ob mit Ungarn und Polen oder gar mit Russland“ würden „in der Regel vom hohen Ross eines moralischen Imperialismus ausgefochten“.

Diese Kritik richtet sich wohl nicht zuletzt an die Führung ihrer Partei, deren moralisches Überlegenheitsdenken gerne im Gewand „europäischer Werte“ daherkommt. Das gilt in besonderem Maß, wenn Vollmer die „fehlende Empathie gegenüber den gigantischen Problemen Russlands“ moniert, sowie die Ignoranz gegenüber den gesellschaftlichen Erfolgen der VR China, die die „großen Welt- und Daseinsprobleme offenbar wirksamer zu bewältigen versteht als die eigene Führungsmacht.“

Von ihren friedenspolitischen Ansätzen haben sich die Grünen bekanntlich schon lange verabschiedet. Auf dem Parteitag ließen sie nun auch das Nein zu Kampfdrohnen hinter sich. Im Programm verblieben ist noch die Ablehnung von Atomwaffen.

Ihr Nein zur „nuklearer Teilhabe“ und ihr Ja zum Atomwaffenverbot stehen allerdings im Widerspruch zu ihrem klaren uneingeschränkten Bekenntnis zur Nato. Das neue Wahlprogramm versucht nun Zeit zu gewinnen, indem es heißt, dass für eine Abkehr von der deutschen Atomwaffenpolitik „Zwischenschritte“ und „Gespräche im Bündnis nötig“ seien.

Ihre Parteistiftung ist hier schon weiter. Die Heinrich-Böll-Stiftung fordert in einem Aufruf, den sie zur Amtseinführung von US-Präsident Joe Biden veröffentlichte, neben einer weiteren „substantiellen Erhöhung“ des deutschen Militäretats und einem Ausbau der Nato, dass „Deutschland an der Nuklearen Teilhabe festhalten und nötige Modernisierungsschritte umsetzen“ müsse.

Unterzeichner und vermutlich Mitautoren sind auch zwei ranghohe Generäle der Bundeswehr. Einer von ihnen, Generalleutnant a.D. Heinrich Brauß war von Oktober 2013 bis Juli 2018 Beigeordneter Nato-Generalsekretär für Verteidigungspolitik und Streitkräfteplanung und als solcher im Jahr 2014 federführend mit der Neuausrichtung der Nato gegen Russland befasst.

„Regelbasierte Ordnung“ versus Völkerrecht

„Wir wollen uns gemeinsam für den weltweiten Menschenrechtsschutz und eine regelbasierte Weltordnung einsetzen“ heißt es im Wahlprogramm. Deutschland und EU sollen dazu „mehr außen- und sicherheitspolitische Verantwortung übernehmen“ ‒ die gängige Umschreibung für Großmachtstreben durch stärkere Aufrüstung und Interventionen in andere Länder.

Die gemeinsame Verteidigung der „regelbasierten internationalen Ordnung“, die von Peking und Moskau infrage gestellt würde, durchzog auch die Erklärungen auf den Gipfeln der G7 und der Nato. Der Begriff „regelbasierte Ordnung“ hat sich offensichtlich etabliert, um den Begriff Völkerrecht zu vermeiden.

Völkerrecht ist kodifiziertes Recht, festgelegt in der UN-Charta, UN-Konventionen und internationalen Verträgen, ergänzt durch Resolutionen des UN-Sicherheitsrates und der UN-Vollversammlung. Die „regelbasierte Ordnung“, von der die Nato-Mächte und die Grünen reden, ist schlicht die, die sie ‒ als „die Guten“ ‒ selbst festlegen. So gebührt es dem Hegemon und wird von den USA auch schon lange praktiziert.

Unter Berufung auf diese Ordnung will man auch weiterhin am Völkerrecht vorbei sich in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten einmischen, ihre Souveränität missachten, sie mit Wirtschaftsblockaden strangulieren oder gar militärisch intervenieren können.

Geradezu zynisch wird die Propaganda, wenn China und Russland vorgeworfen wird, „die Standards der internationalen Rechtsordnung“ nicht einzuhalten. Schließlich haben nicht sie Jugoslawien, den Irak oder Libyen überfallen und verstoßen mit ihrer Intervention in Syrien eklatant gegen internationales Recht.

„Regime Change“ und humanitäre Interventionen

Der Interventionismus der Grünen richtet sich bekanntlich nicht nur gegen Russland und China. Sie unterstützen auch aktiv die „Regime Change“-Bemühungen in Ländern wie Syrien, Venezuela und Bolivien. Die Interessen und politischen Wünsche der Bevölkerungsmehrheit spielen dabei keine Rolle und auch nicht, wie wenig fortschrittlich und demokratisch die oppositionellen Kräfte sind.

Ganz egal, ob es sich um Dschihadisten oder Erzreaktionäre handelt, Hauptsache sie versprechen die Unterordnung des jeweiligen Landes unter westliche Interessen.

Besonders deutlich wurde dies beim Umsturz 2014 in der Ukraine, wo sich führende Grüne auch durch die führende Rolle rechtsradikaler bis faschistischer Banden nicht von ihrer aktiven Unterstützung abschrecken ließen.

Sie stellten sich 2011 auch hinter den Nato-Krieg gegen Libyen und machten stets deutlich, dass es unter einem grünen Außenminister keine Enthaltung im UN-Sicherheitsrat bei der Resolution gegeben hätte, die als Legitimation für den Überfall genutzt wurde.

Folgerichtig machen sich die Grünen auch weiterhin für das Konzept der „Schutzverantwortung“ stark, auch, so heißt es im Wahlprogramm, unter „Anwendung militärischer Gewalt als Ultima Ratio“. Um solche „humanitären Interventionen“ auch dann durch ein UN-Mandat legitimieren zu können, „wenn das Vetorecht im Sicherheitsrat missbraucht“ würde, fordern sie eine Reform der UNO.

In diesem Fall soll die Generalversammlung an der Stelle des Sicherheitsrats über friedenserzwingende Maßnahmen mit qualifizierter Mehrheit beschließen. Eine Überwindung eines Vetos in dem von Nato-Staaten dominierten Sicherheitsrat durch eine Mehrheit der UNO klingt zunächst demokratisch.

Bei vielen Vetos der USA, die bisher die meisten Resolutionen blockierten, hätte man sich eine solche Möglichkeit gewünscht. Die Grünen haben jedoch die Vetos der Rivalen China und Russland im Blick und bauen darauf, dass der Westen noch immer über genügend Einfluss und Druckmittel verfügt, die nötigen Mehrheiten zu sichern.

Von den bisherigen Erfahrungen mit militärischen „Schutz-Interventionen“ der Nato-Staaten lassen sie sich nicht irritieren. Ob Irak, Jugoslawien oder Libyen, in allen Fällen, haben sich die Vorwürfe, mit denen die Kriege gerechtfertigt wurden, als falsch erwiesen. [4]

Die Folgen für die Menschen, die man angeblich schützen wollte, sind bis heute verheerend. Libyen ist das Paradebeispiel dafür. Der Nato-Krieg zum Sturz Muammar al-Gaddafis gilt schließlich als erster Anwendungsfall des 2005 durch die UNO eingeführte Konzept der „Schutzverantwortung“ („Responsibility to Protect“, abgekürzt R2P), das die etwas in Verruf geratene „humanitäre Intervention“ ablösen sollte.

Besser akzeptiert: Wirtschaftskriege

Bevorzugtes Mittel der Grünen, andere Länder auf den gewünschten Kurs zu bringen, sind zivile Zwangsmaßnahmen, wie Handels- und Wirtschaftsblockaden, die in der Öffentlichkeit wesentlich leichter akzeptiert werden. Sie stehen daher u.a. auch hinter den Wirtschaftskriegen gegen Venezuela und Syrien ‒ ungeachtet der verheerenden Auswirkungen für die dortige Bevölkerung.

Auch sie lasten diese zynisch den Regierungen der betroffenen Länder an und ignorieren dabei sorgfältig belegte Berichte von UNO- und Menschenrechts-Organisationen. Die bestehenden Syriensanktionen der EU und der USA würden die Versorgung des Landes mit Medikamenten und Lebensmitteln nicht erschweren, behauptete etwa der außenpolitische Sprecher Omid Nouripour in einer Pressemitteilung zum „Caesar Act“, mit der die USA im letzten Juni die Wirtschafts- und Finanzblockade massiv ausweiteten.

Die Untersuchungen des UN-Sonderberichterstatters über negative Auswirkungen einseitiger Zwangsmaßnahmen, Idriss Jazairy, der seine Ergebnisse am 31. Mai 2019 auf Einladung der IPPNW und der Linksfraktion auch in Berlin im Abgeordnetenhaus vorstellte, ergaben ein völlig anderes Bild. Statt durch Bomben würde die Menschen nun einen „stillen Tod“ erleiden, so sein düsteres Fazit.

Jazairy betonte immer wieder, dass es nicht nur zynisch und absurd ist, die Menschen, deren Rechte man angeblich schützen will, durch Blockaden ins Elend zu stürzen, sondern auch eklatant gegen internationales Recht verstoße.

Das sieht eine Mehrheit in der UNO genauso. Alfred de Zayas, der frühere UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte, verlangt sogar, dass der Internationale Gerichtshof die Wirtschaftssanktionen gegen Venezuela als mögliches Verbrechen gegen die Menschheit untersuchen soll.

Die Grünen stellen sich jedoch auch hier hinter die Haltung der USA und der EU: solange es den Syrern oder den Venezolanern nicht gelingt, ihre Regierung zu stürzen, haben sie auch kein Ende der Blockade und keine Hilfe zu erwarten.

Ihre Gastrednerin Albright würde es heute vermutlich nicht mehr so offen sagen, aber 1996 bejahte sie die Frage, ob das Irak-Embargo den Preis von einer halben Million Kinderleben wert sei.

Joachim Guilliard koordiniert das „Friedensbündnis Heidelberg“
und ist Mitglied des Deutschen Freidenker-Verbandes

Anmerkung:

[*] Dort unter dem Titel: „Der Nato und einer starken transatlantischen Allianz verpflichtet“

Fußnoten:

[1] Eine Suche auf https://www.gruene-bundestag.de nach Hongkong ergibt 78 Treffer, nach Gelbwesten keinen
[3] s. z.B. Diana Johnstone, Die Chaos-Königin ‒ Hillary Clinton und die Außenpolitik der selbsternannten Weltmacht, Westend Verlag, 2016

Bild: Ralf Lux unter Verwendung von:
– Logo B90/Grüne, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=27929058
– Symbol Panzer, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=2369572